OGH 8Ob28/16z

OGH8Ob28/16z25.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****-GmbH, *****, vertreten durch Schaffer Sternad Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Ä*****, vertreten durch Köhler Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Durchführung von Baumaßnahmen (Streitwert 339.002,88 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien (Revisionsinteresse klagende Partei 115.260,98 EUR, Revisionsinteresse beklagte Partei 196.621,67 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 8. Februar 2016, GZ 19 R 70/15b‑69, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00028.16Z.1025.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zur außerordentlichen Revision der Klägerin:

Das Mietverhältnis der Streitteile unterliegt gemäß § 1 Abs 4 Z 1 MRG nur dem Teilanwendungsbereich des MRG. Außerhalb zwingender Normen der Mietrechtsgesetzgebung kann die Pflicht des Bestandgebers zur laufenden Instandhaltung auf den Bestandnehmer überwälzt (RIS‑Justiz RS0021233) und auch die Erwirkung der zum bedungenen Gebrauch erforderlichen (behördlichen) Bewilligungen vertraglich dem Mieter überbunden werden (RIS‑Justiz RS0020947 [T2]). Ist den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt, dass das Mietobjekt teilweise unbrauchbar ist, und schließt der Mieter den Mietvertrag dennoch ohne Vorbehalte ab, so wird dieser Zustand zum Vertragsinhalt; die Leistung des Vermieters ist damit vertragskonform (3 Ob 47/13b; 4 Ob 191/10g).

Im Anlassfall hat die klagende Mieterin (Rechtsnachfolgerin der Vormieterin) die Geschäftsräumlichkeiten im Betriebsgebäude der Beklagten bereits rund eineinhalb Jahre vor dem im November 2001 erfolgten Abschluss des Mietvertrags genutzt. Die Nutzung des Gebäudes (als Büro und Lager) erfolgte stets – auch durch die frühere Mieterin – in gleicher Weise. Von einem „ebenso gravierenden wie versteckten“ Mangel, den die Revisionswerberin nun daraus ableitet, dass eine „Nutzung entsprechend der Arbeitsstättenverordnung“ nicht möglich sei, kann daher hier nicht die Rede sein.

Entgegen der Meinung der Revisionswerberin stellt die Rechtsansicht der Vorinstanzen keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Diese haben die von den Parteien in den Vertrag aufgenommene Formulierung, das Bestandobjekt werde „im derzeitigen, den Vertragsparteien bekannten Zustand“ übernommen, hier im konkreten Fall so interpretiert, dass die Klägerin von der Beklagten nun keine (näher aufgelisteten, ausschließlich raumklimatische Eigenschaften des Bestandobjekts wie Temperatur, Sonneneinstrahlung oder Zugluft betreffenden) „fachgerechten Maßnahmen […] zur vertragsgemäßen Nutzung im Einklang mit den Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung“ fordern kann.

Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung 7 Ob 3/03x hinweist, ist ihr zu entgegnen, dass nach dem dort zu beurteilenden Sachverhalt dem Mieter die mangelnde Gebrauchsfähigkeit des Bestandobjekts als Verkaufslokal bei Abschluss des Mietvertrags – anders als hier – gerade nicht bekannt war. Auch in dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass ein Ersatz notwendiger Aufwendungen zur Herstellung der bedungenen Qualität der Bestandsache dann nicht in Betracht komme, wenn dem Bestandnehmer die (teilweise) mangelnde Gebrauchsfähigkeit des Bestandobjekts bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw der Übernahme des Bestandobjekts bekannt war und er dennoch keine Instandsetzung (oder den Kostenersatz dafür) forderte (RIS‑Justiz RS0020467).

Hier steht fest, dass beiden Geschäftsführern der Klägerin beim Vertragsabschluss die fehlende Klimatisierung des Gebäudes bekannt war und die Nutzung des Bestandobjekts durch die Klägerin (und ihre Rechtsvorgängerin) seit Jahren gleich blieb. Die fehlende Wärmedämmung und Zugluft‑Dichtheit des Gebäudes ist jedenfalls bereits seit dem Umbau 1997 unverändert, sodass es sich hier – entgegen der Behauptung der Revision – gerade nicht um bauliche Mängel handelt, die „erst lange nach Vertragsabschluss“ aufgetreten wären. Das (Teil-)Begehren, dessen Abweisung die Revision bekämpft, hat letztlich die Herstellung einer vollständigen Klimatisierung des gesamten Bestandobjekts zum Inhalt, weshalb insoweit zu der (von den Vorinstanzen der Beklagten aufgetragenen) Beseitigung von erst während des Mietverhältnisses eingetretenen Wasserschäden (mit einer bei Anmietung nicht erkennbaren Ursache) auch kein Widerspruch besteht.

Eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität wird damit insgesamt nicht aufgezeigt.

2. Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

Das Betriebsgebäude der Beklagten ist grundsätzlich für einen einzigen Benutzer konzipiert. Die Streitteile haben jedoch nach dem Konkursverfahren der früheren Mieterin nach längeren Vertragsverhandlungen letztlich über die Geschäftsräume zwei getrennte Mietverträge geschlossen und sich dabei für den Fall, dass der eine (kleinere) Teil der Geschäftsräume an einen Dritten vermietet werden sollte, darauf geeinigt, dass die Beklagte diesfalls auf ihre Kosten eine räumliche Trennung vom Bestandobjekt der Klägerin durchführen sollte. An die Möglichkeit, dass dieser Teil des Gebäudes von der Klägerin geräumt werden müsste und anschließend leer stehen würde, haben die Vertragsteile damals nicht gedacht.

Treten nach Abschluss eines Rechtsgeschäfts Konfliktfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher im Vertrag nicht ausdrücklich geregelt wurden, so ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Vertragszwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (RIS‑Justiz RS0017758). Als Mittel einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrsauffassung in Betracht (RIS‑Justiz RS0017832), wobei in erster Linie auf den Vertragszweck Bedacht zu nehmen ist (8 Ob 121/15z mwN). Die Vertragsauslegung ist nach ständiger Rechtsprechung eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0042936; RS0044358). Dies gilt ebenso für die ergänzende Vertragsauslegung (8 Ob 121/15z).

Nach der vertraglichen Einigung der Streitteile sollte die Abtrennung der beiden Gebäudeteile (erst) dann erfolgen, wenn der vom Bestandobjekt der Klägerin nicht umfasste Teil des Gebäudes an einen Dritten vermietet wird. Schließlich gingen die Streitteile ja davon aus, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Klägerin das gesamte Gebäude nutzen wird. Nach der vorübergehenden Inbestandnahme des verbleibenden Teils des Gebäudes durch die Klägerin und nach der Räumung dieses Teils von deren Fahrnissen war aber jetzt die Situation eine andere. Nunmehr war die Klägerin nur mehr zur Nutzung des eigentlichen Bestandobjekts berechtigt, das aber vom übrigen Gebäude nicht abgetrennt ist. Vor diesem Hintergrund ist die ergänzende Auslegung des Vertrags durch die Vorinstanzen, wonach die Beklagte nunmehr zur Abtrennung der (für sie uneingeschränkt zugänglichen) nicht vom Bestandobjekt umfassten Flächen verpflichtet sei, nicht unvertretbar. Die Frage, ob auch eine andere Auslegung möglich wäre, hat jeweils keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl RIS‑Justiz RS0042871 [T15]; RS0044298 [T46]).

Die weiters von der Beklagten als erheblich geltend gemachte Frage der Angemessenheit der (hier vom Erstgericht mit sechs Monaten festgesetzten) Leistungsfrist ist ebenfalls von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig (vgl RIS‑Justiz RS0116139 [T14]). Auch in diesem Punkt gelingt es der Revisionswerberin nicht, eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen darzulegen. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Behebung der im Einzelnen aufgelisteten Baumängel sowie auf Abtrennung der Räumlichkeiten (insbesondere zur Sicherstellung des ausschließlichen Zutritts der Klägerin zu den von ihr angemieteten Räumlichkeiten) sind der Beklagten zumindest seit Einbringung der Klage vor rund zwei Jahren bekannt. Die festgesetzte Leistungsfrist von sechs Monaten sollte daher auch für die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten ausreichen, wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte ihren Verpflichtungen zügig und ohne unnötigen Aufschub durch zweckentsprechende Maßnahmen nachkommt.

Weitere Rechtsfragen macht die Revision nicht geltend.

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