European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00164.16W.0926.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsabteilung des Patentamts und das Rekursgericht haben im Widerspruchsverfahren nach § 29a Abs 1 MSchG die Verwechslungsgefahr der angegriffenen jüngeren österreichischen Wortmarke „IMPULS360“ mit der älteren internationalen Wortbildmarke „ImPuls“ (beide Marken eingetragen für Entwurf und Entwicklung von Computersoftware) bejaht.
Ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen der Wechselbeziehung zwischen Markenähnlichkeit und Branchennähe Verwechslungsgefahr besteht, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, weshalb – von hier nicht gegebener vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifender Fehlbeurteilung abgesehen – regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 38 MSchG) vorliegt (RIS‑Justiz RS0111880, RS0112739).
Wird eine registrierte Marke vollständig in eine andere Marke aufgenommen, ist regelmäßig, und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind, Ähnlichkeit anzunehmen. Die Verwechslungsgefahr fehlt nur dann, wenn das Bild der älteren Marke in der jüngeren eine untergeordnete Rolle spielt und im Vergleich zu den übrigen Bestandteilen, die den Gesamteindruck des jüngeren Zeichens bestimmen, ganz zurücktritt (RIS‑Justiz RS0079033). Auch schwache Zeichen werden jedenfalls dann verletzt, wenn– wie hier – die Marke zur Gänze übernommen wurde und innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck prägen, in den Hintergrund tritt (RIS‑Justiz RS0079033 [T20]). Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass im Einzelfall eine ältere Marke, die von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung in dem zusammengesetzten (jüngeren) Zeichen behält, ohne aber darin den dominierenden Bestandteil zu bilden. In einem solchen Fall kann der Gesamteindruck das Publikum Glauben machen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, in welchem Fall das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (17 Ob 36/08f mwN).
Ein Zeichen behält eine selbständig kennzeichnende Stellung innerhalb eines komplexen Zeichens, wenn der Verkehr diesem einzelnen Element eine eigenständige, von der Kennzeichnungsfunktion anderer Bestandteile unabhängige Kennzeichnungsfunktion zuerkennt. Das mit diesem Bestandteil identische oder ähnliche prioritätsältere Zeichen muss nicht über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügen (4 Ob 165/06b). Verwechslungsgefahr setzt nicht voraus, dass der übernommene Zeichenbestandteil im Eingriffszeichen eine dominierende Stellung hat (RIS‑Justiz RS0121514 [T1]). Die Herkunftsgarantie wird bereits beeinträchtigt, wenn die Benutzung auch nur den Eindruck entstehen lässt, dass eine Verbindung im geschäftlichen Verkehr zwischen den betroffenen Waren und dem Markeninhaber besteht (RIS‑Justiz RS0122216).
Bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft von Buchstaben oder Ziffern sowie von Buchstabengruppen und Zifferngruppen muss berücksichtigt werden, dass solche Zeichen erfahrungsgemäß von vielen Unternehmen zur Bezeichnung bestimmter Warenmerkmale (Größe, Sorte, Qualität) verwendet werden. Sie sind daher – außer im Fall des Beweises durch Benutzung erworbener Unterscheidungskraft – nicht geeignet, auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (vgl RIS‑Justiz RS0066724, RS0079095). Es ist daher jedenfalls vertretbar, wenn das Rekursgericht die Beifügung der Zahl 360 zu dem von der älteren Marke übernommenen Wort „IMPULS“ nicht als geeignet ansah, die Verwechslungsgefahr zu verhindern.
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