OGH 4Ob165/06b

OGH4Ob165/06b21.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** KG, ***** vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. G***** GmbH, *****, 2. Franz G*****, beide vertreten durch Prof. Haslinger und Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 12. Juli 2006, GZ 1 R 118/06p-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 24. April 2006, GZ 1 Cg 40/06g-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.930,30 EUR (darin 321,72 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin und die Erstbeklagte, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Zweitbeklagte ist, erzeugen und vertreiben Fleisch- und Wurstwaren, insbesondere Leberkäse, im In- und Ausland. Die Klägerin vertreibt Leberkäse unter ihrer österreichischen Wortbildmarke Nr 211843 (siehe Anlage 1 untere Abbildung), geschützt für Waren der Klasse 29 (Leberkäse, Fleisch- und Wurstwaren) mit Priorität 1. 9. 2003. Teil dieser Marke ist eine aus der Vogelperspektive abgebildete, auf einem Teller mit abgerundeten Ecken liegende Scheibe Leberkäse, die Falten wirft. Bescheinigt ist, dass diese Abbildung einer Scheibe Leberkäse Verkehrsgeltung zugunsten der Klägerin besitzt; sie wird von 61 % der Bevölkerung der Klägerin zugeordnet. Von der Klägerin stammender Leberkäse wird in Supermärkten nicht (tiefkühl-)verpackt, sondern stets frisch verkauft. Die Erstbeklagte vertreibt Leberkäse in einer Verpackung wie Anlage 1 obere Abbildung.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Fleisch- bzw Wurstwaren, insbesondere Leberkäse, unter Verwendung einer ähnlichen Produktausstattung, wie sie für die Klägerin geschützt ist (vgl die Leberkäse-Abbildung in Anlage 1 untere Abbildung), herzustellen bzw herstellen zu lassen, anzubieten und/oder auf sonstige Weise in Verkehr zu bringen und/oder auf sonstige Weise zu benützen. Die Erstbeklagte vertreibe gleiche Waren unter einer Produktausstattung, die der Marke der Klägerin hochgradig ähnlich sei; es bestehe Verwechslungsgefahr zumindest im weiteren Sinne. Die Erstbeklagte beute darüber hinaus den guten Ruf eines für die Klägerin geschützten Zeichens aus und verstoße gegen § 1 UWG.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Klägerin habe kein Monopol auf Abbildung eines aufgeschnittenen Blattes Leberkäse. Es bestehe keine Verwechslungsgefahr, weil auf den Gesamteindruck des gesamten Zeichens abzustellen sei, den ein Durchschnittsverbraucher gewinne. Die Klägerin vergleiche nur einen Teil ihrer Wortbildmarke mit einem Teil der Verpackungen der Erstbeklagten. Auch verkaufe die Klägerin ihren Leberkäse nur unverpackt in Feinkostabteilungen von Supermärkten, was den Kunden bekannt sei.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Für das Vorliegen von Verwechslungsgefahr sei nicht maßgebend, dass ein Produkt in Verbindung mit der Abbildung dieses Produkts vertrieben werde. Wurst- und Fleischprodukte verschiedener Hersteller unterschieden sich schon ihrer Art nach nicht wesentlich voneinander. Die Verpackungen der Produkte der Erstbeklagten zeigten zwei gefaltete Scheiben Leberkäse, während die Marke der Klägerin die Abbildung einer nicht gefalteten Scheibe Leberkäse enthalte. Für ein Fleischprodukt biete sich eine Abbildung aus der Vogelperspektive mit weißem Hintergrund an. Ein Element der Produktverpackungen der Erstbeklagten sei das Logo ihres Unternehmens; schon ein erster Blick auf diese Verpackung lasse den Hersteller erkennen. Die Abbildung des Leberkäses spiele in der Marke der Klägerin nur eine untergeordnete Rolle; deren charakteristisches Merkmal sei ihr Wortteil in Verbindung mit einem roten „N" in einem Kreis und dem Firmenschlagwort der Klägerin. Die von der Erstbeklagten verwendete Produktausstattung sei der eingetragenen Wortbildmarke der Klägerin weder gleich noch ähnlich, wobei die Abbildung des Leberkäses auch auf der Verpackung der Produkte der Erstbeklagten nur eine untergeordnete Rolle spiele. Es bestehe für das Publikum nicht einmal mittelbare Verwechslungsgefahr. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auf den Verpackungen der Erstbeklagten dominierten nach ihrem Gesamteindruck die groß geschriebenen Wortbestandteile; die relativ kleine Abbildung von Leberkäse-Scheiben spiele demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle. Die Produktausstattung der Klägerin werde nicht nachgeahmt. Die Kennzeichnungskraft des Warenzeichens der Klägerin sei zweifelhaft, weil der Bildbestandteil für sich allein weder charakteristisch noch einprägsam, sondern eher eine übliche, typische Warenabbildung sei, die gegenüber den anderen Markenbestandteilen - etwa dem einprägsamen Slogan und dem Firmenschlagwort der Klägerin - nur eine untergeordnete Rolle spiele. Zwar seien einander die beiden verglichenen Bildbestandteile - isoliert betrachtet - relativ ähnlich, doch besäßen sie jeweils nur eine untergeordnete Bedeutung. Bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr komme es auf eine Gesamtbetrachtung an. Unter diesem Gesichtspunkt dominierten nicht die jeweils relativ kleinen Leberkäse-Abbildungen, sondern die in Großbuchstaben geschriebenen Wortbestandteile bzw Firmenschlagwörter. Diese eindeutigen Herkunftshinweise schlössen Verwechslungsgefahr sowohl im engeren als auch im weiteren Sinn aus. Dazu komme, dass die Erstbeklagte - im Gegensatz zur Klägerin - ihr Produkt auch ausdrücklich als „Leberkäse" bezeichne; angesprochene Kunden würden daher weder annehmen, dass die Produkte aus einem gemeinsamen Unternehmen stammten, noch, dass die Klägerin ihre Produkte nunmehr auch tiefkühlverpackt in Zusammenarbeit mit der Erstbeklagten anbiete.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtsprechung zur Übernahme von Marken- oder Markenteilen in ein komplexes Zeichen einer weiteren Entwicklung bedarf; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, es seien die in der Entscheidung 4 Ob 222/03f zu Formmarken entwickelten Grundsätze anzuwenden, wonach für die Verwechslungsgefahr die Ähnlichkeit der Form maßgebend ist. Es sei daher auf die Ähnlichkeit der Abbildungen der auf einem Teller liegenden Leberkäsescheibe(n) als der zweidimensionalen Form abzustellen, nicht hingegen auf den Gesamteindruck der Verpackung.

1. Im Kennzeichenstreit stehen einander - bei Warenidentität - die Wortbildmarke der Klägerin und die Warenausstattung der Erstbeklagten gegenüber. Maßgebend ist, ob die Beklagte durch die Verwendung einer Abbildung von Leberkäsescheiben als Teil ihrer Warenausstattung in die Rechte der Klägerin an ihrer Wortbildmarke eingreift, die als Bildbestandteil ebenfalls die Abbildung einer Scheibe Leberkäse enthält.

2. Die Abbildung in der Wortbildmarke der Klägerin zeigt, gesehen aus der Vogelperspektive, eine leicht gefaltete Scheibe Leberkäse, die auf einem rechteckigen Teller mit abgerundeten Ecken liegt, wobei der Leberkäse die übliche Kastenform hat. Eine solche naturgetreue Abbildung des vermarkteten Produkts ist grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig und damit nicht geeignet, als Herkunftshinweis zu dienen. Die Klägerin hat jedoch bescheinigt, für diesen Markenbestandteil Verkehrsgeltung erreicht zu haben. Damit ist - entgegen den Ausführungen des Rekursgerichts - nicht zweifelhaft, dass die Abbildung unterscheidungskräftig ist.

3. Bei Prüfung der Verwechslungsgefahr sind die sich gegenüberstehenden Zeichen (Markenbestandteil und Warenausstattung) jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen; entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungsart, der die kollidierenden Zeichen regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet (vgl RIS-Justiz RS0117324; RS0066753).

4. Der EuGH (Rechtssache C 120/04 Slg 2005 I-08551 RNr 30 f = GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE) hat ausgesprochen, dass es - ungeachtet des Normalfalls, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke als Ganzes wahrnimmt, und ungeachtet dessen, dass der Gesamteindruck von einem oder mehreren Bestandteilen einer komplexen Marke dominiert werden kann - keineswegs ausgeschlossen ist, dass im Einzelfall eine ältere Marke, die von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, eine selbstständig kennzeichnende Stellung in dem zusammengesetzten [jüngeren] Zeichen behält, ohne aber darin den dominierenden Bestandteil zu bilden. In einem solchen Fall kann der Gesamteindruck das Publikum glauben machen, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, in welchem Fall das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

5. Nach diesen Grundsätzen kommt es für die Annahme einer selbstständig kennzeichnenden Stellung eines Bestandteils des prioritätsjüngeren komplexen Zeichens nicht darauf an, ob dieser innerhalb des zusammengesetzten Zeichens eine dominierende oder prägende Bedeutung hat, weshalb das mit diesem Bestandteil identische oder ähnliche prioritätsältere Zeichen auch nicht über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügen muss (BGH wrp 2006, 1227 Rz 22 - Malteserkreuz).

6. Zu fragen ist somit, ob die Abbildung von zwei Scheiben Leberkäse in der aus mehreren Elementen zusammengesetzten Warenausstattung der Erstbeklagten eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, und zwar unabhängig davon, ob diese Abbildung die Warenausstattung dominiert.

7. Ein Zeichen behält dann eine selbstständig kennzeichnende Stellung innerhalb eines komplexen Zeichens, wenn der Verkehr diesem einzelnen Element eine eigenständige, von der Kennzeichnungsfunktion anderer Bestandteile unabhängige Kennzeichnungsfunktion zuerkennt. Solches trifft hier nicht zu: Die Verbraucher sind im Lebensmittelbereich daran gewöhnt, dass auf Verpackungen häufig die verpackte Ware ganz oder in Ausschnitten abgebildet ist. Es besteht daher kein Anlass anzunehmen, das Publikum werde im Zusammenhang mit der Vermarktung von Leberkäse die unauffällige Abbildung von zwei Scheiben dieses Produkts in einer aus mehreren Elementen zusammengesetzten Warenausstattung isoliert als Herkunftshinweis auffassen.

8. Fehlt somit der fraglichen Abbildung eine selbstständig kennzeichnende Stellung in der Warenausstattung der Erstbeklagten, so besteht keine Gefahr, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Waren der Streitteile wegen der - in dem einen Fall als Teil der Wortbildmarke, in dem anderen Fall als Teil der Warenausstattung - jeweils vorhandenen Abbildung von in Scheiben geschnittenen Leberkäse miteinander verwechseln oder zumindest annehmen, die beiden Unternehmen seien miteinander wirtschaftlich verbunden. Damit ist aber auch eine Rufausbeutung iSd § 1 UWG ausgeschlossen, setzt doch die wettbewerbswidrige Anlehnung an ein fremdes Kennzeichen die Eignung voraus, Verwechslungen herbeizuführen oder den Ruf des anderen Unternehmens zu beeinträchtigen oder auszunutzen (vgl RIS-Justiz RS0114533). Die Vorinstanzen haben den Sicherungsantrag daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

9. Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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