OGH 4Ob18/14x

OGH4Ob18/14x17.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ärztekammer *****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. G***** GmbH, *****, und 2. Dr. W***** G*****, MSc., *****, beide vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Kunze Partnerschafts KG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 11. Dezember 2013, GZ 30 R 37/13a‑9, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 23. Oktober 2013, GZ 30 Cg 68/13x‑4, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00018.14X.0217.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die klagende Ärztekammer nimmt die Beklagten wegen irreführenden Führens eines Doktortitels in Anspruch. Die erstbeklagte Gesellschaft betreibt ein Optikerunternehmen mit zwei Filialen in Wien; der Zweitbeklagte ist ihr Geschäftsführer und Alleingesellschafter. Er hatte an einer britischen Universität den akademischen Grad „Doctor of Philosophy (PhD) Optometry“ erworben und tritt im geschäftlichen Verkehr als „Dr. Walter Gutstein“ auf. Die Erstbeklagte verwendet auf ihrer Website folgendes Logo:

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung hatte dem Zweitbeklagten auf Anfrage mitgeteilt, dass er berechtigt sei, den britischen Doktorgrad in der Form „Dr.“ seinem Namen voranzustellen.

Das Rekursgericht untersagte den Beklagten „zu Zwecken des Wettbewerbs“ den Doktortitel zu führen, wenn es sich dabei nicht um ein Doktorat der Medizin handle und in diesem Fall nicht ein dies aufklärender Zusatz beigefügt werde. Den Revisionsrekurs ließ es wegen des Fehlens von Rechtsprechung zu dieser Frage zu. Das Geschäftsfeld der Beklagten sei dem medizinischen Bereich zuzuordnen. Werde in diesem Umfeld ein Doktortitel geführt, nehme der Durchschnittsverbraucher an, dass es sich um ein medizinisches Doktorat handle. Zur Vermeidung einer Irreführung müsse der Zweitbeklagte daher klarstellen, dass dies nicht zutreffe. Wie er das tue, bleibe ihm überlassen; der Doktortitel dürfe jedenfalls nicht in einer Art und Weise geführt werden, die ‑ zumal im titelgläubigen Österreich ‑ den Eindruck einer ärztlichen Qualifikation erwecke.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht zulässig.

1. Beim Irreführungstatbestand ist nach ständiger Rechtsprechung zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt oder die Dienstleistung, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (4 Ob 42/08t = MR 2008, 257 [Korn] = ÖBl 2008/56 S 276 [Gamerith] - W.-Klaviere; RIS-Justiz RS0123292; zuletzt etwa 4 Ob 202/12b = ÖBl 2013, 175 ‑ klimaneutral, und 4 Ob 29/13p = MR 2013, 293 [Heidinger] ‑ Vfg Versandapotheke für Österreich). Maßgebend ist dabei der Gesamteindruck, wobei eine Angabe im konkreten Kontext ‑ insbesondere wegen Unvollständigkeit ‑ auch dann irreführend sein kann, wenn sie bei isolierter Betrachtung wahr ist (4 Ob 132/10f = wbl 2011, 16 ‑ Österreich ist schon Nr 2; RIS‑Justiz RS0121669 [insb T9]). Ob das zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0107771).

2. Im konkreten Fall ist die Beurteilung des Rekursgerichts jedenfalls vertretbar. Schon wegen der teilweisen Überschneidung der Tätigkeitsbereiche ‑ etwa bei der Sehschärfemessung oder der Anpassung von Kontaktlinsen ‑ wird ein Augenoptiker im medizinischen Umfeld tätig. Hier wird der Durchschnittsverbraucher einen vom Unternehmer ohne weitere Konkretisierung geführten Doktorgrad als Hinweis auf eine medizinische Ausbildung verstehen (Anderl/Appl in Wiebe/G. Kodek, UWG2 § 2 Rz 490 FN 730; vgl auch Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG5 [2010] § 5 Rz 580; Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG3 [2013] § 5 Rz 63; OLG Frankfurt 6 U 28/12 =

NJOZ 2013, 1050 = WRP 2013, 825 [Heilpraktikerschule]). Im konkreten Fall wird dieser Eindruck durch die für den Durchschnittsverbraucher zwar nicht unmittelbar verständliche, aber durchaus medizinisch anmutende Bezeichnung „Optometrist“ ‑ die der Beklagte als solche natürlich führen darf - verstärkt.

3. Die Formulierung „zu Zwecken des Wettbewerbs“ geht auf das Sicherungsbegehren zurück, das insofern die UWG-Novelle 2007 übersieht (vgl zuletzt etwa 4 Ob 12/11k = ÖBl 2012, 183 ‑ Rohrprodukte). Dadurch ist aber im konkreten Fall sichergestellt, dass das Verbot nur im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit der Beklagten greift. Außerhalb davon steht es dem Zweitbeklagten selbstverständlich frei, seinen Doktortitel in jeder verwaltungsrechtlich zulässigen Form zu führen.

4. Richtig ist, dass die Klägerin beantragt hatte, den Beklagten das Führen des Doktortitels ganz allgemein zu untersagen. Das vom Rekursgericht erlassene Verbot ist demgegenüber ein Minus, weil es nur für den Fall des Fehlens eines aufklärenden Hinweises erlassen wurde. Das Unterbleiben einer an sich folgerichtigen Teilabweisung wurde nicht gerügt, wodurch dieser Teil des Begehrens aus dem Verfahren ausgeschieden ist (RIS-Justiz RS0041490, RS0039606). Ein Verstoß gegen § 405 ZPO liegt nicht vor, weil der Zuspruch im Antragsvorbringen Deckung findet, mit dem sich die Klägerin (auch) gegen die Irreführung durch das Führen eines nicht weiter spezifizierten Doktortitels gewendet hatte.

5. Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Da die Klägerin nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, hat sie die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.

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