European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E115275
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 938,52 EUR (darin enthalten 156,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Berufungsgericht ließ nachträglich die ordentliche Revision zur Klärung der Frage zu, ob bei der Auslegung der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts im Wohnungseigentumsvertrag (hier: als „Bar“) der Parteiwille zu erforschen sei.
2. Die Revision des Beklagten ist entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch nicht zulässig.
3. In diesem Verfahren über die Klage von Mit‑und Wohnungseigentümern auf Unterlassung und Beseitigung rechtswidriger Änderungen des Wohnungseigentumsobjekts ist nach ständiger Rechtsprechung nur die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung zu prüfen, nicht aber die Genehmigungsfähigkeit (RIS‑Justiz RS0013665 [T15]; RS0083156 [T5, T14, T20 ua]).
4. Der sehr weit auszulegende (RIS‑Justiz RS0083132) Begriff „Änderungen“ in § 16 Abs 2 WEG 2002 kann auch eine Änderung des Gegenstands und der Betriebsform des in einem Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens erfassen, weil dadurch die Rechte und rechtlich geschützten Interessen sowohl der Gemeinschaft als auch jedes einzelnen Mit‑ und Wohnungseigentümers berührt werden können (5 Ob 59/05w; 5 Ob 122/05k uva).
5. Die Zulässigkeit einer Widmungsänderung ist so zu beurteilen, dass die gültige Widmung des betreffenden Objekts der beabsichtigten oder bereits tatsächlich erfolgten Verwendung gegenübergestellt wird (RIS‑Justiz RS0101800 [T4]). Welche Widmung ein Wohnungseigentumsobjekt hat, entscheidet nur die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer, die in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag erfolgt (RIS‑Justiz RS0120725).
6. Der Wohnungseigentumsvertrag hielt zur Widmung fest, dass im Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten Nr 1 bis 3 eine Bar sowie im Wohnungseigentumsobjekt Nr 4 ein Kaffeehaus betrieben werde. Die Vertragsparteien nahmen eine dahingehend baurechtliche Widmung zur Kenntnis und verpflichteten sich, den bereits bekannten Betrieb der Unternehmen zu dulden, und verzichteten auf die Erhebung irgendwelcher Einwendungen betreffend Beeinträchtigungen, die mit diesem Betrieb typischerweise verbunden waren.
7. Die Auslegung dieser vertraglichen Regelung stellt nach der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0042936) nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts unvertretbar wäre. Das ist aber nicht der Fall.
8. Das Berufungsgericht interpretierte den Begriff „Bar“ als „intimes Nachtlokal“ ohne Ausübung der Prostitution. Der Beklagte versteht unter „Bar“ nach dem objektiven Erklärungswert der vertraglichen Regelung hingegen ein „Prostitutionslokal“, weil bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Wohnungseigentumsvertrags in drei „Separees“ Prostitution betrieben wurde und die Wohnungseigentümer dem ihnen bekannten Betrieb zugestimmt hätten. Es wurde aber nicht festgestellt, dass allen Parteien des Wohnungseigentumsvertrags und künftigen Wohnungseigentümern von insgesamt 24 Objekten diese Ausübung der Prostitution in Hinterzimmern der Bar tatsächlich bekannt gewesen war. Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, gab es dafür keinen Hinweis im Beweisverfahren. Aus diesem Grund ist die im Wohnungseigentumsvertrag festgehaltene Duldung des Betriebs der Unternehmen, somit einer Bar in Nr 1 bis 3 und eines Kaffeehauses in Nr 4, nicht zwingend als Zustimmung zu einer Nutzung der Bar als Prostitutionslokal zu interpretieren.
9. Es ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, ob die Umwandlung des Gegenstands eines in einem Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens eine genehmigungsbedürftige Änderung darstellt (vgl RIS‑Justiz RS0119528). Das Berufungsgericht sah in der Umwandlung des Betriebs der Bar in ein „offizielles“, nach dem Wiener Prostitutionsgesetz 2011 genehmigtes Prostitutionslokal, dessen Zweck auch aufgrund der neuen auffallenden Beleuchtung und Außengestaltung kaum verborgen blieb, eine genehmigungspflichtige Widmungsänderung. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig.
10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die klagenden Parteien haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
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