OGH 7Ob69/13t

OGH7Ob69/13t23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** C*****, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Kolarz & Augustin in Stockerau, gegen die beklagte Partei W***** Versicherungs‑AG, *****, vertreten durch Mag. Michael Warzecha, Rechtsanwalt in Wien, wegen 26.459,56 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2013, GZ 5 R 226/12k‑11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 28. August 2012, GZ 4 Cg 103/12f‑7, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger schloss für seine näher genannte Liegenschaft mit der Beklagten eine Eigenheimversicherung samt Katastrophenschutz ab. Vereinbart wurden die Allgemeinen Bedingungen für die Eigenheimversicherung (ABE). Art 13 ABE lautet ‑ sowohl in der Fassung 2008 als auch 2010 ‑ auszugsweise:

Artikel 13 ‑ Versicherte Sachen

1. Versichert sind im Rahmen der vereinbarten Höchsthaftungssumme (Artikel 16) das beantragte Gebäude inkl. aller Baubestandteile und Zubehör auf dem in der Versicherungsurkunde bezeichneten Grundstück (Risikoadresse).

Als Zubehör gelten insbesonders:

‑ Blitzschutzanlagen;

‑ Elektro‑, Gas‑, und Wasserinstallationen samt Zubehör, jedoch ohne angeschlossene Einrichtungen und Verbrauchsgeräte;

‑ Sanitäranlagen, das sind Klosetts, Bade‑ und Wascheinrichtungen;

‑ Heizungs‑, Warmwasserbereitungs‑, Lüftungs‑ und Klimaanlagen;

‑ Aufzüge;

‑ fest eingebaute Trennungswände, Zwischendecken, Wand‑ und Deckenverkleidungen, nicht jedoch Einbaumöbel;

‑ gemauerte Öfen;

‑ Markisen, Jalousien und Rollläden samt Betätigungselementen;

‑ Balkonverkleidungen;

‑ Antennen und Solaranlagen (ABE 2010: auch Photovoltaikanlagen), die am Gebäude montiert sind;

‑ Torsprech‑ und Gegensprechanlagen, Torbetätigungsanlagen;

‑ Brandmelde‑ und Alarmanlagen;

‑ Elektrische Zuleitungen außerhalb der Gebäude auf dem Grundstück.

2. Zusätzlich zur Höchsthaftungssumme sind am Grundstück des Hauptgebäudes frei stehende Nebengebäude (exkl. Glas‑ und Gewächshäuser) bis 10 % der Höchsthaftungssumme mitversichert.

Nicht versichert sind Nebengebäude in nicht ordnungsgemäßem Bauzustand.

...

4. Mitversichert im Rahmen der Höchsthaftungssumme gelten unbewegliche Sachen auf dem Grundstück , z.B. Umzäunungen, Laternen, Antennen, Sonnenkollektoren, Hauswasserpumpen auf dem Grundstück, Terrassen, Stützmauern, Spielplatzanlagen und fix mit dem Boden verbundene Carports bis 10 % der Höchsthaftungssumme .

Ausgeschlossen bleiben Anpflanzungen und Kulturen.

Schwimmbecken samt Abdeckungen, technischem und sonstigem Zubehör sind nur bei Einschluss der Schwimmbeckenklausel mitversichert. Nicht versicherbar sind Schwimmbecken, die nicht überwiegend in der Erde versenkt sind, sowie Schwimmteiche.

...

Auf dem Grundstück des Klägers steht ein Einfamilienhaus. Im Gartenbereich der Liegenschaft befindet sich ‑ unstrittig unter der Erde ‑ ein alter Weinkeller, der durchgehend mit einem Ziegelgewölbe versehen ist. Zirka eine Woche vor dem 28. 5. 2011 gab es ein „Starkregenereignis“. An jenem Tag stürzte das Kellergewölbe im Gartenbereich, im Übergangsbereich zwischen der kleinen Eingangsröhre zum erweiterten Teil, auf ca 3 m² ein. Die Überdeckung samt den Ziegeln liegt nunmehr auf der Kellersohle. Der Kellerboden ist mit ca 40 cm hohem Feinschlamm bedeckt. Anlässlich des Starkregens hatte sich eine Wasserführung in der Überdeckung gebildet und eine Auswaschung erzeugt, die eine ungleiche Belastung auf das Gewölbe ergab und das Bauwerk „überforderte“. Eine derartige Auswaschung konnte vorher nicht erkannt werden. Durch das Einstürzen des Gewölbes wurden auch Teile der Wärmepumpenanlage mitgerissen und deformiert. Die Instandsetzung der Wärmepumpenanlage erfordert einen Aufwand von 2.126,76 EUR, für Gartengestaltungsarbeiten (Sicherung eines angrenzenden Baums) ist ein Betrag von 340 EUR erforderlich.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 26.459,56 EUR sA mit der Begründung, die Beklagte sei auf Grund des eingetretenen Versicherungsfalls zur Leistung verpflichtet. Die Wiederherstellungskosten beliefen sich auf 23.992,80 EUR, für die Reparatur der Wärmepumpe seien 2.126,76 EUR erforderlich. Dazu kämen 340 EUR für die Sicherung eines im Einsturzbereich befindlichen Baums. „Auf Grund des Schadensdatums“ seien nicht die ABE 2008 anzuwenden, sondern die ABE 2010. Der Weinkeller sei als freistehendes Nebengebäude zu qualifizieren, jedenfalls sei das Kellergewölbe einer unbeweglichen Sache auf dem Grundstück gleichzustellen. In diesen Versicherungsfällen sei eine Deckung bis zu 10 % der Höchsthaftungssumme gegeben, also bis zumindest 60.000 EUR.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, der Einsturz eines abseits des Wohnhauses befindlichen, mit diesem nicht verbundenen Kellergewölbes sei von Art 13 ABE 2008 nicht erfasst. Ein Weinkeller sei weder Zubehör, noch könne er unter ein freistehendes Nebengebäude subsumiert werden. Selbst wenn es sich beim Weinkeller um ein Nebengebäude handeln sollte, wäre auf Grund der vereinbarten Sonderbedingungen für den Katastrophenschutz die Haftung mit 4.000 EUR beschränkt.

Das Erstgericht sprach dem Kläger unbekämpft 2.466,76 EUR sA (Aufwand für Wärmepumpenanlage und Gartengestaltungsarbeiten) zu und wies das Mehrbegehren ab. Der Weinkeller auf dem Grundstück des Klägers sei kein Zubehör im Sinn des Art 13 (Z 1) ABE. Selbst wenn der Weinkeller ein Nebengebäude sei, sei er nicht freistehend. Ebenso wenig handle es sich bei ihm um eine unbewegliche Sache auf dem Grundstück. Eine Haftung der Beklagten für die Schäden am Weinkeller bestehe daher im Rahmen der Eigenheimversicherung nicht.

Das Berufungsgericht hob über Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil im Umfang der Klagsabweisung (23.992,80 EUR sA) auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Weinkeller sei kein Zubehör im Sinn des Art 13 (Z 1) ABE, was vom Kläger auch nicht releviert werde. Dem Sachverhalt könne nicht entnommen werden, ob der Weinkeller im Versicherungsantrag und in der Versicherungspolizze angeführt worden sei und ob die Beklagte bei Abschluss des Versicherungsvertrags Kenntnis von diesem gehabt habe. Scheine der Weinkeller in dieser Urkunde nicht auf, könne grundsätzlich von einer Versicherung des Weinkellers nicht ausgegangen werden. Der verständige Versicherungsnehmer könne nicht „ohne weiteres“ davon ausgehen, die Beklagte habe einen „(frei stehenden) unterirdischen“ Weinkeller, von dessen Vorhandensein üblicherweise nicht ausgegangen werden könne, einem im Freien befindlichen, frei stehenden Nebengebäude (Art 13 Z 2 ABE) gleichgehalten und ihn ohne Berücksichtigung bei der Berechnung der Höhe der zu leistenden Prämie im Sinn dieser Bestimmung versichern wollen. Ein unter der Erde befindlicher Weinkeller könne auch nicht den in Art 13 Z 4 ABE aufgezählten Sachen gleichgehalten werden. Dabei handle es sich um in der Erde verankerte, im Wesentlichen aber frei stehende, sichtbare Sachen, die regelmäßig auf Liegenschaften, auf denen ein Eigenheim errichtet worden sei, anzutreffen seien. Auf einen unterirdischen Weinkeller träfen diese Voraussetzungen nicht zu. Sollte aber der Weinkeller mit dem Wohngebäude des Klägers fest verbunden sein und gemeinsam mit anderen Gebäudebestandteilen eine technisch wirtschaftliche Einheit bilden, wozu Vorbringen fehle, wäre der Weinkeller als Gebäudebestandteil und damit als versicherte Sache gemäß Art 13 Z 1 ABE anzusehen.

Derzeit könne ein Teil der Haftungsgrundlagen der Beklagten noch nicht abschließend beurteilt werden. Im fortgesetzten Verfahren seien die Parteien anzuleiten, entsprechendes Vorbringen zum Aufscheinen des Weinkellers im Versicherungsantrag und in der Polizze, zu dessen Verbindung mit dem Eigenheim des Klägers und zur allfälligen Kenntnis der Beklagten von diesem zu erstatten. Zudem sei klarzustellen, ob aufgrund des Zeitpunkts des Abschlusses des Versicherungsvertrags die ABE 2008 oder 2010 anzuwenden seien. Sollte die Haftung der Beklagten zu bejahen sein, fehlten Feststellungen zur Beurteilung der Höhe des Klagebegehrens.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Weinkeller als versicherte Sache nach Art 13 Z 1 und 4 ABE angesehen werden könne.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben.

In der „Revisionsrekursbeantwortung“ (richtig: Rekursbeantwortung) beantragt die Beklagte, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Er ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Voranzustellen ist, dass das versicherte Objekt (das im Sinn des Art 13 Z 1 ABE „beantragte Gebäude“) nicht feststeht. Damit ist ungeklärt, ob der Weinkeller im Gartenbereich der Liegenschaft nicht ohnehin schon als Teil des „beantragten Gebäudes“ versichert ist. Soweit die Parteien im Rekursverfahren erstmals Vorbringen zum Versicherungsantrag und zur Versicherungspolizze erstatten, verstößt dies gegen das Neuerungsverbot und ist unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0042091).

2. Nach ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 f ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS‑Justiz RS0050063). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen. In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0008901 [T7]). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinn des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AGB, also des Versicherers gehen (RIS‑Justiz RS0050063 [T3]; 7 Ob 239/12s mwN).

3. In Art 13 Z 2 ABE wird festgelegt, dass frei stehende Nebengebäude (ausgenommen Glas‑ und Gewächshäuser) bis 10 % der Höchsthaftungssumme mitversichert sind. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zur inhaltsähnlichen Bestimmung des Art 12.1.2. ABE 2004 ausgesprochen, dass ein freistehendes, mit dem Hauptgebäude nicht verbundenes Häuschen, das als Pool‑ oder Badehäuschen errichtet wurde und zu Wohnzwecken dient, als solches Nebengebäude qualifiziert werden kann (7 Ob 66/12z).

Wie sich aus der Abgrenzung zu Art 13 Z 1 ABE ergibt, handelt es sich bei einem Nebengebäude nicht um das „beantragte Gebäude inklusive aller Baubestandteile und Zubehör“ (Hauptgebäude). Unter einem Nebengebäude wird ein unbewegliches, allseits umschlossenes, auf oder unter der Erdoberfläche errichtetes Bauwerk verstanden, das von Menschen betreten werden kann und dazu geeignet und bestimmt ist, Menschen oder Sachen gegen äußere Einflüsse zu schützen (vgl Prölss in Farny/Helten/Koch/Schmidt , Handwörterbuch der Versicherung [1988], 212; von Fürstenwerth/Weiß , Versicherungs‑Alphabet 10 [2001], 266). „Frei stehend“ ist das Nebengebäude, wenn es nicht mit dem Hauptgebäude ‑ dem „beantragten Gebäude“ ‑ verbunden ist. Dass auch solche Nebengebäude mitversichert sind, die sich unter dem Erdboden befinden, ergibt sich zumindest aus der Unklarheitenregelung des § 915 ABGB, ist doch für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer eine solche Einschränkung in den Versicherungsbedingungen nicht zu entnehmen.

Nach den Feststellungen befindet sich auf der Liegenschaft des Klägers („Risikoadresse“ im Sinn des Art 13 Z 1 ABE) ein Einfamilienhaus und im Gartenbereich ein unter der Erde errichteter alter Weinkeller. Dieser ist durchgehend von einem Ziegelgewölbe umschlossen. Sollte der unterirdische Weinkeller nicht schon als „beantragtes Gebäude“ im Sinn des Art 13 Z 1 ABE versichert sein, wozu Feststellungen fehlen, ist er jedenfalls als „frei stehendes Nebengebäude“ im Sinn des Art 13 Z 2 ABE zu qualifizieren. Der im Erdbereich des Gartens errichtete, fest umschlossene Weinkeller ist mit dem Einfamilienhaus nicht verbunden und erfüllt sämtliche (vorstehend genannten) Merkmale eines mitversicherten Nebengebäudes. Dass sich der Weinkeller in keinem ordnungsgemäßem Bauzustand befunden hätte, wird von der Beklagten nicht behauptet und ist nach den Feststellungen auch nicht der Fall.

4. Gemäß Art 13 Z 4 ABE gelten unbewegliche Sachen auf dem Grundstück wie beispielsweise Umzäunungen, Hauswasserpumpen, Terrassen, Stützmauern und fix mit dem Boden verbundene Carports etc bis 10 % der Höchsthaftungssumme als mitversichert.

Den in Art 13 Z 4 ABE beispielhaft aufgezählten Sachen ist gemeinsam, dass es sich um keine Gebäude handelt, sondern um sonstige unbewegliche Sachen. Dass Gebäude oder Nebengebäude von dieser Klausel nicht erfasst werden, ergibt sich auch aus der Abgrenzung zu Art 13 Z 1 und 2 ABE, in denen diese Bauwerke angeführt werden und danach (mit‑)versichert sind. Die von Art 13 Z 4 ABE mitversicherten unbeweglichen Sachen auf dem Grundstück sind solche, die sich innerhalb des Grundstücks ‑ der „Risikoadresse“ ‑ befinden. Durch den Ausdruck „auf dem Grundstück“ wird eine räumliche Abgrenzung vorgenommen.

Ein Weinkeller fällt als (Neben‑)Gebäude nicht unter diese Versicherungsbedingung.

5. Zusammenfassend ergibt sich, dass mangels Feststellungen zwar nicht beurteilt werden kann, ob der Weinkeller als versicherte Sache im Sinn des Art 13 Z 1 ABE anzusehen ist oder nicht. Jedenfalls ist er aber ‑ wie zu Punkt 3. ausgeführt ‑ als allseits umschlossenes, nicht mit dem Wohnhaus verbundenes Bauwerk als Nebengebäude im Sinn des Art 13 Z 2 ABE zu qualifizieren und damit mitversichert.

Die Beklagte hat den Einwand erhoben, dass auf Grund vereinbarter Sonderbedingungen für den Katastrophenschutz ihre Ersatzleistung für Nebengebäude bei Niederschlägen mit 4.000 EUR begrenzt sei. Zu diesem Einwand und zur Höhe des Klagebegehren fehlen Feststellungen. Da jedenfalls dazu das Verfahren noch ergänzungsbedürftig ist, hat es bei der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung im Umfang der Klagsabweisung und bei der Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zu verbleiben.

Dem Rekurs des Klägers ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Stichworte