OGH 3Ob229/15w

OGH3Ob229/15w16.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Mag. Constantin Koch, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei Ing. O*****, vertreten durch Dr. Christoph Brenner ‑ Mag. Severin Perschl Rechtsanwälte OG in Krems, wegen 61.205,55 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 6.613,30 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. September 2015, GZ 3 R 39/15z‑31, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 24. April 2015, GZ 27 Cg 15/13i‑21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00229.15W.1216.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (hierin enthalten 93,19 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Streitteile waren verheiratet. Vor der Scheidung ihrer Ehe im Jahr 2003 nahmen sie gemeinsam ein dem Erwerb einer in der Folge als Ehewohnung genutzten Liegenschaft dienendes Bankdarlehen auf, für dessen Rückzahlung sie zur ungeteilten Hand hafteten. Der Beklagte verpflichtete sich zwar im Innenverhältnis gegenüber der Klägerin zur alleinigen Rückzahlung des Darlehens, stellte jedoch in weiterer Folge seine Ratenzahlungen an die Bank ein. Diese erwirkte ein Urteil, mit dem die Streitteile zur ungeteilten Hand zur Zahlung des aushaftenden Darlehensbetrags verpflichtet wurden. In dem aufgrund dieses Urteils eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren wurde die ‑ im bücherlichen Alleineigentum der Klägerin stehende ‑ Liegenschaft dem Ersteher um das Meistbot von (nur) 138.000 EUR zugeschlagen.

Am 29. August 2013 wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet. Die Klägerin meldete im Konkursverfahren eine Schadenersatzforderung von 253.261 EUR an. Dieser Betrag entspreche dem Verkehrswert der versteigerten Liegenschaft. Ihr sei durch den Verlust des Eigentums an der Liegenschaft ein Schaden in dieser Höhe entstanden. Der Schuldner sei seiner Verpflichtung zur Rückzahlung des von ihm allein aufgenommenen Darlehens vereinbarungswidrig nicht nachgekommen.

Infolge Bestreitung der Forderung durch den Masseverwalter wurde die Klägerin auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Am 22. Jänner 2014 wurde im Konkursverfahren ein (vom Insolvenzgericht in weiterer Folge bestätigter) Zahlungsplan angenommen, wonach die Insolvenzgläubiger insgesamt 25 % ihrer Forderungen erhalten, zahlbar in 60 gleich hohen Raten, wobei die erste Teilquote innerhalb von zwei Monaten ab Annahme des Zahlungsplans fällig war und die weiteren 59 Teilquoten jeweils am 25. der Folgemonate. Mit Beschluss vom 7. März 2014 wurde der Konkurs aufgehoben.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 25. Dezember 2013 eingelangten, gegen den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren des Beklagten erhobenen Prüfungsklage gemäß § 110 IO die Feststellung der von ihr im Konkurs angemeldeten Schadenersatzforderung. In weiterer Folge ergänzte sie ihr Vorbringen dahin, dass durch die Befriedigung der Bank im Rahmen der Zwangsversteigerung (im Umfang des ihr aus dem Meistbot zugewiesenen Betrags von 129.561,21 EUR) deren Ansprüche gegen den Schuldner auf die Klägerin übergegangen seien.

Nach Aufhebung des Konkursverfahrens stellte die Klägerin ihr ‑ nunmehr gegen den Beklagten gerichtetes ‑ Klagebegehren zunächst auf Zahlung von 253.261 EUR sA um (ON 12). In der Verhandlung vom 13. 3. 2015 modifizierte sie ihr Begehren ‑ offensichtlich im Hinblick auf den Hinweis des Erstgerichts in der Verhandlung vom 30. 1. 2015, dass hinsichtlich der noch nicht fälligen Zahlungsplanraten nur ein Feststellungsbegehren in Betracht komme (S 3 in ON 17) ‑ dahin, dass sie einerseits die Feststellung anstrebte, dass ihr im Insolvenzverfahren des Beklagten eine Insolvenzforderung von 244.822,21 EUR zustehe, und andererseits „nach Maßgabe des Zahlungsplans“ die Zahlung einer Quote von 25 %, also 61.205,55 EUR, in 60 Monatsraten à 0,4167 %, begehrte, wobei die ersten zwölf (bis dahin fällig gewordenen) Raten von insgesamt 12.241,11 EUR binnen 14 Tagen zu zahlen seien und die weiteren 48 Teilquoten jeweils am 25. eines jeden Monats, beginnend mit 25. 3. 2015 fällig seien.

Der Beklagte wendete ein, der Schadenersatzanspruch bestehe nicht, weil das Darlehen von beiden Parteien gemeinsam aufgenommen worden sei. Außerdem sei Verjährung eingetreten.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren hinsichtlich eines Teilbetrags von 26.453,18 EUR statt und erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin nach Maßgabe des im Konkursverfahren angenommenen und rechtskräftig bestätigten Zahlungsplans eine Quote von 25 % zu zahlen, wobei es ihn zur Zahlung der ersten zwölf Raten à 1.322,76 EUR binnen 14 Tagen verpflichtete und ‑ was im Hinblick auf die Erörterung in der Verhandlung vom 30. 1. 2015 zweifelsfrei als bloßes Feststellungsurteil zu verstehen ist ‑ aussprach, dass die weiteren [bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht fälligen] 48 Teilquoten jeweils am 25. eines jeden Monats, beginnend mit 25. 3. 2015 fällig seien. Das Mehrbegehren wies es ab. Der Schadenersatzanspruch der Klägerin sei nicht berechtigt. Allerdings deckten ihr Vorbringen sowohl in der Forderungsanmeldung als auch in der Klage einen Regressanspruch nach § 896 ABGB. Dieser bestehe, soweit die Klägerin mehr als die Hälfte der gemeinsamen Schuld abgetragen habe, und betrage unter Berücksichtigung der vom Beklagten geleisteten Ratenzahlungen und der „Zahlung“ der Klägerin durch Zuweisung des Meistbots aus der Versteigerung an die Bank 26.453,18 EUR, wovon der Klägerin die 25%‑ige Quote laut Zahlungsplan zustehe, also 6.613,30 EUR.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge. Die Konkursaufhebung während des Verfahrens erster Instanz habe nicht nur zur Folge, dass das Feststellungsbegehren auf ein Leistungsbegehren umzustellen sei, sondern führe auch zum Wegfall der in § 110 Abs 1 IO normierten, spezifisch auf ein Konkursverfahren zugeschnittenen Beschränkung der (ehemaligen) Prüfungsklage auf die sich aus der Forderungsanmeldung ergebenden Anspruchsgrundlagen. Es seien daher sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsgrundlagen zu prüfen, sodass sich das Erstgericht zu Recht auch mit dem von der Klägerin geltend gemachten Rückgriffsanspruch auseinandergesetzt (und diesen der Höhe nach zutreffend ermittelt) habe.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Beschränkung des § 110 Abs 1 zweiter Satz IO auch dann noch anzuwenden sei, wenn der Konkurs ‑ wie hier ‑ während des laufenden Prüfungs-prozesses aufgehoben werde.

In seiner Revision macht der Beklagte geltend, ausgehend vom eindeutigen Wortlaut des § 110 Abs 1 zweiter Satz IO sei der Prüfungsprozess auf jene Anspruchsgrundlage zu beschränken, die in der Konkursanmeldung geltend gemacht worden sei.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1.

Der in der Revision enthaltene Verweis des Beklagten auf seine Berufungsausführungen ist unbeachtlich (RIS‑Justiz

RS0043616).

2. Im Prüfungsprozess ist nur die Feststellung einer im Prüfungsverfahren bestrittenen Forderung zulässig, die in der Anmeldung ausreichend substanziiert und konkretisiert wurde (RIS‑Justiz

RS0065597).

Zufolge § 110 Abs 1 zweiter Satz IO kann das Klagebegehren im Prüfungsprozess nur auf den in der Forderungsanmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegebenen Rechtsgrund gestützt werden, weil die ordnungsgemäße Abwicklung des Prüfungsverfahrens erfordert, dass es keinen Prüfungsprozess ohne vorhergehende Forderungsanmeldung gibt. Es gibt daher im Prüfungsprozess keine Erweiterung oder Änderung des Klagegegenstands und auch keine Klageänderung.

Der Geltendmachung einer im Konkursverfahren nicht in diesem Sinn angemeldeten Forderung steht das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen (RIS‑Justiz

RS0039281 [T12]).

3. Da sich die Klägerin in ihrer Forderungsanmeldung ausschließlich auf einen Schadenersatzanspruch gestützt hat, stand § 110 Abs 1 zweiter Satz IO der von ihr im Lauf des Verfahrens vorgenommenen Ergänzung ihres Vorbringens dahin, dass sie auch einen Regressanspruch geltend machte, zunächst tatsächlich entgegen. Für den Beklagten ist daraus allerdings im Ergebnis nichts zu gewinnen:

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, hat die Konkursaufhebung vor Beendigung des mit dem Masseverwalter geführten Prüfungsprozesses zur Folge, dass das Verfahren gegen den früheren Schuldner, der an die Stelle des Masseverwalters tritt, fortzusetzen ist (RIS‑Justiz

RS0065564). Wie sich aus dem mit dem Konkursverfahren untrennbar verbundenen Zweck des Prüfungsprozesses ergibt, ist nach rechtskräftiger Konkursaufhebung die Fortsetzung eines Verfahrens als Prüfungsprozess in der Regel ausgeschlossen, weil eine Sachentscheidung über ein auf Feststellung der Richtigkeit und Rangordnung einer Konkursforderung gerichtetes Begehren nicht möglich ist, kommt doch eine Eintragung des Ergebnisses des Prüfungsprozesses in das Anmeldungsverzeichnis zwecks Schaffung eines Exekutionstitels nach rechtskräftiger Konkursaufhebung nicht mehr in Betracht (9 ObA 159/98t = RIS‑Justiz

RS0065564 [T2]).

Vor diesem Hintergrund kann es aber nicht zweifelhaft sein, dass die konkursspezifische Vorschrift des § 110 Abs 1 zweiter Satz IO in dem nach Konkursaufhebung gegen den früheren Schuldner fortgesetzten Verfahren, bei dem es sich gerade nicht um einen Prüfungsprozess handelt, nicht mehr anwendbar ist (vgl auch OLG Wien, RIS‑Justiz

RW0000437), sodass ab diesem Zeitpunkt eine Klageänderung unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 235 ZPO zulässig ist.

Daran kann auch die vom Beklagten ins Treffen geführte Tatsache nichts ändern, dass in einem solchen Fall der Prozessausgang insofern zufallsabhängig ist, als es darauf ankommt, ob das Erstgericht vor oder nach Aufhebung des Konkurses entscheidet: Dies gilt nämlich generell in jedem Zivilprozess, wenn ein anspruchsbegründender oder -vernichtender Umstand erst nach Einbringung der Klage, aber vor dem für die Beurteilung relevanten Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz eintritt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035962).

Stichworte