European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00208.15T.1124.000
Spruch:
Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Das Arbeitsmarktservice (AMS) führt Schulungen im Bereich der Erwachsenenbildung zur Verbesserung der Qualifikation der Arbeitssuchenden durch. Hiefür bedient es sich teilweise externer Schulungsunternehmen, welche vertraglich zur Abhaltung der entsprechenden Schulungsmaßnahmen verpflichtet werden. Eines dieser vom AMS vertraglich beigezogenen Schulungsinstitute war die Privatinstitut „V*****“ ***** GmbH. Diese verrechnete ihre Leistungen dem AMS, welches seinerseits die Bezahlung durch die Buchhaltungsagentur des Bundes (BHA) veranlasste.
Der Kläger gewährte im April 2007 dieser GmbH einen Kredit über 182.000 EUR erst, nachdem W***** W*****, der schon vor der Gründung der BHA für die budgetäre Abwicklung der Zahlungen im Sozialministerium zuständig gewesen war und danach Bereichsleiter für Angelegenheiten des Sozialministeriums in der BHA wurde, ihm ein Schreiben über eine Abtretung übermittelt hatte. Dieses an die GmbH gerichtete, mit dem Zusatz „Bereichsleiter ‑ Bereich 04“ versehene und von ihm unterfertigte Schreiben auf dem Briefpapier der BHA hat auszugsweise folgenden Inhalt: „Aus der Summe Ihrer Aufträge des Jahres 2007 wird hiermit der Betrag von € 210.000,- auf das Konto von Hrn. S***** D*****, Kto‑Nr.: *****, BLZ ***** abgetreten. Diese Überweisung erfolgt am 25. 6. 2007.“ Nach nochmaliger telefonischer Bestätigung durch W***** W*****, dass das Geld an diesem Tag überwiesen werden werde, schien dem Kläger das Darlehen „sicher genug“.
W***** W***** war nicht befugt, für die Zweitbeklagte verbindliche Auszahlungserklärungen im Zusammenhang mit Forderungsabtretungen von Gläubigern der BHA abzugeben. Der Kläger erhielt von seinem Darlehen nur einen Betrag von 40.000 EUR im Dezember 2007 zurück. Im Jänner 2009 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet und der Nebenintervenient zum Masseverwalter bestellt.
Der Kläger begehrt 210.000 EUR sA an Schadenersatz für unbezahlt gebliebene Forderungen aus dem Darlehen, und zwar von der Erstbeklagten aufgrund des Amtshaftungsgesetzes (AHG) und von der Zweitbeklagten aufgrund des Zahlungsversprechens. Fortbildungsmaßnahmen durch das AMS für Arbeitssuchende sowie entsprechende Zahlungsansprüche daraus seien hoheitlich. Die Zweitbeklagte habe durch die Ausstattung des W***** W***** mit Briefpapier und Amtsstempel den Anschein von dessen Verfügungsbevollmächtigung gesetzt.
Die Beklagten wendeten ein, dass Schulungsmaßnahmen dem privatwirtschaftlichen Handeln zuzuordnen seien. Da sich § 5 Abs 1 Buchhaltungsagenturgesetz ausdrücklich nur auf hoheitliches Handeln von Organen der Buchhaltungsagentur beziehe, scheitere der Anspruch gegenüber der Erstbeklagten. W***** W***** sei weder als vertretungsbefugte Person im Firmenbuch eingetragen gewesen, noch habe sich ansonsten dessen Vertretungsbefugnis ergeben. Er sei zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen sei, namens der Zweitbeklagten Vertretungshandlungen zu setzen. Letzere sei auch gar nicht berechtigt, für eine von ihr servicierte Einrichtung zivilrechtlich Erklärungen abzugeben.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab und gingen davon aus, dass die Zweitbeklagte keinen Anschein gesetzt habe, dass W***** W***** für sie vertretungsbefugt sei. Einen Stempel habe das von ihm unterfertigte Schreiben gar nicht getragen, es fehle an einem vom Vertretenen selbst geschaffenen äußeren Tatbestand, der die Grundlage für die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht rechtfertigen hätte können. Ebenso schlossen sowohl Erst‑ als auch Berufungsgericht eine Haftung nach dem AHG mangels Handelns in Vollziehung der Gesetze aus. Das Berufungsgericht führte dazu aus, dass, um Synergieeffekte zu erzielen und damit beträchtliche Einsparungen zu realisieren, die BHA zur Besorgung der Buchhaltungsaufgaben nach dem Bundeshaushaltsgesetz (BHG) als Anstalt öffentlichen Rechts errichtet worden sei (§ 1 Abs 1 Buchhaltungsagenturgesetz ‑ BHAG‑G). Beauftrage das AMS ein Unternehmen mit der Durchführung von Kursen zur Erwachsenenbildung, dann sei dies kein hoheitlicher, sondern ein auf Vertrag beruhender rein privatrechtlicher Akt. Die Begründung der Zahlungsverpflichtung und deren Erfüllung stelle gleichfalls privatrechtliches Handeln dar. Auch wenn letztlich finanzielle Leistungen des AMS vom Bund getragen würden, ändere dies nichts an der rechtlichen Einordnung der Maßnahmen der Erwachsenenbildung. Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.
Selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann ( Zechner in Fasching/Konecny ² IV § 502 ZPO Rz 70 mwN; RIS‑Justiz RS0042656 [T48]). Letzteres trifft hier aus den nachstehenden Erwägungen zu:
1. Nach § 2 Abs 1 BHAG‑G (in der zum Zeitpunkt der Telefonate und der Verfassung des zu beurteilenden Schreibens geltenden Stammfassung [BGBl I 2004/37]) war Aufgabe der BHA die Führung der Buchhaltung des Bundes für die anweisenden Organe und für die vom Bund verwalteten Rechtsträger unter Anwendung der Haushaltsvorschriften des Bundes, insbesondere des BHG; die BHA war insoweit ausführendes Organ iSd BHG (nun des BHG 2013 [vgl BGBl I 2009/139, mit dem das BHG aufgehoben und das BHG 2013 erlassen wurde]). Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs war damals ‑ mit Ausnahme des Barzahlungsverkehrs ‑ eine der Aufgaben der Buchhaltung (§ 7 Abs 1 Z 4 BHG). Die Zahlung von Forderungen Dritter (hier wegen vertraglich vereinbarter Schulungen von Arbeitssuchenden) gegenüber dem AMS erfolgte daher über Anweisung der Leiter der Geschäftsstellen und Ämter des AMS als anweisende Organe gemäß § 5 Abs 2 Z 7 BHG mittels Durchführung durch die BHA, die als ausführendes Organ an die Anordnungen des anweisenden Organs gebunden war (§ 6 Abs 2 BHG).
§ 5 Abs 1 BHAG‑G normiert, dass für den von Organen oder Dienstnehmern der BHA oder von anderen Personen im Auftrag der BHA aufgrund dieses Gesetzes in Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben wem immer schuldhaft zugefügten Schaden der Bund nach den Bestimmungen des AHG haftet.
Demnach kommt es für die Frage der Anwendbarkeit des AHG darauf an, ob eine hoheitlich zu verrichtende Aufgabe vorlag.
2. Durch die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung aus der Hoheitsverwaltung und die Übertragung der Arbeitsmarktverwaltung auf das AMS als eine Körperschaft öffentlichen Rechts durch das Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG, BGBl 1994/313) haben sich die rechtlichen und die wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten nicht entscheidend geändert: Soweit das AMS behördliche Aufgaben zu erfüllen hat, unterliegt es dem Weisungsrecht des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nach § 58 Abs 1 AMSG; soweit es nichthoheitliche Aufgaben erfüllt, untersteht es seiner Aufsicht nach § 59 Abs 1 AMSG (1 Ob 257/00a; 1 Ob 218/14m; RIS-Justiz RS0107080 [T1]).
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 47 Abs 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz [AlVG] 1977) ist hoheitlicher Natur (VfGH B 377/98, VfSlg 15.742); bei der Entscheidung über das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld werden behördliche Aufgaben erfüllt (1 Ob 257/00a; 1 Ob 154/08s). Die Vermittlung von Arbeitssuchenden ist aber, wie sich aus § 31 Abs 1 AMSG ergibt, jedenfalls nicht hoheitlich (1 Ob 257/00a; vgl auch Schragel , AHG³ Rz 294). Die Förderung der Erwachsenenbildung fällt in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (1 Ob 34/90, 35/90 = RIS‑Justiz RS0049886).
3. Wie die Vermittlung von Arbeitssuchenden fällt auch die Beauftragung eines Privatinstituts mit Schulungen für Erwachsene nicht in den hoheitlichen Bereich, ebensowenig deren Zahlung oder eine Zustimmung zu einer Zession einer solchen Forderung. Der VfGH hat bereits ausgesprochen, dass die Führung der Buchhaltung des Bundes für die Organe des Bundes und für die vom Bund verwalteten Rechtsträger unter Anwendung der Haushaltsvorschriften des Bundes zweifellos eine Tätigkeit darstellt, die der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen ist (VfGH B 1270/08, VfSlg 18.818).
Dass das Berufungsgericht ein Handeln eines Organs oder Dienstnehmers in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben iSd § 5 BHAG‑G verneinte, ist daher nicht zu beanstanden.
4. Daran vermag auch der Verweis darauf, dass das AMS (im übertragenen Wirkungsbereich) Ausgaben für finanzielle Leistungen nach dem AMSG, nach dem AlVG 1977 und nach sonstigen dem AMS zur Vollziehung übertragenen Bundesgesetzen im Namen und auf Rechnung des Bundes bestreitet (§§ 42 f AMSG), nichts zu ändern. Personal- und Sachausgaben für die Vollziehung ua des AMSG, des AlVG 1977 und sonstiger dem AMS zur Vollziehung übertragener Bundesgesetze bestreitet es (im eigenen Wirkungsbereich) im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (§ 41 AMSG). Weder das Zurverfügungstellen von Kursen für Arbeitssuchende (über Dritte), noch die (Beauftragung und) Zahlung solcher Kurse bei privaten Rechtsträgern ist „finanzielle Leistung nach dem AMSG oder AlVG 1977“.
5. Inwiefern dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung zur Frage der (nicht vorhandenen) (Anscheins‑)Vollmacht des W***** W***** unterlaufen sein sollte, lassen die Ausführungen des Klägers in seiner Revision nicht erkennen. Zur Verwendung eines Amtssiegels bei der Erklärung entfernen sie sich vom festgestellten Sachverhalt (vgl RIS‑Justiz RS0043312). Mit Behauptungen über Indizien für massive ökonomische Schwierigkeiten des Privatinstituts schon im Jahr 2007, zur Begleichung von Forderungen einzelner „Anleger“, zu von der Zweitbeklagten verwalteten Konten bei der Postsparkasse oder zur Überlassung von Zugangsdaten durch Kollegen und Mitarbeiter verstößt er gegen das Neuerungsverbot (§ 504 ZPO). Soweit er sich in der Revision zur Anscheinsvollmacht auf eine Überlassung eines Stempels stützt, hat er nicht vorgebracht, dass ihm ein solcher Umstand im April 2007 bekannt gewesen sei. Ohne entsprechende Anhaltspunkte darf zudem nicht unterstellt werden, dass jene Personen, die gewisse Betriebsmittel und Betriebseinrichtung eines Unternehmens wie etwa Fernsprecher oder Fernschreiber oder auch Briefpapier und Geschäftsstampiglien zu verwenden berechtigt sind, damit auch in rechtsverbindlicher Weise rechtsgeschäftliche Erklärungen jeglicher Art für den Geschäftsherrn abgeben dürfen (RIS‑Justiz RS0017976 [T7]).
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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