European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00125.16W.1214.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Salzburg legt Sandra S***** mit Anklageschrift vom 23. Mai 2016 (ON 8) unter anderem das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB zur Last (I.).
Danach soll sie am 4. April 2016 in S***** ***** Andreas L***** dadurch, dass sie ihm mehrere heftige Schläge mit den Händen gegen Kopf und Oberkörper versetzte, in weiterer Folge mit Küchenmessern mehrfach in Richtung des Oberkörpers und Halsbereichs des Andreas L***** stach und ihm schließlich das Messer an den Hals ansetzte, eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen versucht haben, wobei die Tat eine Schädelprellung, eine Beule an der Stirn, ein Hämatom über dem Jochbeinbogen links, Hautabschürfungen an der linken Ohrmuschel, Abwehrverletzungen in Form von Schnittwunden an beiden Händen und am rechten Handgelenk sowie multiple Schnittwunden im Halsbereich zur Folge hatte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil sprach das Landesgericht Salzburg als Schöffengericht gemäß § 261 Abs 1 StPO seine Unzuständigkeit aus, weil in einer Gesamtschau der Ergebnisse des Beweisverfahrens hinsichtlich der angeklagten Tat der Verdacht naheliegend sei, dass die Angeklagte das Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB, somit eine in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallende strafbare Handlung begangen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Angeklagten aus Z 6 (iVm Z 4 und 5) des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Prüfungsinhalt des Unzuständigkeitsurteils nach § 261 Abs 1 StPO ist ein Anschuldigungsbeweis (vgl RIS‑Justiz RS0098830). Dieser gilt dann als erbracht, wenn sich aus dem Anklagevorbringen in Verbindung mit den Beweisergebnissen der Hauptverhandlung der naheliegende Verdacht ergibt, der inkriminierte Sachverhalt wäre im Fall eines Schuldspruchs als eine in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallende strafbare Handlung zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0124012). Die Voraussetzungen für ein Unzuständigkeitsurteil liegen bei strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben im Regelfall dann vor, wenn die äußeren Begleitumstände die Annahme eines Tatentschlusses in Richtung Mord nahelegen; denn es hängt allein von der inneren Tatseite ab, ob eine angeklagte Tat nach §§ 83 ff StGB oder nach § 75 StGB zu beurteilen ist (vgl RIS‑Justiz RS0107021).
Vorliegend gründete der Schöffensenat seine Feststellungen zum Naheliegen eines Tötungsvorsatzes der Angeklagten auf die „erstmals in dieser Deutlichkeit“ getätigten Angaben des Zeugen L***** in der Hauptverhandlung am 2. August 2016 (ON 17 S 8 ff) im Zusammenhalt mit den objektivierten Schnittverletzungen im Halsbereich sowie den Abwehrverletzungen in Form von Schnittwunden an beiden Händen und am rechten Handgelenk (US 7).
Entgegen dem Beschwerdeeinwand (Z 5 zweiter Fall) waren die Tatrichter – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – nicht gehalten, sich mit allen – von der Rüge überdies isoliert hervorgehobenen – Details der Aussage des Zeugen L***** auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0106642; RS0098377).
Auch mit dem Hinweis auf den Alkoholkonsum des Tatopfers am Vorfallstag (vgl ON 17 S 12) und – behaupteten – Widersprüchen zwischen dessen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung und jenen in der Hauptverhandlung zeigt die Beschwerde keine gesondert erörterungsbedürftigen Beweisergebnisse auf, zumal der Zeuge selbst angab, er habe sich bei der Vernehmung vor der Polizei „nur so dunkel erinnern“ können, aber „nach und nach“ sei „immer mehr gekommen“ (US 4; ON 17 S 8).
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, das Erstgericht hätte bei der Beweiswürdigung „die starke Alkoholisierung des Opfers einfließen lassen müssen“, und meint, dass sich der Zeuge L***** „wohl im Rahmen der polizeilichen Einvernahme besser an den Vorfall erinnern habe können“, versucht sie bloß in nicht zulässiger Weise beweiswürdigend den vom Schöffengericht für wahrscheinlich gehaltenen Sachverhalt in Frage zu stellen, ohne jedoch ein Begründungsdefizit im Sinn der Z 5 aufzeigen zu können (vgl RIS‑Justiz RS0119510).
Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Nichterledigung des in der Hauptverhandlung am 2. August 2016 gestellten Beweisantrags auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit von Sandra S***** zum Tatzeitpunkt „in Kombination der Psychopharmaka und der sehr starken Alkoholisierung“ (ON 17 S 13). Da aber nur eine Verdachtslage festzustellen ist und bei entsprechendem Anschuldigungsbeweis die Abführung des für Schuld‑ oder Freispruch maßgeblichen Beweisverfahrens dem dann zuständigen erkennenden Gericht höherer Ordnung obliegt, bedarf es vor einem anstehenden Unzuständigkeitsurteil keiner vollständigen Beweisaufnahme zum angeklagten Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0124013), weshalb durch die Nichtdurchführung des beantragten Beweises auch keine Verteidigungsrechte verletzt wurden (vgl auch RIS‑Justiz RS0098834).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
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