OGH 7Ob156/15i

OGH7Ob156/15i27.1.2016

D er Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** V*****, vertreten durch Plankel  ∙  Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** SE, *****, vertreten durch Paar & Zwanzger, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Mai 2015, GZ 1 R 35/15s‑12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 1. Dezember 2014, GZ 18 C 530/14v‑8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00156.15I.0127.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haben einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB 2003) und die Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung (ERB 2005) zugrunde liegen.

Die ARB 2003 lauten auszugsweise:

Gemeinsame Bestimmungen

[...]

Artikel 7

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen [...]

1.5. aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen und aus dem Bereich des Handelsvertreterrechtes; […]

Besondere Bestimmungen

[...]

Artikel 23

Rechtsschutz in Arbeits- und Dienstrechtssachen

Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Berufs- und/oder Betriebsbereich.

1.  Wer ist in welcher Eigenschaft versichert? Versicherungsschutz haben

1.1.  im Berufsbereich

der Versicherungsnehmer und seine Angehörigen (Artikel 5.1) in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinne des § 51 ASGG für Versicherungsfälle, die mit der Berufsausübung unmittelbar zusammenhängen oder auf dem direkten Weg von und zur Arbeitsstätte eintreten;

1.2.  im Betriebsbereich

der Versicherungsnehmer in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber im Sinne des § 51 ASGG für Versicherungsfälle, die mit dem versicherten Betrieb oder der Tätigkeit für den Betrieb unmittelbar zusammenhängen oder auf dem direkten Weg von und zur Arbeitsstätte eintreten.

2.  Was ist versichert?

Der Versicherungsschutz umfasst

2.1. die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Verfahren vor Arbeitsgerichten

‑ zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder dessen Anbahnung; [...].“

Der Versicherungsschutz des Klägers umfasst den in Art 23.1.1. ARB 2003 geregelten Baustein „Rechtsschutz in Arbeits‑ und Dienstrechtssachen im Berufsbereich“.

Der Kläger war von 30. 4. 2006 bis 31. 3. 2012 ausschließlich bei der O***** GmbH (fortan nur mehr: GmbH) als Vermittler („Agent“) von Kapitalanlagen, Bauspar‑ und Versicherungsverträgen tätig. Dem Kläger war zwar eine Führungskraft übergeordnet, doch hatte auch er eine Leitungsfunktion hinsichtlich anderer Mitarbeiter der GmbH. Der Kläger erhielt von der GmbH Provisionen und ‑ für den Fall, dass ein ihm unterstehender Mitarbeiter einen Vertrag vermittelte ‑ Differenzprovisionen mit regelmäßiger Provisionsabrechnung. Die GmbH hatte dem Kläger ein Büro samt Büromaterial zur Verfügung gestellt, in dem er einen Großteil seiner Arbeitszeit verbrachte, die regelmäßig an die 40 bis 50 Stunden pro Woche betrug. Der Kläger konnte zwar selbstständig Termine mit Kunden und Mitarbeitern vereinbaren, doch wurden ihm von der GmbH bestimmte Zeiten vorgegeben, zu denen er sich in seinem Büro aufhalten musste. Dies galt für zweimal pro Woche abgehaltene Seminare, die Seminarnachbesprechungen sowie täglich ab 17:00 Uhr. Die Anwesenheit bei den Seminaren wurde von der GmbH mit Anwesenheitslisten kontrolliert. Verspätungen oder Abwesenheiten wurden mit einer Geldbuße von 10 EUR geahndet.

Der zwischen dem Kläger und der GmbH abgeschlossene Vertrag hatte auszugsweise folgenden ‑ unstrittigen ‑ Inhalt:

„I. PRÄAMBEL

(Die GmbH) ist eine Vermittlungsgesellschaft, die sich mit der Vermittlung von Kapitalanlagen, Bauspar- und Versicherungsverträgen befasst. Zur Durchführung ihrer Vermittlungsaufgaben bedient sich (die GmbH) einer eigenen Außendienstorganisation, deren Teil der Agent mit der Rechtswirksamkeit vorliegenden Vertrages wird.

Das (GmbH)-Vertriebssystem baut auf dem Leistungsprinzip auf. Je größer die Gesamtleistung, desto größer der Verdienst. Dies gilt auch für Leistung und Verdienst des Agenten.

Das Einkommen des Agenten ist unbegrenzt.

Grundlage des Systems ist die freie Gestaltung der unternehmerischen Tätigkeit des Agenten. Dieser ist selbstständiger Gewerbetreibender. Als solcher wird der Agent sämtliche, ihn betreffenden Steuern, öffentlichen Abgaben und Gebühren aus seiner Tätigkeit selbst tragen und abführen sowie die notwendigen Erklärungen gegenüber den entsprechenden Behörden abgeben. Der Agent trägt als freier Unternehmer für seine Tätigkeit auch das volle Risiko und ist daher vor Beginn seiner Tätigkeit zur Schaffung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen, insbesonders der Gewerbeberechtigung für seine selbstständige Tätigkeit, sowie der Anschaffung der entsprechenden Betriebsmittel, allein verantwortlich.

II. TÄTIGKEIT DES AGENTEN

Die Tätigkeit des Agenten besteht in der Vermittlung bestandsfähiger Sparformen, insbesondere Versicherungsverträgen, auf der Basis der ihm jeweils übergebenen Unterlagen gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages, sowie in der Bestandspflege.

Der Agent hat das Recht, ein Team aufzubauen, wobei aber Voraussetzung ist, dass sämtliche Mitglieder des Teams in aufrechtem Vertragsverhältnis zur (GmbH) stehen.

Der Umfang seiner Vergütungsansprüche für seine Tätigkeit richtet sich nach der jeweils gültigen Provisionsordnung sowie der jeweils gültigen Provisionsliste.

VI. VEREINBARTE ABRECHNUNGS-MODALITÄTEN - PROVISIONSORDNUNG

Vorbemerkung:

In diesem Vertragspunkt sind die wechselseitigen Ansprüche zwischen dem Agenten, der (GmbH) sowie dem Agenten und den Partnergesellschaften aus Provisionen oder sonstigen, der Tätigkeit des Agenten entspringenden Vergütungen, wie beispielsweise auch Provisionsrückzahlungs-und Darlehensrückzahlungsansprüche geregelt.

Zur Vereinfachung der Abrechnung sowie der Auszahlungen und um dem Agenten einen möglichst klaren Überblick über seine jeweiligen, aktuellen Einkommensverhältnisse zu verschaffen, wird vereinbart, dass (die GmbH) sämtliche Provisionskonten zusammenführt, über welche sodann alle wechselseitigen Ansprüche, wie vorstehend erwähnt, einheitlich abgerechnet werden. Durch diese Zusammenführung der Provisionskonten übernimmt die (GmbH) die Aufgabe als Verrechnungsstelle, nämlich im Namen und auf Rechnung der Partnerunternehmen Provisionen und sonstige Gutschriften sowie auch Belastungen der Partnergesellschaften abzutreten und zu verrechnen.

c) Provisionsansprüche des Agenten

Vergütungsansprüche des Agenten werden in der jeweils gültigen Provisionsliste laut Anlage festgelegt. Die Bewertung der Provisionsansprüche erfolgt in Einheiten.

i) Provisionsabrechnung

Aus der Provisionsabrechnung kann der Agent sämtliche maßgebliche Daten des vermittelten Geschäftes entnehmen.

l) Rückforderungsanspruch

1) Die Zahlung eines verbleibenden Guthabens durch (die GmbH) an den Agenten erfolgt unter, dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass die gemeldeten Salden des Agenten nicht oder nicht in dieser Höhe bestehen.

... .“

Der Kläger strebt von der GmbH im Wege einer Stufenklage die Auszahlung von vermeintlich zu Unrecht rückverrechneten Leitungsvergütungen an, mit denen der Kläger wegen stornierter Verträge der ihm „zustrukturierten“ Mitarbeiter belastet worden sei. Die Leitungsvergütung errechne sich ‑ nach dem Klagsvorbringen ‑ entsprechend der Höhe des Umsatzes der dem Kläger untergeordneten Mitarbeiter sowie weiteren, dem Kläger nicht bekannten Parametern.

Den für diese Stufenklage begehrten Deckungsschutz lehnte die Beklagte ab.

Der Kläger begehrte nunmehr die Feststellung, dass ihm die Beklagte für die Erhebung der Stufenklage gegen die GmbH Kostendeckung zu gewähren habe. Er sei Agent und daher als arbeitnehmerähnlich einzustufen, weshalb die beabsichtigte Prozessführung dem versicherten Berufsbereich (Art 23.1.1. ARB 2003) und nicht dem Betriebsbereich zuzuordnen sei. Der Risikoausschluss des Art 7.1.5. ARB 2003 komme nicht zum Tragen, weil der Kläger wegen wirtschaftlicher Unselbstständigkeit weder Handelsvertreter noch Angestellter gewesen sei. Vielmehr habe ein freies Vertreterverhältnis sui generis vorgelegen, auf welches Teile des HVertrG bloß analog anzuwenden seien.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die beabsichtigte Prozessführung sei dem allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz im Betriebsbereich (Art 22 ARB 2003) zuzuordnen, der zwischen den Streitteilen nicht vereinbart sei. Die vom Kläger beabsichtigte Geltendmachung von Rechnungslegungsansprüchen falle unter den, für den Bereich des Handelsvertreterrechts vereinbarten Risikoausschluss (Art 7.1.5. ARB 2003). Außerdem sei die beabsichtigte Prozessführung wegen bereits bestehender Möglichkeit einer Leistungsklage aussichtslos.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren ‑ auf der Grundlage des eingangs zusammengefassten Sachverhalts ‑ statt. Rechtlich war es im Wesentlichen der Ansicht, dass Art 23 ARB 2003 auf § 51 ASGG verweise. Der Kläger genieße daher auch als arbeitnehmerähnliche Person Versicherungsschutz. Der Risikoausschluss in Art 7.1.5. ARB 2003 sei unklar formuliert und greife daher nicht. An die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Prozessführung sei kein strenger Maßstab anzulegen.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und wies das Klagebegehren ab. Es war der Rechtsansicht, dass die Tätigkeit als arbeitnehmerähnlicher Handelsvertreter von Art 23 ARB 2003 erfasst sei. Da Allgemeine Versicherungsbedingungen nach dem Verständnis des angesprochenen Adressatenkreises unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen seien und Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gingen, unterstelle der Verweis auf § 51 ASGG alle dort genannten, somit auch die arbeitnehmerähnlichen Personen, dem Rechtsschutz in Arbeits- und Dienstrechtssachen nach Art 23 ARB 2003.

Der Zweck der Risikoausschlüsse der gesetzlichen Vertreter und der Handelsvertreter nach Art 7.1.5. ARB 2003 bestehe darin, die häufig sehr hohen und damit kaum kalkulierbaren Kosten derartiger Verfahren auszuschließen. Es sollten damit Rechtsstreite über Provisionen und Beendigungsansprüche von Handelsvertretern unabhängig davon ausgeschlossen sein, ob diese als arbeitnehmerähnliche Personen tätig würden. Art 7.1.5. ARB 2003 sei entgegen der Ansicht des Erstgerichts auch nicht unklar formuliert, weshalb infolge Geltung dieses Risikoausschlusses der Berufung der Beklagten stattzugeben und das Klagebegehren abzuweisen gewesen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendung von Art 7.1.5. ARB 2003 auf arbeitnehmerähnliche Handelsvertreter vor und dieser Frage komme wegen der Häufigkeit von Rechtsstreiten aus Agentenverträgen von Wertpapier- und Finanzdienstleistungsunternehmen über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung. Hilfsweise stellt der Kläger auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seiner Revision zusammengefasst geltend, dass ihn die Vorinstanzen ‑ zutreffend und von der Beklagten nicht mehr bestritten ‑ betreffend seine Tätigkeit bei der GmbH als arbeitnehmerähnliche Person eingestuft hätten, weshalb der von ihm angestrebte Rechtsschutz jenem in Arbeits- und Dienstrechtssachen (Art 23.1.1. ARB 2003) zu unterstellen sei. Es sei daher nur mehr die Frage zu klären, ob ungeachtet der arbeitnehmerähnlichen Stellung des Klägers der Risikoausschluss des Handelsvertreterrechts (Art 7.1.5. ARB 2003) zum Tragen komme. Dies sei zu verneinen, weil der Kläger als „freier Handelsvertreter“ zwar kein Arbeitnehmer, wirtschaftlich aber von bloß einem Auftraggeber abhängig und damit arbeitnehmerähnlich sei. Der Kläger mache gegenüber der GmbH auch keine Ansprüche nach dem HVertrG geltend und selbst wenn er sich auf eine analoge Anwendung einzelner Bestimmungen des HVertrG stütze, begründe dies nicht den Risikoausschluss des Art 7.1.5. ARB 2003.

Der Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1.1.  Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen auszulegen. Versicherungsbedingungen sind aus ihrem Zusammenhang heraus zu verstehen und, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS‑Justiz RS0008901; 7 Ob 69/13t mwN). Die Auslegung hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS‑Justiz RS0050063). Allenfalls bestehende Unklarheiten gehen gemäß § 915 ABGB zu Lasten des Versicherers (RIS‑Justiz RS0008901 [insb T10, T11, T12]).

1.2.  Der Kläger hat nach Art 23.1.1. ARB 2003 Versicherungsschutz im Berufsbereich und zwar „ in (seiner) Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinne des § 51 ASGG für Versicherungsfälle, die mit der Berufsausübung unmittelbar zusammenhängen “. § 51 ASGG enthält für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbegriff. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind nach § 51 Abs 1 ASGG alle Personen, die zueinander in einem privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis, in einem Lehr- oder sonstigen Ausbildungsverhältnis stehen oder gestanden sind. Den Arbeitnehmern stehen nach § 51 Abs 3 Z 2 ASGG Personen gleich, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. Da Art 23.1.1. ARB 2003 den Versicherungsschutz generell auf „Arbeitnehmer“ im Sinn des § 51 ASGG, nicht etwa nur auf solche nach § 51 Abs 1 ASGG erstreckt und die in § 51 Abs 3 ASGG genannten Personen dort ausdrücklich den Arbeitnehmern gleichgestellt werden, umfasst der Versicherungsschutz nach Art 23.1.1. ARB 2003 grundsätzlich auch arbeitnehmerähnliche Personen im Sinn des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG. Diese bereits von den Vorinstanzen zutreffend vertretene Rechtsansicht entspricht dem Wortlaut der maßgeblichen personalen Risikoumschreibung des Art 23.1.1. ARB 2003 sowie dem Verständnis des angesprochenen Adressatenkreises.

2.1.  Nach Art 7.1.5. ARB, der zu den als „gemeinsam“ bezeichneten Bestimmungen gehört, besteht kein Versicherungsschutz „ für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen […] aus dem Bereich des Handelsvertreterrechtes “. Art 7.1.5. ARB enthält einen Risikoausschluss (vgl 7 Ob 191/14k  = ZFR 2015/114). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als dies ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RIS‑Justiz RS0107031 [T1]). Die Auslegung von allgemeinen Versicherungsbedingungen hat sich ‑ auch insoweit ‑ am Verständnis eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu orientieren; risikoeinschränkende Klauseln besitzen in dem Maß keine Vertragskraft, als deren Verständnis von einem Versicherungsnehmer ohne juristische Vorbildung nicht erwartet werden kann (RIS‑Justiz RS0112256).

2.2.  Art 7.1.5. ARB beschreibt den Risikoausschluss nach seinem klaren Wortlaut nicht unmittelbar personenbezogen nach der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers. Er differenziert insbesondere nicht danach, ob der Versicherungsnehmer als selbstständiger oder als arbeitnehmerähnlicher freier Handelsvertreter zu qualifizieren ist (vgl dazu etwa 9 ObA 320/90 = SZ 64/7 = RdW 1991, 212; zum „freien Vertreter“ vgl RIS‑Justiz RS0028916), sondern schließt den Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts aus.

2.3.  Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass Risikoausschlüsse häufig bezwecken, ein für den Versicherer nicht überschaubares und nicht berechenbares Risiko auszuklammern, das eine vernünftige wirtschaftliche Beitragskalkulation erschweren oder gar unmöglich machen und dem Bestreben zuwiderlaufen würde, Beiträge möglichst niedrig und damit für die Masse der in Betracht kommenden Versicherungskunden akzeptabel zu gestalten ( Maier in Harbauer , Rechtsschutzversicherung 7 , § 4 ARB 75 Rn 1). Es liegt unter diesem Gesichtspunkt nahe, den Zweck des hier zu beurteilenden Risikoausschlusses darin zu sehen, davon erfasste Verfahren, die häufig mit hohen und kaum kalkulierbaren Kosten verbunden sind, vom Versicherungsschutz auszunehmen (vgl Böhme , Allgemeine Bedingungen der Rechtsschutzversicherung 12 , § 4 Vor Rn 18).

2.4.  Wortlaut und wirtschaftlicher Sinn des zu beurteilenden Risikoausschlusses gebieten ein Verständnis, das nicht an der von den Beteiligten gewählten Bezeichnung, sondern an der vereinbarungsgemäß und tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Versicherungsnehmers ( Böhme , Allgemeine Bedingungen der Rechtsschutzversicherung 12 , § 4 Rn 18 [zum wortgleichen Ausschluss nach der deutschen Musterklausel des § 4 Abs 1 lit f ARB 75]) und der Qualität der von ihm verfolgten Ansprüche anknüpft.

2.5.  Der Kläger war nach der inhaltlich unstrittigen Vertragsgestaltung Teil eines Strukturvertriebs und konnte bei der GmbH selbstständig Termine mit Kunden und Mitarbeitern vereinbaren, während die Einhaltung bestimmter Bürozeiten nur in sehr eingeschränktem Umfang vorgesehen war. Der Kläger war bei der GmbH als Vermittler von Kapitalanlagen, Bauspar- und Versicherungsverträgen tätig. Diese Tätigkeit ist jedenfalls der Art nach dem § 1 Abs 1 HVertrG zu unterstellen (vgl § 26a HVertrG; 8 ObA 65/06a; RIS‑Justiz RS0121659; Nocker , HVertrG 2 § 1 Rz 90).

2.6.  Qualitativ verfolgt der Kläger gegenüber der GmbH ‑ seinem eigenen Vorbringen nach ‑ gerade für den Handelsvertreterbereich typische Provisionsansprüche. Er strebt von der GmbH im Wege einer Stufenklage die Klärung und Auszahlung von vermeintlich zu Unrecht rückverrechneten Leitungsvergütungen an, mit denen er wegen stornierter Verträge der ihm zustrukturierten Mitarbeiter belastet worden sei. Die Leitungsvergütung errechne sich ‑ nach dem Klagsvorbringen ‑ entsprechend der Höhe des Umsatzes der dem Kläger untergeordneten Mitarbeiter sowie weiteren, dem Kläger nicht bekannten Parameter. Die Zulässigkeit einer solchen Stufenklage gründet sich insbesondere darauf, dass dem Berechtigten die Berechnung seiner Provisionsansprüche ‑ im Unterschied zu zeitlich determinierten Entgeltansprüchen ‑ nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich wäre (vgl RIS‑Justiz RS0035140 [insb T1]).

2.7.  Im Ergebnis sprechen somit alle aufgezeigten Aspekte dafür, dass die vom Kläger gegen die GmbH angestrebte Rechtsverfolgung als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts im Sinn des allgemeinen Risikoausschlusses nach Art 7.1.5. ARB 2003 zu qualifizieren ist und daher ‑ wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt ‑ keine Deckungspflicht der Beklagten besteht.

3.  Zusammengefasst folgt:

3.1.  Der Kläger hat nach Art 23.1.1. ARB 2003 Versicherungsschutz „in (seiner) Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinne des § 51 ASGG für Versicherungsfälle, die mit der Berufsausübung unmittelbar zusammenhängen“. Da diese personale Risikoumschreibung generell „Arbeitnehmer“ im Sinn des § 51 ASGG einschließt, erstreckt sich der Versicherungsschutz nach Art 23.1.1. ARB 2003 auch auf arbeitnehmerähnliche Personen im Sinn des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG.

3.2.  Der Risikoausschluss nach Art 7.1.5. ARB für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts ist anhand der faktisch ausgeübten Tätigkeit des Versicherungsnehmers und der Qualität der von ihm verfolgten Ansprüche zu beurteilen. Eine arbeitnehmerähnliche Person, die im Rahmen eines Strukturvertriebs Kapitalanlagen, Bauspar- und Versicherungsverträge vertreibt, ihre Tätigkeit dabei weitgehend selbst bestimmt und gegen den Unternehmer mit einer Stufenklage die Klärung und Auszahlung von rückverrechneten Leitungsvergütungen anstrebt, mit denen sie wegen stornierter Verträge der ihr zustrukturierten Mitarbeiter belastet wurde, nimmt rechtliche Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts wahr. Diese Rechtsverfolgung unterliegt ‑ im Gegensatz zur Verfolgung sonstiger Ansprüche ‑ dem Risikoausschluss nach Art 7.1.5. ARB. Das Berufungsgericht hat daher die Deckungsklage des Versicherungsnehmers mit Recht abgewiesen, weshalb der dagegen erhobenen Revision ein Erfolg zu versagen war.

3.3.  Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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