OGH 5Ob215/15a

OGH5Ob215/15a30.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Ing. G***** B*****, vertreten durch Leissner Kovaricek Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Fünftzehntantragsgegnerin E***** F***** und den Sechzehntantragsgegner DDr. G***** F*****, vertreten durch die DDr. FÜRST Rechtsanwalts‑GmbH in Mödling, sowie die übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 796 GB ***** *****, wegen § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Fünfzehnt‑ und Sechzehntantragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 8. September 2015, GZ 19 R 49/15i‑44, mit dem deren Rekurs gegen den Sachbeschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 11. Juni 2015, GZ 28 Msch 26/14a‑35, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00215.15A.1030.000

 

Spruch:

Der

außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Antragsteller begehrte, die Zustimmung der Antragsgegner zur Änderung der Widmung des Objekts Top 1 der Liegenschaft EZ 796 von „Wohnung“ auf „Arztpraxis“ zu ersetzen.

Die Fünfzehntantragsgegnerin und der Sechzehntantragsgegner beantragten die Abweisung dieses Begehrens.

Mit seinem Sachbeschluss wies das Erstgericht den Antrag mit der Begründung ab, es sei bereits vor Einleitung des Verfahrens zu einer konkludenten Widmungsänderung im Sinn des vom Antragsteller erhobenen Begehrens gekommen und verpflichtete die Fünfzehntantragsgegnerin und den Sechzehntantragsgegner zum Kostenersatz.

Dagegen richtete sich der Rekurs der Fünfzehntantragsgegnerin und des Sechzehntantragsgegners, den das Rekursgericht mangels Beschwer und im Kostenpunkt als verspätet zurückwies.

Rechtliche Beurteilung

1. Ein Revisionsrekurs iSd § 62 AußStrG ist jedes Rechtsmittel gegen eine Entscheidung der zweiten Instanz als Rekursgericht, unabhängig davon, ob es sich um eine Sachentscheidung oder um die Zurückweisung eines Rechtsmittels gegen eine erstgerichtliche Entscheidung handelt. Weist daher das Gericht zweiter Instanz ‑ wie hier ‑ den Rekurs mangels Beschwer zurück, ist auch dieser Beschluss nur unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar (RIS‑Justiz RS0120565). Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG sprechen die Revisionsrekurswerber in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel nicht an.

2. Voraussetzung für die inhaltliche Behandlung eines Rechtsmittels ist, dass ein Rechtsschutzinteresse bestehe. Das gilt auch im Verfahren außer Streitsachen. Fehlt ein solches Anfechtungsinteresse (die Beschwer), ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0006880; RS0006598).

3. Bei der Beschwer unterscheidet man die formelle und die materielle Beschwer (RIS‑Justiz RS0041868). Der Rechtsmittelwerber muss jedenfalls formell beschwert sein (E. Kodek in Rechberger, ZPO4 Vor § 461 Rz 10), die gefällte Entscheidung muss also zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers von seinem Antrag abweichen (RIS‑Justiz RS0041868 [T5; T11]; RS0043917; E. Kodek aaO; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 Vor §§ 514 ff ZPO Rz 58 mwN; Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen Rz 259).

4. Die Revisionsrekurswerber bestreiten nicht, dass sie durch den Sachbeschluss des Erstgerichts nicht formell beschwert sind, meinen aber, sie seien durch die Gründe von dessen Entscheidung materiell beschwert, was zur Begründung ihres Rechtsschutzinteresses ausreiche. Dazu berufen sie sich auf die Entscheidung 6 Ob 45/09z, aus der sie folgern, die Erscheinungsformen der Beschwer zur Begründung des Anfechtungsinteresses müssten lediglich alternativ vorliegen, sodass es genüge, wenn sie materiell beschwert seien. Damit verkennen sie die Aussagen dieser Entscheidung grundlegend. Darin wird lediglich der Grundsatz bekräftigt, dass die formelle Beschwer (Anm: allein) nicht immer ausreicht, um das Anfechtungsinteresse zu begründen, und der Rechtsmittelwerber auch materiell beschwert sein muss. Aus dieser Entscheidung kann daher weder abgeleitet werden, dass im Verfahren außer Streitsachen der materiellen Beschwer zur Begründung des für das Rechtsmittelverfahren geforderten Rechtsschutzinteresses eine größere Bedeutung beizumessen sei, noch folgt daraus, dass diese für sich genommen zur Erhebung eines Rechtsmittels ausreicht.

5. Auch im Verfahren außer Streitsachen gilt, dass ‑ außer bei Aufhebungsbeschlüssen (der Fall eines Zwischenurteils ist im Außerstreitverfahren nicht vorgesehen) ‑ allein aus den Gründen der Entscheidung eine Beschwer nicht abgeleitet werden kann (RIS‑Justiz RS0006598 [T27]; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 45 Rz 60). Es reicht daher nicht aus, wenn sich die Entscheidung auf andere und sogar auch auf vom Rechtsmittelwerber abgelehnte rechtliche Erwägungen stützt (6 Ob 253/05g).

Das wird hier schon aus dem Umstand deutlich, dass es den Revisionsrekurswerbern im Rekursverfahren unmöglich war, einen geeigneten Rechtsmittelabänderungsantrag stellen zu können. Davon abzugehen, bieten auch ihre Ausführungen zur relativen Rechtskraftwirkung von Entscheidungsgründen keinen Anlass.

6. Soweit die Revisionsrekurswerber mit der Kostenentscheidung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses argumentieren, genügt es darauf zu verweisen, dass Kostenfolgen eine Beschwer in der Hauptsache regelmäßig nicht zu begründen vermögen (vgl RIS‑Justiz RS0002396). Der von ihnen geforderten inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Gründen, die zu dieser Kostenentscheidung geführt haben, steht aber § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG entgegen, der alle Entscheidungen erfasst, mit denen in irgendeiner Form ‑ materiell oder formell ‑ über „Kosten“ abgesprochen wird (RIS‑Justiz RS0007695).

7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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