OGH 10ObS134/16b

OGH10ObS134/16b20.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Schramm und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 31. August 2016, GZ 12 Rs 82/16i‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00134.16B.1220.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die Klägerin bewohnt mit ihrem Lebensgefährten das Erdgeschoß eines Zweifamilienhauses, welches der Lebensgefährte im Jahr 2008 an seinen Sohn verkauft hatte. Im Rahmen des Verkaufs war ursprünglich die Zahlung einer Miete von (monatlich) 350 EUR vereinbart worden. Später wurde vereinbart, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte keine Miete mehr zahlen, dafür aber den Sohn des Lebensgefährten und dessen (dreiköpfige) Familie verköstigen, deren Wäsche waschen und auch die Gartenpflege übernehmen.

Die Klägerin trägt die Lebenshaltungskosten gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten grundsätzlich je zur Hälfte. Einzige Ausnahme davon sind die Aufwendungen für Lebensmittel und Bedarfsgüter des täglichen Lebens. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte wenden dafür 800 EUR monatlich auf, die die Klägerin zu einem Drittel und ihr Lebensgefährte zu zwei Dritteln tragen. Mit diesen Lebensmitteln werden die Klägerin, ihr Lebensgefährte und dessen Familie verköstigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. 10. 2015 stellte die Beklagte die Ausgleichszulage in Höhe von 107,66 EUR monatlich ab 1. 9. 2015 zur Pension der Klägerin neu fest.

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Ausgleichszulage in Höhe von 326,03 EUR für den Zeitraum von 1. 9. 2015 bis 31. 12. 2015 sowie in Höhe von 336,50 EUR ab 1. 1. 2016.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung der Beklagten teilweise dahin ab, dass es der Klägerin eine Ausgleichszulage in Höhe von 257,03 EUR monatlich von 1. 9. 2015 bis 31. 12. 2015 und von 267,50 EUR monatlich ab 1. 1. 2016 zuerkannte. Das Mehrbegehren von 69 EUR pro Monat an Ausgleichszulage wies das Berufungsgericht ab.

Da der Lebensgefährte der Klägerin die Aufwendungen von 800 EUR für Lebensmittel und Bedarfsgüter des täglichen Lebens zu zwei Dritteln trage, käme diese Zuwendung in Höhe von einem Sechstel (133,33 EUR) zwar grundsätzlich der Klägerin zugute, weil sie sich in dieser Höhe einen Aufwand erspare. Im konkreten Fall sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte vereinbarungsgemäß die Miete ua durch die Verköstigung der Familie des Sohnes des Lebensgefährten bezahlten. Der auf die Klägerin entfallende Anteil an Lebensmittelkosten betrage daher nur 160 EUR monatlich (800 : 5), obwohl sie tatsächlich ein Drittel der Kosten für Lebensmittel (rund 266 EUR) bezahle, daher um 106 EUR mehr pro Monat als dies für ihren Eigenbedarf erforderlich wäre. Nach der ursprünglichen Vereinbarung hätte die Klägerin monatlich die Hälfte der Miete (175 EUR) an den Sohn ihres Lebensgefährten zu zahlen, die sie nunmehr gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten durch die Verköstigung der Familie des Sohns sowie durch Wäschewaschen und Gartenpflege abgelte. Zur „Miethälfte“ trage die Klägerin aber monatlich nur 106 EUR an Lebensmittelkosten bei, sodass die Differenz – 69 EUR pro Monat – als bedarfsmindernde Zuwendung des Lebensgefährten der Klägerin zu berücksichtigen sei, weil dieser zwei Drittel der Kosten der Lebensmittel und Bedarfsgüter des täglichen Lebens trage. Dem Klagebegehren sei daher mit Ausnahme eines Betrags von 69 EUR an Ausgleichszulage monatlich stattzugeben.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Im Ausgleichszulagenrecht fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dem Ausgleichszulagenbezieher unter Anwendung des Familienrichtsatzes das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten nach der Art einer zwischen Ehegatten (eingetragenen Partnern), die im gemeinsamen Haushalt leben, bestehenden engen Wirtschaftsgemeinschaft zuzurechnen. Im Fall einer Lebensgemeinschaft kommt daher nur die Berücksichtigung im Einzelnen festgestellter, bedarfsmindernder Zuwendungen des Lebensgefährten in Betracht (10 ObS 147/15p mwH; RIS‑Justiz RS0120158 [T1]). Diese Rechtsprechung hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung beachtet, sie wird von der Revisionswerberin nicht in Frage gestellt.

2.1 Die Revisionswerberin rügt die Verwertung der vom Erstgericht getroffenen überschießenden Feststellungen zur Miete durch das Berufungsgericht, weil dem kein entsprechendes Vorbringen der Beklagten zugrunde liege.

2.2 Die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist beziehungsweise wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, sofern das Berufungsgericht zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (RIS‑Justiz RS0042828 [T27]). Die Beklagte hat ausdrücklich vorgebracht, dass der Lebensgefährte der Klägerin die Kosten für Lebensmittel im Ausmaß von zwei Dritteln trägt. Gemäß § 87 Abs 1 ASGG besteht die Verpflichtung des Gerichts zur amtswegigen Beweisaufnahme über Umstände, für deren Vorliegen sich aus den Ergebnissen des Verfahrens Anhaltspunkte ergeben (RIS‑Justiz RS0042477 [T6] ua; Neumayr in ZellKomm 2 § 87 ASGG Rz 3 mwH). Ausgehend davon ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Beklagte in noch ausreichender Weise vorgebracht habe, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung der zur Begleichung der Kosten der Miete getroffenen festgestellten Vereinbarungen ausgleichszulagenrechtlich relevante bedarfsmindernde Zuwendungen durch ihren Lebensgefährten erhalten hat, vertretbar.

3.1 Die Revisionswerberin argumentiert, das Berufungsgericht habe übersehen, dass die ursprünglich vereinbarte Miete von 350 EUR monatlich nunmehr durch eine kombinierte Sach‑ und Dienstleistung beglichen werden; berücksichtige man nicht nur die Sachleistung, sondern bewerte man auch die Dienstleistung des Wäschewaschens und der Gartenpflege, sei die ursprüngliche Miete damit abgegolten.

3.2 Die Revisionswerberin zeigt mit diesen Ausführungen keine erhebliche Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts nach den im konkreten Einzelfall getroffenen Feststellungen auf. Danach ist davon auszugehen, dass die anstelle der Begleichung der Miete vereinbarten Gegenleistungen nur betreffend die Lebensmittelkosten „übermäßig“ vom Lebensgefährten der Klägerin getragen werden. Dies gilt nicht für die vereinbarten Dienstleistungen, die von beiden je zur Hälfte zu tragen sind, sodass daraus keine bedarfsmindernde Zuwendung des Lebensgefährten an die Klägerin resultiert. An Kosten für Lebensmittel und Bedarfsgegenstände des Alltags, die der Lebensgefährte zu zwei Dritteln trägt, leisten er und die Klägerin monatlich 480 EUR an den Sohn des Klägers und seine Familie (3 x 160 EUR), sodass allein dieser Geldbeitrag die ursprünglich vereinbarte Miete von 350 EUR übersteigt. Vor diesem Hintergrund ist das Berufungsgericht hier in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass diese Zahlungen des Lebensgefährten in Höhe des Differenzbetrags zwischen den von der Klägerin tatsächlich über ihren eigenen Bedarf hinaus geleisteten monatlichen Kosten für Lebensmittel zu der von ihr anteilig abzugeltenden Miethälfte ihr in bedarfsmindernder Weise zukommen.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

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