OGH 7Ob217/15k

OGH7Ob217/15k16.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W***** M*****, vertreten durch Dr. Roland Graschitz, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen Herausgabe, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2015, GZ 13 R 113/15f‑57, mit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 20. Mai 2015, GZ 4 Cg 120/14t‑53, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00217.15K.1216.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird, soweit sie sich gegen die Stattgebung des Herausgabebegehrens betreffend den Kompaktlader Bobcat Typ 573, Seriennummer 508693502, samt Zubehör richtet, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Im Übrigen, nämlich soweit sich die Revision gegen die Stattgebung des Herausgabebegehrens betreffend den Traktor Holder A760 Typ 521‑5, Baujahr 1996, richtet, werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung

Die Streitteile haben ‑ soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich ‑ am 3. 12. 2009 einen Leasingvertrag über einen Traktor Holder A760 Typ 521‑5, Baujahr 1996, und am 17. 2. 2010 einen Leasingvertrag über einen Kompaktlader Bobcat Typ 573, Seriennummer 508693502, Baujahr 1996 samt Zubehör abgeschlossen. Die Klägerin kündigte diese Leasingverträge wegen qualifizierten Verzugs des Beklagten bei Bezahlung der Leasingentgelte und begehrte die Herausgabe dieser Fahrzeuge.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Herausgabe des Traktors und des Kompaktladers.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten dagegen erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zur Begründung seines Bewertungsausspruchs führte das Berufungsgericht aus, dass es „keinen Anlass hatte, von der Bewertung der Herausgabebegehren in Ansehung des Traktors und des Kompaktladers [EUR 29.120,51 + EUR 31.624,78 = EUR 60.745,29] durch die klagende Partei abzugehen“.

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision des Beklagten ist teils mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig, teils fehlt dem Obersten Gerichtshof die funktionelle Zuständigkeit zur Behandlung des Rechtsmittels.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Bewertungsausspruch:

1. Das Berufungsgericht hat bei seinen Bewertungsaussprüchen nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO ua § 55 Abs 1 bis 3 JN sinngemäß anzuwenden. Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche sind gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN dann zusammenzurechnen, wenn sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS‑Justiz RS0037648, RS0037905). Dementsprechend findet eine Zusammenrechnung von Ansprüchen aus verschiedenen, wenn auch gleichartigen Verträgen bzw aus mehreren Aufträgen über gleichartige Lieferungen oder Leistungen nicht statt, und zwar auch dann nicht, wenn zwischen den Parteien eine ständige Geschäftsverbindung besteht (RIS‑Justiz RS0037926 [T3, T7 und T14]).

2. Nach den zuvor dargestellten Grundsätzen waren bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht die aus zwei Verträgen resultierenden Herausgabebegehren richtigerweise nicht zusammen-zurechnen. Dies ist hier ausnahmsweise deshalb unschädlich, weil das Berufungsgericht bei der Begründung seines Bewertungsausspruchs genau angegeben hat, wie es die beiden Herausgabebegehren im Einzelnen bewertet. Damit ergibt sich für den Kompaktlader ein Betrag von 31.624,78 EUR und für den Traktor ein Betrag von 29.120,51 EUR. Daraus folgt, dass die funktionelle Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Behandlung des Rechtsmittels nur insoweit vorliegt, als die Revision die Stattgebung des Herausgabebegehrens betreffend den Kompaktlader zum Gegenstand hat.

II. Zum Herausgabebegehren betreffend den Kompaktlader:

1. Hat das Berufungsgericht ‑ wie hier ‑ die Frage einer allfälligen im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit geprüft und eine solche verneint, so kann diese Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr wahrgenommen werden (RIS‑Justiz RS0042981; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 Rz 49 mwN; E. Kodek in Rechberger, ZPO 4 § 503 Rz 2 mwN).

2. Ein angeblicher Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der in der Berufung geltend gemacht, vom Gericht zweiter Instanz aber verneint wurde, kann im Revisionsverfahren nicht mehr erfolgreich gerügt werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T45]; RS0043405 [T25]; RS0106371, RS0044193).

3. In seiner Rechtsrüge geht der Beklagte nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, weil Leasingentgelte nicht bloß angeblich offen geblieben sind. Vielmehr hat das Erstgericht detailliert festgestellt, welche Leasingentgelte hinsichtlich welchen Vertrags teilweise bzw vollständig unberichtigt geblieben sind und dass der Beklagte diese trotz Mahnung und Nachfristsetzung nicht beglichen hat.

4. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich somit hinsichtlich der Stattgebung des Herausgabebegehrens betreffend den Kompaktlader nicht. Die Revision ist daher in diesem Umfang mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

III. Zum Herausgabebegehren betreffend den Traktor:

1. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO ‑ abgesehen von den hier nicht vorliegenden Fällen des § 502 Abs 5 ZPO ‑ eine Revision nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

2. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mit Abänderungsantrag angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat das Erstgericht diese ‑ auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist ‑ dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind (RIS‑Justiz RS0109623). Solange eine Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht nicht erfolgt, mangelt es dem Obersten Gerichtshof an der funktionellen Zuständigkeit (7 Ob 18/11i; 7 Ob 197/12i). Die Akten sind daher, soweit sich die Revision gegen die Stattgebung des Herausgabebegehrens betreffend den Traktor richtet, dem Erstgericht zurückzustellen.

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