OGH 8ObA55/07g

OGH8ObA55/07g10.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Spenling, die Hofrätin Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Univ.-Prof. DI Hans Lechner und Franz Stanek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter L*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach und Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, Oberlandesgericht Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Juni 2007, GZ 9 Ra 89/06h-14, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. Februar 2006, GZ 33 Cga 166/05f-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 166,56 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 17. 7. 1941 geborene Kläger ist Arzt für Allgemeinmedizin. Er interessierte sich für eine Tätigkeit in der Außenstelle der Justizanstalt W***** in F***** und führte in diesem Zusammenhang ein Gespräch mit dem zuständigen Leiter, Hofrat Dr. M*****. Dieser stellte für eine ärztliche Tätigkeit bei der beklagten Partei ein Stundenhonorar von 600 ATS brutto in Aussicht, was den Vorstellungen des Klägers entsprach. In der Folge wies aus Anlass der Besichtigung der Außenstelle Kommandant K***** darauf hin, dass die Anwesenheit eines Arztes grundsätzlich vormittags günstiger wäre als nachmittags. Sollten nämlich Insassen zur Untersuchung außer Haus geführt werden, sei dies wegen des knappen Personalstands bei den Justizwachebeamten und den Gepflogenheiten bei den Ambulatorien vorteilhafter. Der Kläger erklärte sich bereit, an Vormittagen zur Verfügung zu stehen. Kommandant K***** führte weiter aus, dass erfahrungsgemäß die meisten Krankheitsfälle bei den Insassen am Wochenende auftreten und somit eine Anwesenheit des Klägers an Montagen und Freitagen jeweils ab 8.00 Uhr günstig wäre. Auch damit zeigte sich der Kläger einverstanden. Als durchschnittliche Wochenarbeitszeit wurden 10 Stunden besprochen. Darüber hinaus erkundigte sich Kommandant K*****, ob der Kläger an den Montagen und Freitagen auch an den Morgenbesprechungen teilnehmen könne, die regelmäßig um 7.00 Uhr beginnen würden. Der Kläger erklärte sich dazu bereit; zum einen weil er meinte, es könne von medizinischer Relevanz sein, zum anderen, weil sich so seine morgendliche Fahrtzeit mit dem PKW wegen des um diese Zeit noch geringeren Verkehrsaufkommens erheblich verkürzen würde.

Am 16. 4. 1999 wurde zwischen dem Kläger und der beklagten Partei ein zum 1. 1. 1999 rückwirkender schriftlicher Vertrag abgeschlossen. In dessen Punkt 1. verpflichtete sich der Kläger, die ärztliche Betreuung der Insassen der Außenstelle F***** der Justizanstalt W***** durchzuführen und insbesondere folgende Leistungen zu erbringen (Punkt 1.):

a) Untersuchung aller in die Anstalt eingelieferten Häftlinge auf ihre Haftfähigkeit,

b) Durchführung der erforderlichen ärztlichen Untersuchung und Behandlung aller in der Anstalt angehaltenen Personen sowie die Durchführung erforderlicher kleinerer chirurgischer Eingriffe,

c) Mitwirkung bei der Überwachung der hygienischen Verhältnisse in der Anstalt,

d) Vornahme der erforderlichen Aufzeichnungen über das Ergebnis der Untersuchungen und die Art der Behandlung, die Erstattung von Berichten und die Bearbeitung allfälliger Statistiken,

e) Erteilung von Unterricht an die Justizwachebediensteten über die Leistung der Ersten Hilfe,

f) Untersuchung von Anstellungswerbern für den Justizdienst auf deren gesundheitliche Eignung für die Aufnahme und für die Definitivstellung sowie für die weitere Dienstfähigkeit der Bediensteten.

Punkt 2. des Vertrags lautet:

Den Zeitpunkt der Anstaltsbesuche und die Einteilung der Ordination wird Herr Dr. Peter L***** im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung der Justizanstalt W***** festlegen.

In Punkt 3. wurde ein Stundenhonorar von 600 ATS brutto vereinbart.

Punkt 4. lautet:

„Herr Dr. Peter L***** ist verpflichtet, die Leistungen grundsätzlich selbst zu erbringen. Ist er wegen Krankheit oder aus sonstigen wichtigen Gründen an der Erbringung der Leistung verhindert, so hat er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung einen geeigneten Vertreter namhaft zu machen. Den Verhinderungsfall hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber rechtzeitig anzuzeigen. Die Entlohnung erfolgt nach Punkt 3. des Vertrages."

In Punkt 5. verpflichtete sich der Kläger zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit.

Punkt 6. lautet:

„Herr Dr. Peter L***** nimmt zur Kenntnis, dass er aus seiner Tätigkeit für die Außenstelle F***** der Justizanstalt W***** keine persönlichen Ansprüche, welche über den Vertragstext hinausgehen, gleichgültig aus welchem Titel, an die Republik Österreich stellen kann. Insbesondere kann ein Rechtsanspruch auf Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis aus diesem Vertrag nicht abgeleitet werden."

Punkt 7. lautet:

„Von diesem Vertrag können beide Teile zum Schluss eines Kalendermonates zurücktreten. Die Erklärung des Rücktrittes hat spätestens bis zum 15. des jeweiligen Monates schriftlich zu erfolgen. ...."

Punkt 8. lautet:

„Soweit dieser Vertrag keine besonderen Bestimmungen enthält, finden die Vorschriften der §§ 1165 ff ABGB über den Werkvertrag Anwendung."

Im Rahmen der vertraglich vereinbarten Verpflichtungen war der Leiter der Justizanstalt befugt, dem Kläger Weisungen bezogen auf die Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt zu erteilen.

Der Kläger verrichtete seine ärztliche Tätigkeit in der Außenstelle F***** in einer dort eingerichteten Ordination im Gesperre des ersten Stocks. Es stand ihm ein ausgerüsteter Behandlungsraum, komplett eingerichtet mit Instrumenten, technischen Geräten und medizinischen Bedarfsgütern, wie Blutdruckmessgerät, EKG, Stethoskop, Einmalspritzen, Nadeln etc und Medikamenten zur Verfügung. Außerdem war die Ordination mit PC und Telefon ausgestattet, die dem Kläger kostenlos zur Verfügung standen. Dieser Behandlungsraum wurde auch von den anderen in der Justizanstalt tätigen Ärzten genutzt. Diesen stand ebenso wie dem Kläger während der Ordinationszeiten in der Außenstelle eine Krankenschwester als Assistentin zur Verfügung. Ihr konnte der Kläger in fachlicher Hinsicht Weisungen erteilen; dienstrechtlich war sie dem Anstaltsleiter unterstellt. Bei seiner ersten Ordination erhielt der Kläger einen Schlüssel für das Gesperre. Diesen musste er bei Verlassen der Justizanstalt in einem dafür vorgesehenen versperrbaren Schlüsselfach, für das er ebenfalls einen Schlüssel bekommen hatte, hinterlegen.

Die Ordination führte der Kläger weitestgehend so durch, dass er die ihm von den Justizwachebeamten vorgeführten Insassen ärztlich betreute. Bei Bedarf suchte er in Begleitung eines Justizwachebeamten den Insassen im Haftraum auf. Die vom Kläger ausgeführten Tätigkeiten entsprachen im Wesentlichen den im Vertrag angeführten, einschließlich der Anordnung und Auswertung von Laboruntersuchungen und physikalischer Therapie, Erstellung von Konzepten zur weiteren Verbesserung der medizinischen Behandlung der Insassen, Alkoholuntersuchungen und Feststellung des Alkoholisierungsgrads an Insassen.

Der Kläger hielt sich an die besprochenen Beginnzeiten. Die Morgenbesprechungen dauerten zwischen 15 und 40 Minuten. An diesen nahmen der Anstaltsleiter bzw sein Stellvertreter, Ärzte, Sozialdienste, Ergotherapeuten und Psychologen teil. Der Kläger arbeitete durchschnittlich bis ca 12.00 Uhr. Er blieb immer so lange in der Ordination, als noch Insassen von ihm ärztlich zu betreuen waren. Wenn die Insassen vom Kläger nicht im vertraglich vereinbarten Ausmaß betreut worden wären, hätte der Leiter der Justizanstalt den Kläger dazu aufgefordert; disziplinäre Konsequenzen hätten dem Kläger nicht gedroht. Für seine Ordinationstätigkeit legte der Kläger Honorarnoten nach geleisteten Stunden. Er war sozialversichert und führte die Einkommenssteuer selbst ab.

Um seine Urlaubsvertretung kümmerte sich der Kläger selbständig. Bei den Vertretungsärzten handelte es sich zumeist um Ärzte anderer Justizanstalten. Eine Bezahlung erhielt der Kläger in Zeiten des Urlaubs nicht. Krankheitsbedingt fiel der Kläger nie aus.

Über entsprechende Anfrage des Leiters der Justizanstalt verpflichtete sich der Kläger aufgrund einer schriftlichen „Nachtragsvereinbarung" ab 1. 12. 2000 zur Verrichtung von Notfalldiensten während des Tages und in der Nacht. Dafür war pro Einsatz in der Justizanstalt W*****-M***** eine Pauschale für mindestens eine Stunde und pro Einsatz in der Einsatzstelle F***** eine solche für mindestens 1 ½ Stunden vorgesehen. Zusätzlich sollte der Kläger dann für jede weitere begonnene Stunde ein Stundenhonorar bezahlt bekommen.

Über Nachfragen des Klägers nach „mehr ärztlicher Tätigkeit" bei der beklagten Partei wurde ihm angeboten, eine solche in der Justizanstalt W***** zu verrichten. In der Folge fand zwischen Kommandant K***** und dem Leiter der Justizanstalt W***** ein Gespräch statt, in dem beide übereinkamen, dass der Kläger zukünftig seine Ordinationszeiten in der Außenstelle der Justizanstalt W***** jeweils am Dienstag und Freitag und in der Justizanstalt W***** jeweils am Montag und Donnerstag halten könne. Der Kläger zeigte sich mit diesen Ordinationszeiten und demselben Honorar wie für seine Tätigkeit für die Justizanstalt W***** einverstanden. Außerdem übernahm der Kläger auch für die Justizanstalt W***** den Notfalldienst.

Bei den Personalvertretungswahlen im Herbst 2004 des Dienststellenausschusses der Justizanstalt W*****-M***** war der Name des Klägers in die Wählerlisten aufgenommen worden. Der Kläger hat an der Wahl nicht teilgenommen.

Auf Anfrage der Leiterin der Justizanstalt W*****, ob der Kläger bei einer internationalen Konferenz in Bonn einen Vortrag halten wolle, sagte er dies zu. Der vom Kläger vorbereitete Vortrag wurde beim Bundesministerium für Justiz eingereicht und von diesem genehmigt. Der Kläger erhielt die Reisekosten und die Kongressgebühr von der beklagten Partei ersetzt. Für seine Vortragstätigkeit erhielt er kein Honorar.

Im November 2004 arbeitete der Kläger 53,2 Stunden, im Dezember 2004 49,3 Stunden, im Jänner 2005 45,3 Stunden und im Februar 38,9 Stunden.

Mit Schreiben vom 27. 1. 2005 erklärte die beklagte Partei, vom Vertrag per 28. 2. 2005 „zurückzutreten".

Der Kläger begehrt die Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses zum Bund als Vertragsbediensteter über den 28. 2. 2005 hinaus. Er habe im Rahmen seiner ärztlichen Betreuungspflichten fixe Dienstzeiten einzuhalten gehabt und an den morgendlichen Dienstbesprechungen teilnehmen müssen. Er sei vollständig in die betriebliche Organisationsstruktur eingeordnet gewesen, was sich insbesondere durch Bindung an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle sowie durch die persönliche Arbeitspflicht geäußert habe. Es habe ein Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des Arbeitsablaufs gegeben. Der Ablauf der Arbeit habe durch den Kläger nicht geregelt und auch nicht selbständig geändert werden können. Die Eingliederung des Klägers in das Ordnungsgefüge der Beklagten zeige sich exemplarisch an seiner Teilnahme an der internationalen Tagung in Bonn als Referent des Bundesministeriums für Justiz wie auch an der Aufnahme in die Wählerliste für die Personalvertretungswahl 2004. Da ein Dienstverhältnis zum Bund vorliege, gelange das Vertragsbedienstetengesetz 1948 zur Anwendung. Gemäß §§ 32 ff VBG 1948 könne der Dienstgeber ein Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert habe, nur schriftlich, unter Angabe des Grunds und unter Einhaltung einer Kündigungsfrist lösen. Die ohne Angabe eines Grunds ausgesprochene einseitige Auflösung durch die Beklagte sei rechtswidrig, sodass von einem aufrechten Dienstverhältnis auszugehen sei. Der Kläger habe sich auch mehrfach arbeitsbereit erklärt.

Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klageabweisung und wendete ein, dass ein freier Dienstvertrag vorliege. Der Kläger sei nicht persönlich abhängig gewesen. Er sei für die tatsächlich erbrachten Leistungen in Form eines Stundenhonorars entlohnt worden. Er habe die Leistungen grundsätzlich selbst zu erbringen, im Verhinderungsfall aber einen von ihm auszuwählenden Vertreter namhaft machen müssen. Aus Punkt 6. des Vertrags gehe hervor, dass der Kläger aus seiner Tätigkeit für die Außenstelle F***** keine über den Vertragstext hinausgehenden Ansprüche und insbesondere keinen Anspruch „auf Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis" ableiten könne. Nach Punkt 8. seien die Vorschriften des ABGB über den Werkvertrag anzuwenden. Weiters sei ein Schriftformvorbehalt vereinbart worden. Der Kläger habe keine fixen Dienstzeiten einzuhalten gehabt und sei in seiner Zeiteinteilung völlig autonom gewesen. Dass der Kläger seine Ordinationszeiten im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung festzusetzen gehabt habe, spreche nicht gegen das Vorliegen eines freien Dienstvertrags, sondern hänge mit dem Organisationsablauf einer Justizanstalt zusammen. Den Kläger habe auch keine Anwesenheitspflicht bei Morgenbesprechungen getroffen; er habe daran auf eigenen Wunsch teilgenommen. Der Kläger sei bei seiner ärztlichen Tätigkeit an keine Weisungen gebunden gewesen. Die angeblich vollständige Einordnung in den betrieblichen Organisationsablauf werde vom Kläger nicht konkretisiert. Die Teilnahme an einer Tagung und die im Tagungsprogramm aufscheinende Zuordnung des Klägers zum Bundesministerium für Justiz sage nichts über die rechtliche Einordnung der Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen aus. Dies gelte auch für die - bloß irrtümliche - Aufnahme in eine Wählerliste des Dienststellenausschusses der Justizanstalt W*****. Der von der Beklagten erklärte Rücktritt habe das Vertragsverhältnis daher wirksam beendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich beurteilte es das Vertragsverhältnis als freien Dienstvertrag, der nicht dem VBG unterliege.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Klägers das Ersturteil. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass aus dem Erlaubtsein von Tätigkeiten außerhalb der Justizanstalt nicht geschlossen werden könne, dass ein Dienstvertrag vorliege. Auch die Argumentation, dass der Kläger besonders intensiv in die betriebliche Organisation der Justizanstalt eingegliedert gewesen sei, gehe fehl. Das Erstgericht habe völlig zutreffend erkannt, dass die für eine Eingliederung in die Betriebsorganisation ins Treffen geführten Umstände samt und sonders mit dem besonderen Charakter des beschäftigenden Betriebs, nämlich einer Justizanstalt zu tun haben. So liege es schon aufgrund der Art der vereinbarten Beschäftigung auf der Hand, dass der Kläger seine Tätigkeit nur in der entsprechenden Außenstelle der Justizanstalt, mit den dortigen Betriebsmitteln und unter den dort notwendigerweise gegebenen Bedingungen habe ausüben können. Auf dieser Grundlage ergebe sich aber, dass hier die „Orts- und Unternehmensgebundenheit" der Tätigkeit des Klägers ebenso wie deren besondere Ausgestaltung, etwa durch Zu- und Abgangskontrollen, in der Natur der Sache begründet liege und damit keinen tauglichen Anhaltspunkt für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit liefere. Eine solche ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger an Morgenbesprechungen teilgenommen habe. Die Teilnahme habe zum einen der sinnvollen Abwicklung der nachfolgenden medizinischen Betreuung gedient und sei zum anderen im Interesse des Klägers selbst gelegen. Im Übrigen sei wohl auch die Teilnahme an den Morgenbesprechungen - wie alle übrigen geschuldeten Leistungen - gemäß Punkt 4. der geschlossenen vertraglichen Vereinbarung grundsätzlich substituierbar. Eine Gesamtbetrachtung der bestehenden Rechtsbeziehung lasse nur die Qualifikation als freier Dienstvertrag zu. Dieser unterscheide sich vom Dienstvertrag durch das Fehlen bzw die schwache Ausprägung der Elemente der persönlichen Abhängigkeit. Aus dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrag ergebe sich, dass der Kläger den Zeitpunkt seiner Arbeitsleistung im Einvernehmen mit der Anstaltsleistung habe festlegen können, mittels Stundenhonorars nach den tatsächlich erbrachten Leistungen entlohnt worden sei und sich bei Verhinderung durch Krankheit oder sonstige wichtige Gründe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung habe vertreten lassen können. Darüber hinaus verweise der Vertrag auf die subsidiäre Anwendbarkeit der für den Werkvertrag geltenden gesetzlichen Regelungen. Letztlich habe der Kläger auch ausdrücklich zur Kenntnis genommen, aus seiner Tätigkeit keine über den Vertragstext hinausreichenden Ansprüche stellen, insbesondere keinen Anspruch „auf Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis" ableiten zu können. Das Beweisverfahren habe keine Abweichung der gelebten Vertragsbeziehung vom schriftlich Vereinbarten ergeben. Insgesamt lägen keine wesentlichen Anhaltspunkte für das Bestehen persönlicher Abhängigkeit in dem für ein Dienstverhältnis erforderlichen Ausmaß vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn der Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung primär, das Rechtsmittel des Klägers mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist wegen der fallbezogenen Abgrenzungsfragen zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Der echte Arbeitsvertrag unterscheidet sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sowohl vom freien Dienstvertrag als auch vom Werkvertrag durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber (Strasser, Abhängiger Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag, DRdA 1992, 93 [94 ff mwN]; Krejci in Rummel3 § 1151 ABGB Rz 36 ff; Tomandl, Arbeitsrecht 15 94; Rebhahn in ZellKomm § 1151 ABGB Rz 58 mwN; 9 ObA 54/97z = SZ 70/52; 8 ObS 273/01g = SZ 2002/92; 8 ObA 45/03f = JBl 2004, 465; RIS-Justiz RS0021743; RS0021306; RS0021332 ua). Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang verschiedene Kriterien erarbeitet, deren Vorliegen und Bedeutung im konkreten Fall zu prüfen und in einem Gesamtbild dahin zu bewerten sind, ob die für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags geforderte persönliche Abhängigkeit ausreichend begründet ist oder nicht (für viele: 8 ObA 45/03f). Diese für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit sprechenden Merkmale sind vor allem Weisungsgebundenheit, die persönliche, auf Zeit abgestellte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Arbeitgeber zukommt, die funktionelle Einbindung der Dienstleistung in ein betriebliches Weisungsgefüge und die Beistellung des Arbeitsgeräts durch den Dienstgeber (Strasser aaO 96 ff; 8 ObA 45/03f mwN; 8 ObA 86/03k = SZ 2003/145 mwN). Dabei ist unbestritten, dass nicht alle Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit gemeinsam vorliegen müssen und in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen können. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (8 ObA 45/03f mwN; Strasser aaO 94; Rebhahn aaO Rz 83 mwN).

Im Gegensatz dazu steht der „freie Arbeitsvertrag", der zur Arbeit ohne persönliche Abhängigkeit weitgehend selbständig und frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens verpflichtet (Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht [2006] 36 f). Für den freien Dienstvertrag ist die Möglichkeit charakteristisch, den Ablauf der Arbeit selbst zu gestalten, also ohne Bindung an bestimmte Arbeitszeiten und an jene Weisungen, die für den Arbeitsvertrag prägend sind, und die selbst gewählte Gestaltung auch jederzeit wieder zu ändern (8 ObA 240/95 = DRdA 1996/24, 303 [Mazal]: Rebhahn aaO Rz 128 mwN; SZ 70/52).

Der Kläger begehrt mit der Begründung, dass dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen sei, die Beurteilung des vorliegenden Vertragsverhältnisses als „echten" Arbeitsvertrag, auf den das VBG Anwendung zu finden habe. Der vom Kläger unter auszugsweiser Wiedergabe von Teilen des Sachverhalts über die vertragliche Gestaltung zwischen den Streitteilen sowie über die von ihm bei der beklagten Partei ausgeübten Tätigkeiten gezogenen Schlussfolgerung, dass alle erdenklichen Elemente eines „echten Arbeitsvertrags" erfüllt seien, kann schon unter Außerachtlassung der vorliegenden besonderen Konstellation nicht beigepflichtet werden. Für die Abgrenzung des Arbeitsvertrags vom freien Dienstvertrag kommt es nicht auf die Art der ausgeübten Tätigkeiten, sondern im Sinn der zitieren Rechtsprechung und Lehre eben darauf an, ob diese Tätigkeiten in „persönlicher Abhängigkeit" zu verrichten waren, weshalb auch die Tatsache, dass sich der Kläger (auch) zur Erteilung von Unterricht an Justizwachebedienstete und zur Gesundheitsprüfung verpflichtete, kein Argument für das Vorliegen eines echten Arbeitsvertrags sein kann. Zutreffend weist die beklagte Partei auch darauf hin, dass die sich aus den Feststellungen ergebende Verpflichtung zur Vornahme der erforderlichen Aufzeichnungen über die Ergebnisse seiner Untersuchungen, dem Inhalt der ärztlichen Tätigkeit des Klägers entspringt. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine Untersuchung ohne entsprechende Befundaufnahme (= Aufzeichnungen über die Erhebung der Anamnese und Ergebnisse der Untersuchung) mit den ärztlichen Berufspflichten nicht in Einklang zu bringen wäre (Stellamor/Steiner, Handbuch des österreichischen Arztrechts I [1999], 426; vgl auch 9 ObA 99/91 = Arb 10.954). Der Rechtsmittelwerber weist selbst darauf hin, dass er den Zeitpunkt der Anstaltsbesuche und die Einteilung der Ordination im Einvernehmen mit der Anstaltsleitung festlegen konnte und auch festlegte; aus den Feststellungen ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass einem Wunsch auf Änderung dieser (im Einvernehmen festgelegten) Zeiten durch den Kläger seitens der Anstaltsleistung entgegengetreten worden wäre.

Auch der Umstand, dass der Kläger aufgrund seines Vertrags grundsätzlich verpflichtet war, die hierin festgeschriebenen Leistungen selbst zu erbringen, er allerdings bei Verhinderung wegen Krankheit oder sonstigen wichtigen Gründen einen geeigneten Vertreter namhaft machen musste und dass der Kläger von diesem Vertretungsrecht nur im Fall des Urlaubs tatsächlich Gebrauch machte, trägt dem Rechtsstandpunkt des Rechtsmittelwerbers nicht in der gewünschten Weise Rechnung. Zwar spricht die Vereinbarung einer generellen Vertretungsbefugnis nur dann gegen die persönliche Abhängigkeit, wenn das Vertretungsrecht tatsächlich genutzt wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt (Rebhahn aaO Rz 98; ders, Dienstnehmerbegriff und persönliche Abhängigkeit bei Vertretungsbefugnis, wbl 1998, 277 ff; 9 ObA 96/06t mwN; 8 ObA 45/03f; SZ 2003/145 uva), doch bietet der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte, dass es sich bei dem eingeräumten Vertretungsrecht bloß um ein Scheinrecht oder zumindest um ein solches handelte, dessen Nutzung nach den Umständen des Falls nicht zu erwarten war (vgl 8 ObA 45/03f), stellte der Kläger im „Urlaubsfall" doch regelmäßig einen Vertreter. Auch die vereinbarte Anwesenheit in den Betriebsräumlichkeiten spricht schon deshalb, weil sie nach der Art des übernommenen Auftrags erforderlich war, nicht für die Eingliederung des Klägers in den Betrieb der beklagten Partei und seine persönliche Abhängigkeit (9 ObA 225/91). Bei der Beurteilung der Weisungsunterworfenheit ist als entscheidendes Kriterium der Fremdbestimmung der Unterschied zwischen persönlichen und sachlichen Weisungen zu berücksichtigen. Sachliche Weisungen kommen auch bei Werkverträgen oder Dauerschuldverhältnissen ohne echten Arbeitsvertragscharakter vor, wobei in vielen Fällen derartige Verträge ohne Weisungen nicht vorstellbar sind. Unter persönlichen Weisungen hingegen versteht man Weisungen, die die persönliche Gestaltung der Dienstleistung zum Gegenstand haben und die, soweit sie berechtigt nach dem Vertragsinhalt erteilt werden, die eigene Gestaltungsfreiheit bei der Erbringung der Dienstleistung weitgehend ausschalten (8 ObA 45/03f mwN). Weisungen des Anstaltsleiters in Bezug auf die Sicherheit und Ordnung der Justizanstalt stellen schon deshalb keine „persönlichen Weisungen" dar, weil diesen sämtliche in der Justizanstalt aufhältige Personen unterworfen sind, unabhängig davon, ob sie überhaupt in einem Vertragsverhältnis zur beklagten Partei stehen.

Soweit der Rechtsmittelwerber ebenfalls ins Treffen führt, dass er verpflichtet gewesen sei, an den Morgenbesprechungen teilzunehmen, weist die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass eine derartige „Verpflichtung" den Feststellungen gerade nicht entnommen werden kann. Vielmehr erklärte sich der Kläger über entsprechende Anfrage des Kommandanten, ob er an den Morgenbesprechungen teilnehmen könne, unter anderem deshalb dazu bereit, weil sich so seine morgendliche Fahrzeit mit dem PKW wegen des um diese Zeit noch geringeren Verkehrsaufkommens erheblich verkürzte. Ein nicht unbeträchtliches Eigeninteresse des Klägers an der Teilnahme der Morgenbesprechungen ist somit unübersehbar.

Abgesehen davon, dass es schon den ärztlichen Berufspflichten entspricht, dass der Kläger seine ärztliche Tätigkeit in der Justizanstalt weisungsfrei und auf eigene Verantwortung ausübte (vgl 9 ObA 99/91), ergibt sich aus dem Sachverhalt kein Hinweis auf persönliche Weisungen. Vielmehr steht ausdrücklich fest, dass dem Kläger - auch wenn er die Insassen nicht im vertraglich vereinbarten Ausmaß betreut hätte - disziplinäre Konsequenzen nicht gedroht hätten.

Letztlich kann auch der Rechtsstandpunkt des Rechtsmittelwerbers, dass dem Kläger ein komplett ausgerüsteter Behandlungsraum sowie eine Krankenschwester die dem Anstaltsleiter dienstrechtlich unterstellt war, als Assistentin kostenlos zur Verfügung gestellt wurden und dies das Vorliegen eines echten Arbeitsvertrags indiziere, nicht überzeugen. Die beklagte Partei weist in diesem Zusammenhang nämlich zutreffend auf ihre gesetzliche Verpflichtung hin, eine Justizanstalt auch mit den erforderlichen, der medizinischen Versorgung der Insassen dienenden Einrichtungen auszustatten (§§ 66 ff StVG). Erfordert aber die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eine besondere sachliche Ausstattung, kann dem Umstand, dass die vorhandenen Mittel auch tatsächlich genutzt werden, keine wesentliche Indizwirkung für die Frage der Abgrenzung des echten Arbeitsvertrags vom freien Dienstvertrag zukommen. Dass die vorhandene Ausstattung für alle in der Justizanstalt tätigen Ärzte zur Verfügung steht, ergibt sich geradezu zwangsläufig. Auch das Beistellen einer „Assistentin" (für alle Ärzte) kann angesichts der hohen Anforderungen nicht zuletzt an die Sicherheitskriterien einer solchen Anstalt kein ausreichendes Indiz für die persönliche Abhängigkeit des Klägers darstellen.

Da somit die Elemente, die gegen eine persönliche Abhängigkeit des Klägers sprechen, in der Gesamtbetrachtung überwiegen, ist das vorliegende Vertragsverhältnis - im Sinn der zutreffenden Entscheidungen der Vorinstanzen - als freier Dienstvertrag zu beurteilen.

Die Revision des Klägers hat daher erfolglos zu bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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