European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0280OS00017.14F.0416.000
Spruch:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. September 2014 aufgehoben und dem Disziplinarrat die neue Entscheidung über die Anträge auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 30. Juni 2010 wurde Dr. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt. Der erkennende Senat setzte sich aus dem Präsidenten des Disziplinarrats Dr. Alois Autherith als Vorsitzenden sowie Dr. Friedrich Bubla, Dr. Ulrike Grünling, Dr. Gerda Mahler‑Hutter und Dr. Bernd Schmied als weitere Mitglieder zusammen.
Mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 gab der Disziplinarrat unter anderem dem Antrag der Beschuldigten auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens nicht statt.
In teilweiser Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde der Disziplinarbeschuldigten wurde der zuletzt genannte Beschluss mit Entscheidung der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission vom 25. November 2013, 7 Bkd 3/13, im Umfang der Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme aufgehoben und dem Disziplinarrat die neue Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens aufgetragen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 15. September 2014 gab der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich den (am 4. April 2012 und am 22. November 2013 eingebrachten) Anträgen der Dr. ***** auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens erneut nicht statt. Als Vorsitzender bei dieser Entscheidung fungierte Dr. Alois Autherith, die weiteren Senatsmitglieder waren Dr. Friedrich Bubla, Dr. Ulrike Grünling, Dr. Gerda Mahler‑Hutter und Dr. Bernd Schmied.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der Disziplinarbeschuldigten erhobenen Beschwerde kommt Berechtigung zu.
Gemäß § 77 Abs 1 DSt gelten für die Wiederaufnahme des Verfahrens sinngemäß die Bestimmungen der Strafprozessordnung. Gemäß § 77 Abs 3 DSt sind die Bestimmungen der Strafprozessordnung insoweit sinngemäß anzuwenden, als sich aus dem Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter nichts anderes ergibt und die Anwendungen der Bestimmungen der Strafprozessordnung mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens vereinbar ist.
Solcherart sind auch die die Ausschließung und Befangenheit betreffenden Bestimmungen des 4. Abschnitts des 2. Hauptstücks der Strafprozessordnung und demzufolge insbesondere auch jene betreffend die Ausgeschlossenheit von Richtern gemäß § 43 StPO dem Sinne nach anzuwenden.
§ 43 Abs 2 bis 4 StPO regelt die Ausgeschlossenheit von Richtern wegen Vorbefassung im selben Verfahren (Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 16). Gemäß Abs 4 leg cit ist ein Richter unter anderem von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme ausgeschlossen, wenn er in einem Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist. Dieser Ausschließungsgrund trifft somit auf alle fünf an der angefochtenen Entscheidung vom 15. September 2014 beteiligten Mitglieder des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich zu, zumal sie ‑ wie dargestellt ‑ auch an der Fällung des durch den Wiederaufnahmeantrag betroffenen Erkenntnisses vom 30. Juni 2010 mitgewirkt hatten (AnwBl 1998/7478; Feil/Wennig, AnwR8 S 973 f).
Damit war der angefochtene Beschluss zu kassieren und dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich die neue Entscheidung über den Antrag der Disziplinarbeschuldigten auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens aufzutragen (§ 77 Abs 3 DSt iVm § 89 Abs 2a Z 1 letzter Fall StPO; vgl auch RIS‑Justiz RS0129414).
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Beschwerde erübrigt sich mit Blick auf diese kassatorische Entscheidung (§ 77 Abs 3 DSt iVm § 89 Abs 2b letzter Satz StPO).
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