OGH 4Ob221/16b

OGH4Ob221/16b22.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ärztekammer *****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. G***** GmbH, *****, und 2. Dr W***** G*****, MSc., *****, beide vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Juli 2016, GZ 30 R 20/16f‑76, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. April 2016, GZ 30 Cg 68/13x‑67, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00221.16B.1122.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird teilweise dahin abgeändert, dass es insgesamt lautet:

„Die beklagten Parteien sind schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Namen des Zweitbeklagten die Bezeichnung 'Doktor' oder die Abkürzung 'Dr.' zu führen.

Die Beklagten sind weiters schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Namen des Zweitbeklagten die Abkürzung 'Dr' zu führen, wenn sie nicht durch einen geeigneten Zusatz darauf hinweisen, dass es sich dabei nicht um ein in Österreich zur Ausübung des Arztberufs berechtigendes Doktorat handelt.

Das Mehrbegehren, den Beklagten das Führen der Bezeichnung 'Dr' ganz allgemein zu untersagen, wird abgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen mit 20.466,29 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin 3.007,54 EUR Barauslagen, 2.909,78 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die erstbeklagte Gesellschaft betreibt ein Optikerunternehmen mit zwei Filialen in Wien; der Zweitbeklagte ist ihr Geschäftsführer und Alleingesellschafter. Er hatte an einer britischen Universität im Studienprogramm „Doctor of Philosophy (Vision Sciences)“ den akademischen Grad „Doctor of Philosophy“ erworben; in der Verleihungsurkunde wird er als „Dr W***** G*****“ bezeichnet. Er tritt, unter anderem auf der Website der Erstbeklagten, als „Dr. W***** G*****“ oder „Dr W***** G*****“ auf. Die Erstbeklagte verwendet auf ihrer Website folgendes Logo:

 

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung hatte dem Zweitbeklagten auf Anfrage mitgeteilt, dass er berechtigt sei, den britischen Doktorgrad in der Form „Dr“ seinem Namen voranzustellen.

Die klagende Ärztekammer beantragt, den Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Titel „Doktor“ zu führen. Der in Großbritannien erworbene akademische Grad müsse in der ursprünglichen Form geführt werden und berechtige daher nur zur Nachstellung der Abkürzung „PhD“. Die Bezeichnung als „Doktor“ oder „Dr.“ sei zudem irreführend. Das Geschäftsfeld der Beklagten sei dem medizinischen Bereich zuzuordnen. Werde in diesem Umfeld ein Doktortitel geführt, nehme der Durchschnittsverbraucher an, dass es sich um ein medizinisches Doktorat handle.

Die Beklagten wenden ein, dass der Zweitbeklagte nach § 88 UG zum Führen des Doktortitels berechtigt sei. Eine relevante Eignung zur Irreführung des Durchschnittsverbrauchers liege nicht vor, weil nicht einmal ein Viertel der angesprochenen Kreise den von den Beklagten geführten Doktortitel auf eine medizinische Ausbildung beziehe. Eine innerstaatliche Regel, die den Beklagten das Führen eines „zulässigen akademischen Grades“ aus einem anderen Mitgliedstaat verbiete, verstoße gegen die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs.

Aufgrund eines mit der Klage verbundenen Sicherungsantrags untersagte das Rekursgericht den Beklagten das Führen der Bezeichnungen „Doktor“, „Dr.“ oder „Dr“, wenn es sich dabei nicht um ein Doktorat der Medizin handle, „ohne einen Zusatz zu verwenden, aus dem sich das Fehlen dieser Graduierung ergibt“; eine Abweisung des Mehrbegehrens unterblieb. Den Revisionsrekurs der Beklagten wies der Senat zurück, weil die Annahme einer Irreführungseignung vertretbar sei (4 Ob 18/14x, Optometrist, RdM 2014, 104 [zust Mayer] = ecolex 2014, 724 [krit Tonninger]).

Im Hauptverfahren holte das Erstgericht ein Gutachten zum Verständnis der angesprochenen Kreise (Besucher von Augenärzten oder Optikern) ein. Auf die offene Frage, was sie der Angabe „Dr. G***** Optometrist“ entnähmen, nannten 23,4 % der Befragten einen Arzt, 13,8 % einen Optiker, 4,4 % einen „Doktor der Optometrie“, 3,1 % einen „Optiker mit Doktortitel“ und 5,1 % einen „Doktor“; 3,7 % gaben „Augenvermessung/Sehtest“ an. Aus der Beantwortung weiterer Fragen (insbesondere zum Verständnis des Begriffs „Optometrie“) leitete die Sachverständige ab, dass bei offener Fragestellung 28,6 % der angesprochenen Kreise das Vorliegen eines medizinischen Doktorats annahmen. Anders war das Ergebnis einer „gestützten Befragung“ (also unter Nennen mehrerer Alternativen), die sich allerdings nur an jene Personen richtete, die zuvor ausdrücklich bejaht hatten, aus der Abkürzung „Dr.“ etwas über die Ausbildung des Titelträgers entnehmen zu können; das waren 36,9 % der angesprochenen Kreise. Hier nannten 16,7 % (also 45 % der insofern Befragten) einen Augenarzt und 15,7 % (also 42 % der Befragten) einen Augenoptiker mit Zusatzausbildung. Den Begriff „Optometrist“ kannten 17,2 % der angesprochenen Kreise, eine richtige Vorstellung davon hatten nur 14,8 %.

Auf dieser Grundlage untersagte das Erstgericht den Beklagten – wie bereits im Sicherungsverfahren – das Führen der Bezeichnungen „Doktor“, „Dr.“ und „Dr“ nur für den Fall, dass sie nicht durch einen Zusatz auf das Nichtvorliegen eines (inländischen oder gleichwertigen ausländischen) medizinischen Doktorats hinweisen; das Mehrbegehren wies es ab. Aus dem demoskopischen Gutachten ergebe sich, dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Kreise vermute, dass es sich beim Zweitbeklagten um einen Arzt handle. Daher sei die strittige Bezeichnung ohne einen auf das Nichtvorliegen einer medizinischen Ausbildung hinweisenden Zusatz jedenfalls zur Irreführung geeignet. Dem Zweitbeklagten könne aber nicht ganz allgemein das Führen eines von ihm erworbenen Titels untersagt werden.

Gegen diese Entscheidung richteten sich Berufungen beider Parteien. Die Klägerin beantragte ein nicht weiter eingeschränktes Verbot im Sinn ihres Begehrens, die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage.

Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der Klägerin Folge und erließ ein zur Gänze stattgebendes Urteil. Es traf getrennte Bewertungs- und Zulassungsaussprüche. Der Entscheidungsgegenstand übersteige bei beiden Berufungen 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR; die Revision sei nur gegen die Entscheidung über die Berufung der Beklagten, nicht aber gegen jene über die Berufung der Klägerin zulässig.

Die Ergebnisse des demoskopischen Gutachtens hätten den Erfahrungssatz, dass die Verwendung des Doktortitels ohne aufklärenden Zusatz zur Irreführung geeignet sei, nicht widerlegt. Daher müsse die Berufung der Beklagten scheitern. Insofern liege keine erhebliche Rechtsfrage vor, weswegen die Revision nicht zuzulassen sei. Hingegen habe die Berufung der Klägerin Erfolg, weil die Beklagten gegen § 88 UG 2002 verstoßen hätten. Danach sei der Titel des Zweitbeklagten mit PhD abzukürzen und dem Namen nachzustellen. Das Führen der vorangestellten Abkürzung „Dr.“ sei daher danach generell unzulässig, weswegen die vom Erstgericht vorgenommene Einschränkung des Unterlassungsgebots zu entfallen habe. Die Revision sei insofern zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der im Ausland erworbene Titel „PhD“ ohne Nostrifizierung dem Namen in der Übersetzung „Doktor“ vorangestellt werden dürfe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich eine ordentliche Revision der Beklagten. Sie strebt die vollständige Abweisung der Klage an, hilfsweise die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung. § 88 UG 2002 sei dahin auszulegen, dass der Zweitbeklagte die Abkürzung „Dr“ vor den Namen führen dürfe. Auch eine (relevante) Eignung zur Irreführung sei zu verneinen, weil eine wahre Angabe vorliege und daher aufgrund einer Interessenabwägung auch eine höhere Irreführungsquote hingenommen werden müsse.

Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der vom Zweitbeklagten erworbene akademische Grad mit „PhD“ abzukürzen sei, treffe zu, jedenfalls liege aber eine irreführende Geschäftspraktik vor.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist (insgesamt) zulässig.

1.1. Sowohl die Regelung zum Bewertungsausspruch (§ 500 Abs 1 Z 1 ZPO) als auch jene zur (wertabhängigen) Revisionszulässigkeit (§ 502 Abs 2 und 3 ZPO) knüpfen am „Entscheidungsgegenstand“ des Berufungsgerichts an; § 502 Abs 2 ZPO definiert dies näher als „Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat.“ Auch wenn das Berufungsgericht – wie hier – über zwei Berufungen zu entscheiden hatte, liegt bei einem einheitlichen Anspruch doch nur ein Streitgegenstand vor. Bei einem in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstand ist die Revisionszulässigkeit daher nach der Summe der mit den Berufungen angestrebten Änderungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu beurteilen (2 Ob 15/86 EvBl 1987/33; RIS-Justiz RS0042478; vgl auch Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 135, und Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, ÖJZ 1989, 743 [bei FN 29]). Entsprechend haben auch die Bewertungsaussprüche bei einem nicht in Geld bestehenden Entscheidungsgegenstand zu erfolgen. Die getrennte Bewertung durch das Berufungsgericht war daher verfehlt. Seinen Aussprüchen kann derzeit nur entnommen werden, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands auch insgesamt 5.000 EUR übersteigt und die Revision daher nicht schon nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist. Käme es darauf an, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands auch 30.000 EUR übersteigt (§ 502 Abs 3 ZPO), wären die Akten an das Berufungsgericht zurückzuleiten.

1.2. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

(a) Zwar waren auch die getrennten Zulassungsaussprüche verfehlt. Besteht der Entscheidungsgegenstand des Berufungs- oder Rekursgerichts in einem einheitlichen Anspruch (wie hier im Unterlassungsbegehren der Klägerin), kommt auch nur ein einheitlicher Ausspruch über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof in Betracht (RIS‑Justiz RS0118275; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 13).

(b) Das Berufungsgericht hat allerdings durch die „Teilzulassung“ im Ergebnis auch für seinen gesamten Entscheidungsgegenstand das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage bejaht. Dass es daraus nur die Zulässigkeit der Revision gegen die Entscheidung über die Berufung der Beklagten (gemeint: Klägerin) abgeleitet hat, schadet nicht, weil die Zulässigkeit der Revision bei einem einheitlichen Anspruch nur einheitlich beurteilt werden kann. Daher reicht sein Ausspruch aus, um eine aus § 502 Abs 3 ZPO folgende Unzulässigkeit der Revision auch dann auszuschließen, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigen sollte. Das Rechtsmittel der Beklagten ist daher nicht (teilweise) nach § 502 Abs 3 ZPO unzulässig, sondern vielmehr in Bezug auf seinen gesamten Gegenstand als zugelassene (ordentliche) Revision zu behandeln.

1.3. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt vor, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist, dass der Verstoß gegen eine generelle Norm nur dann unlauter iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG ist, wenn er auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht (unten 3). Die damit begründete Zulässigkeit der Revision (§ 502 Abs 1 ZPO) führt nach ständiger Rechtsprechung (1 Ob 570/95, SZ 68/157; RIS-Justiz RS0080388; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 14) dazu, dass auch die anderen im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen inhaltlich zu behandeln sind (unten 4).

2. Die Klägerin hat lediglich begehrt, den Beklagten das Führen des Titels „Doktor“ zu untersagen. Die Vorinstanzen haben das offenbar dahin verstanden, dass dieses Begehren auch gegen das Führen der Abkürzungen „Dr.“ und „Dr“ gerichtet war, und ihre Entscheidungen entsprechend gefasst. Es kann dahinstehen, ob darin ein Überschreiten des Klagebegehrens oder eine auch nach § 405 ZPO zulässige Neuformulierung im Sinn des ohnehin Gewollten lag. Denn ein Verstoß gegen § 405 ZPO begründet nach ständiger Rechtsprechung keine Nichtigkeit, sondern nur einen Mangel des Verfahrens (2 Ob 26/58, Spruch 50 [neu]; RIS-Justiz RS0041240; zuletzt etwa 1 Ob 109/14g). Wird dieser Mangel nicht gerügt, so wird auch ein ursprünglich nicht erhobenes Begehren, über das dennoch entschieden wurde, zum Gegenstand des Verfahrens (4 Ob 13/10f, Natascha K. IV, MR 2010, 398 [Walter]). Läge daher ein Verstoß gegen § 405 ZPO vor, so wäre er durch das Unterbleiben einer diesbezüglichen Rüge geheilt. Dass die Klägerin auch ein Verbot des Führens der beiden strittigen Abkürzungen anstrebt, ergibt sich zweifelsfrei aus ihren Anträgen in den Rechtsmittelschriftsätzen.

3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten es ganz allgemein zu unterlassen, die strittigen Bezeichnungen zu führen, trifft nur teilweise zu.

3.1. Ein solches Verbot ließe sich nur mit einem Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Regelungen begründen, wonach der in Großbritannien erworbene akademische Grad eines „Doctor of Philosophy“ nicht mit „Doktor“ oder mit den vorangestellten Abkürzungen „Dr.“ oder „Dr“ wiedergegeben werden dürfte. In diesem Fall könnte das beanstandete Verhalten in die Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ fallen. Das Berufungsgericht hat das im Ergebnis bejaht.

3.2. Der Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinne zuzuordnende generelle Norm ist allerdings nur dann als unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (4 Ob 225/07b, Wiener Stadtrundfahrten, SZ 2008/32; RIS-Justiz RS0123239). Maßgebend für die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (4 Ob 225/07b, Wiener Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123239 [T8]; zuletzt etwa 4 Ob 58/14d, Automatik-Startfunktion, wbl 2014, 413).

3.3. Im konkreten Fall stützt sich die Klägerin auf einen Verstoß gegen § 88 UG 2002.

(a) Diese mit „Führung akademischer Grade“ überschriebene Bestimmung lautet, soweit hier relevant, wie folgt:

(1) Personen, denen von einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung ein akademischer Grad verliehen wurde, haben das Recht, diesen in der in der Verleihungsurkunde festgelegten, auch abgekürzten, Form zu führen, wobei der akademische Grad einschließlich eines geschlechtsspezifischen Zusatzes geführt werden darf.

(1a) [...]

(2) „Mag.“, „Dr.“ und „Dipl.-Ing.“ („DI“) sind im Falle der Führung dem Namen voranzustellen, die übrigen akademischen Grade sind dem Namen nachzustellen.

Das unberechtigte Führen eines akademischen Grades ist nach § 116 Abs 1 UG 2002 als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 15.000 EUR zu bestrafen.

(b) Schon aus dem Wortlaut von § 88 Abs 1 UG 2002 ergibt sich, dass der ausländische akademische Grad in der in der Verleihungsurkunde festgelegten Form und daher nicht in einer Übersetzung zu führen ist (Perthold-Stoitzner in Mayer, Kommentar zum Universitätsgesetz 20022 § 88 Anm II.2). Nach der von diesem Wortlaut zweifellos gedeckten Verwaltungspraxis, die sich in den auf der Website des BMWFW veröffentlichten Eintragungsrichtlinien 2012 widerspiegelt, hat sich auch die Abkürzung in erster Linie nach dem Recht oder den Gewohnheiten des Herkunftsstaats zu richten; nur wenn danach keine Abkürzung ermittelt werden kann, wäre die Abkürzung unter Bedachtnahme auf den „Gesamtzusammenhang [...], die Logik der international gebräuchlichen Abkürzungen und nach Möglichkeit die Abkürzungsregeln der deutschen Sprache“ festzulegen.

(c) Im konkreten Fall sieht die Verleihungsurkunde die Bezeichnung „Doctor of Philosophy“ und die Abkürzung „Dr“ vor. Damit ist es nach § 88 UG 2002 und der in den Eintragungsrichtlinien festgehaltenen Verwaltungspraxis ausgeschlossen, eine Übersetzung des akademischen Grades („Doktor“ statt „Doctor“) oder eine nicht den Gepflogenheiten des Herkunftsstaats entsprechende Abkürzung („Dr.“) zu führen. Hingegen ist die Annahme zumindest vertretbar, dass der Zweitbeklagte die Abkürzung „Dr“ führen und in analoger Anwendung von § 88 Abs 2 UG 2002 auch seinem Namen voranstellen darf. Dies entspricht nicht nur der dem Zweitbeklagten vom zuständigen Ministerium erteilten Auskunft, sondern auch den (wiederum eine Verwaltungspraxis festhaltenden und auf der Website des BMWFW veröffentlichten) Empfehlungen in Bezug auf das Führen akademischer Grade (Fassung 2013). Danach ist der britische „akademische Grad 'Doctor of Philosophy' [...] dann in der vorangestellten Abkürzung 'Dr' (ohne Punkt) zu führen, wenn sich das aus der Verleihungsurkunde oder einem Begleitdokument (zB Diploma Supplement) ergibt.“

3.4. Auf dieser Grundlage hat das vom Berufungsgericht erlassene Verbot Bestand, soweit es sich gegen das Führen der Bezeichnungen „Doktor“ und „Dr.“ richtet. Insofern verstoßen die Beklagten gegen den mit Verwaltungsstrafe bewehrten § 88 UG 2002, ohne dass dies durch eine vertretbare Rechtsansicht gedeckt wäre. An der Eignung des beanstandeten Verhaltens, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen, besteht angesichts der notorischen Bedeutung, die in Österreich akademischen Graden zugemessen wird, kein Zweifel. Hingegen durften die Beklagten in zumindest vertretbarer Weise annehmen, dass der Zweitbeklagte die Abkürzung „Dr“ seinem Namen voranstellen darf. Insofern kann die Klägerin daher in der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ kein Verbot erwirken.

4. Damit bleibt zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen die vorangestellte Abkürzung „Dr“ den Tatbestand einer irreführenden Geschäftspraktik erfüllt.

4.1. Zunächst ist dazu festzuhalten, dass die angesprochenen Kreise auch die Abkürzung „Dr“ ohne jeden Zweifel als Hinweis auf den in Österreich als „Doktor“ bekannten akademischen Grad verstehen. Insofern gilt daher aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung weiterhin jene Beurteilung, die bereits der (zurückweisenden) Entscheidung im Sicherungsverfahren zugrunde lag: Schon wegen der teilweisen Überschneidung der Tätigkeitsbereiche – etwa bei der Sehschärfemessung oder der Anpassung von Kontaktlinsen – wird ein Augenoptiker im medizinischen Umfeld tätig. Hier wird der Durchschnittsverbraucher einen vom Unternehmer ohne weitere Konkretisierung geführten Doktorgrad als Hinweis auf eine medizinische Ausbildung verstehen (Anderl/Appl in Wiebe/G. Kodek, UWG2 § 2 Rz 490 FN 730; vgl auch Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG7 [2016] § 5 Rz 583; OLG Frankfurt 6 U 28/12 =

NJOZ 2013, 1050 = WRP 2013, 825 [Heilpraktikerschule]). Im konkreten Fall wird dieser Eindruck durch die für den Durchschnittsverbraucher zwar nicht unmittelbar verständliche, aber durchaus medizinisch anmutende Bezeichnung „Optometrist“ – die der Beklagte als solche natürlich führen darf - verstärkt.

4.2. Die Ergebnisse des vom Erstgericht eingeholten Gutachtens widerlegen diese Auffassung nicht.

(a) Die Frage des Eindrucks der angesprochenen Kreise ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen; sie ist eine Tatfrage, wenn dies nicht der Fall ist (RIS-Justiz RS0039926 [insb T26, T28]). Letzteres trifft insbesondere dann zu, wenn die von besonderen Kenntnissen abhängige Auffassung von Fachkreisen zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0039926 [T26, T31, T33, T35]). Aber auch sonst steht es den Parteien grundsätzlich frei, Erfahrungssätze zu behaupten und unter Beweis zu stellen oder den Beweis der Unrichtigkeit der vom Gericht zugrunde gelegten Erfahrungssätze anzutreten (RIS-Justiz RS0040682; 17 Ob 16/10t, schladming.com, wbl 2011, 276 [Thiele] = ÖBl 2011, 123 [Schnider/Hofmarcher]). Eine Beweisaufnahme ist allerdings nur dann geboten, wenn im konkreten Fall Zweifel bestehen, dass die strittige Frage allein aufgrund der Lebenserfahrung der zur Entscheidung berufenen Organe beantwortet werden kann (4 Ob 371/84, C&A, ÖBl 1985, 105; RIS-Justiz RS0040657; zuletzt in markenrechtlichem Zusammenhang 17 Ob 27/11m, Red Bull/Run Cool, ecolex 2012, 995 [Schumacher] = ÖBl 2013, 67 [Mildner] mwN). Dies entspricht im Kern der Rechtsprechung des EuGH, wonach das Gericht die Irreführungsgefahr im Regelfall aufgrund eigener Sachkunde beurteilen kann; nur bei „besonderen Schwierigkeiten“ kann sich die Einholung eines Gutachtens oder die Durchführung einer Verbraucherbefragung als notwendig erweisen (EuGH C‑210/96 , Gut Springerheide, Slg 1998, I-4657, weitere Nachweise bei Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG34 [2016] § 5 Rz 3.2).

(b) Es kann dahinstehen, ob im konkreten Fall überhaupt eine Beweisaufnahme erforderlich war. Denn die Ergebnisse des Gutachtens sind keinesfalls geeignet, den im Sicherungsverfahren angenommenen Erfahrungssatz zu erschüttern.

Auszugehen ist davon, dass bei einer ungestützten Befragung mehr als ein Viertel der Befragten eine in Bezug auf den Doktortitel irrige, nämlich auf ein Medizinstudium weisende, Vorstellung hatte. Das genügt auch dann, wenn man der in Deutschland vertretenen jüngeren (eher strengen) Auffassung folgt, dass im Allgemeinen eine Irreführungsquote von einem Viertel bis einem Drittel für die Annahme der Irreführungseignung erforderlich sei (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG34 § 5 Rz 2.106; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG7 § 5 Rz 148; eine Irreführungsquote von mehr als 20 % bei irreführender Werbung gegenüber Kapitalanlegern bejahend: BGH I ZR 252/01; vgl auch Gamerith, Richtlinienvorschlag über unlautere Geschäftspraktiken [2004] 80 f). Der EuGH betrachtet es als Sache des nationalen Gerichts, den Prozentsatz der durch eine Werbeaussage getäuschten Verbraucher, der ein Verbot der Werbung rechtfertigt, nach seinem nationalen Recht zu bestimmten (C-210/96 , Gut Springenheide, Rn 36) und hat deshalb die Annahme einer relevanten Irreführungseignung schon bei einer Irreführungsquote von nur 10 bis 15 % nach der (älteren) deutschen Rechtsprechung nicht beanstandet (C‑220/98 , Estée Lauder Cosmetics). Zudem wurde der medizinische Bezug sowohl bei der gestützten als auch bei der ungestützten Befragung etwa gleich häufig genannt wie ein auf das Optikergewerbe weisendes Verständnis. Auch das spricht für die Annahme einer lauterkeitsrechtlich relevanten Irreführungseignung.

(c) Dass die Bezeichnung „Optometrist“ nicht zur Widerlegung der mit der Bezeichnung „Dr“ verbundenen Fehlvorstellungen geeignet ist, folgt schon aus der durch das Gutachten belegten geringen Bekanntheit dieses Begriffs bei den angesprochenen Kreisen.

(d) Das Argument, bei „wahren“ Angaben müsse aufgrund einer „Interessenabwägung“ eine höhere Irreführungsquote hingenommen werden (so zum deutschen Recht Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG34 § 5 Rz 2.210), greift ebenfalls nicht durch. Denn den Beklagten wird nicht das Führen der „wahren“ (zulässigen) Bezeichnung „Dr“ verboten, sondern nur die insofern durch das Fehlen eines aufklärenden Hinweises bewirkte Irreführung der angesprochenen Kreise. Den Beklagten steht frei, auf die im britischen Studium erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten des Zweitbeklagten hinzuweisen. Dass dies nur durch eine nicht weiter erläuterte Verwendung der Bezeichnung „Dr“ möglich wäre, ist nicht erkennbar. Auch eine allenfalls anzustellende Interessenabwägung führt daher nicht zum Ergebnis, dass das Verbot unverhältnismäßig in die Handlungsfreiheit der Beklagten eingreift.

4.3. Dieselben Erwägungen wären anzustellen, wenn der Zweitbeklagte einen vergleichbaren österreichischen Doktorgrad erworben und ohne weiteren Hinweis seinem Namen die Bezeichnung „Dr.“ vorangestellt hätte. Die im Rechtsmittel ohne nähere Begründung behauptete Beschränkung der unionsrechtlichen Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit ist daher nicht erkennbar, sodass sich ein diesbezügliches Vorabentscheidungsersuchen erübrigt.

5. Aus diesen Gründen ist die angefochtene Entscheidung zu bestätigen, soweit sie sich auf das Führen der Bezeichnungen „Doktor“ oder „Dr.“ bezieht. Hingegen haben die Beklagten das Führen der Bezeichnung „Dr“ nur dann zu unterlassen, wenn sie nicht gleichzeitig in geeigneter Form auf das Nichtvorliegen eines zur Ausübung des Arztberufs berechtigenden Doktorats hinweisen. Das Mehrbegehren ist abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Zu beurteilen waren drei Bezeichnungen, wobei die Klägerin bei zweien zur Gänze und bei einer zur Hälfte durchgedrungen ist. Sie hat daher insgesamt zu fünf Sechsteln obsiegt.

Auf dieser Grundlage haben die Beklagten der Klägerin für das Verfahren erster Instanz fünf Sechstel der allein von ihr getragenen Barauslagen und zwei Drittel ihrer weiteren Kosten zu ersetzen. In Bezug auf die Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis ist auf die jeweils zutreffende Begründung des Erstgerichts zu verweisen. Ein Ersatz der allein von den Beklagten getragenen Gutachtenskosten kommt nicht in Betracht, weil sich dieses Gutachten ausschließlich auf die Irreführungseignung bezog und die Beklagten insofern zur Gänze unterlegen sind.

Im Berufungsverfahren ist die Klägerin mit ihrer Berufung zu zwei Dritteln durchgedrungen, weswegen ihr die Beklagten zwei Drittel der Pauschalgebühr und ein Drittel der sonstigen Kosten zu ersetzen haben. Die Beklagten sind mit ihrer Berufung zur Gänze gescheitert, sodass der Klägerin die Kosten der Berufungsbeantwortung zustehen. Bemessungsgrundlage ist jeweils der halbe Streitwert, also 18.000 EUR. Im Revisionsverfahren haben die Beklagten der Klägerin zwei Drittel der Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

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