OGH 7Ob171/16x

OGH7Ob171/16x30.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* J* H*, vertreten durch Mag. Roland Stöglehner, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei A* SE *, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. August 2016, GZ 1 R 29/16i‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E116702

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

 

Begründung:

Die Parteien haben zunächst einen Rechtsschutzversicherungsvertrag geschlossen, der mit 10. 1. 2003 zu laufen begann und dem die ARB 2000 zugrunde lagen. Dieser Versicherungsvertrag endete infolge Kündigung durch den Kläger mit 1. 2. 2008. Anschließend haben die Parteien einen weiteren Rechtsschutzversicherungsvertrag geschlossen, der mit 1. 2. 2008 zu laufen begann und dem die ARB 2003 zugrunde lagen. Die ARB 2000 bzw 2003 lauten auszugsweise und übereinstimmend:

Artikel 9

Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen?

2. … Kommt er nach Prüfung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis,

2.2. dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, d.h. ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;

2.3. dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.

Der Kläger begehrte die Feststellung, die Beklagte habe ihm „... für den Schadensfall vom 21. 12. 2007 Deckungsschutz zu gewähren“.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Revision gegen die den Deckungsanspruch verneinende Entscheidung des Berufungsgerichts zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1.1. In der Rechtsschutzversicherung ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen. Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine oder nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg“ besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos“ des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren (RIS‑Justiz RS0081929 [T1]). „Offenbar aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann, insbesondere bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand (RIS-Justiz RS0116448; RS0117144).

1.2. Auch die Frage einer möglichen Verjährung des in Aussicht genommenen Anspruchs ist im Allgemeinen bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des angestrebten Primärprozesses zu berücksichtigen (vgl 7 Ob 140/16p); im Besonderen in Fällen sogenannter Anlegerschäden infolge Verletzung von Aufklärungspflichten ist typischerweise mit der Verjährungseinrede zu rechnen (vgl etwa 7 Ob 198/13p; 3 Ob 66/15z; 6 Ob 153/15s; 5 Ob 133/15t; 10 Ob 51/16x).

1.3. Der erste vom Kläger behauptete Verstoß ist eine angeblich vor seiner ersten Zahlung im Dezember 2007 erfolgte Fehlberatung über die Sicherheit des Investments. Diese hat der Kläger seinem eigenen Vorbringen zufolge am 24. 5. 2011 bei einer Gesellschafterversammlung wegen der damals angekündigten Verluste erkannt. Auch wenn ein Organ einer juristischen Person einen Dritten durch eine qualifiziert strafbare Handlung iSd § 1489 ABGB schädigt, verjährt der Anspruch gegen das Organ in 30, gegen die juristische Person aber in 3 Jahren (RIS-Justiz RS0034423 [T4] = RS0034393 [T4]). Ein Privatbeteiligtenanschluss gegen das Organ unterbricht nicht die Verjährungsfrist gegen die juristische Person (RIS-Justiz RS0034631 [T6 und T9]). Demnach hätte der Kläger zur Wahrung der 3-jährigen Verjährungsfrist noch vor Einleitung dieses Verfahrens Klage gegen die Investmentgesellschaft erheben müssen. Eine solche Klageerhebung ist bislang offenbar nicht erfolgt und wird vom Kläger auch nicht behauptet. Das Berufungsgericht hat daher die Rechtsverfolgung gegenüber der Investmentgesellschaft wegen einer angeblichen Fehlberatung im Jahre 2007 im Einklang mit vorliegender Rechtsprechung und daher vertretbar wegen Verjährung als offenbar erfolglos erkannt.

1.4. Dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers war nicht zu entnehmen, dass der Deckungsanspruch auf eine Klage gegen die Geschäftsführer der Investmentgesellschaft gerichtet ist. Eine vom Erstgericht insoweit unterlassene Erörterung hat der Kläger in seiner Berufung auch nicht gerügt. Soweit nunmehr die Revisionsausführungen des Klägers in diese Richtung zu verstehen sein sollten, erweisen sich diese als unzulässige Neuerung.

2. Die Frage der Schlüssigkeit einer Klage ist eine typische Einzelfallbeurteilung, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0116144; RS0037780). Soweit die Vorinstanzen Klage und Vorbringen des Klägers für unschlüssig erachteten, ist diese Beurteilung jedenfalls insoweit vertretbar, als sie die in der Revision behauptete Deckungspflicht einer Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit einer am 31. 7. 2013 erfolgten Frankenkonvertierung betrifft. Ein plausibler Sachvortrag des Klägers ist dazu in erster Instanz nicht erfolgt und insoweit auch keine Verletzung einer erstgerichtlichen Erörterungspflicht in der Berufung gerügt worden.

3. Schon aus den zuvor dargestellten Erwägungen hält sich die Beurteilung der in der Revision aufgegriffenen Rechtsfragen durch das Berufungsgericht vertretbar im Rahmen vorliegender Rechtsprechung, weshalb ein Eingehen auf weitere von den Vorinstanzen erkannte Abweisungsgründe und insgesamt eine weitergehende Begründung nicht erforderlich ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

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