European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00044.16B.0927.000
Spruch:
Die Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, weil durch sie wesentliche Interessen des betroffenen Arbeitnehmers beeinträchtigt werden (RIS‑Justiz RS0051640 ua), kommt es stets auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz RS0051741 [T3]; 9 ObA 26/04w). Die Beurteilung von Einzelfällen wirft, soweit sie unter Heranziehung der vom Obersten Gerichtshof in seiner Judikatur erarbeiteten Grundsätze erfolgt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Die Vorinstanzen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der seit November 1997 bei der Beklagten als Hausbesorger beschäftigte Kläger, der durch die angefochtene Kündigung nach § 18 Abs 7 HbG (dauerhaft) eine (Netto-)Verdiensteinbuße von rund 27 % erleidet, eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung nachgewiesen habe. Die Revision argumentiert dagegen, der Kläger habe ein höheres Einkommen erhalten als solche Hausbesorger, die erst seit Juli 2000 tätig seien, weshalb das Abstellen auf die nach der alten Rechtslage bezogene Entlohnung einen unzulässigen Kündigungsschutz für die betroffenen Hausbesorger bewirke. Dem ist zu erwidern, dass die Prüfung der Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigungsanfechtung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG immer anhand der individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen vorzunehmen ist (RIS‑Justiz RS0051806, RS0051741, RS0051703). Die soziale Rechtfertigung der Kündigung ist ausschließlich im Wege eines Vergleichs der individuellen Situation des Arbeitnehmers vor und nach der Kündigung zu prüfen. Maßgeblich ist nicht ein fiktives (hier: durch den Vergleich mit anderen Berufsgruppen ermitteltes), sondern ausschließlich jenes Einkommen, das der gekündigte Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt tatsächlich bezogen hat (zuletzt 9 ObA 24/16v). Die Rechtsansicht, dass ein Vergleich zwischen diesem Einkommen und jenem, das der Kläger nach den Feststellungen in Zukunft erzielen kann, angsichts der sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zur Bejahung einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung führt, ist keineswegs unvertretbar.
2. Steht fest, dass durch die Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, kann der Arbeitgeber ua den Nachweis erbringen, dass die Kündigung durch Umstände begründet ist, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren (§ 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG). Gelingt ihm dies, dann sind diese Voraussetzungen zueinander in eine Wechselbeziehung zu setzen; es ist eine Abwägung dieser gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0051818).
Hier ist das Berufungsgericht zum Ergebnis gekommen, dass nach den von ihm übernommenen Feststellungen des Erstgerichts überhaupt kein die betrieblichen Interessen berührender, in der Person des Arbeitnehmers gelegener Kündigungsgrund abgeleitet werden kann und eine Interessenabwägung daher gar nicht vorzunehmen ist. Diese Rechtsauffassung ist nicht zu beanstanden. Die Revisionswerberin macht allerdings geltend, dass Feststellungen zu einer Kontrolle der Arbeitsleistung des Klägers fehlten, die unmittelbar vor einer ersten (aus Formalgründen gescheiterten) Kündigung durchgeführt worden und wesentlicher Grund für die (erste) Kündigung gewesen sei. Diesen Feststellungsmangel habe das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf Rechtsprechung zur Eventualkündigung (9 ObA 109/08g) verneint, aus der abzuleiten sei, dass es darauf ankomme, ob sich das Verhalten des Gekündigten nach der ersten Kündigung geändert habe; dazu fehle aber Vorbringen der Beklagten, sodass der behauptete Feststellungsmangel nicht vorliege. Die vom Berufungsgericht zitierte Rechtsprechung zur Eventualkündigung könne aber auf eine lediglich aus formalen Gründen gescheiterte Kündigung und deren formgerechte Wiederholung nicht angewendet werden.
Auf die damit aufgeworfene Rechtsfrage muss unter den gegebenen Umständen nicht eingegangen werden. Selbst wenn man die behaupteten Ergebnisse der ins Treffen geführten Kontrolle im Jahr 2010 als richtig unterstellt, macht es nämlich angesichts des festgestellten Sachverhalts keinen Unterschied, ob man – wie das Berufungsgericht – diese Ergebnisse nicht berücksichtigt, oder ob man die behaupteten Kontrollergebnisse als Beweis einer Pflichtwidrigkeit des Klägers beurteilt und auf dieser Grundlage eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vornimmt. Auch unter der zuletzt genannten Voraussetzung bliebe dann nur der Nachweis eines einmaligen Reinigungsmangels, der nicht ausreichen könnte, die Interessen des durch die Kündigung in seiner wirtschaftlichen Situation nachteilig berührten Klägers, der bereits seit 1997 bei der Beklagten beschäftigt ist, aufzuwiegen.
3. Dass sich der nach § 18 Abs 7 HbG gekündigte Kläger auf den Kündigungsschutz des § 105 ArbVG berufen kann, ist im Revisionsverfahren nicht strittig (RIS‑Justiz RS0112895).
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