OGH 9Ob64/15z

OGH9Ob64/15z26.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei R***** T*****, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagten Parteien 1. J***** R*****, 2. F***** S*****, beide vertreten durch Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwalt in St. Michael im Lungau, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert: 7.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 29. Juli 2015, GZ 22 R 193/15h‑11, mit dem dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Tamsweg vom 30. April 2015, GZ 2 C 507/14a‑7, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00064.15Z.1126.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 614,85 EUR (darin 102,47 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Über die Grundstücke des Klägers verläuft der „P*****weg“. Eigentümer des benachbarten „P*****gutes“ ist der Zweitbeklagte, der Teile seiner Grundstücke an den Erstbeklagten verpachtet hat.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass den Beklagten kein Recht auf Benützung des Wegs im Bereich seiner Grundstücke zum Zweck des Gehens, des Fahrens und des Viehtriebs zustehe. Weiter begehrte er, die Beklagten zur Unterlassung der Nutzung des Wegs zu diesen Zwecken zu verpflichten.

Die Beklagten bestritten und wandten, soweit verfahrensgegenständlich, die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Das Klagebegehren habe ein mit dem Weiderecht untrennbar verbundenes Viehtriebsrecht und damit ein Nutzungsrecht nach § 1 Abs 1 Sbg EinforstungsrechteG zum Gegenstand, für das der Rechtsweg unzulässig sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und verwarf die Einrede. Die begehrte Feststellung beziehe sich nicht auf ein forstwirtschaftliches Nutzungsrecht iSd § 1 Abs 1 Sbg EinforstungsrechteG (§ 1 Abs 1 WWSGG), sondern ausdrücklich auf ein davon ausgenommenes Wegerecht. Auch betreffend das Unterlassungsbegehren sei der Rechtsweg aufgrund des zivilrechtlichen Charakters des geltend gemachten Anspruchs zulässig. Der Entscheidungsgegenstand übersteige 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. Der Revisionsrekurs sei zur Frage zulässig, ob der Begriff des Wegerechts nach § 1 Abs 2 Z 3 Sbg EinforstungsrechteG auch das auf einen bestimmten Weg beschränkte Viehtriebsrecht umfasse.

In ihrem dagegen gerichteten Revisionsrekurs beantragen die Beklagten die Abänderung des Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluss ist es hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS‑Justiz RS0045584).

Das Klagsvorbringen ist ausschließlich gegen die Inanspruchnahme des P*****wegs auf den Grundstücken des Klägers zum Zwecke des Gehens, Fahrens und des Viehtriebs durch die Beklagten gerichtet. Maßgeblich für die Beurteilung der behördlichen Zuständigkeit ist daher die Frage der Berechtigung der Beklagten zu einer solchen Nutzung des Wegs, nicht aber ein Weiderecht. Inhaltlich beschränken die Beklagten ihre Rechtsmittelausführungen überdies auf die Nutzung des Wegs zum Viehtrieb.

2. Einforstungsrechte sind im Grund-satzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald‑ und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten (WWSGG) sowie in den jeweiligen Ausführungsgesetzen der Länder, hier des Salzburger Einforstungsrechtsgesetzes, geregelt.

§ 1 Abs 1 WWSGG lautet:

(1) Nutzungsrechte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die im § 1 Abs 1 Z 1, 2, 3 lit a des Kaiserlichen Patentes vom 5. Juli 1853, RGBl Nr 130, bezeichneten Rechte, einschließlich der seit Erlassung dieses Patentes entstandenen Rechte dieser Art, und zwar:

1. alle wie immer benannten Holzungs- und Bezugsrechte von Holz und sonstigen Forstprodukten in oder aus einem fremden Walde;

2. die Weiderechte auf fremdem Grund und Boden;

3. alle nicht schon unter 1 und 2 mitinbegriffenen Feldservituten, bei denen das dienstbare Gut Wald oder zur Waldkultur gewidmeter Boden ist, mit Ausnahme der Wegerechte .

Eine entsprechende Regelung enthält § 1 Abs 1 Z 3 Sbg EinforstungsrechteG.

Zur behördlichen Zuständigkeit sieht § 33 Abs 2 WWSGG vor:

(2) Die Agrarbehörde entscheidet auch außerhalb eines Verfahrens zur Neuregulierung, Regulierung oder Ablösung mit Ausschluss des Rechtswegs über die Frage des Bestandes von Nutzungsrechten und über die Frage, welche Liegenschaften berechtigt und verpflichtet sind.

Eine entsprechende Regelung enthält § 47 Abs 2 Sbg EinforstungsrechteG.

3. Nach der jüngeren Rechtsprechung sind Streitigkeiten über den Bestand von Nutzungsrechten im Sinne der agrarrechtlichen Bestimmungen durch ausdrückliche gesetzliche Anordnungen vor die Agrarbehörden verwiesen. Der Rechtsweg ist daher unabhängig davon unzulässig, ob solche Rechte aus dogmatischer Sicht zivil‑ oder öffentlichrechtlichen Charakter haben. Wann immer sich der Kläger auf ein Recht stützt, das in der Sache ein „Nutzungsrecht“ im Sinne der Sbg EinforstungsrechteG ist, gehört die Rechtssache vor die Agrarbehörden (RIS‑Justiz RS0126194). Dies betrifft nicht nur die Feststellung des Bestands, sondern auch des Nichtbestands einer Dienstbarkeit als begriffliches Gegenteil (2 Ob 132/12v).

Die diesem Rechtssatz zugrunde liegenden Entscheidungen hatten eine Feldservitut iSd § 1 Abs 1 Z 3 WWSGG (§ 1 Abs 1 Z 3 Sbg EinforstungsrechteG) zum Verfahrensgegenstand (4 Ob 102/10v: räumlich nicht beschränktes Recht auf Durchlieferung von Forstprodukten; 2 Ob 98/11t und 2 Ob 132/12v: Weideservitut; 7 Ob 147/13p: Veränderung eines mit agrarbehördlicher Regulierungsurkunde begründeten Pachtverhältnisses). Nach der klaren Anordnung des § 1 Abs 1 Z 3 WWSGG und des § 1 Abs 1 Z 3 Sbg EinforstungsrechteG sind allerdings Wegerechte von den Feldservituten ausdrücklich ausgenommen. Da insoweit keine Nutzungsrechte im Sinne der Bestimmungen vorliegen, kann sich auch die in § 33 Abs 2 Sbg EinforstungsrechteG vorgesehene Zuständigkeit der Agrarbehörden nicht darauf erstrecken.

4. Weder das WWSGG noch das Sbg EinforstungsrechteG definiert, was unter einem Wegerecht zu verstehen ist. Schon in der Entscheidung 6 Ob 190/65 wurde jedoch auf die historische Entwicklung dieser Ausnahme verwiesen und festgehalten, dass die Bestimmungen „dabei von der für das gesamte Zivilrecht geltenden Begriffsbestimmung des ABGB ausgegangen sind. Dieses folgt (…) dem römischen Recht, und demnach unterscheidet § 492 ABGB unter den Wegeservituten das Recht des Fußsteigs, des Viehtriebs und des Fahrwegs“. Überdies sprächen vor allem auch die Erwägungen, die zur Ausnahme der Wegeservituten vom Ersitzungsverbot geführt hätten ‑ dass nämlich sonst im Gebirge den Grundeigentümern der Zugang zu höher gelegenen Liegenschaften, insbesondere zu Almen unmöglich wäre ‑ für die gleiche Behandlung des Viehtriebsrechts.

Diese Qualifikation entspricht der in § 477 ABGB enthaltenen Aufzählung der Feld‑Servituten (Z 1: „das Recht, einen Fußsteig, Viehtrieb oder Fahrweg auf fremdem Grund und Boden zu halten“) wie auch der Lehre, die das Recht des Viehtriebs ebenfalls dem Wegerecht zuzählt (s nur Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 1352). Für die hier zu beurteilende Frage bestehen nicht zuletzt keine Anhaltspunkte dafür, dass beim Wegerecht je nach Nutzungsart (Gehen/Fahren/Viehtrieb) zu differenzieren wäre, zumal keine dieser Nutzungen mit einer Nutzung der Agrarfläche im engeren Sinn, dh mit einer Bewirtschaftung einhergeht.

Danach kann aber auch im vorliegenden Fall kein Zweifel bestehen, dass die Nutzung des Wegs zum Zweck des Viehtriebs Ausdruck des Wegerechts im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 1 Z 3 Sbg EinforstungsrechteG ist.

5. Die zu Holzbringungsrechten ergangene Rechtsprechung steht dem nicht entgegen:

Solche Rechte werden nur dann als Wegerechte im Sinne der Ausnahme zu § 1 Abs 1 Z 3 WWSGG (§ 1 Abs 1 Z 3 Sbg EinforstungsrechteG) angesehen, wenn sie sich auf bestimmte Trassen beziehen, während räumlich nicht näher bestimmte Bringungsrechte Nutzungsrechte im Sinne dieser Gesetze sind (RIS‑Justiz RS0011577 [T1]; RS0011578 [T1]). Dass der Viehtrieb hier nicht in Bindung an die Wegtrasse ausgeübt worden wäre, wurde gar nicht behauptet.

6. Danach liegt insgesamt mit dem streitgegenständlichen Wegerecht zum Zweck der Nutzung des Gehens, Fahrens und des Viehtriebs kein die Zuständigkeit der Agrarbehörden begründendes Nutzungsrecht vor. Da das Rekursgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs zu Recht bejaht hat, ist dem Revisionsrekurs der Beklagten keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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