European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0250OS00003.16B.1207.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt.
Danach hat er – unter Verstoß gegen § 12 RAO – von 18. August 2011 bis 2. August 2012 in K***** in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der ***** Rechtsanwalts GmbH die Herausgabe der Akten mit den selbst vergebenen Zahlen 01/6867, 02/7393, 03/7774, 06/8700, 04/8179, 03/7702, 05/8492, 03/770 und 02/7459 an die A***** GmbH verweigert.
Nach den vom Disziplinarrat getrofffenen Feststellungen wurde der Beschuldigte im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts S***** mit Teilurteil vom 18. August 2011 – bestätigt durch Berufungsurteil vom 9. Februar 2012, unter Zurückweisung der außerordentlichen Revision des Beschuldigten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 12. April 2012 – zur Herausgabe der im Spruch angeführten Akten an seine ehemalige Mandantin verurteilt. Auch nach Vorliegen der Berufungsentscheidung kam er dem nicht nach. Erst mit am 2. August 2012 geschlossenem Vergleich wurde das „Herausgabeverfahren“ im Rahmen einer Gesamteinigung beendet (ES 2 bis 4).
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe; sie schlägt fehl.
Die Schuldberufung vermag mit der – auf die schriftliche Verantwortung des Beschuldigten vom 1. März 2016 (ON 23) gestützten – Behauptung, dass er der Mandantin alle Unterlagen im Original ausgehändigt und für seine Akten nur noch Fotokopien angefertigt habe, keine Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, Bedenken gegen die – auf die verlesenen zivilgerichtlichen Aktenteile und weitere Angaben des Beschuldigten gegründeten – gegenteiligen Tatsachenfeststellungen des Disziplinarrats zu wecken.
Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) behauptet das Fehlen von Feststellungen zur – aus § 12 Abs 1 RAO abzuleitenden – Tatbestandsvoraussetzung, dass das Vertretungsverhältnis zwischen der A***** GmbH und dem Beschuldigten bereits beendet gewesen sei. Ihr zuwider brachte der Disziplinarrat mit expliziter Bezugnahme auf § 12 RAO und hinreichend deutlichen Verweisen (ES 3 f) auf die im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts S***** ergangenen Urteile – deren jeweilige Erwägungen über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen iSd § 12 Abs 1 RAO (s insb US 2 und 10 im Ersturteil sowie US 2 und 7 im Berufungsurteil des Oberlandesgerichts L*****) er sich so zu Eigen machte (vgl Danek, WK‑StPO § 270 Rz 32) –, zweifelsfrei den Willen zur Feststellung zum Ausdruck (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19; RIS-Justiz RS0117228), dass die Vertretung der genannten GmbH durch den Beschuldigten bereits beendet war.
Entgegen der nicht näher fundierten Kritik, dass „die Bestimmtheitserfordernissedes § 12 Abs 1 RAO nichtgegeben“seien, ist dem zivilgerichtlichen Urteilsspruch, damit aber auch dem auf diesen Bezug nehmenden angefochtenen Erkenntnis die Identität der auszuhändigenden Akten – in einer auch exekutionsrechtlich durchsetzbaren Weise – zu entnehmen (vgl US 7 f des genannten Berufungsurteils).
Unrichtig ist die Behauptung der Rechtsrüge, der Disziplinarrat habe ES 3 zweiter Absatz festgestellt, dass der Beschuldigte der A***** GmbH fortlaufend sämtliche Unterlagen übermittelt habe, wird doch im Erkenntnis an dieser Stelle unmissverständlich bloß das Aussageverhalten des Beschuldigten im Zivilverfahren referiert und in der Folge (ES 3 letzter Absatz) das Gegenteil konstatiert.
Soweit die Berufung unter dem Aspekt des § 3 DSt (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) Geringfügigkeit des Verschuldens behauptet, orientiert sie sich mit der erneuten Behauptung eines nicht „dem Bestimmtheitsgebot des § 12 Abs 1 RAO entsprechenden Herausgabeanspruchs“ nicht an den tatsächlichen Annahmen des Disziplinarrats und vermag mit dem Verweis auf die vergleichsweise Erledigung des Streitfalls (ohne tatsächliche Herausgabe von Urkunden oder Akten) keine Änderung der Einschätzung des Verschuldensgrads zu bewirken, zumal bereits eine Ausfolgung von Aktenunterlagen erst zwei Monate nach Aufforderung als disziplinär zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0071972 [T1]). Ein Vorgehen nach § 3 DSt setzt aber ein im Vergleich zu den Durchschnittsfällen der Deliktsverwirklichung deutlich abfallendes Gewicht der Pflichtverletzungen voraus (RIS‑Justiz RS0056585) und scheidet daher schon deshalb aus.
Die – mit der Behauptung des Fehlens hinreichender Publizität des Fehlverhaltens (vgl RIS-Justiz RS0055086) die Ausschaltung der Unterstellung der Tat (auch) nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt anstrebende – Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) scheitert daran, dass zum Zweck der Durchsetzung des Herausgabeanspruchs drei Gerichtsinstanzen bemüht wurden, was dazu führte, dass der Sachverhalt zumindest einer Mehrzahl von bei diesen Gerichten tätigen Personen bekannt wurde (vgl RIS-Justiz RS0054876 [T11]; 24 Os 6/15k).
Der Berufung wegen Schuld war daher ein Erfolg zu versagen.
Auch die – unter Bezugnahme auf die Dauer der Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses und die insgesamte Verfahrensdauer – den Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB reklamierende Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe schlägt fehl. Zum einen bewirkte der Umstand, dass das am 8. März 2016 verkündete Erkenntnis des Disziplinarrats erst nach rund drei Monaten an den Beschuldigten zugestellt wurde, fallbezogen noch keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer, zumal unter dem Aspekt der Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer eine besondere Dringlichkeit nicht in Rede stand (vgl RIS‑Justiz RS0130963). Zum anderen ist zu beachten, dass der insgesamt rund zweieinhalbjährigen Dauer von der Verständigung des Beschuldigten über die Bestellung des Untersuchungskommissärs (RIS-Justiz RS0124901) bis zum Erkenntnis des Disziplinarrats neben dem verfahrensgegenständlichen Vorwurf auch die Untersuchung dieselbe Partei betreffender weiterer Vorwürfe (der Unangemessenheit der Kosten in einer Vielzahl von Fällen im Zusammenhang mit der Durchführung des mandatsgegenständlichen Hotelprojekts) zugrunde lag, sodass aufgrund des insgesamt erforderlichen Aufwands noch keine unverhältnismäßige Länge des Verfahrens anzunehmen ist.
Im Hinblick auf mehrere einschlägige disziplinarrechtliche Vorverurteilungen und das Fehlen von Milderungsgründen kommt ein Vorgehen nach § 39 DSt schon aus spezialpräventiven Erwägungen nicht in Betracht. Die vom Disziplinarrat verhängte Geldbuße entspricht Tatunrecht und Täterschuld und ist daher einer Reduktion nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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