European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00040.16P.0331.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Die mittlerweile verstorbene Zweitklägerin und der Beklagte waren zumindest ab 1972 bis Juli 1998 jeweils Hälfteeigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft. Seit diesem Zeitpunkt sind die beiden Kinder der Kläger sowie die beiden Töchter des Beklagten aufgrund von Schenkungen der Zweitklägerin und des Beklagten jeweils zu einem Viertel Miteigentümer der Liegenschaft. Seither waren der Erstkläger und die Zweitklägerin Fruchtgenussberechtigte des ehemaligen Hälfteanteils der Zweitklägerin und der Beklagte ist Fruchtgenussberechtigter seines ehemaligen Hälfteanteils.
Mit der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten Klage begehren die Kläger vom Beklagten die Herausgabe sämtlicher ‑ näher bezeichneter ‑ Verwaltungsunterlagen aus der Zeit seiner Verwaltungstätigkeit der Liegenschaft von 1972 bis 31. 7. 2013. Weiters begehren sie von ihm die ordentliche Rechnungslegung über seine Verwaltungstätigkeit gegenüber der Zweitklägerin für den Zeitraum 1. 1. 1984 bis 31. 7. 2013 und gegenüber dem Erstkläger für den Zeitraum 13. 7. 1998 bis 31. 7. 2013 sowie jeweils die Herausgabe des halben, sich aus der Rechnungslegung ergebenden Guthabensbetrags, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur erfolgten Rechnungslegung vorbehalten bleibt.
Das Erstgericht sprach mit Beschluss aus, dass die „gegenständliche Rechtssache“ im außerstreitigen Verfahren zu behandeln und zu erledigen sei (Punkt 1.), erklärte das bisherige Verfahren mit Ausnahme des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes für nichtig (Punkt 2.) sowie das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien für unzuständig (Punkt 3.) und überwies die Rechtssache gemäß § 44 JN an das offenbar zuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien (Punkt 4.). § 838a ABGB umfasse auch jene Fälle, in denen die Verwaltungs‑ und Benützungsrechte ganz oder zum Teil auf einen Fruchtgenussberechtigten übergegangen seien. Die Ansprüche der Kläger auf Rechnungslegung und Herausgabe gegen den verwaltenden Fruchtgenussberechtigten seien nicht anders zu behandeln als gleichartige Ansprüche gegen einen verwaltenden Miteigentümer, weshalb die Rechtssache ins Außerstreitverfahren verwiesen sei. Zudem sei noch zu beachten, dass der Beklagte sein Miteigentum an der Liegenschaft erst am 13. 7. 1998 aufgegeben habe und im Zeitraum von 1972 bis dahin als verwaltender Miteigentümer agiert habe. Soweit sich das Klagebegehren auf diesen Zeitraum beziehe, sei jedenfalls von einer Streitigkeit nach § 838a ABGB auszugehen.
Das Rekursgericht gab dem von den Klägern erhobenen Rekurs nur dahin Folge, dass es in Abänderung von Punkt 4. des erstinstanzlichen Beschlusses die Rechtssache gemäß § 44 JN an das zuständige Bezirksgericht Josefstadt überwies. Rechtlich führte es aus, dass die Begehren, soweit sie sich auf Zeiträume bezögen, in denen der Beklagte noch Miteigentümer der Liegenschaft gewesen sei, gemäß § 838a ABGB dem Außerstreitverfahren zuzuordnen seien. Auch der Fruchtgenussberechtigte sei vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung umfasst. Ein die gemeinsame Liegenschaft verwaltender Fruchtgenussberechtigter vertrete bei Streitigkeiten über seine Verwaltungstätigkeit in aller Regel über die bloße Verwalterstellung hinausgehende, in seiner Rechtsstellung wurzelnde Eigeninteressen, die mit der Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache im Zusammenhang stünden, sodass „auch hier die Anwendung einer unterschiedlichen Verfahrensart als bei Ansprüchen gegen einen bloßen Extraneus gerechtfertigt“ sei. Damit werde auch vermieden, dass die geltend gemachten Herausgabe‑ und Rechnungslegungsansprüche nach Zeiträumen getrennt in zwei verschiedenen Verfahren geltend gemacht werden müssten, was nicht nur unökonomisch erscheine, sondern insbesondere dadurch nicht gerechtfertigt wäre, dass sich die jeweiligen Nutzungs‑ und Verwaltungsbefugnisse der Streitteile durch die Weitergabe ihrer Miteigentumsanteile an ihre Kinder aufgrund der Fruchtgenussrechte nicht geändert hätten. Ausgehend vom Vorbringen der Kläger seien weder Bereicherungs‑ noch Schadenersatzansprüche streitgegenständlich. Ihre aus einer allfälligen Überzahlung von Verwalterhonoraren resultierenden Ansprüche wären allenfalls mit einem gesonderten Leistungsbegehren geltend zu machen, soweit sie nicht ohnedies vom Rechnungslegungsanspruch umfasst seien, der aber in seiner Gesamtheit im Außerstreitverfahren geltend zu machen sei. Damit könne letztlich offen bleiben, ob derartige Bereicherungsansprüche auf den Rechtsweg gehörten, oder ‑ weil sie aus einer Gebrauchs‑ oder Verwaltungshandlung herrührten ‑ gleichfalls § 838a ABGB unterfielen. Da die Liegenschaft im Sprengel des Bezirksgerichts Josefstadt liege, sei gemäß § 117 JN dieses Gericht zur Führung des überwiesenen Verfahrens örtlich zuständig.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil gesicherte Rechtsprechung zur Frage, ob Fruchtgenussberechtigte als Teilhaber im Sinn des § 838a ABGB oder als Dritte zu qualifizieren seien, fehle.
Gegen die Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die gesetzmäßige Fortsetzung des streitigen Verfahrens aufzutragen.
Der Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts ‑ hinsichtlich der Bestätigung der Spruchpunkte 1. bis 3. des erstinstanzlichen Beschlusses jedenfalls unzulässig und hinsichtlich der Überweisung gemäß § 44 JN an das örtlich zuständige Bezirksgericht mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1.1. Die Wahl der Verfahrensart durch die verfahrenseinleitende Partei (hier: des streitigen Verfahrens) bestimmt die anzuwendenden Rechtsmittelvorschriften (RIS‑Justiz RS0046238 [T2]; RIS‑Justiz RS0046245 [T4]). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen die Bestätigung des Beschlusses nach § 40a JN über die Überweisung in das außerstreitige Verfahren ist nach § 528 ZPO zu beurteilen.
1.2. Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls, also ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO, unzulässig, wenn der erstinstanzliche Beschluss zur Gänze bestätigt wurde, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist.
1.3. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung beantwortet die Frage unterschiedlich, ob die Überweisung einer Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren (§ 40a JN) der Zurückweisung der Klage nach § 528 Abs 2 Z 2 letzter Halbsatz ZPO gleichzuhalten ist. In der Vergangenheit wurde diese Frage in der Mehrzahl der Entscheidungen bejaht (RIS‑Justiz RS0103854; RS0106813; ebenso Zechner in Fasching/Konecny 2 § 519 ZPO Rz 80 und 82; Mayr in Rechberger 4 § 40a JN Rz 6; Ballon in Fasching 2 § 40a JN Rz 13). Die jüngere Rechtsprechung nimmt dagegen eine Gleichstellung der Überweisung nach § 40a JN mit der Zurückweisung einer Klage nur dann vor, wenn mit der Überweisung der Rechtssache eine Änderung der anzuwendenden materiellen Bestimmungen verbunden ist (RIS‑Justiz RS0044538 [T4]; RS0103854 [T3]; RS0106813 [T4, T5]), etwa bei einer Überweisung einer Streitsache in das nacheheliche Aufteilungsverfahren (2 Ob 187/11f; RIS‑Justiz RS0103854 [T4]; RS0106813 [T5]; so auch E. Kodek in Rechberger 4 § 528 ZPO Rz 21; Horn in Fasching/Konecny 3 § 40a JN Rz 17). Der 5. Senat ist ‑ implizit in Abkehr von seiner früheren Rechtsansicht, dass eine bestätigende „Überweisungsentscheidung“ des Rekursgerichts unanfechtbar sei (RIS‑Justiz RS0044445; RS0044538) ‑ ebenfalls auf diese Linie eingeschwenkt (5 Ob 107/12i).
1.4. Der erkennende Senat folgt der Ansicht in der jüngeren Rechtsprechung, mit der auch die Kläger argumentieren. Eine andere Qualifikation der materiell‑rechtlichen Anspruchsgrundlage, wie sie die zitierten Entscheidungen für die Ausnahme von der Unanfechtbarkeit bestätigender Beschlüsse verlangen, tritt hier durch die Behandlung der Begehren im Außerstreitverfahren nicht ein.
Besteht an einem Anteil einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft ein Fruchtgenussrecht, so besteht zwischen dem Fruchtnießer und dem Miteigentümer des durch ein Fruchtgenussrecht nicht belasteten Anteils eine Rechtsgemeinschaft hinsichtlich der Nutzungs‑ und Verwaltungsbefugnisse. Auf dieses Rechtsverhältnis haben die Vorschriften über die Eigentumsgemeinschaft entsprechend Anwendung zu finden. Aufgrund einer solchen Rechtsgemeinschaft, die lediglich die Nutzungs‑ und Verwaltungsbefugnisse umfasst, sind zur Ausübung der sich daraus ergebenden Rechte einerseits der Fruchtnießer, andererseits der Eigentümer des nicht belasteten Anteils entsprechend den Grundsätzen der Eigentumsgemeinschaft befugt, während der Eigentümer des mit dem Fruchtgenuss belasteten Anteils hievon ausgeschlossen bleibt (RIS‑Justiz RS0011819; RS0011873; zuletzt 6 Ob 127/15t = immolex 2015/94, 314 [ Pfiel ]; Sailer in KBB 4 § 825 ABGB Rz 6; Tanczos/Eliskases in Rummel , ABGB 4 § 825 Rz 9). Diese Grundsätze gelten auch für das Rechtsverhältnis der Fruchtgenussberechtigten des einen Miteigentumsanteils gegenüber dem Fruchtnießer des anderen Miteigentumsanteils.
Als verwaltender Miteigentümer war ‑ und auch als verwaltender Fruchtgenussberechtigter ist ‑ der Beklagte nach § 837 Satz 2 ABGB gegenüber den Klägern (Teilhaber im Sinn des § 830 Satz 1 ABGB) zur Rechnungslegung verpflichtet (RIS‑Justiz RS0013784; Sailer in KBB 4 § 830 ABGB Rz 2, § 837 ABGB Rz 2, jeweils mwN). Diese Rechnungslegungspflicht ergibt sich also unmittelbar aus dem Gesetz (4 Ob 75/12a). Gleiches gilt auch für den Anspruch auf Verteilung des Erlöses zwischen den Miteigentümern oder ‑ wie hier ‑ den Fruchtnießern verschiedener Miteigentumsanteile untereinander (§ 830 Satz 1 ABGB) sowie die Verteilung des Nutzens und des Aufwands unter ihnen (§ 839 ABGB). Unabhängig davon, ob die Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf Herausgabe von Verwaltungsunterlagen, auf Rechnungslegung und auf Leistung im streitigen oder außerstreitigen Verfahren verfolgen, gründen sich diese Ansprüche auf die das Handeln eines Verwalters determinierenden Bestimmungen des ABGB (zB § 1009 ABGB). Mit ihrer nicht konkretisierten Behauptung, sie könnten im streitigen Verfahren die Ansprüche auch auf „Bereicherungsrecht oder jede sonstige Rechtsgrundlage stützen“, zeigen sie nicht näher auf, dass sich die materielle Rechtsgrundlage durch die Behandlung der Begehren im Außerstreitverfahren ändern würde. Es bleibt daher insofern beim Rechtsmittelausschluss nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.
2. Zur getrennt zu sehenden Überweisung der Rechtssache gemäß § 44 iVm § 117 JN an das zuständige Bezirksgericht Josefstadt, insoweit änderte das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluss ab, enthält der Revisionsrekurs keine Darlegungen und zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO. Der Beklagte führt zur Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nichts aus, weshalb ihm die begehrten Kosten der Revisionsrekursbeantworung nicht zuzuerkennen sind (vgl 2 Ob 187/11f).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)