OGH 2Ob41/99i

OGH2Ob41/99i25.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich T*****, vertreten durch Waldbauer & Paumgarten & Naschberger, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Kufstein, wider die beklagte Partei Wilhelm K*****, BRD, vertreten durch Dr. Harald Meder und andere Rechtsanwälte in Kufstein, wegen S 57.068,55 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 30. April 1998, GZ 3 R 100/98x-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 3. Februar 1998, GZ 4 C 1297/96y-33, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 811,84, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit der am 8. 1. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger vom Beklagten, dessen Wohnort in der Bundesrepublik Deutschland ist, die Bezahlung von S 57.068,55 als Stornogebühr für eine Gruppenreservierung in seinem Hotel. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes sei vereinbart worden. Dem Beklagten sei nämlich der Prospekt "Top-Gruppen-Angebote 96" übermittelt worden, welcher in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalte. Mit Anbot und Reservierungsbestätigung vom 19. 11. 1995 sei auf diese Vertragsbedingungen Bezug genommen worden.

Der Beklagte erhob die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit und brachte dazu vor, es sei keine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung getroffen worden. Die Geschäftsbedingungen, auf welche sich der Kläger berufe, seien von ihm nicht unterfertigt worden.

Das Erstgericht wies die Klage zurück und erklärte das bisherige Verfahren für nichtig, wobei im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen wurden:

Mit "Mailing" vom 12. 7. 1995 übermittelte der Kläger an verschiedene Reiseunternehmer, darunter auch den Beklagten, der in Deutschland ein Reiseunternehmen betreibt, eine von ihm erstellte Broschüre "Top-Gruppen-Angebote 96" und ein Formular mit der Bezeichnung "Gruppenanfrage" sowie einen Prospekt über das von ihm betriebene Hotel. Darin wurde darauf hingewiesen, daß der Kläger nach Übermittlung der beiliegenden Gruppenanfrage ein detailliertes Angebot machen werde. Die vom Kläger übermittelte Broschüre "Top-Gruppen-Angebote 96" enthält detaillierte Beschreibungen von 15 Pauschalangeboten für Gruppenreisen; auf der Seite 18 sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (Verbindliche Reservierungsbedingungen) abgedruckt; darin wird darauf hingewiesen, daß sie bei Gruppenzimmerreservierungen in den Hotels des Klägers verbindlich gelten. Im Punkt 3 ist festgehalten, daß der verbindliche Vertragsabschluß (verbindliche Gruppenzimmerreservierung) zustande kommt, wenn der Veranstalter (d.i. der Besteller) die in doppelter Ausfertigung zugesandte Gruppenreservierungsbestätigung bestätigt und firmenmäßig unterfertigt wieder zurücksendet. In Punkt 12 der "Schlußbestimmungen" der Geschäftsbedingungen heißt es:

"Die Vertragspartner sind verpflichtet, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, Unstimmigkeiten gütlich zu bereinigen.

.....

Scheitern die Versuche, sich außergerichtlich zu einigen, gilt das Bezirksgericht Kufstein (Österreich) als Gerichtsstand und das Österreichische Zivilrecht als vereinbart. ...".

Nach Erhalt des Mailings am 12. 7. 1995 hat der Beklagte nach Einsichtnahme in die Broschüre "Top-Gruppen-Angebote 96" das Formular "Gruppen-Anfrage" ausgefüllt und dem Kläger übermittelt. Dieses enthält den Vordruck "Ja, wir interessieren uns für folgende Gruppenreisen laut Ihrer Broschüre 'Top-Gruppen-Angebote 96'". Der Beklagte hat in dem per Fax übermittelten Formular zwei in der Broschüre "Top-Gruppen-Angebote 96" beschriebene Pauschalangebote angekreuzt.

Mit Fax vom 19. 11. 1995 übermittelte der Kläger dem Beklagten ein Angebot für Gruppenreservierungen mit entsprechenden Preisangaben. In diesem Angebot ist unter "Sonstiges" festgehalten:

"Es gelten die verbindlichen Reservierungsbedingungen laut unserer Broschüre 'Top-Gruppen-Angebote 96' Seite 18, die Ihnen vorliegt!". Neben dem Angebot vom 19. 11. 1995 übermittelte der Kläger dem Beklagten auch die Seiten 4 und 19 der zitierten Broschüre, nicht aber die Geschäftsbedingungen. Ob sich der Beklagte bei Zugang dieses Telefax noch im Besitz der Broschüre "Top-Gruppen-Angebote 96" befunden hat, konnte nicht festgestellt werden.

Der Beklagte hat das ihm gefaxte Angebot vom 19. 11. 1995 unter der darin enthaltenen Passage "Wir bestätigen obige Reservierung" unterschrieben und am 20. 11. 1995 wiederum dem Kläger per Fax übermittelt. Eine Unterfertigung der in der Broschüre enthaltenen Geschäftsbedingungen durch den Beklagten erfolgte nicht.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei zwischen den Streitteilen eine nach Art 17 LGVÜ rechtswirksame Gerichtsstandsvereinbarung nicht zustande gekommen. Zwar habe das Angebot des Klägers den ausdrücklichen Hinweis enthalten, daß die verbindlichen Reservierungsbedingungen laut der Broschüre "Top-Gruppen-Angebote 96 Seite 18" gälten, es stehe jedoch nicht fest, daß dem Beklagten diese Broschüre bei Unterfertigung des Angebotes tatsächlich noch vorgelegen sei. Es sei daher nicht gewährleistet, daß der Beklagte der Gerichtsstandsklausel tatsächlich zugestimmt habe.

Das vom Kläger angerufene Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten verworfen und dem Erstgericht die Fortsetzung des ordentlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen wurde.

Über Antrag des Beklagten sprach das Rekursgericht aus, daß der Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, es sei dem Art 17 LGVÜ grundsätzlich durch eine Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen Genüge getan, wobei auch der ausdrückliche Hinweis auf die, eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausreiche, wenn eine Partei bei Anwendung der normalen Sorgfalt diesem deutlichen Hinweis nachgehen könne. Im gegenständlichen Fall seien dem Beklagten nach den Feststellungen des Erstgerichtes die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers übermittelt worden. In der Folge sei im Angebot vom 19. 11. 1995 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Reservierungsbedingungen gälten. Damit sei dem Formerfordernis des Art 17 Abs 1 LGVÜ entsprochen worden, weil bei Vertragsabschluß ein ausdrücklicher Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit auf die Gerichtsstandsvereinbarung erfolgt sei und der Beklagte dieses Angebot unterfertigt habe.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil dieser zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das Formerfordernis der Schriftlichkeit nach Art 17 Abs 1 LGVÜ erfüllt sei, noch nicht Stellung genommen habe. Es liege zwar insoweit eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vor, nicht jedoch eine solche des Obersten Gerichtshofes.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Rekurs des Klägers keine Folge gegeben werde.

Der Kläger hat Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Beklagte vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung sei die tatsächliche Zustimmung der Parteien zu einer Klausel, die von den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften abweiche. Hiezu sei auch erforderlich, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner bei Vertragsabschluß tatsächlich vorgelegen seien. Dieses Erfordernis sei aber hier nicht gegeben, es sei also der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes zuzustimmen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Österreich, der Beklagte in Deutschland. Die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen in einem Vertragsstaat gegen Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates haben, ist seit 1. 9. 1996 (bis zum Inkrafttreten des EuGVÜ am 1. 12. 1998) nach dem Lugano-Übereinkommen (LGVÜ) zu beurteilen. Deutschland ist seit 1. 3. 1995 Vertragsstaat. Die vorliegende Klage wurde am 8. 11. 1996, somit nach Inkrafttreten des Lugano-Übereinkommens für Österreich, eingebracht.

Das Übereinkommen geht dem nationalen Recht vor (SZ 70/226), für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit sind daher allein die Bestimmungen des Lugano-Übereinkommens maßgebend. Das EuGVÜ 1996 trat für Österreich erst am 1. 12. 1998 in Kraft, es wirkt gemäß Art 54 Abs 1 nicht zurück.

Eine Gerichtsstandsvereinbarung, auf die sich der Kläger stützt, muß gemäß Art 17 LGVÜ bestimmten Formerfordernissen genügen. Sie muß entweder a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung, oder b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder c) im internationalen Handel in einer Form geschlossen werden, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mußten und den Parteien von Verträgen dieser Art in den betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten. Eine schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art 17 Abs 1 zweiter Satz lit a LGVÜ liegt vor, wenn jede Vertragspartei ihren Willen schriftlich erklärt hat. Dies kann in einer von allen Parteien unterzeichneten Vertragsurkunde geschehen, es reichen aber auch getrennte Schriftstücke aus, wenn aus ihnen die Einigung über den gewählten Gerichtsstand ausreichend deutlich hervorgeht (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, Rz 32 zu Art 17). Insbesondere kann dem Schriftformerfordernis auch durch Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen eine Gerichtsstandsklausel enthalten ist, entsprochen werden, jedoch hat in diesem Fall der Vertragstext ausdrücklich auf die AGB Bezug zu nehmen (Czernich/Tiefenthaler, aaO Rz 33 zu Art 17 mwN). Grundsätzlich ist das Erfordernis der Schriftform auch dann gewahrt, wenn die Parteien im Text ihres Vertrages auf ein Angebot Bezug genommen haben, das seinerseits ausdrücklich auf die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen hatte. Diese Beurteilung gilt für den Fall eines deutlichen Hinweises, dem eine Partei bei Anwendung der normalen Sorgfalt nachgehen kann und wenn feststeht, daß mit dem Angebot, auf das Bezug genommen worden ist, die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen der anderen Partei tatsächlich zugegangen sind (EuGHSlg 1976, 1831, 1842, Nr 12 - Estatis Salotti/Rüwa; ihm folgend Czernich/Tiefenthaler, aaO Rz 33 zu Art 17; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht6, Rz 33 zu Art 17; Gottwald in Münchener KommzZPO, Rz 19 zu Art 17 iZPR; Hausmann in Wieczorek/Schütze, Zivilprozeß3 Rz 35 zu Art 17 EuGVÜ; Killias, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen 154). Im vorliegenden Fall enthält nun das vom Kläger dem Beklagten übermittelte und von diesem unterfertigte Anbot einen ausdrücklichen Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers. Diese wiederum enthalten die Vereinbarung der Zuständigkeit des in Österreich angerufenen Erstgerichtes. Die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind, wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt, dem Beklagten auch zugegangen. Ob sie dem Beklagten zum Zeitpunkte der Unterfertigung des Anbotes tatsächlich noch vorgelegen sind, ist unbeachtlich. Erforderlich ist lediglich, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner vor Vertragsabschluß auch tatsächlich vorgelegen haben, ob er darüber zum Zeitpunkte des Vertragsabschlusses noch verfügte, ist irrelevant. Es kann sich eine Partei dem Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vertragspartners nicht dadurch entziehen, daß sie diese vor Vertragsabschluß beseitigt.

Es war daher dem Revisionsrekurs des Beklagten keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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