OGH 10ObS147/15p

OGH10ObS147/15p22.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Mag. Christoph Arnold, Mag. Fiona Arnold, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 16. Oktober 2015, GZ 25 Rs 77/15g‑13, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 16. Juni 2015, GZ 65 Cgs 21/15x‑8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00147.15P.0222.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der 1950 geborene Kläger bezieht von der beklagten Partei eine Pension. Diese betrug 2011 und 2012 jeweils 405,70 EUR; im Jahr 2013 413 EUR und im Jahr 2014 419,61 EUR jeweils brutto monatlich. Seit 1. 1. 2015 beträgt die Höhe der Pension 426,74 EUR brutto monatlich.

Vom 1. 4. 2011 bis 31. 12. 2014 erhielt der Kläger von der beklagten Partei eine monatliche Ausgleichszulage in folgender Höhe:

2011: 387,70 EUR (zuzüglich Sonder-zahlungen 4/11 64,62 EUR und Sonderzahlungen 10/11 387,70 EUR)

2012: 409,12 EUR (14‑mal jährlich)

2013: 424,63 EUR (14‑mal jährlich)

2014: 1. 1. bis 31. 10.: 438,12 EUR (zuzüglich Sonderzahlungen 4/14 und 10/14 in Höhe von jeweils 438,12 EUR)

1. 11. bis 30. 11.: 0 EUR

1. 12. bis 31. 12.: 200 EUR.

Seit 2010 lebt der Kläger mit E***** in einer Lebensgemeinschaft. Beide Lebensgefährten tragen alle laufenden Kosten (Miet‑, Betriebs‑, Strom‑, Heizungs‑, Telefon‑ und Fernsehkosten) sowie auch die Kosten für Lebensmittel in Höhe von ca 600 EUR monatlich je zur Hälfte. Der Kläger zahlt daher ca 300 EUR monatlich.

Nachdem die beklagte Partei erstmals im September 2014 von der Lebensgemeinschaft des Klägers erfahren hatte, setzte sie mit Bescheid vom 2. 2. 2015 die Ausgleichszulage ab 1. 4. 2011 mit 189,08 EUR; ab 1. 1. 2012 mit 205,14 EUR; ab 1. 1. 2013 mit 214,94 EUR; ab 1. 1. 2014 mit 223,40 EUR und ab 1. 1. 2015 mit 227,20 EUR neu fest und forderte den sich dadurch ergebenden Überbezug im Zeitraum 1. 4. 2011 bis 31. 12. 2014 in Höhe von 10.140,53 EUR zurück. Aufgrund der Neufestsetzung entstandene Ansprüche des Klägers wegen zu viel abgezogener Krankenversicherungsbeiträge und wegen Nachzahlungen aus Jahresausgleichen von insgesamt 1.162,12 EUR wurden mit den Überzahlungen an Ausgleichszulage aufgerechnet, sodass sich eine verbleibende Überzahlung von 8.461,07 EUR ergab. Dieser Betrag sollte durch Abzug von monatlich 44 EUR von der zustehenden Ausgleichszulage und durch Abzug der Hälfte der Sonderzahlungen zurückerstattet werden. Als Begründung wurde im Bescheid zusammengefasst ausgeführt, dass bei einer Lebensgemeinschaft bestimmte Fixkosten (Miete, Strom, Heizkosten usw) nur einfach auflaufen würden. Im Hinblick auf die daraus folgende Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung gelte die halbe Differenz zwischen dem doppelten Einzelrichtsatz und dem Familienrichtsatz als weiteres Einkommen, sofern infolge der gemeinsamen Lebensführung keine tatsächliche Trennung dieser Kosten möglich bzw nachweisbar sei. Davon ausgehend ergäben sich die neu errechneten Ansprüche auf Ausgleichszulage bzw die daraus erfließenden Überbezüge.

Gegen diesen Bescheid richtete der Kläger seine rechtzeitig erhobene Klage, in der er die Feststellung begehrt, dass sowohl die Neufestsetzung als auch die Rückforderung der Ausgleichszulage zu Unrecht erfolgt sei und die beklagte Partei verpflichtet sei, ihm die Ausgleichszulage ab 1. 4. 2011 bzw ab 1. 1. 2015 in der gesetzlichen Höhe zu gewähren. Der Kläger brachte zusammengefasst vor, er habe gegen seine Lebensgefährtin keine Unterhaltsansprüche. Die von der beklagten Partei angestellte Berechnung entbehre jeder gesetzlichen Grundlage. Eine Anrechnung des Einkommens der Lebensgefährtin sei deshalb zu Unrecht erfolgt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte zusammengefasst vor, auch wenn in einer Lebensgemeinschaft ‑ anders als aus einer Ehe ‑ kein direkter Unterhaltsanspruch gegen den Partner bestehe, sei doch davon auszugehen, dass Lebensgefährten gemeinsam wirtschaften. Bei Vorliegen einer Lebens‑, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft habe daher jedenfalls eine Anrechnung zu erfolgen. Aus sozialen Gründen werde die Anrechnung wie im Bescheid ausgeführt vorgenommen. Die Methode, 50 % der Differenz zwischen dem doppelten Einzelrichtsatz und dem Familienrichtsatz anzurechnen, stelle ein Entgegenkommen der Sozialversicherung dar und sei für den Betroffenen jedenfalls günstiger. Der angefochtene Bescheid sei daher in Beachtung der Sach‑ und Rechtslage ergangen.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger zur Pension die Ausgleichszulage in folgender Höhe zu gewähren und zwar:

ab 1. 4. 2011 in Höhe von 260,95 EUR;

ab 1. 1. 2012 in Höhe von 278,95 EUR;

ab 1. 1. 2013 in Höhe von 290,81 EUR;

ab 1. 1. 2014 in Höhe von 301,09 EUR und

ab 1. 1. 2015 in Höhe von 306,21 EUR (Punkt 1 des Urteilsspruchs).

Weiters stellte das Erstgericht fest, dass im Zeitraum 1. 4. 2011 bis 31. 12. 2014 ein Überbezug an Ausgleichszulage in Höhe von brutto 6.226,76 EUR bzw netto 5.909,19 EUR entstanden sei (Punkt 2 des Spruchs). Der aufgrund der Verminderung an Ausgleichszulage zu viel abgezogene Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 317,56 EUR sowie die gebührenden Nachzahlungen der Jahresausgleiche für die Jahre 2011 bis 2013 in Höhe von insgesamt 1.162,12 EUR (2011: 376,98 EUR; 2012: 387,15 EUR und 2013: 397,99 EUR) würden mit der Überzahlung an Ausgleichszulage aufgerechnet (Punkt 3 des Urteilsspruchs). Der verbleibende Überbezug von netto 4.747,07 EUR sei durch Aufrechnung mit den laufenden Leistungen des Klägers in monatlichen Raten von 44 EUR zuzüglich der Hälfte der Pensionssonderzahlungen ab 1. 4. 2015 zu tilgen (Punkt 4 des Spruchs). Das darüber hinausgehende Klagebegehren wurde abgewiesen (Punkt 5 des Spruchs). Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, bei der Berechnung der Ausgleichszulage sei eine Lebensgemeinschaft infolge der damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile jedenfalls zu berücksichtigen. Die von der beklagten Partei angewendete Berechnungsmethode, den Familienrichtsatz und den doppelten Einzelrichtsatz heranzuziehen laufe aber im Ergebnis auf eine unzulässige Anrechnung des Einkommens der Lebensgefährtin des Klägers hinaus. Richtigerweise dürfe eine Anrechnung nur für „die freie Station“ erfolgen. Da der Kläger die Hälfte aller monatlich anfallenden Kosten trage, sei es sachgerecht, ihm den halben Wert der freien Station anzurechnen und so die Ausgleichszulage zu ermitteln. Bei dieser Berechnungsmethode ergäben sich die im Spruch ersichtlichen Beträge.

Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung der beklagten Partei keine Folge, jener der klagenden Partei gab es hingegen teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass sie unter Einschluss ihres bestätigten Teils lautete, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei eine monatliche Ausgleichszulage zur Pension in folgender Höhe zu gewähren:

ab 1. 4. 2011: 387,70 EUR

ab 1. 1. 2012: 409,12 EUR

ab 1. 1. 2013: 424,63 EUR

ab 1. 1. 2014: 438,12 EUR

ab 1. 1. 2015: 445,57 EUR

Weiters stellte das Berufungsgericht fest, dass der von der beklagten Partei erhobene Anspruch auf Rückersatz der an die klagende Partei für den Zeitraum vom 1. 4. 2011 bis 31. 12. 2014 geleisteten Zahlungen an Ausgleichszulage im Betrag von 10.140,53 EUR nicht zu Recht bestehe. Das Mehrbegehren festzustellen, dass die von der beklagten Partei vorgenommene Neufeststellung der Ausgleichszulage zu Unrecht erfolgt sei, wies es ab.

Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, dass das Einkommen eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten einem Ausgleichszulagenbezieher nicht zuzurechnen sei. Verfüge der Ausgleichszulagenbezieher im Rahmen einer Lebens-gemeinschaft aber über eine „freie Station“, erspare er sich den dafür notwendigen Geldaufwand, sodass der Wert der freien Station als Einkommen anzurechnen sei. Es sei daher zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Ausgleichszulagenempfänger in einer Lebensgemeinschaft bedarfsmindernde Zuwendungen des Lebensgefährten erhalte. Da das ASVG bei der Bewertung von Sachbezügen eines Ausgleichszulagenbeziehers auf die pauschale Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer abstelle, sei bei der Ermittlung der Ersparnisse durch eine Lebensgemeinschaft kein Vergleich zwischen der konkreten Höhe der Lebenshaltungskosten eines Ausgleichszulagenbeziehers vor Eingehen der Lebens-gemeinschaft mit den Lebenshaltungskosten ab Begründung der Lebensgemeinschaft anzustellen. Es sei auch nicht zu untersuchen, ob ‑ aus welchem Grund auch immer ‑ in absehbarer Zeit auch ohne Eingehen der Lebensgemeinschaft ohnedies eine Änderung dieser Kosten eingetreten wäre. Insoweit komme es nicht auf allenfalls konkret eingetretene Synergieeffekte an. Zu prüfen sei aber, ob der betroffene Ausgleichszulagenbezieher trotz der Lebensgemeinschaft für Wohnung und Ernährung Geldbeträge aufwenden müsse, die in etwa so hoch seien wie der in § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG genannte Wert. Der Kläger müsse seit 2010 monatlich rund 300 EUR für Miete samt Betriebs‑, Strom‑ und Heizungskosten sowie zur Abdeckung der Lebensmittelkosten aufwenden. Da die Höhe dieser Aufwendungen dem in § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG genannten Betrag für den Wert der vollen „freien Station“ in etwa entspräche, sei die Anrechnung einer „freien Station“ nicht vorzunehmen. Der Neuberechnung der Ausgleichszulage und deren teilweiser Rückforderung sei deshalb der Boden entzogen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob eine Lebensgemeinschaft bei der Ermittlung der Höhe der Ausgleichszulage dann nicht zu berücksichtigen sei, wenn die vom Ausgleichszulagenbezieher im Rahmen der Lebensgemeinschaft für seine Lebenshaltung aufgewendeten Kosten dem in § 292 Abs 3 ASVG genannten Betrag für eine „volle freie Station“ entsprächen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Klagebegehren abzuweisen; in eventu das Ersturteil wiederherzustellen bzw die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrer Revision geltend, wenn auch dem Kläger keine „volle freie Station“ gewährt werde, seien mit dem gemeinsamen Wohnen und der gemeinsamen Lebensführung regelmäßig Synergieeffekte verbunden. Es sei daher von einem dem Kläger ‑ in Form von Sachbezügen ‑ zufließenden Nettoeinkommen auszugehen, das bei Berechnung der Ausgleichszulage zu veranschlagen sei. Die Methode, pauschal die halbe Differenz vom doppelten Einzelrichtsatz auf den Familienrichtsatz als weiteres Einkommen iSd § 292 Abs 3 ASVG anzunehmen, sei sachgerecht und zweckmäßig.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

1.1 Die Ausgleichszulage ist ein Differenzbetrag, der gemäß § 292 Abs 1 ASVG einem Pensionsberechtigten gebührt, wenn die Summe aus (Brutto‑)Pension und sonstigen Nettoeinkünften unter Berücksichtigung gewisser Unterhaltsansprüche sowie des Nettoeinkommens des/der Ehegatten/Ehegattin (eingetragenen Partners) einen bestimmten Mindestbetrag, den Richtsatz (§ 293 Abs 1 ASVG) nicht erreicht (Pfeil in SV‑Komm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 2).

1.2 Bei der Ausgleichszulage handelt es sich um keine Versicherungsleistung im engeren Sinn, sondern um eine Leistung mit Fürsorge‑(Sozialhilfe‑)charakter, die zusammen mit der Pension, dem aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommen und den gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen das Existenzminimum des Pensionsberechtigten sichern soll (RIS‑Justiz RS0085127; RS0084847).

1.3 Das Ausgleichszulagenrecht geht von einem umfassenden Einkommensbegriff aus. Bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage sind grundsätzlich sämtliche Einkünfte des Pensionsberechtigten in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge zu berücksichtigen (§ 292 Abs 3 ASVG). Es kommt nicht darauf an, aus welchem Titel und von wem die Einkünfte zufließen, ob sie dem Empfänger für oder ohne Gegenleistung zufließen und ob sie allenfalls der Steuerpflicht unterliegen (RIS‑Justiz RS0085296). In diesem Sinn werden auch wiederkehrende Sachbezüge erfasst (RIS‑Justiz RS0085296 [T3]). Von der Berücksichtigung sämtlicher Einkünfte des Pensionsberechtigten sind nur die in § 292 Abs 4 ASVG taxativ aufgezählten Einkünfte ausgenommen (RIS‑Justiz RS0085360; RS0086707). Einer der in § 292 Abs 4 geregelten Sonderfälle liegt hier nicht vor.

2.3 Schon aus der ausdrücklichen Anführung der Sachbezüge und der hiefür normierten Pauschalrechnung unabhängig vom tatsächlichen Wert (§ 292 Abs 3 ASVG) ergibt sich eindeutig, dass auch wiederkehrende Sachbezüge (freies Quartier und Verpflegung) als Einkünfte in Geldeswert jedenfalls als Einkommen zu berücksichtigen sind (10 ObS 36/12k). Dies ist auch sachgerecht, da sich derjenige, der über eine solche freie Station verfügt, den dafür notwendigen Geldaufwand erspart und bei Nichtberücksichtigung als Sachbezug im Gesamteinkommen daher wirtschaftlich besser gestellt wäre als eine Person, die nicht über einen solchen Sachbezug verfügt (10 ObS 196/03a, SSV‑NF 17/102). Für die Bewertung der Sachbezüge gilt dabei (von bestimmten Ausnahmen abgesehen) die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit der Maßgabe, dass als Wert der vollen freien Station ein jährlich aufzuwertender Betrag heranzuziehen ist.

3. Bei der Feststellung der Ausgleichszulage ist gemäß § 292 Abs 2 ASVG auch das gesamte Nettoeinkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (der Ehegattin) oder eingetragenen Partners (der eingetragenen Partnerin) zu berücksichtigen. Diese Regelung wurde gemeinsam mit einem besonderen Richtsatz („Familienrichtsatz“) für Ehepaare (eingetragene Partner) eingeführt. Der Gesetzgeber geht somit im Ausgleichszulagenrecht davon aus, dass bei im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (eingetragenen Partnern) in der Regel eine so enge Wirtschaftsgemeinschaft besteht, die bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage nicht nur den höheren sogenannten Familienrichtsatz rechtfertigt, sondern auch die Berücksichtigung des gesamten Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (der Ehegattin) bzw des eingetragenen Partners (der eingetragenen Partnerin). Mit Rücksicht darauf, dass bestimmte fixe Kosten (zB Kosten für Wohnung, Heizung, Beleuchtung usw) auch bei gemeinsamer Lebensführung nur einfach auflaufen, liegt der Familienrichtsatz nicht unerheblich unter der Summe der Richtsätze für zwei getrennt lebende Personen (vgl 10 ObS 201/03m, SSV‑NF 17/103).

4.1 Es trifft zwar zu, dass es auch durch ein gemeinsames Wirtschaften von Lebensgefährten in der Regel zu einer tatsächlichen Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung kommt (vgl 10 ObS 244/98z, SSV‑NF 12/96 = DRdA 1999/20, 192 [Kerschner] = ZAS 1999/11, 115 [Brodil] ua), weil es bei einer gemeinsamen Haushaltsführung nicht unbeträchtliche Einsparmöglichkeiten und hauswirtschaftliche Synergien gibt. Es wurde in der Rechtsprechung aber ebenfalls bereits darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgleichszulage ‑ anders als bei der Notstandshilfe (vgl § 36 Abs 2 und 3 AlVG) ‑ darauf verzichtet hat, das Einkommen des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) anzurechnen und somit eine Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) bei der Prüfung des Anspruchs auf Ausgleichszulage nicht vorgesehen ist (10 ObS 271/03f, SSV‑NF 19/48; Pfeil in SV‑Komm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 24). Im Ausgleichszulagenrecht fehlt es daher an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dem Ausgleichszulagenbezieher unter Anwendung des Familienrichtsatzes das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) nach der Art einer zwischen Ehegatten (eingetragenen Partnern), die im gemeinsamen Haushalt leben, bestehenden engen Wirtschaftsgemeinschaft zuzurechnen.

4.2 Im Fall einer Lebensgemeinschaft kommt daher nur die Berücksichtigung im Einzelnen festgestellter, bedarfsmindernder Zuwendungen des Lebensgefährten (der Lebensgefährtin) in Betracht (10 ObS 271/03f, SSV‑NF 19/48; Pfeil in SV‑Komm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 24 ua; vgl idS auch die Rechtsprechung des VwGH zum Sozialhilferecht VwGH 2007/10/0043; 98/03/0079 mwN ua). In diesem Sinne wurde in der Entscheidung 10 ObS 196/03a, SSV‑NF 17/107, die der damaligen Klägerin von ihrem Lebensgefährten im Rahmen einer Lebensgemeinschaft regelmäßig gewährte „freie Station“ (freies Quartier und freie Verpflegung) als Sachbezug mit Versorgungscharakter mit dem in § 292 Abs 3 ASVG hiefür für maßgeblich erklärten Bewertungssatz auf den von der damaligen Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Ausgleichszulage angerechnet (vgl auch 10 ObS 271/03f, SSV‑NF 19/48: freies Wohnrecht).

5.Wie bereits ausgeführt, gilt für die Bewertung von Sachbezügen eines Ausgleichszulagenbeziehers ‑ von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen ‑ die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer. Nach § 1 Abs 1 der Sachbezugswerte‑Verordnung BGBl II 2001/416 idgF BGBl II 2015/395 (zu § 15 Abs 2 EStG) sind im Wert der vollen freien Station die Wohnung (ohne Beheizung und Beleuchtung) mit einem Zehntel, die Beheizung und Beleuchtung mit einem Zehntel, das erste und zweite Frühstück mit je einem Zehntel, das Mittagessen mit drei Zehntel, die Jause mit einem Zehntel, das Abendessen mit zwei Zehntel enthalten (abgedruckt in SV‑Komm [69. Lfg] § 50 ASVG Rz 2). Gemäß § 292 Abs 3 2. Satz ASVG beträgt für die Kalenderjahre 2011 bis 2015 der Wert der vollen freien Station 253,51 EUR (2011); 260,35 EUR (2012); 267,64 EUR (2013); 274,06 EUR (2014) und 278,72 EUR (2015).

6. In dem hier zu beurteilenden Fall ist unbestritten, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin im Rahmen ihrer Lebensgemeinschaft gemeinsam wirtschaften. Für die Beurteilung des Anspruchs des Klägers auf Ausgleichszulage ist daher maßgeblich, inwieweit er im strittigen Zeitraum seinen Unterhaltsbedarf mindernde Zuwendungen von seiner Lebensgefährtin erhalten hat bzw ob ihm im Rahmen der Lebensgemeinschaft freie Station gewährt wurde, die ihm bei der Berechnung der Ausgleichszulage als Sachbezug mit Versorgungscharakter mit dem in § 292 Abs 3 ASVG hiefür für maßgeblich erklärten Bewertungssatz anzurechnen wäre. Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Festellungen sind im Rahmen der Lebensgemeinschaft keine Zuwendungen an den Kläger erfolgt, sondern hat er die Hälfte aller im Rahmen der Lebensgemeinschaft anfallenden laufenden Kosten (Miet‑, Betriebs‑, Strom‑, Heizungs‑, Lebensmittel‑, aber auch Telefon‑ und Fernsehkosten) selbst getragen. Ein finanzieller Vorteil bzw Synergieeffekt käme dem Kläger nur dann und insoweit zu, als in diesen Lebenshaltungskosten auch ausschließlich ihm (allein) zugutekommende Leistungen enthalten wären und er sich den dafür notwendigen Geldaufwand erspart. Dafür bietet der festgestellte Sachverhalt jedoch keine Anhaltspunkte.

7. Im Hinblick auf diese Feststellungen zieht die beklagte Partei in ihrer Revision gar nicht mehr in Zweifel, dass der Kläger keine „volle freie Station“ genossen hat. Die beklagte Partei hält aber an ihrem Standpunkt fest, dass mit der gemeinsamen Wohnung und der gemeinsamen Lebensführung im Rahmen einer Lebensgemeinschaft regelmäßig Synergieeffekte verbunden seien, sodass (doch) von einem dem Kläger in Form von Sachbezügen zufließenden Nettoeinkommen auszugehen wäre. Diese Argumentation setzt sich darüber hinweg, dass der Gesetzgeber Synergieeffekte zwar für Ausgleichszulagenbezieher, die in aufrechter Ehe oder in einer eingetragenen Partnerschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben, berücksichtigt hat, indem nicht jeder dieser Personen der Einzelrichtsatz, sondern einmalig der sogenannte „Familienrichtsatz“ gewährt wird, der unter jenem des doppelten Einzelrichtsatzes liegt. Im Fall einer Lebensgemeinschaft ist ‑ wie bereits ausgeführt ‑ eine Einrechnung der Einkünfte von Lebensgefährten nach § 292 Abs 2 ASVG aber weiterhin ausgeschlossen (10 ObS 271/03f, SSV‑NF 19/48). Vielmehr ist entweder die gewährte freie Station pauschaliert als Einkunft iSd § 292 Abs 3 ASVG zu werten, oder es sind die im Einzelnen festgestellten, bedarfsmindernden Zuwendungen des Lebensgefährten zu berücksichtigen. Die von der beklagten Partei im Bescheid angewendete Berechnungsmethode, pauschal die halbe Differenz vom doppelten Einzelrichtsatz auf den Familienrichtsatz als weiteres Einkommen iSd § 293 Abs 3 ASVG anzunehmen und diese Differenz als zusätzliches monatliches Nettoeinkommen auf den Ausgleichszulagen-anspruch des Klägers anzurechnen, findet im Gesetz keine Deckung und steht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung. Wenngleich die im Rahmen einer Lebensgemeinschaft erfolgenden Zuwendungen und eingetretenen Ersparnisse in manchen Fällen in der Praxis schwierig zu erfassen und zu bewerten sein mögen, weil derartige Zuwendungen großteils in Naturalien geleistet werden, sind entsprechend den bereits dargelegten allgemeinen Grundsätzen dazu dennoch Erhebungen anzustellen und Feststellungen zu treffen.

8. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das Unterbleiben der Anrechnung aber nicht von der Voraussetzung abhängig zu machen, dass die Höhe der vom Ausgleichszulagenwerber in der Lebensgemeinschaft getragenen Aufwendungen für Lebenshaltungskosten betragsmäßig den Sachbezugswert nach der Sachbezugswerteverordnung erreicht. Nach dem Wortlaut des § 292 Abs 3 ASVG ist der jeweilige Pauschalwert „als Wert der vollen freien Station“ heranzuziehen, woraus sich eindeutig ergibt, dass die vorgesehene Pauschalanrechnung der Sachbezüge unabhängig vom tatsächlichen Wert zu erfolgen hat (10 ObS 196/03a, SSV‑NF 17/102). Dass dem Pauschalwert darüberhinaus eine Funktion als (absolute) „Vergleichsgröße“ bei Beantwortung der Frage zukäme, ob sich der Ausgleichszulagenbezieher eine freie Station (für Wohnung und Verpflegung) als Sachbezug anrechnen lassen muss, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Wie die Revisionswerberin zutreffend aufzeigt, führte ein Vergleich zwischen der Höhe der vom Ausgleichszulagenbezieher in der Lebensgemeinschaft im Einzelfall aufgewendeten Beträge und der Höhe des Pauschalwerts nach § 292 Abs 3 ASVG im Hinblick auf die vielfach verschiedenartige Gestaltung der Lebensgemeinschaft zu sachwidrigen Ergebnissen. So müsste sich ein Ausgleichszulagenbezieher, der in einer Lebensgemeinschaft mit hohen Lebenshaltungskosten lebt, an denen er gleichteilig partizipiert, von denen er prozentmäßig aber nur einen geringen Anteil trägt, der den in § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG genannten Pauschalwert erreicht, keinen Sachbezug anrechnen lassen. Hingegen wäre einem Ausgleichszulagenbezieher, der in einer Lebensgemeinschaft mit niedrigeren Lebenshaltungskosten lebt, von denen er zwar prozentmäßig einen höheren Anteil trägt, der dennoch den Pauschalwert nach § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG betragsmäßig nicht erreicht, der Pauschalbetrag als Einkommen zuzurechnen. Die Zufälligkeit dieser Ergebnisse zeigt, dass das Unterbleiben der Anrechnung von einem betraglichen Vergleich zwischen der Höhe der vom Ausgleichszulagenbezieher in der Lebensgemeinschaft im Einzelfall aufgewendeten Beträge und dem Pauschalwert nach § 292 Abs 3 ASVG nicht abhängig sein kann.

9. Zusammenfassend ist daher im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die von der beklagten Partei allein aufgrund der Tatsache des Bestehens einer Lebensgemeinschaft angestrebte Berücksichtigung eines zusätzlichen monatlichen Nettoeinkommens des Klägers auf seinen Anspruch auf Ausgleichszulage im Sinne der oben dargelegten Ausführungen (vgl insbesondere Pkt 4.1, 4.2, 6. und 7.) nicht in Betracht kommt, weil der Kläger nach den getroffenen Feststellungen im Rahmen der Lebensgemeinschaft die Hälfte aller anfallenden Lebenshaltungskosten trägt und somit eine (auch nur teilweise) Deckung seines Lebensunterhalts durch seine Lebensgefährtin nicht erfolgt.

Der Revision der beklagten Partei kommt daher im Ergebnis keine Berechtigung zu.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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