European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00032.16W.0421.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Der Kläger ist ein bei der Beklagten beschäftigter Zugbegleiter. Auf sein Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag zur Regelung der Arbeitszeit für Mitarbeiter der ÖBB anzuwenden, der in § 6 vorsieht:
„§ 6 Ruhepausen
3. Sonstiger Fahrdienst
Im sonstigen Fahrdienst sind alle Ruhepausen innerhalb einer Dienstschicht zu addieren.
Beträgt die Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden, sind von der Gesamtdauer an Ruhepausen 30 Minuten in Abzug zu bringen, der Rest der Ruhepausen ist zu 100 % zu bezahlen. …
5. Die Lage der Ruhepausen ist in einer Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG zu vereinbaren.
Betriebsbedingte Arbeitsunterbrechungen, Kurzpausen, Ruhepausen oder Ruhepausenteile, deren zeitliche Lage nicht festgelegt werden kann ‑ zB je nach Arbeitsaufkommen verschiebbare Ruhepausen oder Ruhepausen im Zug ‑ oder solche, die dem Regenerationsgedanken nicht Rechnung tragen, dürfen nicht als Ruhepausen bewertet werden und gelten als Arbeitszeit.“
In den Dienstplänen der Beklagten, die der entsprechenden Betriebsvereinbarung zur Lage der Ruhepausen zugrunde liegen, wurden die Ruhepausen getrennt nach unbezahlter und bezahlter Ruhepause ausgewiesen.
An folgenden Tagen kam es zu einer betriebsbedingten Verkürzung der unbezahlten Ruhepausen des Klägers:
11. 2. 2011: vorgesehene Pause: 17:59 ‑ 18:44
tatsächliche Pause: 18:05 ‑ 18:44
Verkürzung der Pause: 6 Minuten
4. 2. 2012: vorgesehene Pause: 14:30 ‑ 15:15
tatsächliche Pause: 14:33 ‑ 15:15
Verkürzung der Pause: 3 Minuten
8. 5. 2015: vorgesehene Pausen: 09:05 ‑ 09:50, 17:41 ‑ 18:11
tatsächliche Pausen: 09:17 ‑ 09:50, 17:41 ‑ 18:11
Verkürzung der Pausen: 12 Minuten
Während die Beklagte die jeweils verbliebene Pausenzeit weiterhin als unbezahlte Pause ansieht, steht der Kläger auch in seiner außerordentlichen Revision auf dem Standpunkt, dass ihm diese Pausenzeiten zur Gänze zu bezahlen seien, weil es sich im Sinn der Entscheidung 9 ObA 136/14m um die Verlegung unbezahlter Ruhepausen handle.
Rechtliche Beurteilung
Damit zeigt er keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf, weil sich eine derartige Auslegung, wie bereits das Berufungsgericht ausführte, aus der Entscheidung 9 ObA 136/14m nicht ableiten lässt.
1. In jener Entscheidung wurde im Hinblick auf die Ruhepausenregelung des § 11 Abs 1 AZG ausgeführt:
„1. … Da das Gesetz von einer Unterbrechung der Arbeitszeit durch die Ruhepause spricht, zählt die Ruhepause grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit (RIS‑Justiz RS0051370 [T1]) und wäre daher auch nicht zu bezahlen, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist (RIS‑Justiz RS0102995 [T4]). Damit eine „Pause“ als Ruhepause im Sinn des § 11 Abs 1 AZG anerkannt werden kann, muss sie ihrer Lage nach für den Arbeitnehmer aber vorhersehbar sein (sich also an einer im Vorhinein definierten zeitlichen Position im Rahmen der Arbeitszeiteinteilung befinden) oder vom Arbeitnehmer innerhalb eines vorgesehenen Zeitraums frei gewählt werden können (RIS‑Justiz RS0051919 [T3], RS0102995 [T1]; Klein in Heilegger/Klein/Schwarz , AZG 3 § 11 Erl 1, 276; Pfeil in Grillberger , AZG 3 § 11 Rz 1; krit Schrank , Arbeitszeitgesetze 2 § 11 AZG Rz 3 ff).
2. Für Arbeitnehmer in Betrieben des öffentlichen Verkehrs treffen die §§ 18 bis 18k AZG Sonderregelungen. Gemäß § 18h Abs 1 AZG ist § 11 AZG auf das Zugpersonal nicht anzuwenden. Gemäß § 18h Abs 3 AZG ist, wenn die Gesamtdauer der Arbeitszeit mehr als sechs Stunden beträgt, die Arbeitszeit des Zugbegleitpersonals durch eine Ruhepause von mindestens 30 Minuten zu unterbrechen. Diese Mindestpause ist im Gegensatz zur allgemeinen Ruhepause des § 11 AZG ungeteilt zu gewähren (Schrank, Arbeitszeitgesetze2 § 18h AZG Rz 3; Klein in Heilegger/Klein/Schwarz, AZG3 § 18 bis 18k Erl 7, 394).
3. Gemäß § 18h Abs 4 AZG müssen die zeitliche Lage und die Länge der Ruhepause ausreichend sein, um eine effektive Erholung des Zugpersonals zu sichern. Zur Frage der Exaktheit der Vorausplanung der Ruhepause trifft § 18h AZG keine Aussage, sodass die dargestellten allgemeinen Kriterien zur Anwendung gelangen, die auch für Ruhepausen iSd § 11 AZG gelten (in diesem Sinn ebenso Schrank, Arbeitszeitgesetze2 § 18h AZG Rz 2).
4. Gemäß § 18j AZG kann der Kollektivvertrag für Zugpersonal, das nicht grenzüberschreitend eingesetzt wird, Abweichungen von den §§ 18h und 18i Abs 1 vorsehen. Es sind daher die Regelungen des Arbeitszeit‑KV zu prüfen.
5. § 6 Punkt 3. des Arbeitszeit‑KV ordnet für den sonstigen Fahrdienst eine Addierung aller Ruhepausen innerhalb einer Dienstschicht an. Beträgt die Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden, sind von der Gesamtdauer an Ruhepausen 30 Minuten in Abzug zu bringen, der Rest der Ruhepausenzeit ist zu 100 % zu bezahlen. Beträgt die Tagesarbeitszeit mehr als acht Stunden, sind von der Gesamtdauer an Ruhepausen 45 Minuten in Abzug zu bringen, der Rest der Ruhepausenzeit ist ebenso zu 100 % zu bezahlen. § 6 Punkt 3. des Arbeitszeit‑KV enthält somit eine Bezahlungsregel für die Ruhepausen, trifft aber über die Dauer und die Lage der Ruhepausen keine Aussage. Vielmehr behält § 6 Punkt 5. erster Satz des Arbeitszeit‑KV die Festlegung der Lage von Ruhepausen einer Betriebsvereinbarung vor.“
2. Nach diesen Bestimmungen des Kollektivvertrags wäre es zulässig, für die Bezahlung der Pausenzeiten zunächst sämtliche Pausenzeiten zu kumulieren und danach bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als sechs (acht) Stunden 30 (45) Minuten Pausenzeit als unbezahlt in Abzug zu bringen. In den Dienstplänen der Beklagten wurden die ausgewiesenen Pausen aber bereits im Vorhinein als „bezahlt“ oder „unbezahlt“ festgelegt. Wie in der Entscheidung 9 ObA 136/14m dargelegt, führt diese Widmung dazu, dass eine nicht durch eine Betriebsvereinbarung gedeckte und einseitig verlegte unbezahlte Ruhepause als Arbeitszeit zu bezahlen ist: Die Zeit der ursprünglichen Ruhepause wird Arbeitszeit, weil in ihr dann tatsächlich gearbeitet wird. Die Zeit der neuen Ruhepause ist als Arbeitszeit zu werten, weil eine solche einseitig bestimmte Pause mangels Vorhersehbarkeit dem Regenerationsgedanken nicht ausreichend Rechnung trägt.
3. In den hier vorliegenden Situationen ist es jedoch zu keiner Verlegung, sondern lediglich zu einer minutenweisen Verkürzung unbezahlter Pausen gekommen. Die verbleibenden Pausenzeiten haben selbst die in § 18h Abs 3 AZG vorgesehene Dauer einer Ruhepause von mindestens 30 Minuten nicht unterschritten (wobei davon gemäß § 18j AZG kollektivvertraglich abgewichen werden kann). Auch liegt kein Fall vor, in dem im Sinn des § 6 Punkt 5. des Kollektivvertrags die zeitliche Lage der Ruhepausen oder Ruhepausenanteile nicht festgelegt werden konnte, weil die tatsächlichen Pausenzeiten hier als „Rest“ der vorgesehenen Pausenzeiten von den Pauseneinteilungen der Dienstpläne gedeckt sind. Schließlich wurde weder behauptet noch festgestellt, dass die Verkürzungen der Pausen dazu geführt hätten, dass ihr Erholungswert verfehlt worden wäre. Eine Verlegung der Pausen, wie sie der Entscheidung 9 ObA 136/14m zugrunde lag, ist hier nicht gegeben.
4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.
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