OGH 9ObA120/15k

OGH9ObA120/15k29.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Hon.‑Prof. Dr. Dehn, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martina Rosenmayr‑Khoshideh und Robert Hauser als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Mag. E*****, 2. P*****, und 3. H*****, alle vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, und 2. Ö*****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses und Kündigungsanfechtung, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. April 2015, GZ 12 Ra 19/15y‑46, mit dem über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 17. September 2014, GZ 16 Cga 190/11h‑41, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00120.15K.0929.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil einschließlich seiner mangels Anfechtung bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile in der Hauptsache insgesamt wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung wird dem Erstgericht vorbehalten.

Entscheidungsgründe:

Nach § 510 Abs 3 Satz 1 ZPO kann der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht in der Ausfertigung seiner Entscheidung die Wiedergabe des Parteivorbringens und der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen auf das beschränken, was zum Verständnis seiner Rechtsausführungen erforderlich ist.

Die Klägerin und die Kläger (aus Gründen der besseren Lesbarkeit in weiterer Folge nur mehr: die Kläger) waren als Rechtsberater im Asylverfahren gemäß §§ 64, 65 AsylG 2005 beim Zweitbeklagten beschäftigt. Grundlage für diese Dienstverhältnisse waren zum einen mit dem Bundesministerium für Inneres (BMI) abgeschlossene Bestellungsverträge, zum anderen mit dem Zweitbeklagten abgeschlossene „Freie Dienstverträge“. Die Bestellungsverträge der Erstklägerin und des Zweitklägers mit dem BMI waren vom 1. 1. 2011 bis 31. 12. 2015, jener des Drittklägers vom 9. 12. 2008 bis 8. 12. 2013 befristet. In den für dieselben Zeiträume befristeten schriftlichen Dienstverträgen der Kläger mit dem Zweitbeklagten war die Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung unter Einhaltung einer zweimonatigen Kündigungsfrist jeweils zum Monatsende ohne Angaben von Gründen für beide Streitteile vereinbart. Die Dienstverhältnisse der Kläger wurden mit Schreiben des Zweitbeklagten vom 9. 11. 2011 zum 31. 1. 2012 gekündigt. Mit einem weiteren gemeinsamen Schreiben der Beklagten vom März 2012 wurden die Dienstverhältnisse als Vorsichtsmaßnahme ein weiteres Mal zum 30. 6. 2012 gekündigt.

Die Kläger begehren mit den vorliegenden verbundenen Klagen, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, (nur mehr) gegenüber dem Zweitbeklagten die Feststellung des aufrechten Fortbestehens ihrer Dienstverhältnisse über den 31. 1. 2012, (28. 2. 2012) und 30. 6. 2012 hinaus. Hilfsweise begehren die Erstklägerin und der Zweitkläger gegenüber dem Zweitbeklagten die Unwirksamerklärung der Kündigungen vom 9. 11. 2011 zum 31. 1. 2012 sowie vom März 2012 zum 30. 6. 2012. Eine in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren des Erstgerichts ursprünglich auch angefochtene Kündigung des Dienstverhältnisses des Drittklägers durch die Erstbeklagte zum 28. 2. 2012 ist nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens.

Zusammengefasst brachten die Kläger – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – vor, dass sie aufgrund wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit bei der Leistungserbringung in einem echten Dienstverhältnis zum Zweitbeklagten gestanden seien. Die in den schriftlichen Dienstverträgen vereinbarte Möglichkeit der Kündigung der befristeten Dienstverhältnisse widerspreche der Bestimmung des § 65 AsylG 2005 und den Bestellungsverträgen der Kläger, wonach die Mindestvertragsdauer eines Rechtsberatungsverhältnisses fünf Jahre betrage und sei daher unwirksam. § 65 Abs 3 AsylG 2005 sei eine Schutzbestimmung zugunsten der Rechtsberater und der Asylwerber. Eine vorzeitige Auflösung der Bestellungs‑ und Dienstverträge sei nur im Fall hier nicht vorliegender Pflichtverletzungen des Rechtsberaters zulässig. Auf die Dienstverhältnisse der Kläger zum Zweitbeklagten gelange das VBG 1948 zur Anwendung. Ein Vertragsbediensteter dürfe wegen Bedarfsmangels nicht gekündigt werden, wenn er im Rahmen seines Dienstverhältnisses mit einer zeitlich befristeten Funktion betraut sei. Die Erstklägerin und der Zweitkläger fochten die Kündigungen vom 9. 11. 2011 zum 31. 1. 2012 und vom März 2012 zum 30. 6. 2012 gemäß § 105 ArbVG an und brachten dazu vor, dass diese sozialwidrig seien und überdies ein unzulässiges Motiv vorliege.

Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, wandte der Zweitbeklagte zusammengefasst ein, dass die Kläger im Rahmen freier Dienstverhältnisse und nicht in persönlicher Abhängigkeit für ihn tätig geworden seien. Die von den Klägern als Anspruchsgrundlage – insbesondere auch für die Kündigungsanfechtungen – herangezogenen Bestimmungen des VBG und ArbVG kämen daher nicht zur Anwendung. Auch freie Dienstverträge könnten befristet abgeschlossen werden, die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit sei zulässig. Der Zweitbeklagte habe die freien Dienstverträge der Kläger entsprechend der rechtswirksam vereinbarten Kündigungsklausel frist‑ und termingerecht gekündigt. Die Kündigungen seien nicht wegen des Bestellungsvertrags unwirksam, weil dieser bloß Grundlage, nicht aber zwingende Voraussetzung oder Bedingung für den Abschluss eines freien Dienstvertrags mit dem Zweitbeklagten sei. Die erfolgten Kündigungen seien betriebsbedingt gewesen, weil die Rechtsberatung vom BMI neu vergeben worden sei, sodass die Arbeitsplätze der Kläger mit 31. 1. 2012 ersatzlos weggefallen seien.

Das Erstgericht wies sämtliche Haupt‑ und Eventualbegehren der Kläger ab. Es gelangte in einer Gesamtbetrachtung zum Ergebnis, dass die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach nicht überwiegen, sodass die vorliegenden Vertragsverhältnisse der Kläger als freie Dienstverträge zu qualifizieren seien. Auf die Dienstverträge der Kläger zum Zweitbeklagten seien daher weder das VBG 1948 noch das ArbVG anzuwenden. Daher sei auch die Anfechtung der Kündigungen nach den Bestimmungen des ArbVG nicht möglich.

Das Berufungsgericht gab der von den Klägern gegen Teile dieses Urteils erhobenen Berufung teilweise Folge. Es bestätigte die Abweisung des Eventualbegehrens im Spruchpunkt 9 des Erstgerichts (Begehren auf Feststellung, dass die zwischen der Erstklägerin und dem Zweitkläger und der Erstbeklagten abgeschlossenen Bestellungsverträge vom 6. 12. 2010 zu Rechtsberatern ungeachtet der Kündigungen der zweitbeklagten Partei zum 31. 1. 2012, [28. 2. 2012] und 30. 6. 2012 aufrecht fortbestünden) auch hinsichtlich der Erstbeklagten. In diesem Umfang erwuchs die Entscheidung des Berufungsgerichts unangefochten in Rechtskraft.

Im Übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung der Kläger Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es den Begehren aller drei Kläger auf Feststellung des aufrechten Fortbestands der Dienstverhältnisse zum Zweitbeklagten ungeachtet der Kündigungen der Beklagten zum 31. 1. 2012, (28. 2. 2012) und 30. 6. 2012 über den 31. 1. 2012, 28. 2. 2012 und 30. 6. 2012 hinaus stattgab.

Ohne sich mit der Beweis‑ und Mängelrüge in der Berufung der Kläger auseinanderzusetzen, gelangte das Berufungsgericht rechtlich zu dem Ergebnis, dass bei einer Gesamtbetrachtung die zwischen den Klägern und dem Zweitbeklagten abgeschlossenen Verträge als echte Arbeitsverträge anzusehen seien. Aufgrund der Organisationsstruktur des Zweitbeklagten seien für dessen Dienstnehmer die Regelungen des VBG 1948 anzuwenden. Danach wäre die Auflösung der Dienstverhältnisse aber nur durch Zeitablauf gemäß § 30 Abs 1 Z 8 VBG 1948 möglich gewesen. Die in den Dienstverträgen der Kläger vereinbarte Kündigungsmöglichkeit sei daher rechtsunwirksam. Rechtsberater hätten im Asylverfahren nach dem AsylG 2005 die Aufgabe gehabt, die Interessen der Asylwerber unparteiisch wahrzunehmen und sie juristisch zu beraten. Die Festlegung der Mindestvertragsdauer in § 65 Abs 3 AsylG 2005 diene dem Zweck, diese Unabhängigkeit zu gewährleisten und entfalte daher eine Schutzwirkung zugunsten des Rechtsberaters und der von ihm beratenen Asylwerber. Unterscheide man zwischen dem Bestellungsvertrag und dem davon unabhängigen Dienstvertrag, werde dieser Schutzzweck ausgehöhlt. Die in § 65 Abs 3 AsylG 2005 verankerte Mindestvertragsdauer sei daher als ein das Dienstverhältnis des Rechtsberaters betreffender besonderer Kündigungsschutz zu verstehen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob das VBG 1948 auch auf Dienstverhältnisse zu Fonds anzuwenden sei, die nicht ausschließlich von Organen des Bundes verwaltet werden, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

In seiner gegen den stattgebenden Teil gerichteten Revision beantragt der Zweitbeklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung.

Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurück‑, hilfsweise die Abweisung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Zweitbeklagten ist zulässig und berechtigt, weil das Berufungsgericht die Frage, ob die hier vorliegenden Vertragsverhältnisse als echte oder freie Dienstverhältnisse zu beurteilen sind, unrichtig beurteilt hat.

1.1 Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit einem dem vorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhalt schon in der ebenfalls den Zweitbeklagten betreffenden Entscheidung 9 ObA 40/16x (Pkt 2.) zu befassen. Er gelangte dort in eingehender Auseinandersetzung mit den dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit eines Rechtsberaters im Asylverfahren nach den Regelungen des AsylG 2005 bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung nicht als (echter) Arbeitsvertrag, sondern als freier Dienstvertrag anzusehen ist; dies vor allem deshalb, weil der Rechtsvertreter selbst über Prioritäten im Einsatz seiner Arbeitskraft entscheiden kann und auch an das Unterbleiben eines Arbeitsauftrags keine Konsequenzen geknüpft sind (vgl nur Schrammel in Klang 4 § 1151 ABGB Rz 61). Der Oberste Gerichtshof hat in 9 ObA 40/16x (Pkt 2.3) weiters ausgeführt, dass auch schon in der Vergangenheit in vergleichbaren Konstellationen das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses angenommen wurde (9 ObA 99/91, Notarzt; 9 ObA 10/99g, Sprachlehrer; 8 ObA 55/07g, Arzt).

1.2 Auch im vorliegenden Verfahren ergibt sich – bei identen gesetzlichen Grundlagen und gleichlautenden schriftlichen Dienstverträgen zwischen den Klägern und dem Zweitbeklagten – nach den Feststellungen zu den tatsächlich gelebten Vertragsverhältnissen der Kläger kein anderes Ergebnis als zu 9 ObA 40/16x. Insbesondere ist daraus hervorzuheben, dass die Kläger – ebenso wie im Vorverfahren – das Recht hatten, sich vorab frei und ohne jegliche Abstimmung mit dem Zweitbeklagten entscheiden zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Stundenausmaß sowie an welchen Arbeitstagen sie Tätigkeiten als Rechtsberater für den Zweitbeklagten erbringen wollten. Die Kläger konnten auch – wie dies das Erstgericht am Beispiel des Drittklägers disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausgeführt hat – ohne Konsequenzen für längere Zeit gar keine Beratertätigkeit ausüben. Die Kläger hatten auch grundsätzlich die Möglichkeit, sich bei Verhinderung (etwa durch Krankheit) von einem anderen Rechtsberater des Zweitbeklagten – auch kurzfristig, bei schon angesetzten auswärtigen Einvernahmen – vertreten zu lassen. Ein Diensttausch war auch nach Festlegung der Einsatzpläne möglich. Die Kläger kümmerten sich in solchen Fällen – etwa auch bei Urlaub oder Krankheit – selbst um eine Vertretung.

Die Vertragsverhältnisse der Kläger zum Zweitbeklagten waren daher ebenso wie in der Vorentscheidung nicht davon gekennzeichnet, dass der Zweitbeklagte faktisch über die Arbeitskraft der Kläger wie bei einem echten Arbeitsvertrag verfügen konnte. Dass die Parteien bei Abschluss der jeweils auch als „Freier Dienstvertrag“ bezeichneten Vertragsverhältnisse – auch wenn es für die Qualifikation der Verträge nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien ankommt (RIS‑Justiz RS0111914) – beabsichtigten, diese so unabhängig und frei wie nur möglich zu gestalten (vgl RIS‑Justiz RS0021518 [T3]), zeigt – ebenso wie schon im Vorverfahren – auch der fehlende (Rechts‑)Anspruch der Kläger, Dienstleistungen gegen Entgelt in einem bestimmten Ausmaß für den Zweitbeklagten zu erbringen. Daran ändert der Umstand, dass sich die Kläger ihre Dienste möglichst gleichmäßig aufteilten, weil sie auf das Einkommen aus dieser Tätigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen waren, nichts. Denn ebenso wie im Vorverfahren konnten die Kläger zwar ihre jeweiligen Arbeitswünsche dem Steuerungsbüro im Vorhinein bekannt geben, sahen jedoch erst nach Erstellung des jeweiligen Wochenplans, ob und gegebenenfalls an welchem Halbtag und in welchem Umfang sie tatsächlich zur Dienstleistung herangezogen wurden.

1.3 Es ist daher auch im Fall der Kläger davon auszugehen, dass sie im Rahmen freier Dienstverträge beim Zweitbeklagten beschäftigt waren. Das VBG 1948 kommt auf freie Dienstverträge nicht zur Anwendung (§ 1 Abs 1 VBG 1948; 9 ObA 40/16x mwH). Da die Erstklägerin und der Zweitkläger nicht Arbeitnehmer iSd ArbVG sind, fehlt es an den Voraussetzungen für deren Kündigungsanfechtungen gemäß § 105 Abs 3 ArbVG (9 ObA 40/16x mwH).

2. Die in zweiter Instanz obsiegenden Kläger rügen in hier zulässiger Weise in der Revisionsbeantwortung, dass das Berufungsgericht ihre Tatsachen‑ und Mängelrüge nicht behandelt hat (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 Rz 40 mH auf 1 Ob 259/03z; 9 ObA 66/95 mwH). Für den Klagsstandpunkt ergibt sich daraus aber nichts Wesentliches.

2.1 In ihrer Berufung haben die Kläger die Feststellungen gerügt: „Die Kläger waren in Ausübung ihrer Aufgaben als Rechtsberater den Beklagten gegenüber weisungsfrei und unabhängig. Tatsächlich wurden auch keine Weisungen erteilt.“ Sie begehrten stattdessen die Feststellung: „Die Kläger waren in Ausübung ihrer Aufgaben als Rechtsberater den Beklagten gegenüber sachlich weisungsfrei und unabhängig.“ Die begehrte Feststellung sei klarer und stehe mit dem Gesetz im Einklang, wonach die Rechtsberater im Asylverfahren sachlich weisungsfrei seien.

Das Berufungsgericht ist aber entgegen der Annahme der Kläger ohnehin – in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Kläger – von der vom Gesetz vorgegebenen sachlichen Weisungsfreiheit ausgegangen. Soweit es rechtlich ausführt, dass die Kläger auch in organisatorischer Hinsicht weisungsunterworfen gewesen seien, hat der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 40/16x (Pkt 2.2) ausgeführt, dass dieses Merkmal im Hinblick auf die gesetzlich vorgegebene Weisungsfreiheit (und damit auch Kontrollfreiheit) der Tätigkeit eines Rechtsberaters im vorliegenden Fall weder für das Vorliegen eines echten Arbeitsvertrags noch eines freien Dienstvertrags spricht (9 ObA 40/16x, Pkt 2.2). Dies gilt auch im vorliegenden Fall, sodass die Kläger damit keinen relevanten Mangel des Berufungsverfahrens aufzeigen.

2.3 Die Kläger zeigen auch mit ihren Ausführungen zur Nichtbehandlung der Mängelrügen in der Berufung keinen relevanten Mangel des Berufungsverfahrens auf:

Da das VBG 1948 auf die freien Dienstverträge der Kläger, wie ausgeführt, nicht zur Anwendung gelangt, kommt es auf die von den Klägern beantragte Einvernahme des Geschäftsführers des Zweitbeklagten zur Klärung der Bestellung der Organe des Zweitbeklagten und damit verbunden der Anwendbarkeit des VBG 1948 hier nicht an.

Das Gericht ist in der Frage, ob ein (echter) Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag vorliegt, an die rechtliche Beurteilung des Sozialversicherungsträgers nicht gebunden, mag sie auch auf identer Sachverhaltsgrundlage beruhen (9 ObA 22/01b; 9 ObA 73/05h; RIS‑Justiz RS0037015). Daher kommt es auf die von ihnen begehrte Einvernahme einer Zeugin und des Geschäftsführers des Zweitbeklagten zum Beweis ihres Vorbringens, dass die Rechtsberater des Zweitbeklagten der Versicherungspflicht des § 4 Abs 2 ASVG unterliegen, hier nicht an.

3.1 Die Kläger halten auch in der Revisionsbeantwortung an ihrer Rechtsansicht fest, dass die Bestellungsverträge und die Dienstverträge zwischen Rechtsberatern und Zweitbeklagtem jeweils als Einheit zu sehen seien. § 65 Abs 3 AsylG 2005 sei eine Schutzbestimmung zugunsten des jeweiligen Rechtsberaters und der Asylwerber, die einen Kündigungsschutz zugunsten der Rechtsberater normiere. Die in den Dienstverträgen vereinbarte Kündigungsmöglichkeit der befristeten Verträge verstoße daher gegen zwingendes Recht und sei unwirksam. Auch dieser Überlegung kommt keine Berechtigung zu.

3.2 Der Oberste Gerichtshof hat bereits in 9 ObA 40/16x die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit eines Asylberaters dargestellt (Pkt 1.). Die auf § 39b Abs 3 AsylG idF der AsylG‑Novelle 2003 (BGBl I 2003/101) zurückgehende Bestimmung des § 65 Abs 3 AsylG 2005 (BGBl I 2005/100; später dann mit im Wesentlichen gleichem Inhalt § 66a Abs 5 AsylG 2005 idF BGBl I 2011/38) lautet auszugsweise:

(3) Die Dauer des Rechtsberatungsverhältnisses richtet sich nach dem mit dem Bundesminister für Inneres abzuschließenden Vertrag; die Mindestvertragsdauer beträgt fünf Jahre. Eine Wiederbestellung begründet kein unbefristetes Vertragsverhältnis. Begeht der Rechtsberater wiederholt und beharrlich Verletzungen seiner Beratungs- und Anwesenheitspflicht, kann der Vertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt werden.

3.3 Dazu hat der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 40/16x ausgeführt, dass die Vorgangsweise des BMI, mit dem jeweiligen Rechtsberater einen Bestellungsvertrag abzuschließen und die näheren dienstvertraglichen Bestimmungen in einem eigenen „freien Dienstvertrag“ zu regeln, den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen entsprochen hat. Es handelt sich um zwei verschiedene, getrennt zu beurteilende Verträge (vgl ebenso Filzwieser/Liebminger , Rechtsberater im österreichischen Asylverfahren – Rechtsfragen des Tätigkeitsbildes, migralex 2005, 49). Davon geht entgegen der Rechtsansicht der Kläger auch das Berufungsgericht aus: Denn es nimmt zwar einen sich seiner Ansicht nach aus § 65 Abs 3 AsylG 2005 ergebenden Kündigungsschutz für das freie Dienstverhältnis des Rechtsberaters an. Es führt allerdings ebenso wie das Erstgericht zutreffend aus, dass die – von den freien Dienstverträgen gesondert zu beurteilenden – Bestellungsverträge der Kläger von der Erstbeklagten weder gekündigt noch auf andere Weise vorzeitig beendet wurden. Soweit die Kläger die darauf beruhende Abweisung des (noch gegen die Erstbeklagte zu behandelnden) Eventualbegehrens in Spruchpunkt 9 des Ersturteils durch das Berufungsgericht in ihrer Revisionsbeantwortung rügen, ist darauf mangels Anfechtung dieser Abweisung durch die Kläger nicht einzugehen.

3.4 § 65 Abs 3 AsylG 2005 regelt schon seinem Wortlaut nach nur den zwischen dem Rechtsberater und dem BMI abzuschließenden Bestellungsvertrag. Diese Bestimmung enthält keine inhaltlichen Regelungen über die Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses des Rechtsberaters. Sie enthält insbesondere auch nicht – worauf der Revisionswerber zutreffend hinweist – eine Anordnung, mit dem Rechtsberater einen echten Arbeitsvertrag (insbesondere auch nicht nach dem VBG 1948) abzuschließen. Dass ein dahingehender Wille des Gesetzgebers auch nicht implizit erkennbar ist, ergibt sich schon aus der in § 64 Abs 2 AsylG 2005 normierten Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater im Zulassungsverfahren. Diese sind daher – entgegen der Rechtsposition echter Arbeitnehmer oder Vertragsbediensteter – gerade nicht der Kontrolle ihrer Tätigkeit durch das BMI unterworfen.

3.5 Deutlich ergibt sich der Umstand, dass Bestellungsvertrag und Beschäftigungsverhältnis getrennt zu behandeln sind, auch aus der mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl I 2011/38 (FrÄG), geschaffenen Möglichkeit für den Bundesminister für Inneres – bei sonst inhaltlich im Wesentlichen unverändertem System – eine juristische Person mit der Rechtsberatung zu betrauen. In einem solchen Fall ist diese juristische Person für die konkrete Rechtsberatung verantwortlich und der hiezu beschäftigte Rechtsberater an deren Anordnungen gebunden (vgl § 66a Abs 8 AsylG 2005 idF FrÄG 2011; Schrefler‑König/Szymanski , Fremdenpolizei‑ und Asylrecht [Stand 1. 1. 2015, rdb.at] § 48 BFA‑VG Anm 2).

3.6 Die Kläger stellen in der Revisionsbeantwortung nicht in Frage, dass auch für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis die Möglichkeit einer Kündigung vereinbart werden kann (9 ObA 40/16x mH auf 8 ObA 261/95). Ein Verbot der Vereinbarung einer solchen Kündigungsmöglichkeit in einem freien Dienstvertrag ist weder dem Wortlaut noch dem Zweck des § 65 Abs 3 AsylG 2005 zu entnehmen. Die in einem freien Dienstvertrag fehlende persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers steht mit der in § 64 Abs 2 AsylG 2005 normierten Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater im Zulassungsverfahren im Einklang. Das rein theoretische Argument des Berufungsgerichts, dass das BMI keine Möglichkeit haben sollte, sich „missliebiger“ Rechtsberater vorzeitig zu entledigen, geht am konkreten Fall vorbei; bei den Rechtsberatern im Asylverfahren handelt es sich nicht um Entscheidungsorgane. Das Gesetz ordnet darüber hinaus gar nicht an, dass eine Vertretung zwingend durch Rechtsberater zu erfolgen hätte (in den Gesetzesmaterialien zum Fremdenrechtspaket 2005 werden ausdrücklich auch andere Vertreter, wie beispielsweise Rechtsanwälte, genannt, 952 BlgNR 22. GP 45). Auch ist – wie schon die festgestellten Möglichkeiten des Diensttauschs und der uU auch kurzfristigen Dienstplanänderungen zeigen – nicht zwingend die Vertretung durch immer denselben Rechtsberater angeordnet. Schließlich ist zu beachten, dass die Kündigungsmöglichkeit in den freien Dienstverträgen für beide Teile besteht: Auch der Rechtsberater ist dadurch in die Lage versetzt, den freien Dienstvertrag vorzeitig zu kündigen und, dies unabhängig vom Fortbestehen des Bestellungsvertrags, auf diese Weise seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen nachzugehen.

4. Zusammengefasst erweisen sich daher schon die ersten Kündigungen der Verträge der Kläger durch den Zweitbeklagten mit Schreiben vom 9. 11. 2011 zum 31. 1. 2012 als vertragskonform und wirksam, sodass dem Feststellungsbegehren auf aufrechtes Fortbestehen der Dienstverhältnisse der Kläger keine Berechtigung zukommt. Die von der Erstklägerin und vom Zweitkläger vorgenommenen Kündigungsanfechtungen sind, wie ausgeführt, schon mangels Anwendbarkeit des § 105 ArbVG nicht berechtigt.

Soweit ist der Revision des Zweitbeklagten daher Folge zu geben und das im Revisionsverfahren noch zu behandelnde Haupt‑ wie auch die Eventualklagebegehren abweisende Ersturteil wiederherzustellen.

Eine Kostenentscheidung hatte im Hinblick auf den Kostenvorbehalt des Erstgerichts nach § 52 Abs 1 ZPO zu unterbleiben (§ 52 Abs 3 ZPO).

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