OGH 3Ob168/16a

OGH3Ob168/16a22.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei L***** AG, *****, vertreten durch Dr. Michael Drexel, Rechtsanwalt in Graz, wegen 34.012,40 EUR sA und Feststellung, über die „außerordentliche“ Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. Juni 2016, GZ 2 R 17/16m‑22, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 25. November 2015, GZ 34 Cg 186/15p‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00168.16A.0922.000

 

Spruch:

Die „außerordentliche“ Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger veranlagte in den Jahren 2004 bis 2006 nach Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten insgesamt 34.012,40 EUR in drei Finanzprodukte (Genussscheine und zwei Kommanditbeteiligungen). Mit der Behauptung, er sei in allen drei Fällen fehlerhaft beraten worden, begehrt er die Rückzahlung der investierten Beträge jeweils Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Wertpapiere bzw Abtretung der Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden aus diesen Investments.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil über Berufung des Klägers, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich aller drei Investments jeweils insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Eine Zusammenrechnung der eingeklagten Ansprüche, die auf drei verschiedenen Investments beruhten, scheide mangels eines tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhangs iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN aus.

Der Kläger erhob gegen dieses Urteil primär eine außerordentliche Revision; hilfsweise beantragte er gemäß § 508 Abs 1 ZPO beim Berufungsgericht die nachträgliche Zulassung seiner gleichzeitig erhobenen ordentlichen Revision. Zur Statthaftigkeit der außerordentlichen Revision führt der Kläger aus, die geltend gemachten Ansprüche resultierten aus der Fehlberatung durch die Beklagte und müssten, wie sich bereits aus dem Klagevorbringen ergebe, in einer Gesamtschau betrachtet werden. Die Vorinstanzen hätten bei ihren Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung die Investitionen in einen tatsächlichen Zusammenhang gestellt, wobei gerade die Gesamtbetrachtung der Beratung ergebe, dass er einer Fehlberatung unterlegen sei. Seine Ansprüche resultierten aus derselben Geschäftsbeziehung, die auf die Beratung des Klägers gerichtet (gewesen) sei. Die im Zeitraum 2002 bis 2006 erbrachten Beratungsleistungen bildeten eine untrennbare Einheit. Ohne die erste Beratung durch die Beklagte hinsichtlich des ersten Investments hätte er keine Beratungsleistungen für die weiteren Veranlagungen „in dieser Art und Weise“ erhalten, weil die weiteren Beratungsleistungen auf den bereits erteilten Informationen aufgebaut hätten. Da somit ein untrennbarer tatsächlicher Zusammenhang zwischen den Ansprüchen bestehe, seien diese zusammenzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist nicht statthaft.

1.

 Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts –, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS‑Justiz

RS0053096). Gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN

sind die Werte mehrerer in einer Klage von einer einzelnen oder gegen eine einzelne Person geltend gemachter Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen.

2. Ein

tatsächlicher Zusammenhang ist dann zu bejahen, wenn alle Klagsansprüche aus demselben Klagssachverhalt abzuleiten sind. Dies ist dann der Fall, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0042766). In rechtlichem Zusammenhang stehen Ansprüche insbesondere dann, wenn sie aus einer Gesetzesvorschrift oder aus einem einheitlichen Rechtsgeschäft, wie etwa aus einem einheitlichen Liefervertrag, abgeleitet werden. Ein rechtlicher, zumindest aber ein tatsächlicher Zusammenhang mehrerer Ansprüche wird in der Regel auch bei einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang dieser Ansprüche bestehen (RIS‑Justiz

RS0037648).

Der

tatsächliche oder rechtliche

Zusammenhang wird nicht allein durch den Umstand hergestellt, dass es sich um gleichartige Leistungen des Anspruchsberechtigten oder um gleichartige Verträge handelt (RIS‑Justiz

RS0110872 [T4, T7]). Ob zwischen mehreren Forderungen ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 JN besteht, ist allein aufgrund des Vorbringens des Klägers zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0106759 [T1]).

3. Das Vorbringen des Klägers zur behaupteten Fehlberatung ist zwar bezüglich aller drei Investments insofern einheitlich, als er der Beklagten vorwirft, ihn nicht ausreichend darüber aufgeklärt zu haben, dass es sich nicht um die – von ihm nach seinem Standpunkt ausdrücklich gewünschte – „sichere“ Geldanlage handle. Bei der Beurteilung, ob es sich um in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehende Ansprüche handelt, ist allerdings nicht (nur) auf diesen generellen Vorwurf abzustellen, sondern darüber hinaus zu berücksichtigen, dass sich die Klage einerseits auf den Erwerb von zwei Kommanditbeteiligungen („Holland Fonds“) und andererseits von Genussscheinen bezieht. Es liegt auf der Hand, dass die Frage, ob die Beklagte den Kläger ausreichend beraten hat, nur jeweils im Bezug auf das konkrete Investment beantwortet werden kann. Eine Zusammenrechnung des Anspruchs aus dem Erwerb der Genussscheine einerseits und der Kommanditbeteiligungen andererseits scheidet damit jedenfalls aus, weil – anders als etwa in dem der Entscheidung 8 Ob 55/09k (= RIS‑Justiz RS0037648 [T19]) zugrundeliegenden Fall – das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen keinesfalls ausreicht, um auch über den anderen zu entscheiden. Darauf, ob die Ansprüche des Klägers aus den beiden Kommanditbeteiligungen zusammenzurechnen sind, kommt es nicht an, weil sie auch addiert den Betrag von 30.000 EUR nicht übersteigen.

4. Die außerordentliche Revision ist deshalb zurückzuweisen. Den hilfsweise gestellten Abänderungsantrag des Klägers wird das Erstgericht dem Berufungsgericht zur Entscheidung vorzulegen haben.

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