OGH 9Ob68/16i

OGH9Ob68/16i28.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** e.U., *****, vertreten durch die Grasch + Krachler Rechtsanwälte OG in Leibnitz, gegen die beklagte Partei g***** gmbh, *****, vertreten durch die Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 14.440,94 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 28. Juli 2016, GZ 5 R 77/16d‑14, mit dem dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 7. April 2016, GZ 206 C 31/16d‑9, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00068.16I.1028.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger stützt in der am 12. 1. 2016 eingebrachten Klage die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art 5 EuGVVO. Eine – wirksame – Vereinbarung der erstmals in der Auftragsbestätigung enthaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten oder eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art 23 EuGVVO sei nicht zustande gekommen.

Die Beklagte wendet die mangelnde internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ein, da zwischen den Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 EuGVVO getroffen worden sei. Die vom Kläger genehmigte Auftragsbestätigung habe als Basis des Auftrags auf die AGB der Beklagten und die darin enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung verwiesen, nach der für alle sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Streitigkeiten zwischen Kaufleuten als ausschließlicher Gerichtsstand M***** in Deutschland festgelegt sei.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit zurück. Die Gerichts-standsvereinbarung sei zwar nicht Gegenstand des zwischen den Partein mündlich geschlossenen Vertrags geworden, doch habe die Auftragsbestätigung den Hinweis auf die angeschlossenen AGB der Beklagten und damit die Gerichtsstandsvereinbarung enthalten. Diese Auftrags-bestätigung sei von der Mutter des Inhabers des Klägers in dessen Auftrag unterfertigt retourniert worden, womit dem Schriftformerfordernis entsprochen worden sei. Ob sie damit eine ihr erteilte Vollmacht überschritten habe, sei irrelevant, weil der Inhaber des Klägers die Möglichkeit gehabt habe, in die Auftragsbestätigung Einsicht zu nehmen und sich gegen die Einbeziehung der AGB auszusprechen.

Den Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, da die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die AGB auch als nicht ausreichend erachtet werden könne, von der Zustimmung zu einer Gerichtsstandsvereinbarung auszugehen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, ihn dahingehend abzuändern, dass die Einrede der internationalen Unzuständigkeit verworfen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zu behandeln, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

1. Die Anwendung der EuGVVO ist zwischen den Streitteilen nicht strittig. Die Neuregelungen der Verordnung (EU) Nr 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen gelten nach ihrem Art 66 für Verfahren, die am 10. 1. 2015 oder danach eingeleitet werden. Die Frage der Wirksamkeit des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung richtet sich demnach im vorliegenden Fall nach Art 25 EuGVVO 2012, der aber in den hier relevanten Passagen mit der Vorgängerbestimmung des Art 23 EuGVVO in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 44/2001 ident ist.

Danach ist eine Gerichtsstandsvereinbarung, durch die die Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaats begründet wird, unter anderem schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung zu schließen. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu den Vorgängerbestimmungen (Art 17 EuGVÜ und Art 23 EuGVVO) setzt der vertragsautonom auszulegende Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung eine übereinstimmende Willenserklärung der Parteien über die Zuständigkeits-begründung voraus, die klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen ist (2 Ob 280/05y mwN). Das Schriftformerfordernis zielt darauf ab, den unbemerkten Eingang von Gerichtsstandsklauseln in den Vertrag zu verhindern und im Interesse der Rechtssicherheit die andere Partei vor überraschenden Gerichtsständen zu schützen. In allen Konstellationen muss gewährleistet sein, dass die Parteien einer Klausel, die von den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften abweicht, tatsächlich zugestimmt haben (RIS‑Justiz RS0113570).

2. Auch durch eine in einer Vereinbarung enthaltene Bezugnahme auf AGB kann wirksam eine Gerichtsstandsvereinbarung zustande kommen. Dabei ist es nicht nötig, dass ausdrücklich auf die Gerichtsstandsvereinbarung hingewiesen wird. Durch eine einseitige Übersendung der AGB allein kommt allerdings keine Gerichtsstandsvereinbarung zustande (vgl 7 Ob 336/97f). Dem Schriftformerfordernis wird aber durch Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen eine Gerichtsstandsklausel enthalten ist, entsprochen, wenn der Vertragstext ausdrücklich auf diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt (2 Ob 41/99i; RIS‑Justiz RS0111715; RS0109865 [T1]). Dies gilt auch im Fall eines mündlich geschlossenen Vertrages, wenn die schriftliche Bestätigung durch einen Vertragspartner, der dessen AGB beigefügt sind, vom anderen Vertragspartner schriftlich angenommen worden ist (Urteil des EuGH 14. 12. 1976, Gleries Segoura SPRL – Firma Rahim Bonakdarian, C‑25/76, Rn 12). Dagegen wendet sich der Revisionsrekurs auch nicht.

3. Der Kläger meint aber, dass die Gerichtsstandsvereinbarung deshalb nicht wirksam zustande gekommen ist, weil ihm wegen Ortsabwesenheit die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die AGB gefehlt habe und von ihm diesen nicht wirksam zugestimmt worden sei. Selbst wenn man außer Acht lässt, dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb keine Möglichkeit zur Einsichtnahme in ein E-Mail, das in der Regel weltweit abrufbar ist, bestanden haben soll, übergeht der Kläger, dass nach eigenem Vorbringen der Inhaber des Klägers die Beklagte aufforderte, das Bestätigungsschreiben an seine E‑Mail‑Adresse zu senden und dazu erklärte, dass dieses von seiner Mutter (und Angestellten) unterfertigt retourniert werden würde. Damit war aber die Mutter des Inhabers des Klägers unabhängig von allfälligen Beschränkungen im Innenverhältnis im Außenverhältnis gegenüber der Beklagten zu entsprechenden Vertretungshandlungen bevollmächtigt. Wenn daher das Berufungsgericht davon ausgeht, dass der Kläger durch die unterfertigte Rücksendung des Bestätigungsschreibens auch den AGB und der darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung zugestimmt hat, ist dies nicht korrekturbedürftig. Die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage einer möglichen Einsichtnahme des Geschäftsherrn in die AGB stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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