OGH 6Ob189/15k

OGH6Ob189/15k21.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. K***** Gesellschaft mbH, 2. J*****, beide *****, vertreten durch Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei und den Gegner der gefährdeten Partei H*****, vertreten durch Dr. Johannes Hübner und Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. August 2015, GZ 5 R 126/15h-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00189.15K.1221.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung der Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung des § 1330 ABGB ist ein hinreichender Bezug des Äußerungsinhalts zu einer bestimmten Person, dem Betroffenen (6 Ob 110/11m; RIS‑Justiz RS0031766). Es kommt darauf an, wie ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums die Äußerung auffasst und mit wem es den darin enthaltenen Vorwurf in Verbindung bringt (RIS‑Justiz RS0031757; RS0067196). Es handelt sich somit um eine Frage der Auslegung, die so sehr von den Umständen des Einzelfalls abhängt, dass ihr regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO (§ 502 Abs 1 ZPO) bildet (6 Ob 162/10g; RIS‑Justiz RS0031766 [T5]).

Eine Äußerung (Mitteilung) ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden wird (RIS‑Justiz RS0031883 [T7, T9]). Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang abhängt (RIS‑Justiz RS0115693). Ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0107768), es sei denn, es läge eine unvertretbare Beurteilung vor (RIS‑Justiz RS0107768 [T1]).

Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers ist das Rekursgericht nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der aktiven Klagslegitimation von juristischen Personen bei (angeblichen) Rufschädigungen ihrer Mitarbeiter und zur Frage der „Grundsätze der Ermittlung des Bedeutungsinhalts“ abgewichen.

Das Rekursgericht hat ‑ wie schon das Erstgericht ‑ die Betroffenheit des erstklagenden Medieninhabers aufgrund der Auslegung der festgestellten Äußerungen des Beklagten in ihrem Bezugszusammenhang nicht deshalb bejaht, weil sie von der Äußerung über den zweitklagenden Fotografen mitbetroffen gewesen wäre, sondern deshalb, weil der Beklagte ihr vorgeworfen habe, mit dem gestellten (inszenierten) Foto einen Artikel mit der unrichtigen Behauptung veröffentlicht zu haben, es habe sich um ein spontanes Ereignis gehandelt. Diese Beurteilung ist nach den festgestellten Gesamtumständen des Falls jedenfalls vertretbar.

Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die vom Beklagten gegen die Kläger erhobenen Vorwürfe ehrenbeleidigende Tatsachenbehauptungen im Sinn des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB sind, ist von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt, werden doch sowohl die soziale Wertschätzung als auch der wirtschaftliche Ruf des (den berichterstattenden Journalisten begleitenden) Pressefotografen und des Medieninhabers relevant beeinträchtigt, wenn ihnen manipulative Berichterstattung zur Last gelegt wird. Von dem Vorwurf einer bloß fehlerhaften Kommentierung eines Bildes im veröffentlichten Artikel ist das Rekursgericht aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts nicht ausgegangen.

Der Beklagte ist der Ansicht, für die „Wertschätzung des handelnden Fotografen“ sei es ohne Belang, ob sich das Foto „zufällig als Schnappschuss“ ergeben oder ob dieser die Fotosituation „inszeniert“ habe. Eine gekonnte „Inszenierung“ führe vielmehr tendenziell zu einem erhöhten Ansehen des Fotografen (gegenüber dem reinen „Schnappschießer“). Es sei für die Aussagekraft des vom Zweitkläger aufgenommenen Bildes völlig irrelevant, ob die ***** F***** „rein zufällig“ oder vom Fotografen bzw von Journalisten oder Demonstranten „inszeniert“ vor dem *****‑Plakat der F*****‑Bezirksgruppe L***** vorbeigegangen sei. Das Vorbeigehen sei „an sich“ kein Ereignis von historischem oder dokumentarischem Wert. Die Gesamtkonstellation vermittle vielmehr eine Stimmung bzw politische Aussage. Diese Ausführungen gehen nicht auf den Bezugszusammenhang der Äußerungen des Beklagten ein. Insbesondere vor dem Hintergrund der vertretbaren Auslegung der Äußerungen des Beklagten, das Foto sei „eingefädelt“ worden, und seiner Aussage, „so kann man mit Bildern Kinder missbrauchen“, vermögen die Rechtsmittelausführungen keine korrekturbedürftige Beurteilung des Rekursgerichts aufzuzeigen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 13 StGG, Art 10 EMRK) kann eine Herabsetzung durch unwahre Tatsachenbehauptungen nicht rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0032201 [T2]).

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