OGH 5Ob77/16h

OGH5Ob77/16h29.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers P***** G***** jun, *****, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und weiterer Grundbuchshandlungen ob den Liegenschaften EZ *****, EZ ***** und EZ *****, jeweils GB ***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Dezember 2015, AZ 52 R 51/15d, mit dem über den Rekurs der Verlassenschaft nach dem am 9. Juli 2015 verstorbenen P***** G***** sen, *****, zuletzt wohnhaft *****, vertreten durch den mit Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 4. August 2015, AZ 1 A 376/15z, bestellten Kurator des Nachlasses Dr. Anton Keuschnigg, Rechtsanwalt in Kitzbühel, der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 27. Juli 2015, TZ 3765/2015, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00077.16H.0929.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126Abs 2GBG iVm § 62Abs 1AußStrG zurückgewiesen (§ 126Abs 3GBG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Antragsteller zeigt in seinem Revisionsrekurs keine Rechtsfrage auf, der iSd § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1AußStrG zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.

1. Die als Rekurswerberin einschreitende Verlassenschaft ist gemäß § 531 ABGB die Gesamtrechtsnachfolgerin des Liegenschaftseigentümers. Ist der Schenkungsvertrag, den der Antragsteller für sich in Anspruch nimmt, keine taugliche Eintragungsgrundlage, wird durch die Gesuchsbewilligung unzulässig in das Eigentumsrecht der Verlassenschaft eingegriffen. Zur Klärung dieser – bereits die meritorische Berechtigung des Rechtsmittels betreffenden – Frage, ist sie rechtsmittellegitimiert (vgl 5 Ob 195/15k, 5 Ob 39/14t, 5 Ob 250/01b [jeweils in Bezug auf eingeantwortete Erben]).

2.1 Nach § 1 Abs 1 lit d NotAktG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. Im Fall einer „wirklichen Übergabe“ ist ein Notariatsakt entbehrlich. Im Grundbuchsverfahren ist für die Beantwortung der Frage der Übertragung der Gewahrsame und damit der wirklichen Übergabe der Wortlaut des Schenkungsvertrags maßgeblich (vgl RIS‑Justiz RS0060573; RS0060878). In diesem erschöpft sich der „Nachweis“ der Übergabe daher in mehr oder weniger ausführlichen Urkundenfloskeln (5 Ob 181/15a mwN). Konkrete Übergabsakte müssen nicht dargestellt werden, es genügt ein Hinweis in der Vertragsurkunde, dass die „Übergabe“ bereits erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0018923).

2.2 Der Schenkungsvertrag, der hier dem Eintragungsgesuch zugrunde liegt, enthielt in seiner ursprünglichen Fassung keine im Sinne dieser Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Nachweis der wirklichen Übergabe ausreichende Urkundenfloskel. Eine solche findet sich erst in einer nachträglich – wenige Tage nach dem Tod des Geschenkgebers – vereinbarten „Ergänzung zum Schenkungsvertrag“. Diese Ergänzung zum Schenkungsvertrag wurde vom Vertragserrichter unter Berufung auf eine ihm im Schenkungsvertrag erteilte Vollmacht unterfertigt. Das Rekursgericht hatte aus mehreren Gründen Zweifel an dessen Vertretungsmacht zum Abschluss einer derartigen Änderungsvereinbarung und an deren Rechtswirksamkeit.

2.3 Das Grundbuchsgericht darf ein Grundbuchsgesuch nach § 94 Abs 1 Z 2 GBG dann nicht bewilligen, wenn begründete Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht desjenigen besteht, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen eines Vertragspartners unterfertigt hat (RIS‑Justiz RS0060604). Ist der Umfang einer Vollmacht nicht vom Gesetz zwingend vorgegeben, so sind das Bestehen und die Reichweite einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht durch Auslegung der vom Machtgeber abgegebenen Erklärung nach den Auslegungsgrundsätzen der §§ 914 f und §§ 1027 ff ABGB zu ermitteln. Das Grundbuchsgericht ist dabei freilich im Wesentlichen auf die wörtliche und grammatikalische Auslegung beschränkt (5 Ob 47/16x mwN). Die durch Auslegung zu ermittelnde Frage des Umfangs einer Vollmacht stellt damit regelmäßig keine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung dar (5 Ob 47/16x).

2.4 Dem Rekursgericht ist auch keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen. Der Wortlaut der Vollmacht, die „zur formellen Berichtigung des gegenständlichen Vertrages“ berechtigt, ist keineswegs dahin eindeutig, dass die Vollmacht auch die Befugnis zur Abänderung des Vereinbarungsinhalts (konkret zur Änderung einer Wissenserklärung) umfasst. Diese Zweifelsfrage kann im Grundbuchsverfahren auch nicht abschließend geklärt werden (RIS‑Justiz RS0060573; RS0060878).

3. Da eine neuerliche Antragstellung auf Basis der hier geltend gemachten vertraglichen Grundlage nicht erfolgreich wiederholt werden kann, erübrigt sich die vom Revisionsrekurswerber angestrebte inhaltliche Prüfung, ob den übrigen vom Rekursgericht zur Begründung seiner Zweifel an der Rechtsunwirksamkeit der „Ergänzung zum Schenkungsvertrag“ herangezogenen Gründen Berechtigung zukommt (vgl RIS‑Justiz RS0060544).

4. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG ist der Revisionsrekurs somit unzulässig und zurückzuweisen.

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