OGH 24Os5/15p

OGH24Os5/15p25.11.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 25. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Sturm‑Wedenig und Dr. Hofstätter sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 11. Dezember 2014, GZ D 35/14‑8, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0240OS00005.15P.1125.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte der Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer fest, dass kein Grund zur disziplinären Behandlung des Rechtsanwalts Dr. ***** wegen Verletzung von Berufspflichten oder Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes hinsichtlich der Vorwürfe bestehe, er habe Dr. Nikolaus L***** vorprozessuale Kosten zu Unrecht verrechnet und ihm die Ausfertigung des Urteils im Verfahren AZ 20 Cg 36/14x des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vorenthalten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete, die Fassung eines Einleitungsbeschlusses begehrende Beschwerde des Kammeranwalts ist nicht im Recht.

Der Anzeiger wirft dem Beschuldigten ‑ der ihn im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Kaufs eines mangelhaften (Gebraucht‑)Fahrzeugs vertreten hat ‑ vor, ihm mit Honorarnote vom 4. Juni 2012 vorprozessuale Kosten in Höhe von knapp 4.000 Euro verrechnet zu haben, obwohl im Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. August 2012, GZ 20 Cg 36/14x‑11, „eindeutig festgestellt wurde, dass diese Kosten nicht zu bezahlen sind […], weil sie als 'Sowieso‑Kosten' vom Einheitssatz umfasst sind“. Dieses Urteil sei dem Anzeiger zudem sehr lange vorenthalten und erst „nach energischer Urgenz“ übermittelt worden. Gegenüber dem Untersuchungskommissär gab der Anzeiger in weiterer Folge an, aufgrund des Bestehens einer Rechtsschutzversicherung und mangels Belehrung durch den Beschuldigten davon ausgegangen zu sein, keinerlei (Anwalts‑)Kosten tragen zu müssen.

Der Beschuldigte verantwortete sich dahin, dass er den Anzeiger über seine gerichtlichen und außergerichtlichen Möglichkeiten sowie darüber belehrt habe, dass eine Rechtsschutzversicherung üblicherweise vorprozessuale Kosten nicht deckt, er jedoch im Fall eines nachfolgenden Prozesses versuchen werde, diese geltend zu machen. Auf das Risiko, dass diese Kosten vom Gericht nicht anerkannt werden, habe er den Anzeiger hingewiesen. Das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz habe er mit Begleitschreiben vom 30. August 2012 an den Anzeiger weitergeleitet.

Der Disziplinarrat begründete seine Verfahrenseinstellung dahin, dass der vom Beschuldigten an den Anzeiger fakturierte Betrag für vorprozessuale Kosten grundsätzlich rechnerisch richtig, es jedoch zu bezweifeln sei, ob die Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung des Anzeigers tatsächlich von diesem zu tragen sei. Richtigerweise hätte der Beschuldigte (aufgrund der Einbringung einer Mahnklage) auch den doppelten Einheitssatz gutschreiben müssen. Das Fehlen einer Belehrung des Anzeigers über das bestehende Kostenrisiko werde dem Beschuldigten aufgrund der vorliegenden unterschiedlichen Beweisergebnisse „in dubio pro reo“ nicht nachzuweisen sein, wobei zu beachten sei, dass dem Anzeiger ein Großteil der von ihm zu tragenden vorprozessualen Kosten von seiner Rechtsschutzversicherung erstattet worden sei. Die falsche Verrechnung des Einheitssatzes betreffe nur einen geringfügigen Betrag und begründe kein Disziplinarvergehen. Zur Frage der Urteilsübermittlung sei auf das Berichtsschreiben des Beschuldigten an den Anzeiger sowie die entsprechende Sendebestätigung zu verweisen.

Der Kammeranwalt sieht in dieser Begründung eine „klare Vorwegnahme der Beweiswürdigung des Disziplinarverfahrens, auf dessen Einleitung verzichtet wurde“. Es sei nicht auszuschließen, dass im Rahmen der Durchführung eines formellen Beweisverfahrens geklärt werden könne, ob eine Belehrung des Anzeigers durch den Beschuldigten stattgefunden habe. Bei unrichtiger Aufklärung über die refundierbaren vorprozessualen Kosten und deren anschließender Geltendmachung läge ein Disziplinarvergehen vor.

Einen Beschluss, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung vorliegt, darf der Disziplinarrat nur fassen, wenn kein Verdacht eines ein Disziplinarvergehen begründendes Verhaltens des angezeigten Rechtsanwalts iSd § 28 Abs 2 DSt vorliegt (vgl RIS‑Justiz RS0056969; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 28 DSt, 932). Vom Fehlen eines solchen Verdachts ist einerseits dann auszugehen, wenn die zur Last gelegte Tat weder eine Berufspflichtenverletzung noch eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begründet oder sonst ein Grund vorliegt, der eine Disziplinarverurteilung aus rechtlichen Gründen ausschließt (§ 212 Z 1 StPO, § 77 Abs 3 DSt; vgl RIS‑Justiz RS0056969 [T7], RS0056973 [T4]), sowie andererseits wenn ‑ im Licht des § 108 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 2 StPO ‑ das vorliegende Tatsachensubstrat Grund zur Annahme bietet, dass Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Beschuldigten auch nur für möglich zu halten, und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist. Diese Beurteilung ist Sache der Beweiswürdigung des Senats gemäß § 28 DSt, während dem erkennenden Senat gemäß § 30 DSt die Prüfung vorbehalten ist, ob sich der Verdacht zum Schuldbeweis verdichtet hat (RIS‑Justiz RS0056973 [T5]).

Bei Geltendmachung seiner Honoraransprüche handelt der Rechtsanwalt in „eigener Sache“, weshalb die Forderung eines überhöhten Honorars schon grundsätzlich keine Verletzung von Berufspflichten begründet (RIS‑Justiz RS0055853). Die vom Disziplinarrat hier angenommenen ‑ im Übrigen nicht schwerwiegenden (RIS‑Justiz RS0055114) - Abrechnungsmängel sind daher nur unter dem Aspekt der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes von Relevanz. Da die nur geringfügig überhöhte Honorarnote ‑ im Wesentlichen auch ‑ nur den beteiligten Personen zur Kenntnis gelangte, ist das dem Disziplinarbeschuldigten insoweit vorgeworfene Verhalten nicht geeignet, die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0054876, RS0055086; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 1 DSt, 859 f), weshalb die Annahme einer Verurteilung insoweit schon aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist.

Fehlende (oder nicht hinreichende) Aufklärung des Mandanten hinsichtlich der Honorarverrechnung kann aber einen Verstoß gegen die in § 9 RAO verankerte anwaltliche Treuepflicht und damit eine disziplinarrechtlich zu ahndende Berufspflichtenverletzung begründen (vgl RIS‑Justiz RS0047275, RS0123765; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 9 RAO Rz 20 und § 50 RL‑BA Rz 1). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung nur eine ganz allgemeine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts über sein Honorar besteht, die insbesondere dann vorliegt, wenn der Klient eine unzutreffende Meinung (wie etwa die Annahme der vollen Deckung durch eine Rechtsschutzversicherung) äußert (RIS‑Justiz RS0047275).

Bei der Beurteilung der Verdachtslage ist fallbezogen darauf Bedacht zu nehmen, dass der Anzeiger ein Fehlen der Aufklärung zunächst gar nicht behauptet, sondern den Vorwurf der Geltendmachung zu Unrecht verrechneten Honorars auf die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. August 2012, GZ 20 Cg 36/14x‑11, gestützt hat. Dieser Vorwurf verkennt, dass der in §§ 41 ff ZPO normierte prozessuale Kostenersatzanspruch der obsiegenden Partei von dem gegenüber dem Mandanten bestehenden Honoraranspruch des Rechtsanwalts unabhängig ist (M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/1 § 41 ZPO Rz 30) und ‑ soweit hier von Relevanz ‑ schon aufgrund § 23 Abs 2 RATG die gesonderte Verrechnung vorprozessualer Kosten gegenüber dem Klienten selbst dann nicht unzulässig ist, wenn es sich um Kosten handelt, die von der Rechtsprechung bei der Bestimmung der dem unterlegenen Prozessgegner zum Ersatz aufgetragenen Kosten als durch den Einheitssatz gedeckt erachtet werden (RIS‑Justiz RS0055114 [T2], 7 Ob 250/05y).

Zum Vorwurf des Vorenthaltens der Ausfertigung des Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. August 2012 bleibt anzumerken, dass der Rechtsanwalt zwar verpflichtet ist, seinem Klienten über den Fortgang eines Verfahrens zu berichten (RIS‑Justiz RS0055939, RS0055943; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 1 DSt, 866), eine Pflicht zur Aushändigung von Unterlagen (in Form einer Holschuld) aber gemäß § 12 Abs 1 RAO erst bei Beendigung des Vollmachtsverhältnisses besteht (Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte2, 45; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 12 RAO Rz 2; RIS‑Justiz RS0120888). Mit Blick auf das per E‑Mail an den Anzeiger übermittelte Berichtsschreiben des Beschuldigten, das auf das als Beilage angeschlossene Urteil Bezug nimmt, ist ein hinreichender Verdacht auf (schuldhafte) Verletzung dieser Pflichten aus den Akten nicht abzuleiten.

Der Beschwerde zuwider besteht daher weder Grund zur Annahme, dass Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts ausreichen, um eine Verurteilung des Beschuldigten auch nur für möglich zu halten, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass durch weitere Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts zu erwarten sei.

Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

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