OGH 4Ob121/16x

OGH4Ob121/16x30.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin H***** GmbH, *****, vertreten durch CHG Czernich Haidlen Guggenberger und Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die Beklagten 1. S***** Aktiengesellschaft *****, 2. S***** Corporation, *****, beide vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Februar 2016, GZ 3 R 81/15a‑37, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. Oktober 2015, GZ 64 Cg 50/15b‑31, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00121.16X.0830.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 2.457,92 EUR (darin 409,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die F***** GmbH schloss mit der Erstbeklagten einen Vertrag über die Verwertung eines Computerprogramms in den USA, dem auch die dort ansässige Zweitbeklagte zugezogen wurde. In Punkt XII.5. dieses Vertrags wurde „für alle aus diesem Vertrag entstehenden Streitigkeiten als Gerichtsstand das sachlich zuständige Gericht in Wien“ vereinbart. Nach der Insolvenz der F***** GmbH zedierte deren Masseverwalter allfällige Ansprüche aus diesem Vertrag an die Klägerin, eine inländische Kapitalgesellschaft.

Die Klägerin machte aus einer nach den Behauptungen unbegründeten Kündigung dieses Vertrags abgeleitete Schadenersatzansprüche vor einem kalifornischen Gericht am Sitz der Zweitbeklagten auch gegen die hier Beklagten klageweise geltend. Die Beklagten wendeten dort die internationale Unzuständigkeit ein, weil die Gerichtsstandsvereinbarung ausschließliche Wirkung habe. Das kalifornische Gericht setzte die Klage wegen der Zuständigkeitsfrage aus („staying the action“), behielt sich aber die Zuständigkeit für die Klage vor, falls das österreichische Gericht den Rechtsstreit als unzulässig zurückweisen sollte; das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung.

Die Klägerin begehrt nunmehr die Feststellung, dass die oben bezeichnete Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des sachlich zuständigen Gerichts in Wien keine ausschließliche Wirkung habe und dass sie eine Klage unter anderem auch im Ausland, insbesondere vor einem näher bezeichneten Gericht in Los Angeles, zulasse. Streitgegenstand ist somit nicht die Gültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung, sondern ihre Auslegung.

Die Beklagten wendeten ein, die Auslegung einer Vereinbarung oder deren rechtliche Qualifikation seien nicht feststellungsfähig. Das kalifornische Gericht würde selbst nach eigenem Prozessrecht entscheiden, ob es zuständig sei.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage mangels eines feststellungsfähigen Rechts und wegen fehlenden rechtlichen Interesses ab. Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage der Zulässigkeit einer Feststellungsklage zwecks Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung zu.

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet des berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs ist die Revision in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1.1. Wesentliches Tatbestandsmerkmal des Feststellungsanspruchs ist zunächst das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechts oder Rechtsverhältnisses. Das Fehlen dieses Tatbestandselements führt zur Abweisung der Feststellungsklage (RIS‑Justiz RS0038898).

1.2. Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob ein feststellungsfähiges Recht oder Rechtsverhältnis im Zusammenhang mit der (vom kalifornischen Gericht als ausschließlich erachteten) Gerichtsstandsvereinbarung besteht, dahingestellt bleiben, weil die Vorinstanzen jedenfalls vertretbar das Fehlen eines rechtlichen Interesses annahmen.

2.1. Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs (RIS‑Justiz RS0039177) und vom Kläger nachzuweisen (RIS‑Justiz RS0039201; RS0039239). Dabei kommt es wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an, sodass in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung vorliegt (RIS‑Justiz RS0039177 [T1]; RS0037977 [T2]; RS0039201 [T6]).

2.2. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldingen Feststellung kann dort als vorhanden angenommen werden, wo das Feststellungsurteil für den Kläger von rechtlich praktischer Bedeutung ist und er auf einem anderen Wege als durch die Feststellungsklage rechtlich außerstande wäre, einem ihm zustehenden Anspruch zum Durchbruch zu verhelfen oder einem ihm drohenden Nachteil zu begegnen. Es kann regelmäßig nur bejaht werden, wenn eine Verschlechterung der rechtlichen Position des Klägers bei einer Verweisung auf ein erst später mögliches gerichtliches Vorgehen zu befürchten wäre (RIS‑Justiz RS0039265 [T4]; RS0039007 [T11]; RS0038917 [T1]). Das rechtliche Interesse fehlt, wenn die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils die Beseitigung der Unsicherheit über das Rechtsverhältnis nicht garantieren kann und damit die Rechtsverhältnisse des Klägers durch das Verhalten des Beklagten nicht unmittelbar berührt werden (RIS‑Justiz RS0039071 [T7]).

2.3. Ein rechtliches Interesse liegt auch dann vor, wenn das begehrte Urteil zwischen den Streitparteien über einen allfälligen Leistungsanspruch hinaus geeignet ist (vgl RIS‑Justiz RS0039093), Grundlage für die weiteren Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander zu sein, also der Feststellungsanspruch durch den möglichen Leistungsanspruch nicht voll ausgeschöpft wird (RIS‑Justiz RS0039202 [T9]) und der Kläger dadurch in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird (RIS‑Justiz RS0038968). Dabei steht der prozessökonomische Zweck im Vordergrund (RIS‑Justiz RS0037422). Prozessuale Vorteile allein genügen für die Bejahung des rechtlichen Interesses ebensowenig wie die Feststellung von bloßen „Rechtslagen“ (RIS‑Justiz RS0039215 [T3]).

3.1. Die Vorinstanzen sind diesen Grundsätzen der Rechtsprechung im Einzelfall vertretbar gefolgt, wenn sie im Ergebnis die Auffassung vertreten haben, das rechtliche Interesse an der Feststellung über die Wirkungen einer bestimmten Gerichtsstandsvereinbarung bestehe nicht (mehr), wenn bereits ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht worden ist, in dem diese Frage zeitnäher und prozessökonomischer zu entscheiden sei. Der Kläger ist ja in einem solchen Zwischenverfahren vor dem erkennenden Gericht keineswegs rechtlich außerstande, seinem Anspruch zum Durchbruch zu verhelfen, sondern kann die Richtigkeit seiner Auslegung der Zuständigkeitsvereinbarung vor dem angerufenen Gericht vertreten.

3.2. Die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung zu Schiedsverträgen (zum früheren Schiedsrecht), wonach auch bei schon anhängigem Verfahren vor dem Schiedsgericht die Klage auf Feststellung des Nichtbestands des Schiedsvertrags beim ordentlichen Gericht zulässig ist (RIS‑Justiz RS0039017), ist hier nicht anzuwenden, weil die gegenständliche Feststellungsklage keine bindende Entscheidung für das kalifornische Gericht zu schaffen vermag.

3.3. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass eine vom Standpunkt des Klägers abweichende Rechtsansicht eines ausländischen Gerichts noch kein rechtliches Interesse an der gegenteiligen Feststellung dafür präjudizieller Vorfragen begründen kann; insoweit wird nämlich versucht, einen prozessualen Vorteil zu erreichen, was von der Rechtsprechung als für das Feststellungsinteresse nicht ausreichend angesehen wird (RIS‑Justiz RS0039215 [T3]).

3.4. Die angefochtene Entscheidung hält sich somit im Rahmen höchstgerichtlicher Rechtsprechung und enthält keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die in Ermangelung erheblicher Rechtsfragen unzulässige Revision ist daher zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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