OGH 9ObA13/16a

OGH9ObA13/16a26.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und KR Karl Frint als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer, Dr. Andreas Ruetz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2015, GZ 13 Ra 38/15h‑32, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 4. März 2015, GZ 76 Cga 39/14b‑26, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00013.16A.0126.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die von der beklagten Partei gegenüber der klagenden Partei am 22. Mai 2013 mit Kündigungsschreiben vom 13. Mai 2013 ausgesprochene Kündigung zum 31. August 2014 für rechtsunwirksam zu erklären, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.976,54 EUR (darin enthalten 462,09 EUR USt und 204 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der am ***** 8. 1949 geborene Kläger ist seit 1. 1. 2004 beim Beklagten als Angestellter beschäftigt. Mit Schreiben vom 13. 5. 2013 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. 8. 2014 auf. Der Betriebsrat hatte der Kündigung widersprochen.

Der Kläger bezog zuletzt ein Gehalt, das unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen umgerechnet auf 12 Monate 4.205 EUR netto monatlich betrug.

Ab 1. 9. 2014 hat er Anspruch auf eine ASVG‑Regelpension, diese betrug ab 1. 1. 2015 monatlich 2.894 EUR brutto. Darüber hinaus hat er Anspruch auf eine betriebliche Pension von 368,22 EUR brutto 14mal jährlich. Unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ergibt sich umgerechnet auf 12 Monate ein Durchschnittseinkommen von monatlich 2.722 EUR netto . Bei einem Pensionsantritt zum 1. 9. 2015 würde sich dieser Betrag auf 2.947 EUR netto erhöhen. Bei einem Pensionsantritt zum 1. 9. 2016 auf 3.089,92 EUR netto.

Die monatlichen Fixkosten des Klägers liegen bei 1.499,61 EUR , die laufenden Kosten für Kleidung, Essen, Benzin etc bei 1.000 EUR monatlich. Der Kläger hat Anspruch auf eine Abfertigung von 71.211,87 EUR netto. Aus der Mitarbeitervorsorgekasse wurden ihm 12.000 EUR ausbezahlt, da die Beiträge für den Rentenbezug zu gering waren.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger auch bei intensiver persönlicher Arbeitsplatzsuche mit hoher Wahrscheinlichkeit ab September 2014 innerhalb von 12 Monaten keinen seiner Qualifikation und bisherigen Tätigkeit vergleichbaren unselbständigen Arbeitsplatz finden kann. Es kann jedoch mit Wahrscheinlichkeit (ca 60 %) angenommen werden, dass er bei entsprechendem Einsatz ein monatliches Durchschnittseinkommen von zumindest ca 800 EUR netto 12 mal jährlich aus selbständiger Tätigkeit (Beiträge für verschiedene Medienunternehmen) erzielen kann.

Der Dienstposten des Klägers wurde nicht nachbesetzt. Seine Tätigkeiten wurden entweder nicht mehr oder von anderen Mitarbeitern erledigt, wodurch Überstunden anfallen können. Ob und in welcher Höhe durch die Kündigung Einsparungen erreicht werden konnten, kann nicht festgestellt werden. Die jährlichen Personalkosten für den Kläger betrugen ca 100.000 EUR bis 110.000 EUR.

Der Kläger begehrt die Unwirksamerklärung der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung, diese sei sozialwidrig. Er werde ausgehend von seiner beruflichen Spezifizierung keine vergleichbar honorierte Arbeit finden. Durch einen späteren Pensionsantritt würden sich seine Ansprüche wesentlich erhöhen. Sein Pensionsbezug zum Zeitpunkt der Aufkündigung würde inklusive der Zusatzpension aus der überbetrieblichen Pensionskasse nur rund 71,5 % seines letzten Aktivbezugs betragen. Bei einer Pensionierung mit 67 Jahren könne er mit einer rund 11,8 % höheren Pension rechnen. Mit diesem höheren Pensionsanspruch wäre es ihm leicht möglich, seine Lebenserhaltungskosten zu decken, was bei einem Pensionsbezug ab 1. 9. 2014 kaum möglich sei.

Der Beklagte bestritt und brachte vor, die ASVG‑Pension des Klägers sei ab 1. 9. 2014 nur geringfügig unter der ASVG‑Höchstpension. Durch diese und die zusätzliche Auszahlung aus der Pensionskasse könne er seine Lebenserhaltungskosten problemlos bestreiten, wobei ihm noch ein Restbetrag verbleibe. Aus einer Veranlagung seiner Abfertigung könne er mindestens einen Zinsertrag von 150 EUR netto monatlich erzielen. Auch stehe ihm bei Bezug einer Regelpension uneingeschränkt offen, weiter am Erwerbsleben teilzunehmen. Darüber hinaus gebe es betriebsbedingte Gründe für die Kündigung des Klägers, der Beklagte sei zu einer strukturellen Reduktion der Personalkosten gesetzlich verpflichtet. In den Rahmen dieser Maßnahmen falle die Einsparung des Arbeitsplatzes des Klägers, der nicht nachbesetzt worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Durch die Pensionierung erleide der Kläger einen Einkommensverlust von 35,27 %. Diesen könne er bei einer Weiterbeschäftigung von zwei Jahren auf ca 26 % reduzieren. Es sei daher von einer Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Klägers auszugehen, weshalb die Kündigung als sozial ungerechtfertigt anzusehen sei. Dem Beklagten sei nicht gelungen, unter Beweis zu stellen, dass die Kündigung des Klägers geeignet gewesen sei, eine Kostensenkung herbeizuführen, weshalb nicht von einer Betriebsbedingtheit der Kündigung auszugehen sei.

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht nicht Folge. Da der Kläger auch bei intensiver Arbeitsplatzsuche innerhalb von 12 Monaten keinen seiner Qualifikation und seiner bisherigen Tätigkeit entsprechenden unselbständigen Arbeitsplatz finden könne und die Wahrscheinlichkeit von 60 % für die Erzielung eines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit unter der Wahrscheinlichkeit, die für das Regelbeweismaß erforderlich sei, liege, sei nicht von einer zumutbaren Arbeitslosigkeit auszugehen.

Berechtigt sei der Einwand, dass ein Zinsertrag aus einer möglichen Veranlagung der Abfertigung als Einkommen zu berücksichtigen sei. Dieser könne aufgrund der Lage des derzeitigen Kapitalmarkts mit 1 % bis 1,5 %, sohin 60 EUR bis 90 EUR angesetzt werden. Das Nettoeinkommen des Klägers habe sich damit von 4.205 EUR (bereinigt auf 12 Auszahlungen pro Jahr) auf 2.812 EUR (14mal jährlich), also um 22 % reduziert. Der Ansicht des Erstgerichts, dass bei einem Nettopensionsbezug (gesetzliche Pension, Betriebspension) von 2.722 EUR und einem monatlichen Lebenserhaltungsaufwand von 2.499,61 EUR eine maßgebliche Beeinträchtigung der Interessen des Klägers bescheinigt sei, sei zuzustimmen. Daran ändere auch die Einbeziehung des Veranlagungserlöses aus der Abfertigung nichts. Personenbezogene Kündigungsgründe lägen nicht vor. Ob die Kündigung und wenn ja in welchem Umfang zu Einsparungen beim Beklagten geführt hätte, sei nicht erweisbar. Eine Rechtfertigung der Kündigung sei daher nicht gelungen.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen, da die Frage, ob eine konkrete Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtige, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstelle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Klarstellung zulässig und auch berechtigt.

1. Bei einer Kündigungsanfechtung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist im ersten Schritt zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer durch die Kündigung erhebliche soziale Nachteile entstehen, die über die „normale“ Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen (vgl RIS‑Justiz RS0051727 [T8, T11, T13]). In die Untersuchung, ob durch die Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden, ist nicht nur die Möglichkeit der Erlangung eines neuen einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes, sondern vielmehr die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers, wie Einkommen, Vermögen, Sorgepflichten etc einzubeziehen (RIS‑Justiz RS0051806; RS0051741). Es sind alle wirtschaftlichen und sozialen Umstände zueinander in Beziehung zu setzen und nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu gewichten (RIS‑Justiz RS0110944).

Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen ist dann erfüllt, wenn die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreicht, dass sie eine fühlbare, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zur Folge hat, ohne dass aber schon eine soziale Notlage oder Existenzgefährdung eintreten müsste (RIS‑Justiz RS0051727 [T3]). Gewisse Schwankungen der Einkommenslage muss jeder Arbeitnehmer im Laufe seines Arbeitslebens dagegen hinnehmen (RIS‑Justiz RS0051727 [T2]).

2. Bei Erreichen des Regelpensionsalters und Anspruch auf Regelpension ist der Kündigungsschutz nicht schon generell und jedenfalls auszuschließen, doch ist wegen der vom Gesetzgeber tolerierten Einkommenseinbußen, die mit jeder Pensionierung verbunden sind, und der Vorhersehbarkeit der Kündigung bei Erreichung des Regelpensionsalters bei Prüfung der Interessen ‑ beeinträchtigung ein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0119456). Davon ausgehend gibt es keine absolute Prozentgrenze der Einkommenseinbuße, bei deren Erreichung die Kündigung jedenfalls sozial ungerechtfertigt ist bzw bei deren Unterschreiten die Kündigung jedenfalls nicht wegen Interessenbeeinträchtigung angefochten werden kann. Ein überdurchschnittliches Einkommen rechtfertigt in der Regel prozentuell höhere Einkommensverluste als ein an sich schon niedriges Einkommen. Wesentlich ist immer, ob der Arbeitnehmer seine Lebenserhaltungskosten aus der Pension (bzw aus sonstigen berücksichtigungswürdigen Quellen) decken kann. Das wird bei Arbeitnehmern, die ein Einkommen erzielen, das deutlich über der Höchstbemessungsgrundlage liegt, jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn sie die mögliche „Höchstpension“ beziehen. Eine Summe, die der Sozialrechtsgesetzgeber als höchstzulässige Pensionshöhe ansieht, kann – für sich allein – nicht als „sozialwidrig“ angesehen werden (8 ObA 53/04h; vgl auch Lindmayr , Handbuch der Arbeitsverfassung, § 105 Rz 617; Laimer/Behras , Wegfall des kollektivvertraglichen Kündigungsschutzes bei Anspruch auf Alterspension diskrimierend?, RdW 2009/830; Stadler , Altersdiskriminierung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsvertrags, RdW 2010/702; Tinhofer , Der soziale Kündigungsschutz, Ausgewählte Grundsatzfragen mit Praxisrelevanz im Spiegel der neueren OGH‑Judikatur, ZAS 2008/8 [56]; kritisch Tomandl , ZAS 2006/5, der allgemein einen Kündigungsschutz nach § 105 ArbVG nach Erreichen des Regelpensionsalters verneint).

In der Entscheidung 8 ObA 53/04h, in der im Wesentlichen diese Grundsätze entwickelt und in Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur und Judikatur dargestellt wurden, wurde eine derartige Interessenbeeinträchtigung trotz Erreichung des Regelpensionsalters bejaht, weil die Nettoeinkommenseinbuße der dortigen Klägerin rund 50 % betrug und die Pension nur ihre Fixkosten abdeckte.

In der Entscheidung 9 ObA 54/12z wurde darauf verwiesen, dass eine Einkommenseinbuße von 30 % bei einem geringeren Einkommen für die Wesentlichkeit der Interessenbeeinträchtigung ausschlaggebend sein könne, dagegen dies bei einem höheren Einkommen noch nicht der Fall sein müsse. Trotz Einkommenseinbußen von 40 % verblieben dem dortigen Kläger und seiner Frau unter Zugrundelegung des Familieneinkommens nach Abzug der Ausgaben ca 900 EUR. Bei dieser finanziellen Situation sei der Kläger aber nach den Grundsätzen der Rechtsprechung jedenfalls abgesichert und zur Aufrechterhaltung seiner Existenz auch nicht auf sein Arbeitseinkommen aus dem Dienstverhältnis angewiesen. Ausdrücklich offen gelassen wurde in dieser Entscheidung, ob nur mögliche Zinseinkünfte aus einer Abfertigung zu berücksichtigen seien oder der Kapitalbetrag für die Bestreitung laufender Aufwendungen heranzuziehen sei.

3. Im vorliegenden Fall wurde der Kläger zu einem Zeitpunkt gekündigt, zu dem er das Regelpensionsalter erreicht hatte und ein Anspruch auf Alterspension bestand. Die Möglichkeit, einen vergleichbaren Arbeitsplatz in absehbarer Zeit zu finden, besteht nicht.

Dem bei aufrechter Beschäftigung (umgerechnet auf 12 Monate) zu erzielenden monatlichen Nettoeinkommen von 4.205 EUR (inklusive Betriebspension) steht ein Pensionseinkommen von 2.722 EUR gegenüber (irrtümlich ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dieser Betrag 14mal jährlich bezogen wird, tatsächlich wurde er bereits auf 12 Monate umgerechnet). Berücksichtigt man weiters den vom Berufungsgericht richtigerweise hinzugerechneten Zinsertrag aus der Abfertigung von 60 EUR bis 90 EUR monatlich und weiters den Zinsertrag aus der Auszahlung aus der Mitarbeitervorsorgekasse von ca 10 EUR bis 15 EUR, also durchschnittlich 90 EUR monatlich, ergibt sich ein monatlich zu berücksichtigender Betrag von 2.812 EUR. Der Einkommensverlust beträgt daher ca 33 %.

Ausgehend von den Fixkosten und den festgestellten laufenden Kosten von insgesamt 2.500 EUR verbleiben dem Kläger monatlich 312 EUR.

Auch nach Wegfall des Aktivbezugs ist ihm daher die Abdeckung seiner Lebenserhaltungskosten grundsätzlich möglich, ohne dass eine Einbeziehung der Abfertigung oder eine Berücksichtigung der Möglichkeit, aus selbständiger Tätigkeit Nebeneinkünfte zu erzielen, erforderlich ist.

Zu Recht hat der Beklagte auch darauf hingewiesen, dass die vom Kläger insgesamt bezogene Pension (ASVG-Pension und Betriebspension) über der Höchstpension nach dem ASVG liegt. Diese betrug – wie vom Berufungsgericht unbestritten dargestellt – 80 % der Höchstbemessungsgrundlage 2014 3.135,94 EUR brutto (Höchstbemessungsgrundlage auf Basis der „besten 26 Jahre“ 3.919,93 EUR) und 2015 3.226,50 EUR brutto (Höchst ‑ bemessungsgrundlage auf Basis der „besten 27 Jahren“: 4.033,14 EUR). Es muss jedoch – wie bereits ausgeführt – davon ausgegangen werden, dass ein vom Sozialrechtsgesetzgeber angenommener Grenzbetrag für die Regelpension, den der Arbeitnehmer im Normalfall nicht mehr beeinflussen kann, trotz der sonst gebotenen subjektiven Betrachtungsweise – ohne besondere berücksichtigungs ‑ würdige Gründe, die im konkreten Fall nicht vorliegen – eine Grenze der Sozialwidrigkeit bedeutet.

Dass es dem Kläger (aufgrund des Bezugs einer betrieblichen Pension) dessen ungeachtet möglich ist, durch längere Arbeit eine höhere Gesamtpension zu erzielen, ändert daran nichts.

Bei Betrachtung der Gesamtumstände, ist daher hier nicht davon auszugehen, dass der Kläger durch die Kündigung im Sinn des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG in wesentlichen Interessen beeinträchtigt wäre. Daher erübrigt sich eine Prüfung der Betriebsbedingtheit der Kündigung im Sinn des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG.

4. Der Kläger hat sich auch noch auf eine Diskriminierung wegen des Alters berufen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH entspricht es einem legitimen Ziel, aus beschäftigungspolitischen Gründen Arbeitnehmer mit Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters zu kündigen, auch um jüngeren Arbeitnehmern den Eintritt in das Berufsleben zu erleichtern oder eine ausgewogene Altersstruktur zu erreichen (EuGH 16. 10. 2007, C-411/05 , Palacios de la Villa , Rn 77; EuGH 21. 7. 2011, C‑159/10, C-160/10 , Fuchs/Köhler , Rn 66). In der Entscheidung vom 12. 10. 2010, C-45/09 , Rosenbladt verwies der EuGH darauf, dass Altersklauseln wie in dem dort zu beurteilenden Tarifvertrag Ausdruck eines in Deutschland seit Jahren bestehenden politischen und sozialen Konsenses und auch in anderen Staaten anerkannt seien. Der Konsens beruhe vor allem auf dem Gedanken einer Arbeitsteilung zwischen den Generationen. Diese Klauseln verfolgten daher ein legitimes Ziel (Rn 43 f). Dem Umstand, dass die Branche, in der die (dortige) Klägerin tätig gewesen sei, durch gering vergütete Beschäftigungsverhältnisse und Teilzeitarbeit gekennzeichnet sei, weshalb die gesetzlichen Altersrenten nicht für den Lebensunterhalt der Arbeitnehmer ausreiche, maß der EuGH keine besondere Bedeutung bei, da das deutsche Arbeitsrecht einer Person, die ein Alter erreicht hat, in dem sie ihre Rente beantragen kann, die Fortführung einer Berufstätigkeit nicht untersage und auch solche Arbeitnehmer den Schutz gegen Diskriminierungen wegen des Alters genießen (Rn 71 ff).

Dementsprechend hat auch der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass keine Diskriminierung aufgrund des Alters vorliegt, wenn etwa ein Vertragsbediensteter nach Erreichung des 65. Lebensjahres gekündigt wird (RIS-Justiz RS0121536). Die Festlegung eines Pensionsalters, das auf einer sozialpolitischen Bewertung beruht, dient nicht nur dazu, das Arbeitseinkommen im erforderlichen Ausmaß zu ersetzen, wenn das Risiko „Alter“ dazu führt, dass dem Arbeitnehmer die Arbeit nicht mehr zugemutet werden kann, sondern verfolgt zweifelsohne auch den Zweck, jungen Menschen, deren Existenz andersweitig noch nicht gesichert ist, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. Dabei handelt es sich um ein auch mit der Rechtfertigungsbestimmung der Richtlinien in Deckung zu bringendes sozialpolitisches Ziel. Daraus, dass der Arbeitnehmer nur eine Mindestpension zu erwarten habe, könne noch keine Unverhältnismäßigkeit abgeleitet werden (9 ObA 131/05p).

Ausgehend von diesen, auch vom erkennenden Senat geteilten Grundsätzen, stellt die Kündigung des Klägers bei Erreichung des Regelpensionsalters auch keinen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters dar.

5. Der Revision des Beklagten war daher Folge zu geben und die Klage in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 58 Abs 1 ASGG.

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