OGH 4Ob173/15t

OGH4Ob173/15t27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Dr. E***** K*****, vertreten durch Mag. Jürgen M. Krauskopf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten S***** T*****, vertreten durch Dr. Christian Leskoschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen 550.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2015, GZ 11 R 83/15d‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00173.15T.0127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der „Nachtrag zur außerordentlichen Revision“ des Beklagten vom 8. 12. 2015 wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beklagte erhob als Vertreter seiner Mutter bei der Schiedsinstanz für Naturalrestitution Ansprüche auf Naturalrestitution einer arisierten Liegenschaft. Dabei verschwieg er bewusst die Existenz der Klägerin, seiner Tante, weil er nicht wollte, dass die Klägerin auch einen Anspruch stelle und der auf seine Mutter entfallende Anteil halbiert werde. Die Mutter des Beklagten veräußerte sodann den ihr in der Folge zuerkannten 1/12‑Anteil der Liegenschaft um 1.100.000 EUR. Hätte der Beklagte angegeben, dass die Klägerin als Schwester seiner Mutter ebenfalls anspruchsberechtigt sei, hätte die Schiedsinstanz mit der Klägerin Kontakt aufgenommen und sie auf die Möglichkeit einer Antragstellung hingewiesen. Die Klägerin hätte spätestens 2006 und somit noch fristgerecht einen Antrag auf Naturalrestitution der Liegenschaft gestellt und die Schiedsinstanz hätte ihre Anspruchsberechtigung festgestellt. Der Beklagte wurde wegen dieses Sachverhalts rechtskräftig wegen schweren Betrugs zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 550.000 EUR als Schadenersatz.

Die Vorinstanzen gaben der Klage ‑ im Wesentlichen gestützt auf § 1295 Abs 2 ABGB ‑ statt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

1.1. Der Revisionswerber macht geltend, das Berufungsgericht habe das Entschädigungsfondsgesetz (EF‑G) gebeugt. Dieses derogiere nämlich als lex specialis dem ABGB.

1.2. Dabei verkennt der Beklagte jedoch, dass Gegenstand der Klage nicht Ansprüche nach dem EF‑G sind, sondern Schadenersatzansprüche, für die ein Anspruch der Geschädigten nach dem EF‑G nur als Vorfrage zu prüfen ist. Auch haben beide Gesetze einen völlig unterschiedlichen Anwendungsbereich ( Faber , Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Zur Naturalrestitution nach dem Entschädigungsfondsgesetz, ZfV 2008/268, 151 [159]; vgl auch Rabl , Die Begünstigtenstellung nach dem Kunstrückgabegesetz, JBl 2010, 681 „Anknüpfung an das ABGB“ [683]).

2.1. Soweit der Beklagte ausführt, die laut Strafurteil geschädigte Bundesimmobiliengesellschaft habe gar keinen Schaden erlitten, der an die Klägerin abgetreten werden könne, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Klägerin unabhängig von der Abtretung auch eigene schadenersatzrechtliche Ansprüche geltend machte. Das Berufungsgericht hat ‑ wie schon das Erstgericht ‑ die Haftung des Beklagten für diese Schäden nach § 1295 Abs 2 ABGB bejaht.

2.2. Es genügt, dass bei sittenwidriger deliktischer Schädigung der Schaden vom bedingten Vorsatz umfasst ist (RIS‑Justiz RS0026603). Begründet der Ablauf eines Geschehens die Vermutung der Schädigungsabsicht, ist es Sache des Beklagten, einen gerechtfertigten Beweggrund für sein Verhalten zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0117937). Ob sittenwidrige Schädigung iSv § 1295 Abs 2 ABGB vorliegt, ist ebenso wie die Frage des Rechtsmissbrauchs (vgl RIS‑Justiz RS0110900) eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage.

2.3. Die Vorinstanzen haben das vom Beklagten gesetzte Verhalten (mehrfaches bewusstes Verschweigen der Existenz der Klägerin in der Absicht des Unterbleibens ihrer Antragstellung und dadurch Erwirkung eines höheren [doppelten] Zuspruchs an die von ihm vertretene Mutter) im Sinne der zitierten Rechtsprechung vertretbar als sittenwidrige Schädigung iSv § 1295 Abs 2 ABGB beurteilt, hat es doch der Beklagte nicht einmal unternommen, einen gerechtfertigten Beweggrund für sein Verhalten zu behaupten.

3.1. Dass die durch das EF‑G ermöglichte Restitution eine freiwillige Leistung ist, auf die kein Rechtsanspruch besteht (vgl 5 Ob 88/15z), ist im hier gegebenen Zusammenhang ohne Bedeutung, weil die Klägerin ‑ aufgrund der gleichen Voraussetzungen wie ihre (vom Beklagten vor der Schiedsinstanz vertretene) Schwester ‑ zumindest eine reelle Erwerbschance auf Restitution hatte, die vom Beklagten vorsätzlich zunichte gemacht wurde.

3.2. Wenn der Verdienst mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre, bedarf es keiner rechtlich gesicherten Erwerbsmöglichkeit. Dieser Verdienst ist wertungsmäßig einer rechtlich gesicherten Erwerbsmöglichkeit gleichzustellen und der Verdienstentgang positiver Schaden (RIS‑Justiz RS0081773). Der Verlust der Erwerbschance ist dann als positiver Schaden zu qualifizieren, wenn deren Realisierung nach den typischen Marktverhältnissen praktisch gewiss gewesen, der Gewinn „im Verkehr“ also schon als sicher angesehen worden wäre (RIS‑Justiz RS0111898 [T2]).

3.3. Der Umstand, dass die Schwester der Klägerin einen Zuspruch durch die Schiedsinstanz erlangt hat, legt es nahe, dass auch ein rechtzeitiger Antrag der Klägerin den selben Erfolg gebracht hätte. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen von einer mit an Sicherheit grenzenden reellen Erwerbschance der Klägerin ausgingen.

4. Zu der in der Revision bezweifelten Bindungswirkung des verurteilenden Straferkenntnisses ist auszuführen, dass sich der Verurteilte in keinem nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen darf, dass er die Tat wegen der er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen hat, unabhängig davon, ob der andere am Strafverfahren beteiligt war oder in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist (8 Ob 89/15v mwN).

Wenn der Beklagte ins Treffen führt, laut Straferkenntnis sei die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) geschädigt, und nicht die Klägerin, ist ihm entgegenzuhalten, dass das Strafurteil zwar im Spruch ausführte, dass zunächst die BIG geschädigt wurde, was aber nach dem vom Strafgericht angenommen Geschehensablauf den Folgeschaden der Klägerin nicht ausschließt. Die Schädigungsabsicht des Beklagten hinsichtlich der Klägerin ergibt sich im Übrigen aus den ‑ im Revisionsverfahren unbekämpfbaren -Feststellungen der Vorinstanzen, die auch auf eigener Beweiswürdigung unter anderem nach Einvernahme des Beklagten gründen.

Dem Beklagten ist es insgesamt nicht gelungen, Rechtsfragen in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen; seine außerordentliche Revision ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

5. Dem Rechtsmittel oder dessen Gegenschrift nachfolgende Eingaben der Streitteile sind im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (vgl RIS‑Justiz RS0041666) unzulässig. Der „Nachtrag zur außerordentlichen Revision“ des Beklagten ist aus diesem Grund zurückzuweisen.

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