OGH 7Ob195/15z

OGH7Ob195/15z19.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** C*****, vertreten durch Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei K***** M*****, vertreten durch Gradischnig & Gradischnig Rechtsanwälte GmbH in Villach, wegen 11.481,42 EUR sA und Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. August 2015, GZ 5 R 11/15z‑46, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Beide Parteien zeigen in ihren Revisionen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

I. Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

1. Die Revisionsausführungen, wonach sich das Reitangebot im Rahmen des Beherbergungsvertrags nur an anspruchsvolle, erfahrene Reiter gerichtet habe, geht nicht von dem dem Kläger per E-Mail unterbreiteten und von diesem angenommenen Angebot aus; darin ist eine derartige Einschränkung nicht enthalten. Damit ist aber die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach das Reitangebot zwischen den Streitteilen unabhängig vom Können als Nebenpflicht des Beherbergungsvertrags vereinbart worden sei, nicht zu beanstanden.

2. Der Vermieter eines Pferdes ist verpflichtet, den Mieter auf besondere Eigenschaften des Pferdes wie starkes Temperament, häufiges Ausschlagen udgl aufmerksam zu machen. Hingegen muss er dem Reiter nicht wegen seiner reiterischen Unerfahrenheit die gewünschte Vermietung eines Reitpferdes abschlagen oder ihn zumindest auf die drohenden Gefahren aufmerksam machen und ihm bedeuten, dass ein dennoch von ihm durchgeführter Ausritt auf sein eigenes Risiko gehe (RIS‑Justiz RS0023283; vgl auch RS0030472).

Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen, indem sie dem Beklagten anlasteten, die Reiterfahrung des Klägers, der nach den Feststellungen als Reitanfänger einzustufen ist, vor der Überlassung des Pferdes nicht abgeklärt zu haben. Das Pferd ist nämlich sehr sensibel und leicht nervös; es stellt an seinen Reiter gewisse Anforderungen und ist nicht für Reitanfänger geeignet. Damit hätte der Beklagte sicherstellen müssen, dass der Kläger über ausreichend Reiterfahrung für ein solches Pferd verfügt, wenn er ihn ‑ wie hier ‑ nicht darüber aufklärt, dass das Pferd für Reitanfänger nicht geeignet ist.

3. Den Vorinstanzen ist auch kein Beurteilungsfehler darin unterlaufen, indem sie von der Kausalität des vorangeführten Sorgfaltsverstoßes für den Schadenseintritt ausgingen. Nach den Feststellungen hätte nämlich ein einigermaßen ausgebildeter Reiter den Reitunfall verhindern können, während nicht feststeht, dass der Kläger trotz eines Hinweises auf die Ungeeignetheit des Pferdes für Reitanfänger mit diesem ausgeritten wäre.

4. Vor diesem Hintergrund hält sich die Annahme eines kausal sorgfaltswidrigen Verhaltens des Beklagten für den Reitunfall durch die Vorinstanzen im Rahmen der Judikatur. Auf die Auswirkung des Weiterritts des Klägers nach dem Auftreten anfänglicher Schwierigkeiten beim „Lenken“ des Pferdes ist im Rahmen der außerordentlichen Revision des Klägers einzugehen.

II. Zur außerordentlichen Revision des Klägers:

1. Das Mitverschulden im Sinn des § 1304 ABGB setzt kein Verschulden im technischen Sinn voraus. Auch Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern, worunter auch die Gesundheit fällt (RIS‑Justiz RS0022681, RS0032045). Diese kann derart überwiegen, dass sie den Anspruch zum Erlöschen bringt (RIS‑Justiz RS0032045 [T13]). Ob einem Geschädigten ein Mitverschulden anzulasten ist, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0087606 [T11]). Dasselbe gilt für die Frage nach dem Ausmaß des Mitverschuldens (RIS‑Justiz RS0087606, RS0022681 [T10]).

2. Wenn das Berufungsgericht ein Mitverschulden des erwachsenen Klägers darin erblickt, dass er trotz Kenntnis seiner Reitunkundigkeit ein Pferd ausborgt und mit diesem frei im Gelände ausreitet, ohne auf eine professionelle Begleitung zu bestehen, hält sich dies im Rahmen der Judikatur. Es ist als allgemein bekannt vorauszusetzen, dass sich ein Reitanfänger damit einer besonderen Gefahrensituation aussetzt.

3. Dem Berufungsgericht ist auch im Rahmen der Verschuldensteilung im Ausmaß von 2:1 zum Nachteil des Klägers kein aufzugreifender Ermessensfehler unterlaufen. Der Kläger hatte bereits zu Beginn des Ausritts Schwierigkeiten, das Pferd in die gewünschte Richtung zu „lenken“. Dadurch musste ihm die besondere Gefährlichkeit seines Handelns bewusst werden, weshalb ein Überwiegen seines Verschuldens vertretbar angenommen werden kann. Allerdings kommt diesem Vorfall nicht ein derartiges Gewicht zu, um den erheblichen Sorgfaltsverstoß des Beklagten (vgl dazu oben Punkt I.2.) völlig in den Hintergrund treten zu lassen. Die Verschuldensteilung des Berufungsgerichts ist daher nicht zu beanstanden.

III. Ergebnis:

Beide außerordentliche Revisionen sind daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen, was nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.

Stichworte