Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 978,84 EUR (darin enthalten 162,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger schloss mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag, dem die „K*****‑Bedingungen für die Einbruchdiebstahl‑, Feuer‑, Leitungswasser‑ und Sturmversicherung (BEFLS)“, Fassung 1/2003 mit der Kennzeichnung F741, und die „Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS)“ Fassung 1/2008 mit der Kennzeichnung A97 zu Grunde lagen. Deren für das vorliegende Verfahren maßgebliche Bestimmungen lauten wie folgt:
„Artikel 4 BEFLS: Welche Sicherheits-maßnahmen sind zu treffen bzw wann tritt eine Gefahrenerhöhung ein?
1. Allgemeines
...
Bei Verletzung dieser und nachstehender Sicherheitsvorschriften kommen die in Art 2 und 3 ABS angeführten Rechtsfolgen zur Anwendung.
2. Einbruchdiebstahlversicherung
Werden die Versicherungsräumlichkeiten von allen Personen verlassen, sind sie zu versperren und die im Antrag angegebenen oder sonst vereinbarten Sicherungen vollständig zur Anwendung zu bringen ... .“
„Artikel 3 ABS ‑ Sicherheitsvorschriften
...
2. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat oder wenn zur Zeit des Versicherungsfalles trotz Ablaufes der Frist die Kündigung nicht erfolgt war.
3. Im Übrigen gilt § 6 VersVG. Ist mit der Verletzung einer Sicherheitsvorschrift eine Gefahrenerhöhung verbunden, finden auch die Bestimmungen über die Gefahrenerhöhung Anwendung.“
In der Nacht von 5. auf 6. Juni 2011 drangen unbekannte Täter in das von allen Personen verlassene Clubhaus des Klägers durch ein ebenerdig gelegenes Fenster ein. Zu diesem Fenster gelangt man über eine barrierefrei zugängliche Terrasse, die über einen Gehweg an der Gebäudefront erreicht werden kann.
Zum Öffnen des Fensters, das gekippt war, verwendeten die Täter eine dünne Schnur oder eine Drahtschlinge, die sie um den Innenriegel des Fensters legten. Nach Zuziehen des Fensters drehten sie damit den Innenhebel von der Kipp‑ in die Offenstellung.
Der Kläger begehrt die Zahlung von 15.322,94 EUR sA. Er berief sich auf einen Versicherungsfall im Sinn des Art 3 Z 1 BEFLS. Die Täter seien mit Werkzeugen, die für ein ordnungsgemäßes Öffnen nicht bestimmt seien, in die versicherten Räumen gelangt. Grobe Fahrlässigkeit liege nicht vor, weil das Fenster von außen, also von öffentlich zugänglichen Bereichen, nicht als solches zu erkennen gewesen sei. Auf Grund der Lage des Clubhauses ‑ weitab von bewohnten Objekten ‑ hätte die Tat auch durch gewaltsames Eindringen ‑ wie beispielsweise durch Einschlagen einer Fensterscheibe oder ähnlichem ‑ vollbracht werden können. Zudem sei das Fenster lediglich gekippt gewesen und nur 10 bis 15 cm weit offen gestanden, sodass die Täter nicht durch den Spalt selbst in die Räumlichkeiten eindringen hätten können.
Die Beklagte wandte ein, dass der Kläger grob fahrlässig gegen die ihn nach Art 4 BEFLS treffende Obliegenheit verstoßen habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dass die Versicherungsräumlichkeiten zu versperren seien, sei dahin auszulegen, dass auch die Fenster ordnungsgemäß zu verschließen seien. Ein gekipptes Fenster gelte nicht als ordnungsgemäß verschlossen, sodass der Kläger eine Obliegenheitsverletzung zu vertreten habe. Diese beruhe auf grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers. Durch das Belassen des Fensters in der Kippstellung sei es den Tätern leicht gemacht worden, in das Innere des Gebäudes zu gelangen. Der Kausalitätsgegenbeweis nach § 6 Abs 3 VersVG sei dem Kläger nicht gelungen.
Das Berufungsgericht schloss sich dieser Rechtsansicht an und bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Der klare Wortlaut des Art 4 Z 2 Abs 1 BEFLS könne nach dem zweifelsfrei erkennbaren Zweck der Bestimmung, die Räumlichkeiten gegen Einbruch möglichst dadurch zu sichern, dass ein unbefugtes Eindringen unmöglich gemacht oder zumindest erheblich erschwert werden solle, nur dahin ausgeleget werden, das das „Versperren der Versicherungsräumlichkeiten“ auch das ordnungsgemäße Verschließen von Fenstern beinhalte. Andernfalls würde der Zweck der Bestimmung völlig unterlaufen. Es könne nicht darauf ankommen, ob auch das Verschließen der Fenster ausdrücklich erwähnt werde, könnten doch geöffnete Fenster auch bei geschlossenen Türen keinen wie immer gearteten Schutz vor einem Einbruch bieten. Wäre nur auf das Versperren der Türen, nicht aber auf das Verschließen der Fenster abzustellen, würde erstere Maßnahmen geradezu ad absurdum geführt. Eine solche Absicht könne der Beklagten nicht unterstellt werden. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Auslegung des Art 4 Z 2 BEFLS keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertrags-auslegungsgrundsätzen (§§ 914 ff ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS‑Justiz RS0050063). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie ‑ wie hier ‑ nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen. In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0008901). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinn des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AGB, also des Versicherers gehen (RIS‑Justiz RS0050063).
Davon ausgehend ist die Auslegung des Art 4 BEFLS durch die Vorinstanzen zu billigen. Der Revisionswerber vermag seine gegenteilige Ansicht nicht stichhältig zu begründen. Da er lediglich an seinen diesbezüglich bereits in erster und zweiter Instanz gebrauchten, schon von den Vorinstanzen verworfenen Argumenten festhält, genügt es, auf deren zutreffende Ausführungen zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sowohl nach dem Wortlaut, als auch unter Bedacht auf den ‑ schon von den Vorinstanzen richtig erläuterten ‑ Sinn und Zweck der betreffenden Versicherungsbedingung kann kein Zweifel daran bestehen, dass unter dem „Versperren der Versicherungsräumlichkeiten“ nicht nur das Versperren der Türen, sondern auch das Verschließen der Fenster gemeint ist.
Frei von Rechtsirrtum ist auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass den Kläger an der Verletzung der ihn treffenden Obliegenheit grobes Verschulden trifft, wofür entgegen seiner Ansicht die getroffenen Feststellungen auch ausreichen.
Der Versicherer muss die objektive Verletzung der Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer, der Versicherungsnehmer mangelndes Verschulden (oder einen geringeren Schuldgrad als grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz) sowie mangelnde Kausalität beweisen (RIS‑Justiz RS0043728, RS0081313). Grobe Fahrlässigkeit ist im Bereich des Versicherungsvertragsrechts dann gegeben, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, wenn jedenfalls völlige Gleichgültigkeit gegen das vorliegt, was offenbar unter den gegebenen Umständen hätte geschehen müssen (RIS‑Justiz RS0030272, RS0080371).
Das Belassen eines Fensters in Kippstellung bei Verlassen der Räumlichkeiten stellt einen groben Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten dar, wenn das Fenster leicht erreichbar und zum Einsteigen in die Räumlichkeiten geeignet ist. Durch ein in Kippstellung befindliches Fenster wird in diesen Fällen die Gefahr eines Einbruchdiebstahls erheblich gesteigert, weil ein Fenster in dieser Stellung, sofern es nicht mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen versehen ist, einem Einbrecher weit weniger Widerstand bietet als ein geschlossenes Fenster. Diese Voraussetzungen lagen nach den Feststellungen vor. Der Einbruchdiebstahl wurde durch Belassen des Fensters in Kippstellung grob fahrlässig herbeigeführt (vgl OLG Hamm VersR 91/223; OLG Celle VersR 93/572, OLG Karlsruhe r+s 1998, 162). Auf ein einmaliges, nicht zu erklärendes Versehen berief sich der Kläger gar nicht.
Die Revision muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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