OGH 2Ob132/12v

OGH2Ob132/12v20.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** K*****, vertreten durch Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwalt in St. Michael, gegen die beklagten Parteien 1. J***** P*****, und 2. A***** P*****, beide vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen Feststellung und Unterlassung, über den Rekurs der klagenden Partei und die Revision der beklagten Parteien gegen den Beschluss und das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 26. April 2012, GZ 53 R 67/12b-25, womit das Urteil des Bezirksgerichts Tamsweg vom 22. September 2011, GZ 2 C 504/10d-21, teilweise als nichtig aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens dritter Instanz werden gegenseitig aufgehoben.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Sowohl der Rekurs des Klägers als auch die Revision der Beklagten sind unzulässig.

1. Zum Rekurs des Klägers

Das Berufungsgericht hat den Revisionsrekurs gegen den Beschluss, womit es die Nichtigkeit des erstgerichtlichen Urteils betreffend das Feststellungsbegehren ausgesprochen hat, zugelassen, weil es von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den Gerichten und den Agrarbehörden komme gerade aufgrund der Zunahme von Streitigkeiten um Weiderechte und sonstige den agrarrechtlichen Bestimmungen unterliegenden Nutzungsrechten Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu.

Eine Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung liegt nicht vor.

Es entspricht der jüngeren einschlägigen Judikatur, dass einem bei Gericht gestellten Feststellungsbegehren betreffend den Bestand einer Dienstbarkeit, über deren Bestand - wie hier - gemäß § 47 Abs 2 Sbg EFRG bzw § 33 Abs 2 WWSGG die Agrarbehörden zu entscheiden haben, die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegensteht (4 Ob 102/10v; 2 Ob 98/11t; RIS-Justiz RS0126194). Dass davon nicht nur die Feststellung des Bestands, sondern auch - wie im vorliegenden Fall - des Nichtbestands einer Dienstbarkeit als begriffliches Gegenteil umfasst ist, liegt auf der Hand.

Durch die zitierten Entscheidungen sind die - zweifelhaften - Ausführungen der Entscheidung 3 Ob 617/89, aus denen uU die Zulässigkeit des Rechtswegs für derartige Feststellungsansprüche geschlossen werden könnte, überholt.

Der Kläger führt im Rechtsmittel für seine Auffassung, für das Feststellungsbegehren sei der Rechtsweg zulässig, mehrere (weitere) Entscheidungen an (6 Ob 224/68 = JBl 1970, 35; 3 Ob 546/92; 3 Ob 23/11w). Diese Entscheidungen sind nicht einschlägig: Die erstzitierte hatte keine Dienstbarkeit, die unter die zitierten gesetzlichen Bestimmungen fällt, zu beurteilen und trifft daher zur Zulässigkeit des Rechtswegs keine Aussage. Die übrigen Entscheidungen hatten nur Unterlassungsbegehren, nicht aber Feststellungsbegehren zum Gegenstand.

2. Zur Revision der Beklagten

Das Berufungsgericht hat die Revision gegen den bestätigenden, klagsstattgebenden Teil seiner Entscheidung betreffend das Unterlassungsbegehren die Revision zugelassen, weil nicht nur der Frage der Schriftform oder zumindest des Ausschlusses konkludenter Dienstbarkeitsvereinbarungen, sondern auch der Zulässigkeit einer Unterlassungsklage bei langjähriger Duldung der Ausübung von Weiderechten vor einer agrarbehördlichen Genehmigung erhebliche Bedeutung zukomme.

Das Berufungsgericht hat damit keine entscheidungswesentliche erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

Weder aus § 2 Abs 2 WWSGG noch aus § 2 Abs 2 Sbg EFRG ergibt sich das Erfordernis, die rechtsgeschäftliche Begründung von Nutzungsrechten - wie im vorliegenden Fall von Weidedienstbarkeiten - bedürfe der Schriftform. Die geltenden Rechtsvorschriften unterscheiden sich insoweit von der Vorläuferbestimmung des § 43 des kaiserlichen Patents vom 5. Juli 1853, RGBl 1853/130 (Servitutenpatent), wonach „solche Rechte“ nur durch „einen schriftlich ausgefertigten Vertrag“ erworben werden konnten. Die Frage der Schriftformpflicht kann aber aus den folgenden Erwägungen dahingestellt bleiben:

Die Beklagten konnten weder eine schriftliche noch eine ausdrückliche mündliche vertragliche Vereinbarung beweisen, wonach sie oder ihre Rechtsvorgänger außerbücherlich an den strittigen Grundflächen im Eigentum des Klägers ein (dingliches) Weiderecht erworben hätten. Da sowohl nach § 2 Abs 1 WWSGG als auch nach § 2 Abs 1 Sbg EFRG Nutzungsrechte nicht ersessen werden können, käme ein außerbücherlicher (durch die Genehmigung der Agrarbehörde gemäß § 2 Abs 2 WWSGG bzw § 2 Abs 2 Sbg EFRG aufschiebend bedingter) Erwerb einer Weidedienstbarkeit durch die Beklagten nur durch schlüssigen Vertrag in Betracht.

Ein Dienstbarkeitsvertrag kann zwar auch durch schlüssiges Verhalten im Sinne des § 863 ABGB zustandekommen. Ein schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag kommt aber nicht schon durch die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs des dienenden Guts, sondern erst dann zustande, wenn zusätzliche Sachverhaltselemente den Schluss erlauben, der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille der (jeweils) Belasteten habe sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezogen (RIS-Justiz RS0111562).

Die Rechtsprechung hat etwa in der bloßen Duldung der Zufahrt durch längere Zeit hindurch noch nicht die schlüssige Einräumung eines Fahrrechts erblickt (RIS-Justiz RS0011661). Anders wurde der Fall beurteilt, wenn der Eigentümer die Errichtung einer „kostspieligen Anlage“ zur Ausübung der Dienstbarkeit duldete (RIS-Justiz RS0011661 [T3]; RS0011650).

Nach den Feststellungen des Erstgerichts haben weder der Kläger noch dessen Rechtsvorgänger bis Juni 2010 Widerspruch gegen die Beweidung der gegenständlichen Grundstücksteile durch Vieh der Beklagten bzw deren Rechtsvorgänger erhoben. Entlang der Westseite des Weidegrundstücks hat der Erstbeklagte einen Zaun errichtet und erhalten, der jährlich aufgrund von Lawinengefahr im Herbst abgebaut und im Frühling wieder aufgebaut werden musste.

Im Licht der zitierten Rechtsprechung wären im vorliegenden Fall durch die Duldung des Klägers bzw seiner Rechtsvorgänger sowie in der jährlichen Errichtung und Entfernung eines Zauns (keine „kostspielige Anlage“) durch den Erstbeklagten die strengen Kriter*****ien für den schlüssigen Erwerb einer Dienstbarkeit nicht erfüllt.

Feststellungen, wonach im Zuge des schriftlichen Tauschvertrags im Jahr 1928 in einer (offenbar mündlichen) Zusatzvereinbarung zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile Weiderechte zugunsten der Beklagtenseite vorbehalten worden wären, wurden nicht getroffen. Auf ihr diebezügliches erstinstanzliches Vorbringen kommen die Beklagten in der Revision nicht mehr zurück, weshalb es nicht mehr zu prüfen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Beide Rechtsmittelgegner haben auf die Unzulässigkeit des jeweils gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Bezogen auf den gesamten Streitwert haben sie jeweils zur Hälfte obsiegt bzw sind sie unterlegen, weshalb die gleich hohen Kosten der Rechtsmittelgegenschriften einander aufheben.

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