European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00193.16T.1122.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte zeigt in ihrer Revision keine Rechtsfrage auf, der iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
1. Die Beklagte behauptet die Verfassungswidrigkeit des § 26 Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) aufgrund eines nicht gerechtfertigten Eingriffs in das Grundrecht des Eigentums (Art 5 StGG) und des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B‑VG). Da das Berufungsgericht dennoch von der Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens Abstand genommen habe, sei das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben.
2. Der erkennende Senat teilt die Bedenken, die die Beklagte gegen die Verfassungskonformität des § 26 WSHG vorbringt, nicht. Der Ersatzanspruch gegen den Erben nach § 26 Abs 4 zweiter Satz WSHG stellt zwar eine vom Landesgesetzgeber angeordnete „originäre“ Forderung gegen den Erben dar, die über den Ersatzanspruch gegen den Hilfeempfänger hinausgehen kann (7 Ob 199/00s = RIS‑Justiz RS0114425). Dieser Umstand bedeutet aber weder einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums noch eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Der Verfassungsgerichtshof stellt bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Eigentumseingriffen auf Sachlichkeitserwägungen und auf die Verhältnismäßigkeit ab (RIS‑Justiz RS0038544 [T1]). Auch die Bindung des Gesetzgebers durch den Gleichheitsgrundsatz mündet in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in verstärktem Maß in ein allgemeines Sachlichkeitsgebot für Gesetze (RIS‑Justiz RS0053981 [T11]). Dass und warum die von der Beklagten kritisierte Ersatzpflicht der Erben nach § 26 Abs 4 WSHG ungeachtet des Umstands, dass diese über den Ersatzanspruch gegen den Hilfeempfänger hinausgehen kann, sowohl unter dem Gesichtspunkt des Art 5 StGG als auch des Art 7 B-VG sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, hat bereits das Berufungsgericht in seiner ausführlichen Begründung zutreffend dargelegt (§ 510 Abs 3 ZPO).
3. Wenn der Oberste Gerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken des Rechtsmittelwerbers nicht teilt, liegt keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigende Rechtsfrage vor (RIS‑Justiz RS0116943); auch dann nicht, wenn dieser zur Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bestimmung noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat (RIS‑Justiz RS0122865).
4. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof durch das Gericht zu beantragen; der entsprechende Antrag der Klägerin ist daher zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0056514, RS0058452, RS0053805). Es bedarf dabei auch keiner Begründung, aus welchen Erwägungen es das Gericht nicht für geboten erachtet, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu erwirken (RIS‑Justiz RS0053805 [T7]). Diese Grundsätze können auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Anregung auf Einleitung eines Normprüfungsverfahrens nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben.
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