OGH 12Os81/16b

OGH12Os81/16b18.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Viktoria S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 27. April 2016, GZ 59 Hv 10/16t‑55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00081.16B.0818.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung wird die Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Viktoria S***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie unter dem Einfluss eines ihre Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grade beruht, nämlich einer Manie mit psychotischen Symptomen (F31.2), welche aus einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, emotional instabilen, histrionischen und dissozialen Anteilen (F61.0) und einer bipolaren affektiven Störung bzw einer schizo‑affektiven Psychose resultiert, am 22. Dezember 2015 in H***** die Polizeibeamten Mario B***** und Manuel P***** dadurch, dass sie telefonisch über den polizeilichen Notruf zusammengefasst bekanntgab, sie gehe von H***** Richtung G*****, wobei sie ein Messer mit sich führe und vorhabe, jemanden umzubringen, wenn kein Streifenwagen bei ihr vorbeikomme, und sie würde auch nach L***** fahren und dort einen Türken abstechen, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod, Beamte zu einer Amtshandlung, nämlich ihrer Festnahme, genötigt, also eine Tat begangen hat, die ihr, wäre sie zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 letzter Fall, Abs 2 StGB zuzurechnen gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der dagegen von Viktoria S***** erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil nicht geltend gemachte, der Betroffenen zum Nachteil gereichende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StGB anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StGB).

Die Tathandlung sowohl des § 105 Abs 1 StGB als auch des – dazu im Verhältnis der Spezialität stehenden (Danek in WK² StGB § 269 Rz 1, 48, 89; RIS‑Justiz RS0093283 [T1]) – § 269 Abs 2 StGB ist ein „Nötigen“. Diese Tatmodalität liegt nur vor, wenn eine Drohung (oder Gewaltanwendung) als Mittel der Willensbeeinflussung dazu bestimmt und geeignet ist, denjenigen, gegen den sie sich richtet, zu einem seinen wahren Intentionen nicht entsprechenden Willensakt zu zwingen. Daran fehlt es aber, wenn – wie hier – über den Polizeinotruf geäußert wird, die Anruferin sei mit einem Messer unterwegs und habe vor, jemanden umzubringen, wenn kein Streifenwagen bei ihr vorbeikomme. Denn durch diese Äußerung wurde ein Polizeieinsatz zwar ausgelöst, aber nicht erzwungen. Die Pflicht der Behörde (der Polizeibeamten), in einem solchen Fall einzuschreiten, ersetzt nämlich nicht den für die Nötigung erforderlichen Zwang (RIS‑Justiz RS0095838, insb 13 Os 22/16h mwN).

Ausgehend davon erweist sich die – unbeschadet der Annahme der Zurechnungsunfähigkeit der Betroffenen erfolgte – rechtliche Beurteilung der Anlasstat als Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 letzter Fall, Abs 2 StGB als verfehlt.

Entsprechende – bei Äußerungsdelikten stets erforderliche (RIS‑Justiz RS0092588, RS0092437) – Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der von der Betroffenen getätigten Äußerungen sowie deren Ernstlichkeit vorausgesetzt, könnte das gegenständliche Verhalten jedoch als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 StGB beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0092432; vgl auch Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 24, 27).

Dies erfordert die Kassation des Ausspruchs nach § 21 Abs 1 StGB und die Anordnung eines zweiten Rechtsgangs. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch zu verweisen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung war die Betroffene auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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