OGH 28Os5/15t

OGH28Os5/15t7.6.2016

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 7. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter sowie durch die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwältin in *****, über die Beschwerde der ***** gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 11. Mai 2015, AZ D 14/09, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0280OS00005.15T.0607.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gründe:

Mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 30. Juni 2010 wurde die Disziplinarbeschuldigte ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt) schuldig erkannt.

Danach hat sie bei Errichtung des Kaufvertrags zwischen Norbert und Helene D***** als verkaufende Parteien einerseits und Susanne H***** als kaufende Partei andererseits als Vertragsverfasserin und als Treuhänderin zwischen den Vertragsparteien einerseits und der bauausführenden G***** GmbH andererseits betreffend die Auszahlung des vertraglich vereinbarten Werklohns aus dem Werkvertrag vom 9. Oktober 2007 über die mit dem Gesamtgeschäft verbundenen Risken unrichtig aufgeklärt, so insbesondere nicht darauf hingewiesen, dass die Verträge dem Bauträgervertragsgesetz unterliegen, weiters über die Bestimmungen der Treuhandrevision nicht ausreichend informiert sowie Auszahlungen an die G***** GmbH ohne jegliche Prüfungen der Auszahlungsvoraussetzungen vorgenommen.

Hierfür wurde über ***** nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße verhängt.

In ihrem Antrag vom 4. April 2012 brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass aufgrund einer von ihr erstatteten Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien ein (Ermittlungs‑)Strafverfahren gegen Franz K***** jun, Franz K***** sen, Thomas G***** und Gerhard G***** anhängig sei, zumal sich ihr aufgrund ihrer Recherchen ein völlig anderer Sachverhalt eröffnet habe, nämlich dass Gerhard G***** bereits bei Baubeginn des Hauses H***** wusste, dass der von ihm zu errichtende Bau nicht genehmigungsfähig sein würde. Diese Umstände seien der Disziplinarbeschuldigten aber nicht bekannt gewesen. Für sie habe sich erst im Zuge der Recherchen herausgestellt, dass die E***** GmbH stets und ausnahmslos fix fertige Projekte entwickelte. Sie sei jedoch davon – was ihr auch vom Franz K***** jun vermittelt worden sei – ausgegangen, dass die E***** GmbH lediglich Liegenschaftskaufverträge und in der Folge – davon unabhängig – Werkverträge vermitteln würde. Aufgrund der Informationen der handelnden Personen hätte für die Disziplinarbeschuldigte der Eindruck entstehen müssen, es seien die Liegenschaftskaufverträge von den Werkverträgen entkoppelt.

Mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 gab der Disziplinarrat (ua) dem Antrag der Beschuldigten auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens (erstmals) nicht statt.

In (teilweiser) Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde der Disziplinarbeschuldigten wurde der zuletzt genannte Beschluss mit Beschluss der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission vom 25. November 2013, 7 Bkd 3/13, im Umfang der Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme aufgehoben und dem Disziplinarrat die neue Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens aufgetragen. Zur Begründung wurde insoweit ausgeführt, dass die Frage, ob die Disziplinarbeschuldigte als (Kauf‑)Vertragserrichterin und Treuhänderin vom Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit (iSd § 2 Abs 4 BTVG in der 2007 geltenden Fassung) zwischen einerseits dem Vertrag betreffend den Erwerb der Liegenschaft und andererseits dem Vertrag über die [hier:] Errichtung des Gebäudes wusste bzw ob Umstände vorlagen, aus denen sie auf das Vorliegen einer solchen Verflechtung schließen musste (wovon der Disziplinarrat ausgegangen sei), eine entscheidende Tatsache betreffe. Der Disziplinarrat hätte sich daher mit den von der Disziplinarbeschuldigten geltend gemachten neuen Tatsachen und Beweismittel, aber auch – von Amts wegen – mit den Beweisergebnissen des Zivilprozesses wie auch des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens auseinandersetzen müssen.

In ihrem sodann (ergänzend eingebrachten) Antrag auf Wiederaufnahme vom 22. November 2013 wies die Beschwerdeführerin insbesondere darauf hin, dass die von Susanne H***** mittlerweile im Zivilrechtsweg gegen ihre Person geltend gemachten Haftungsansprüche vom Landesgericht Wiener Neustadt (AZ 24 Cg 99/12t) zur Gänze abgewiesen worden seien. Das Beweisverfahren sei durch Einvernahme aller relevanten Zeugen und Beischaffung des Bauakts, des Strafakts gegen Franz K***** jun und Gerhard G***** sen sowie Einsichtnahme in sämtliche Urkunden sehr ausführlich gestaltet worden. Darüber hinaus habe sich das Urteil sehr detailliert mit der Frage beschäftigt, ob der Disziplinarbeschuldigten ein Fehlverhalten vorwerfbar ist oder nicht. So habe das Erstgericht keine über den bloßen Liegenschaftskaufvertrag hinausgehende und damit zusammenhängende Aufklärungs‑ und Hinweispflicht festgestellt. Vielmehr werde in diesem Erkenntnis ausdrücklich festgehalten, dass die Beklagte nicht hätte erkennen können, ob bzw dass durch die E***** GmbH respektive durch Franz K***** jun eine Konstruktion gewählt wurde, die allenfalls, geschweige denn zwingend dem BTVG unterliegen würde. Aufgrund der Feststellungen des Zivilgerichts scheide eine disziplinäre Verantwortung der Beschuldigten aus. Mittlerweile habe zudem das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht (AZ 16 R 132/13v) der Berufung der Susanne H***** nicht Folge gegeben. Die ordentliche Revision sei unter einem für nicht zulässig erklärt worden. Dabei habe das Oberlandesgericht dargetan, dass insbesondere die Anwendbarkeit des BTVG im vorliegenden Fall unter den konkreten Umständen nicht gegeben war und der Beklagten daher nicht vorgehalten werden könne, sie habe die Klägerin nicht ausreichend über das Gesetz und dessen Schutzvorkehrungen aufgeklärt. Solcherart werde nach dem Beschwerdevorbringen die Kernaussage des Disziplinarerkenntnisses vom 30. Juni 2010 widerlegt, wonach der Kaufvertrag in zumindest wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Errichtung eines Hauses abgeschlossen worden sei und daher jedenfalls dem BTVG unterlag. Sogar die viel detaillierteren Angaben der Susanne H***** als Klägerin im Zivilverfahren würden die Disziplinarbeschuldigte entlasten.

Mit Beschluss vom 15. September 2014 gab der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich den am 4. April 2012 und ergänzend am 22. November 2013 eingebrachten Anträgen der Disziplinarbeschuldigten ***** auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens wiederum nicht statt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Beschwerde der Disziplinarbeschuldigten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs als Disziplinargericht vom 16. April 2015, GZ 28 Os 17/14f‑7, Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Disziplinarrat die neue Entscheidung über die Anträge auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens aufgetragen, weil an der angefochtenen Entscheidung gemäß § 43 Abs 4 StPO ausgeschlossene Mitglieder des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich mitgewirkt hatten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 11. Mai 2015 wurden die in Rede stehenden Anträge auf Wiederaufnahme vom 4. April 2012 und 22. November 2013 abermals abgewiesen.

Der dagegen gerichteten Beschwerde der Wiederaufnahmewerberin kommt – in Übereinstimmung mit der Äußerung des Kammeranwalts und der Stellungnahme der Generalprokuratur – aus nachstehenden Erwägungen keine Berechtigung zu:

Gemäß § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt kann die rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens verlangen, wenn sie neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, ihren Freispruch zu begründen.

Das (im Strafverfahren alternativ mögliche) Wiederaufnahmeziel einer Verurteilung bloß wegen einer unter ein milderes „Strafgesetz“ fallenden Handlung ist im Verfahren nach dem DSt hingegen nicht anwendbar, weil § 16 DSt für die (beiden) in § 1 Abs 1 DSt normierten Disziplinarvergehen einen einheitlichen Strafsatz vorsieht (RIS‑Justiz RS0129507).

Die neu beigebrachten Tatsachen oder Beweismittel müssen zur Erwirkung eines Freispruchs geeignet erscheinen. Die Eignung ist eine Eigenschaft der beizubringenden neuen Tatsachen und Beweise im Hinblick auf eine durch sie (allenfalls im Zusammenhang mit bereits bekannten Beweismitteln) begründete Möglichkeit, die Tatsachengrundlage der Erstentscheidung zu erschüttern und zu einer anderen Lösung der Beweisfrage zu gelangen. Tatsache oder Beweismittel müssen demnach einen für die Wiederaufnahme erheblichen Umstand betreffen. Ist dies der Fall, so ist weiters – hypothetisch – der mögliche Einfluss dieses Umstands auf die wiederaufzunehmende Entscheidung zu beurteilen (Lewisch, WK‑StPO § 353 Rz 60 f).

Beim zuletzt genannten Kriterium der Relevanz ist zu prüfen, ob dieses neue Beweismittel (welches einen für die Wiederaufnahme erheblichen Umstand betrifft) zur Erschütterung der Beweisgrundlage geeignet ist. Dies hängt davon ab, welcher Stellenwert diesem Umstand bei hypothetisch nachträglicher Betrachtung für die Erstentscheidung zukommt. Für diese Beurteilung ist im Regelfall ua maßgeblich, durch wie viele andere Beweismittel das seinerzeitige Ergebnis abgesichert war (Lewisch, WK‑StPO § 353 Rz 65). Das Wiederaufnahmeverfahren hat sich dabei in jedem Fall auf eine Eignungsprüfung im vorgenannten Sinn zu beschränken. Die Beurteilung des Beweiswerts der neuen Beweismittel wäre einem neuen Erkenntnisverfahren vorbehalten. Eine vorgreifende Beweiswürdigung schon im Wiederaufnahmeverfahren ist daher unzulässig(Lewisch, WK‑StPO § 353 Rz 66).

Bei der Eignungsprüfung gemäß § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt sind im Sinne des bei Beweisanträgen vorzunehmenden Relevanzprüfung (vgl RIS‑Justiz RS0101243) selbstverständlich auch die wesentlichen früher erhobenen Beweisergebnisse in die Beurteilung miteinzubeziehen, wobei ein gewisses Mindestmaß an Beweiswürdigung bzw an Wertungen unvermeidbar ist (12 Os 43/01; 1 Ob 101/04s; Lewisch, WK‑StPO § 353 Rz 67).

Die Wiederaufnahmewerberin hat die neuen – zur Erschütterung der Beweisgrundlagen der Erstentscheidung geeigneten – Tatsachen oder Beweismittel beizubringen. Beibringen bedeutet dabei schlüssiges Vorbringen. Das Wiederaufnahmeverfahren ist auf Grundlage und im Rahmen des jeweiligen Wiederaufnahmeantrags amtswegig zu führen (Lewisch, WK‑StPO § 353 Rz 33, 68).

Ausgehend von diesen Prämissen ist zum Beschwerdevorbringen auszuführen:

1./ Der Beschwerdevorwurf, der Disziplinarrat habe eine Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des Strafverfahrens AZ 42 Hv 42/14s des Landesgerichts Wiener Neustadt, das zu einer (nicht rechtskräftigen) Verurteilung des Franz K***** jun führte, unterlassen, nennt – wie schon der Wiederaufnahmeantrag vom 4. April 2012 – keine in diesem Verfahren konkret vorgekommene Beweismittel, welche allein (oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen) den Freispruch der Wiederaufnahmewerberin begründen sollen.

Auch mit dem Vorbringen der Tatsache, dass Franz K***** jun als Geschäftsführer der E***** GmbH (für welche die Disziplinarbeschuldigte laut den Annahmen im Disziplinarerkenntnis als Treuhänderin tätig war) wegen schweren Betrugs verurteilt worden sei, kommt die Wiederaufnahmewerberin ihrer Pflicht abermals nicht nach, zur Erschütterung der Beweisgrundlagen des Disziplinarerkenntnisses geeignete konkrete Tatsachen oder Beweismittel vorzubringen.

Weshalb der von der Wiederaufnahmewerberin vorgebrachte Umstand, wonach ihr auch andere Kunden der E***** GmbH bestätigt hätten, tatsächlich von Franz K***** jun betrogen worden zu sein, geeignet sein soll, das ihr zur Last liegende disziplinäre Fehlverhalten in beweismäßiger Hinsicht in Frage zu stellen, wird in der Beschwerde nicht näher dargetan.

2./ Die Ausführungen zu den – noch dazu (iSd § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt) nicht neuen – im angefochtenen Beschluss maßgeblich erörterten (laut Beschwerde bloß vermeintlich verfänglichen) Schreiben der Wiederaufnahmewerberin vom 14. Jänner 2009, 7. April 2009 und 18. Juni 2009 betreffen wiederum keine neuen Tatsachen oder Beweismittel, sondern haben bloß Wertungen bzw eigenständige Erwägungen zur Beweiswürdigung des Disziplinarrats zum Inhalt (vgl Lewisch, WK‑StPO § 353 Rz 39).

3./ Auch das weitere Vorbringen, wonach die Argumentation des Disziplinarrats nicht darauf gestützt werden könne, dass laut einer der Besprechungen die Abwicklung der Werklohnzahlungen über das Treuhandkonto der Disziplinarbeschuldigten erfolgen sollten, stellt weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel dar. Vielmehr wird damit erneut bloß unzulässig die seinerzeitige Beweiswürdigung des in der Sache erkennenden Disziplinarrats bekämpft.

4./ Mit der (zudem gar nicht zutreffenden) Behauptung, im Rahmen der seinerzeit durchgeführten Disziplinarverhandlung sei eine allfällige subjektive Tatseite (Wissen bzw Wissen‑Müssen) nicht behandelt worden, weswegen auch keine entsprechenden Fragen betreffend den damaligen Wissensstand der Disziplinarbeschuldigten gestellt worden seien, wird abermals kein Wiederaufnahmegrund aufgezeigt, sondern bloß die entsprechenden – entgegen der (mehrfachen) Beschwerdebehauptung sehr wohl getroffenen – Annahmen des Disziplinarrats (vgl insbesondere ES 14) bestritten.

Weshalb die Beschwerdeführerin in der Verhandlung gehindert gewesen sein sollte, sich entsprechend zu verantworten (und allenfalls auch entsprechende, ihre Einlassung stützende Beweisanträge zu stellen), erklärt die Rechtsmittelwerberin im Übrigen nicht.

5./ Die Urteile des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18. April 2013, GZ 24 Cg 99/12t‑26, und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2013, AZ 16 R 132/13v, sind als solche jedenfalls keine Tatsachen (oder auch Beweismittel) iSd § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt. Sie können allenfalls nur insoweit von Relevanz sein, wenn in ihnen – dem Entscheidungsorgan des Erstverfahrens unbekannt gewesene – Beweismittel benannt werden (vgl Lewisch, WK‑StPO § 353 Rz 43 iVm Rz 40).

Das Landesgericht Wiener Neustadt stellte aufgrund des von ihm durchgeführten Beweisverfahrens – kurz zusammengefasst – fest, dass die Disziplinarbeschuldigte vom Werkvertrag keine Kenntnis hatte. Sie erstellte nämlich nur den Kaufvertrag über die Liegenschaftsanteile und führte die treuhändige Abwicklung eines Zahlungsplans aus dem Werkvertrag durch. Sie hätte jedoch nicht erkennen können, dass durch die E***** GmbH bzw Franz K***** jun eine Konstruktion gewählt worden war, die zwingend dem BTVG unterliegen würde. Demnach hätte sie – so das Zivilgericht weiter – auch keine Aufklärungs‑ und Hinweispflichten über die objektiv gegebene Verpflichtung der Anwendung des BTVG verletzt.

Diese Aussprüche stützte das Landesgericht Wiener Neustadt im Wesentlichen auf die Aussage der Disziplinarbeschuldigten als Beklagte im Zivilverfahren, die es als unbedenklich erachtete.

a./ Im angefochtenen Beschluss wird demgegenüber eingehend die Beweislage erörtert und insbesondere darauf hingewiesen, dass die Disziplinarbeschuldigte im Disziplinarverfahren – anders als im Zivilverfahren – den dem Schuldspruch zugrunde liegenden Sachverhalt in ihrer Vernehmung selbst zugestanden hatte (so hatte die Rechtsmittelwerberin insbesondere angegeben, dass es beim Erstgespräch mit Susanne H***** bereits klar war, dass es neben dem Kaufvertrag über die Liegenschaftsanteile auch einen Werkvertrag gibt. Weiters hatte sie ausgeführt, dass der Werklohn treuhändig über ihre Kanzlei abgewickelt werden soll und dass sie nach entsprechender Erörterung dieser Frage Susanne H***** darüber informierte, dass das BTVG vorliegend nicht zur Anwendung gelange, weil sie [Susanne H*****] lediglich Liegenschaftsanteile erwerbe und der Baufortschritt schlussendlich von einem Sachverständigen bestätigt werden kann oder eben auch von ihr selbst, wobei sie auch die Möglichkeit hat, Sachverständige oder Professionisten beizuziehen; vgl Protokoll vom 10. Mai 2010, ON 16 S 2).

Allein der Umstand, dass der Sachverhalt von der Disziplinarbeschuldigten im (nachfolgenden) Zivilverfahren anders dargestellt wurde (vgl insoweit insbesondere die Ausführungen auf S 6 und 9 der Beschwerde) – und dieser Darstellung vom Landesgericht Wiener Neustadt im Wesentlichen auch gefolgt wurde –, stellt allerdings keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund dar.

In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang behauptet, dass die von der Disziplinarbeschuldigten im Disziplinarverfahren gewählte (sowohl in schriftlichen Stellungnahmen als auch in ihrer Vernehmung zum Ausdruck kommende) Verantwortung nicht ihrem zum Zeitpunkt der Errichtung von Kauf‑ und Werkvertrag sowie der Übernahme der Treuhandabwicklung der Zahlungen aus dem Werkvertrag vorliegenden Wissensstand entsprochen hätte. Auch im angefochtenen Beschluss habe sich der Disziplinarrat bloß auf ihren Wissensstand im Jahr 2009 bezogen, jener bei Abschluss des Werk‑ und des Kaufvertrags durch Susanne H***** im Jahr 2007 sei jedoch zu keinem Zeitpunkt hinterfragt worden.

Damit trachtet die Beschwerdeführerin im Ergebnis aber erneut nur die Beweiswürdigung des seinerzeit in der Sache erkennenden Disziplinarrats zu kritisieren, ohne aber neue Tatsachen oder Beweismittel zu nennen. Der über die Wiederaufnahme‑Anträge entscheidende Disziplinarrat hatte im angefochtenen Beschluss zudem eingehend dargelegt, weshalb den im in Rede stehenden Zivilverfahren getätigten Aussagen der Susanne H***** (als Klägerin) und der Beschwerdeführerin (als Beklagte) die erforderliche Eignung fehlt, zu einer anderen Lösung der Beweisfrage – nämlich zu einem Freispruch – zu gelangen (s insbesondere BS 7).

b./ Die von der Beschwerde ins Treffen geführten (im Zivilverfahren getätigten) Aussagen des als Zeugen vernommenen Mitarbeiters der Disziplinarbeschuldigten Mag. Walter D***** (nämlich wonach ihm Franz K***** jun immer nur gesagt habe, dass er Liegenschaftskäufe vermittelt und nach Möglichkeit über seine Kontakte zur Bauwirtschaft auch Baufirmen für die Liegenschaftswerber vermittelt, dieser [Franz K***** jun] mit ihm aber jedenfalls nie das Anbot vom 5. September 2007 besprochen habe, dieser auch mit Mag. Claudia V***** sowie Dr. Marion Kr***** zusammengearbeitet habe [und weiteren daran anknüpfenden Mutmaßungen]) sowie der Zeugen Norbert und Helene D***** (wonach Franz K***** jun eine Option für den Ankauf der Liegenschaft gehabt hätte, die ihn dazu berechtigte, einen Erwerber für die Liegenschaft zu vermitteln, sowie dass sie [als Verkäufer] mit einem geplanten Bau nichts zu tun gehabt hätten und ihnen von Franz K***** jun auch nicht mitgeteilt worden sei, was mit den Grundstücken geschehen solle), haben auf den Schuldspruch der Wiederaufnahmewerberin keinerlei Einfluss.

c./ Schließlich wird von der Beschwerdeführerin als neues Beweismittel die Aussage des Franz K***** jun aus dem Zivilverfahren zitiert, wonach er grundsätzlich Liegenschaften vermittelt, zusätzlich jedoch auch Kontakte zu Häuser errichtenden Baumeistern hergestellt und auch Angebote mit den veranschlagten Hauserrichtungskosten gemacht habe, wobei er darauf, ob es letztlich auch zu einer Einigung zwischen dem Käufer und dem Hauseigentümer kommt, keinen Einfluss gehabt hätte. Konkret habe er das Angebot vom 5. September 2007 vor bereits etwa sieben Jahren der Disziplinarbeschuldigten oder aber auch ihrem Mitarbeiter Mag. D***** gezeigt.

Abgesehen davon, dass es sich bei dem Zeugen Franz K***** jun um kein neues Beweismittel handelt – denn neu iSd § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt ist nur ein solches, welches nicht bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz zur verwertbaren Kenntnis des Disziplinarrats gelangt ist (vgl Lewisch, WK‑StPO § 353 Rz 24, 30, 45; RIS‑Justiz RS0101229), während der Zeuge Franz K***** jun jedoch bereits in der Disziplinarverhandlung vom 10. Mai 2010 eingehend vernommen wurde (s ON 16 S 7 ff) –, sind die in Rede stehenden Angaben dieses Zeugen mit Blick auf die sonst vorliegenden, vom Disziplinarrat miterwogenen Beweisergebnisse nicht in der Lage, die zur Feststellung der entscheidenden – von der Beschwerdeführerin in Frage gestellten – Tatsachen (nämlich der subjektiven Tatseite [Kenntnis des Gesamtsachverhalts, insbesondere auch der Existenz des Werkvertrags] und der – basierend aufgrund der verfehlten Verneinung der Geltung des BTVG erfolgten – Verletzung der aus dem Bevollmächtigungsvertrag resultierenden Warn‑, Aufklärungs‑, Informations‑ und Verhütungspflichten gegenüber Susanne H*****) anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen.

d./ Die gleichen Kriterien (insbesondere nicht neu sowie auch fehlende Relevanz) lassen auch die von der Beschwerde als neue Tatsachen oder Beweismittel mehrfach ins Treffen geführten (vgl etwa S 6 und 10 f der Beschwerde) Angaben der Susanne H***** in dem von ihr angestrengten Zivilverfahren ins Leere laufen. Weder die Angaben, wonach über das Verhältnis der Verkäufer des Grundstücks zur G*****-Bau nichts gesagt worden sei und sie [Susanne H*****] dies auch nicht interessiert habe, noch jene Aussagen, wonach sie der Disziplinarbeschuldigten als Anwältin vertraut und deshalb quasi auf der Übernahme der Treuhandschaft für die Auszahlung des Werklohns durch die Disziplinarbeschuldigte bestanden habe, trotzdem aber jetzt nicht mehr wisse, warum sie selbst 10.000 Euro in zwei Tranchen direkt an die Baufirma bezahlt habe, können die vom Disziplinarrat im angefochtenen Beschluss auf Basis der vorliegenden Beweisergebnisse ausführlich zur Darstellung gebrachten Erwägungen derart in Frage zu stellen, sodass eine Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens erforderlich wäre.

Nach dem deutlich erkennbaren Willen des Gesetzgebers soll die Wiederaufnahme wegen der damit bewirkten Durchbrechung der materiellen Rechtskraft nur ausnahmsweise statthaft sein, insbesondere wenn das neue Beweismittel objektiv Anlass zu (ernsten) Zweifeln an der Richtigkeit der ersten Entscheidung bietet. Geeignet iSd § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt bedeutet daher nicht bloß denkbar, sondern fordert vielmehr eine konkrete Wahrscheinlichkeit der Auswirkung auf den Verfahrensausgang (vgl 1 Ob 101/04s).

6./ Das Vorbringen, die Verfahrensrechte der Disziplinarbeschuldigten seien deshalb gröblich missachtet worden, weil ihrem Vertreter bei mehrfachen Vorsprachen bei der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich die Einsicht in den Disziplinarakt faktisch verwehrt worden und kein Rückruf des Kammeranwalts zwecks Erörterung des Sachverhalts und vor allem Vereinbarung eines Termins zur Akteneinsicht erfolgt sei, bedarf mangels Relevanz für das vorliegende – die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens betreffende – Beschwerdeverfahren (unter ergänzendem Hinweis auf den Aktenvermerk vom 12. August 2015, ON 52) keiner weiteren Erwiderung.

7./ Den (in der Beschwerde mehrfach geäußerten) Vorwürfen, die Protokollierung in der mündlichen Disziplinarverhandlung sei grob fehlerhaft und merkwürdig, zudem sei sie sehr leise und zumeist erst dann erfolgt, während ein anderes Senatsmitglied bereits eine weitere Frage stellte. Zudem sei nur rund die Hälfte des Gesprochenen tatsächlich protokollarisch erfasst worden (sodass viele Aussagen schlicht außer Protokoll erfolgt seien und es für die – unvertretene – Disziplinarbeschuldigte unmöglich gewesen sei, der Protokollierung zu folgen bzw allfällige Unvollständigkeiten und/oder Missverständnisse aufzudecken), genügt zu erwidern, dass es der Disziplinarbeschuldigten (die als Rechtsanwältin selbstverständlich um ihre Rechte wusste bzw wissen musste) freigestanden wäre, bereits während der Verhandlung durch entsprechende Antragstellung auf eine korrekte, für sie nachvollziehbare Protokollierung zu dringen oder – nach Zustellung des Verhandlungsprotokolls (§ 40 DSt) – einen entsprechenden Ergänzungs‑ und/oder Berichtigungsantrag beim Disziplinarrat einzubringen (§ 77 Abs 3 DSt iVm § 271 Abs 7 StPO).

Insgesamt war daher der Beschwerde der Rechtsanwältin ***** nicht Folge zu geben.

Der Disziplinarrat unterließ einen Kostenersatzausspruch gemäß § 390a Abs 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt. Einem amtswegigen Nachholen durch das Beschwerdegericht (RIS‑Justiz RS0129437) steht vorliegend das Verschlechterungsverbot des § 89 Abs 2b letzter Satz StPO iVm § 77 Abs 3 DSt entgegen (25 Os 8/14k; RIS‑Justiz RS0129437 [T2]).

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