OGH 26Os3/16k

OGH26Os3/16k13.1.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 13. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichterin Dr. Klaar, den Anwaltsrichter Mag. Dr. Schimik sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufungen des Beschuldigten und des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 27. November 2014, AZ D 41/13, 92/13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des stellvertretenden Kammeranwalts Dr. Roehlich und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0260OS00003.16K.0113.000

 

Spruch:

Der Berufung des Beschuldigten wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben.

Der Berufung des Beschuldigten wegen Strafe, nicht aber jener des Kammeranwalts wird Folge gegeben und über den Beschuldigten eine Geldbuße von 4.000 Euro verhängt.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt (a und b) und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (a) nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

Demnach hat er am 27. März 2012 von Graham C***** einen Treuhanderlag über GBP 700.000 entgegengenommen und

a) entgegen den Vereinbarungen im Treuhandauftrag ohne schriftliche Anweisung des Treugebers im Zeitraum März bis Juli 2012 über 762.416,76 Euro zu Lasten des Treuhanderlags verfügt und den Treuhanderlag trotz ausdrücklicher schriftlicher Anweisung des Treugebers vom 24. Juli 2012 nicht an diesen zurückerstattet sowie

b) die übernommene Treuhandschaft nicht über das Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer ***** abgewickelt, insbesondere weder dem Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer ***** gemeldet noch eine Untersagungserklärung für eine solche Abwicklung eingeholt.

Er wurde hiefür zur Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten verurteilt, wobei die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bedingt nachgesehen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe sowie die Berufung des Kammeranwalts wegen Strafe.

1. Die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld verfehlt ihr Ziel.

1.1 Soweit das Berufungsvorbringen der Sache nach auf eine Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) hinausläuft, ist ihm zu erwidern:

Der Disziplinarrat traf die zentrale Feststellung, dass eine Ermächtigung des Beschuldigten durch Graham C*****, entgegen dem Inhalt der schriftlichen Treuhandvereinbarung ohne entsprechende Anweisung vorzugehen, nicht Gegenstand der am 23. März 2012 geführten Telefonkonferenz war (ES 5 vierter Absatz). Diese Konstatierung stützte der Disziplinarrat, logisch und empirisch einwandfrei, gar wohl auch auf die in der Disziplinarverhandlung verlesene (ON 35 S 8 zweiter Absatz), vom Beschuldigten nunmehr isoliert dargestellte Aussage des Genannten in der Streitverhandlung vom 25. November 2013 vor dem Handelsgericht Wien (AZ 29 Cg 112/12h; ES 7 vierter Absatz; § 281 Abs 1 Z 5 zweiter und vierter Fall StPO). Dem Gebot gedrängter Darstellung folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war der Disziplinarrat nicht gehalten, den vollständigen Inhalt der Aussage im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit er für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante spreche und sich solcherart mit den Beweisergebnissen in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0106642, RS0098778, RS0106295). Dies gilt auch für die in der Berufung aus dem Gesamtzusammenhang gelöste Passage, wonach der Beschuldigte Graham C***** mitgeteilt habe, „dass es rechtlich nicht mehr sein Geld wäre, wenn er es überwiesen habe“ (PS 7 letzter Absatz).

Nicht zu ersehen ist, weshalb die vom Disziplinarrat ohnedies berücksichtigte Vereinbarung des Graham C***** mit der P***** AG in Ansehung der nachher zwischen jenem und dem Beschuldigten abgeschlossenen Treuhandvereinbarung im gegebenen Zusammenhang einer näheren Erörterung bedurft hätte (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO).

Beim weiteren Vorbringen nimmt die Berufung nicht, was aber zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Begründungsmangels erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0130729), konkret auf jene Feststellungen Bezug, auf die sich der Mangel beziehe.

Ebenso wenig an den gesetzlichen Anfechtungskategorien orientiert sind der Hinweis des Beschuldigten auf die Zurückweisung seiner außerordentlichen Revision gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Wien durch den Obersten Gerichtshof im September 2015 und sein Vorbringen zu der daraufhin bezüglich der Rückzahlung des Treuhandbetrags geführten Korrespondenz. Gleiches gilt für die vorgetragenen Spekulationen zur Finanzkraft des Graham C***** und zu angeblichen über die Beweiswürdigung hinausgehenden Beweggründen des Disziplinarrats für seine Feststellungen.

Ein Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) wird demnach nicht aufgezeigt.

1.2 Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld iSd § 464 Z 2 erster Fall StPO weckt keine Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den vom Disziplinarrat festgestellten entscheidenden Sachverhalt.

Dass die E***** mit Graham C***** am 26. März 2012 eine Vereinbarung abschloss, die Letztgenannten verpflichtete, den investierten Betrag zumindest zwölf Monate ab dem Überweisungsdatum der P***** AG zur Verfügung zu stellen (ES 5 sechster Absatz), bildet für die Beurteilung des ausschließlich zwischen dem Beschuldigten und Graham C***** abgeschossenen Treuhandvertrags keinen erheblichen Umstand. Gleiches gilt für eine zwischen Graham C***** und der P***** AG abgeschlossene Vereinbarung vom 21. März 2012.

Soweit der Beschuldigte die Feststellung bekämpft, wonach er für die teilweise Auszahlung des Bargelderlags an dritte Personen keine Ermächtigung durch Graham C***** hatte (ES 6 zweiter Absatz), bleibt offen, inwieweit dem ins Treffen geführten Aspekt Relevanz zukommen soll, dass jener der P***** AG Vollmachten erteilt habe und am 11. April 2012 in seiner Abwesenheit das Investitionsvorhaben mit weiteren Personen besprochen worden sei.

Auch der Einwand des Beschuldigten, selbst Opfer krimineller Machenschaften geworden zu sein, vermag keine Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu begründen.

1.3 Soweit sich die Berufung gegen die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts wendet (der Sache nach aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO), ist ihr zu erwidern:

Weshalb die entgegen dem vereinbarten Schriftlichkeitsgebot (ES 4 letzter Absatz) formfreien mündlichen Angaben vom 23. März 2012 ein einverständliches Abgehen vom Treuhandvertrag indizieren sollen, legt die Berufung nicht dar. Sie lässt auch offen, warum der Beschuldigte Feststellungen darüber vermisst, in wessen wirtschaftlichem Eigentum die M***** steht (vgl ES 5 f). Unklar bleibt zudem, weswegen der festgestellte Beitrag des Beschuldigten zur Aufklärung strafbaren Verhaltens anderer Personen und Konstatierungen zu Strafanzeigen des Beschuldigten für die Schuld- und die Subsumtionsfrage in Ansehung der inkriminierten Verletzungen der Treuhandvereinbarung erheblich sein sollen. Inwiefern entscheidend sei, ob Graham C***** durch Tathandlungen des Beschuldigten „einem hohen wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt“ war und ob der Treuhanderlag in der Folge rückerstattet wurde, ist aus dem Vorbringen nicht erkennbar. Die in der Rechtsrüge behauptete rechtliche Konsequenz ist aber aus dem Gesetz methodengerecht abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116565).

Die Rechtsrüge orientiert sich des Weiteren prozessordnungswidrig nicht an den getroffenen Feststellungen. Demnach waren dem Beschuldigten Verfügungen über den Treuhanderlag nur nach vorangehender schriftlich – hier jedoch nicht gegebener – Anweisung durch Graham C***** gestattet. Indem der Beschuldigte auf im Disziplinarverfahren verlesene (ON 35 S 8 zweiter Absatz) Angaben verweist, anstatt vom festgestellten Sachverhalt auszugehen, verlässt er den gegebenen Anfechtungsrahmen. Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erfordert striktes Festhalten an dem im Disziplinarerkenntnis festgestellten Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0099658). Auch soweit der Beschuldigte mehrfache Täuschungen durch andere Personen releviert, orientiert er sich prozessordnungswidrig nicht an den getroffenen Feststellungen.

Das Vorbringen über Einzelheiten der Treuhandvereinbarung sowie über Fragen nach einer Übersetzungspflicht betreffend „Vorschriften und Formularien in die jeweilige Sprache des allfälligen Klienten“ geht ebenso wie die in der Berufung angestellten Spekulationen über mögliche Geschehensabläufe bei anderem als dem inkriminierten Verhalten an der Bestimmung des § 10a Abs 2 erster Satz RAO vorbei, wonach die Treuhandschaft (abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmen, vgl § 10a Abs 2 zweiter Satz RAO) über eine von der Rechtsanwaltskammer zu führende Treuhandeinrichtung abzuwickeln ist, wenn der Treuhanderlag einer Treuhandschaft einen Betrag von 40.000 Euro übersteigt.

Nicht zielführend ist der Einwand, es fehle an Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Disziplinarvergehen können auch fahrlässig begangen werden (vgl RIS‑Justiz RS0120395, RS0056913; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 DSt § 1 S 855 f; jüngst 24 Os 6/15k, 24 Os 4/16t).

Der Beschuldigte hat durch die konstatierten Tathandlungen die in § 11 Abs 1 RAO normierte Pflicht verletzt, wonach er seine Verpflichtungen aus einem ihm anvertrauten Treuhandgeschäft mit Treue und Gewissenhaftigkeit zu erfüllen hat (idS schon ES 10 f).

Der Berufung wegen Schuld war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur nicht Folge zu geben.

2. Die Berufung des Beschuldigten wegen Strafe, nicht aber jener des Kammeranwalts kam Berechtigung zu.

Bei der Strafbemessung waren ausgehend von der nicht unbeträchtlichen Täterschuld einerseits die doppelte Qualifikation der Tat laut Schuldspruch a sowohl als Berufspflichtenverletzung als auch als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes sowie die Begehung eines weiteren Disziplinarvergehens (Schuldspruch b) als erschwerend zu werten, andererseits der zuvor ordentliche Lebenswandel und zudem als mildernd zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte den gesamten Schaden letztlich gutgemacht hat und das Disziplinarverfahren aus einem nicht vom Beschuldigten oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat (§ 34 Abs 2 StGB). Dem entsprechend war eine Geldbuße (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) zu verhängen, die mit 4.000 Euro auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten hinreichend berücksichtigt (§ 16 Abs 6 DSt).

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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