OGH 8ObA46/16x

OGH8ObA46/16x17.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger und Harald Kohlruss in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. F***** T*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AG *****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Mai 2016, GZ 10 Ra 114/15f‑36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00046.16X.0817.000

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach klargestellt, dass bei Erreichen des Regelpensionsalters und Anspruch auf Regelpension der Kündigungsschutz zwar nicht generell und jedenfalls auszuschließen ist, dass aber bei der Prüfung der Interessenbeeinträchtigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ein strenger Maßstab anzulegen ist (8 ObA 53/04h; RIS‑Justiz RS0119456; Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller , Arbeitsverfassungsrecht III 4 , § 105 Erl 39). Einerseits ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die mit jeder Pensionierung verbundenen Einkommenseinbußen toleriert. Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Kündigung bei Erreichen des Regelpensionsalters für den Arbeitnehmer nicht unvorhersehbar ist (8 ObA 74/10f; 8 ObA 53/04h).

Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den konkreten Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn die von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs erarbeiteten Grundsätze – wie hier – beachtet werden (RIS‑Justiz RS0051753 [T9]; RS0051785 [T7]).

2. Die Vorinstanzen haben die dargestellten Grundsätze im hier vorliegenden Einzelfall vertretbar auch auf die dem 1951 geborenen und 2014 gekündigten Kläger nach dem Ende des Dienstverhältnisses zustehende Korridorpension nach § 4 Abs 2 APG angewendet, die das Gesetz als Form der Alterspension definiert.

Angesichts der eher außergewöhnlichen Umstände – der Kläger war rund zehn Jahre lang bei vollen Bezügen von zuletzt 11.948 EUR brutto (14 mal jährlich) dienstfrei gestellt – musste er damit rechnen, zum frühesten für einen Pensionsantritt in Betracht kommenden Zeitpunkt gekündigt zu werden, und er konnte seine finanzielle Lebensplanung entsprechend lange auf diese Situation einstellen.

3. Der Kläger erhielt bei Beendigung des Dienstverhältnisses neben einer Abfertigung im Ausmaß von neun Monatsentgelten auch eine Urlaubsersatzleistung in der Höhe von 99.410,95 EUR brutto, die mehr als acht Bruttomonatsgehältern entspricht. Diese Feststellung übersieht aber die Revision, wenn sie behauptet, der Kläger hätte zwischen dem Ende seines Dienstverhältnisses am 15. 9. 2014 und dem tatsächlichen Antritt der Korridorpension am 1. 5. 2015 kein Einkommensäquivalent bezogen und wäre deshalb durch die Kündigung sozial besonders beeinträchtigt gewesen (zur Qualifikation der Urlaubsersatzleistungsfrist als Pflichtversicherungszeit vgl 10 ObS 18/13i).

4. Ausgehend von den Feststellungen, dass der Kläger mit einem laufenden monatlichen Nettoeinkommen aus Korridorpension und Betriebspension von rund 4.500 EUR seine nachgewiesenen laufenden (auch dem sozialen Status entsprechend gehobeneren) Lebenshaltungskosten für sich und seine berufstätige, rund 1.500 EUR netto monatlich verdienende Gattin bestreiten kann, ihn keine weiteren gesetzlichen Sorgepflichten oder sonstigen finanziellen Verbindlichkeiten treffen, das Ehepaar in einem eigenen, zeitgemäß instandgesetzten, unbelasteten Einfamilienhaus lebt, der Kläger über weitere Liegenschaften sowie über Barvermögen von rund 220.000 EUR aus festgestellten Ersparnissen und der Abfertigung verfügt, haben die Vorinstanzen eine Sozialwidrigkeit (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) der Kündigung im vorliegenden Einzelfall ohne einen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifenden Rechtsirrtum verneint.

Stichworte