OGH 2Ob22/16y

OGH2Ob22/16y25.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** W*****, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagte Partei B***** A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Karl‑Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wegen 27.048 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. März 2014, GZ 4 R 31/14b‑67, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 27. Dezember 2013, GZ 7 Cg 140/09p‑63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00022.16Y.0225.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.725,84 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 287,64 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Der Kläger hatte vom beklagten Luftfahrtunternehmen mit Vertrag vom 1. Jänner 2008 einen gebrauchten Hubschrauber und ein gebrauchtes Ersatzrotorblatt gekauft. Im Vertrag sicherte der Verkäufer dem Kläger unter der Überschrift „Garantie“ zu, dass der Hubschrauber bei der Übergabe in einwandfreiem Zustand sei.

Bei der Übergabe des in einem Container verpackten Rotorblatts am 10. März 2008 fehlte ein von einer befugten Person ausgestelltes Formular der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA), das die „Lufttüchtigkeit“ eines Fluggeräte-Ersatzteils bestätigt und Voraussetzung für dessen Verwendung ist. Vorhanden war zwar eine „Logkarte“, aus der aber nur hervorging, dass das Rotorblatt zuletzt im März 2002 nach 2.970 Flugstunden ausgebaut worden war. Der Grund für den Ausbau war darin nicht angegeben, sodass daraus nicht auf den Zustand des Rotorblatts geschlossen werden konnte.

Der Kläger untersuchte das Rotorblatt nicht, sondern lieferte es in der ungeöffneten Verpackung Anfang September 2008 an ein anderes Unternehmen. Dort wurde beim Auspacken und Reinigen „sofort“ ein Riss entdeckt, der eine Montage an einem Hubschrauber ausschloss. Dabei handelt es sich um eine Verschleißerscheinung, die bei Rotorblättern öfter vorkommt. Transportschäden sind demgegenüber selten, da Rotorblätter in eigens dafür konstruierten Kisten oder Containern gut geschützt sind. Wenn die Verpackung unbeschädigt ist und alle erforderlichen Papiere (EASA-Formular und vollständig ausgefüllte „Logkarte“) vorhanden sind, ist es in der Branche daher nicht üblich, die Verpackung sofort zu öffnen.

Der Kläger kaufte um 27.048 EUR ein neues Rotorblatt und begehrt von der Beklagten den Ersatz dieses Betrages. Die Beklagte wendet unter anderem die Verletzung der Untersuchungs- und Anzeigeobliegenheit nach § 377 UGB ein.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, weil der Kläger jedenfalls wegen des Fehlens der erforderlichen Dokumente zu einer Untersuchung verpflichtet gewesen sei und sich die „Garantie“ nur auf den Hubschrauber, nicht aber auf das Rotorblatt bezogen habe.

Das Berufungsgericht ließ die vom Kläger erhobene Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass im Hinblick auf deren Ausführungen „nicht ausgeschlossen“ werden könne, dass die Beurteilung der Anzeigeobliegenheit nach § 377 UGB auf einer „unvertretbaren Auffassung“ beruhe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet dieser gesetzwidrigen Scheinbegründung (RIS‑Justiz RS0111729) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

1. Die Untersuchungsanforderungen nach § 377 UGB hängen wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Natur der Ware, den Branchengepflogenheiten, vom Gewicht möglicher Mangelfolgen und von Auffälligkeiten der Ware (RIS-Justiz RS0112467 [T1]; zuletzt etwa 4 Ob 167/11d und ‑ zu Art 38 UN-Kaufrecht8 Ob 43/12z). Im konkreten Fall steht fest, dass eine Überprüfung in der Branche nur unterbleibt, wenn alle erforderlichen Papiere vorhanden sind. Hier fehlte aber ein Zulassungsformular, und der „Logkarte“ war der Grund des ‑ zudem schon sechs Jahre zurückliegenden ‑ Ausbaus des Rotorblatts nicht zu entnehmen. Unter diesen ‑ objektiv Verdacht erregenden ‑ Umständen ist die Annahme der Vorinstanzen, dass „bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang“ (§ 377 Abs 1 UGB) ein Öffnen der Verpackung erforderlich gewesen wäre, jedenfalls vertretbar. Der Hinweis der Revision auf zusammen mit komplexen Geräten gelieferte Ersatzteile, die regelmäßig nicht gesondert untersucht würden, übersieht, dass es sich hier um einen gebrauchten Ersatzteil handelte, bei dem eine nach der Branchenübung erforderliche Dokumentation fehlte; damit unterscheidet sich der vorliegende Fall doch deutlich vom Erwerb eines „Kampfjets“ mit einem „Ersatzschleudersitz“. Soweit die Revision das Fehlen des EASA-Formulars als unerheblich abtut, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936; vgl auch RS0042776). Das gilt auch dann, wenn eine andere Auslegung ebenfalls vertretbar wäre (RIS‑Justiz RS0112106 [T3, T4]). Eine unvertretbare Auslegung der „Garantieklausel“ liegt hier schon aufgrund des Wortlauts des Vertrags ‑ der an anderer Stelle das Ersatzrotorblatt gesondert erwähnt ‑ nicht vor. Zudem übersieht die Revision, dass die Rügeobliegenheit nicht allein dadurch entfällt, dass im Vertrag eine bestimmte Eigenschaft der Sache zugesichert wurde (RIS‑Justiz RS0016965). Ein echter Garantievertrag (zur Abgrenzung RIS‑Justiz RS0017004, RS0016964), der einer Anwendung von § 377 UGB entgegenstünde (RIS-Justiz RS0017736), wurde durch die strittige Klausel keinesfalls begründet.

3. Ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

4. Aus diesen Gründen ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat, hat ihr der Kläger die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

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