OGH 6Ob253/05g

OGH6Ob253/05g1.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 6. März 2002 verstorbenen Rudolf T*****, wegen Feststellung eines Erbhofs und Bestimmung des Anerben, über die Revisionsrekurse der erblasserischen Mutter Theresia T*****, vertreten durch Mag. Peter Prechtl, Rechtsanwalt in Innsbruck, und des erblasserischen Halbbruders Roland K*****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 27. Juni 2005, GZ 21 R 130/05x-64, womit über den Rekurs des Roland K***** der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 29. November 2004, GZ 3 A 306/02y-55, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der erblasserischen Mutter wird zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs des erblasserischen Halbbruders wird nicht Folge gegeben.

Die Rechtsmittelwerber haben ihre Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der am 6. 3. 2002 verstorbene Erblasser war Alleineigentümer des sogenannten H*****guts im G*****. Das Gut umfasst eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 95.963 m2, einen Wald von 18.237 m2, eine Baufläche von 1.378 m2 sowie eine Wegfläche von 1.019 m2. Im Grundbuch sind das Wohnungsrecht, die Reallast des Ausgedinges sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot für die erblasserische Mutter und ein Wohnungsrecht für die Dauer des ledigen Standes der erblasserischen Schwester Dr. Renate T***** eingetragen. Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Eine letztwillige Anordnung wurde nicht errichtet. Sein Vater Rudolf ist vorverstorben. Gesetzliche Erben sind die Mutter Theresia T***** (geboren 1930), seine beiden Schwestern Ingrid (geboren 1956) und Dr. Renate T***** (geboren 1965), sowie der Halbbruder väterlicherseits Roland K***** (geboren 1954). Mit Beschluss vom 16. 4. 2002 wurden die Erbserklärungen der Mutter (zur Hälfte des Nachlasses) und der erblasserischen Geschwister (zu je 1/6tel) zu Gericht angenommen. Die Miterben konnten sich über die Bestimmung des Anerben nicht einigen. Jeder der Miterben beantragte, jeweils ihn als Anerben gerichtlich zu bestimmen.

Das Erstgericht stellte fest, dass es sich beim H*****gut um einen Erbhof iSd § 1 Abs 1 AnerbenG handle und wies den Erbhof der erblasserischen Mutter als Anerbin zu. Die Festsetzung des Übernahmspreises wurde vorbehalten.

Das Erstgericht stellte im Wesentlichen fest:

Die Betriebsflächen seien arrondiert, maschinell bearbeitbar und als Grünland gewidmet. Derzeit würden keine Rinder gehalten. Es bestehe ein neues Stallgebäude sowie eine für die Bewirtschaftung übliche maschinelle Ausstattung. Der Bauernhof könnte weiter bewirtschaftet werden. Bei mittlerer Intensität könnten etwa 15 bis 20 Stück Großvieheinheiten gehalten werden. Mit 16 Kühen könnten jährlich 80.000 kg Milch erwirtschaftet werden. Das Bauernhaus sei dringend sanierungsbedürftig, was den Mietwert beeinträchtige. Die Waldflächen bestünden aus einem Mischbestand aus Buche, Fichte und Erlen im Bestandsalter von 20 bis 60 Jahren. Nach den Buchführungsergebnissen der österreichischen Landwirtschaft betrage das Mindestflächenausmaß für einen Erbhof zur Abdeckung des Verbrauchs für zwei Personen für einen Milchvieh-Futterbau-Betrieb im Voralpengebiet derzeit etwa 7 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 1,5 ha Wald. Im vorliegenden Fall könne ein Jahresertrag von 15.664 EUR erwirtschaftet werden. Der Durchschnittsertrag betrage etwa 10.800 EUR im Jahr. Das H*****gut stamme vom Vater des Erblassers, der mit der Mutter des Erblassers verheiratet gewesen sei. Diese sei ab ihrer Eheschließung im Jahr 1959 bis zu ihrer Erkrankung im Jahr 2001 am Hof gewesen und habe dort gearbeitet, wobei sie den Hof rund 15 Jahre selbständig geführt habe, weil der Ehegatte krankheitsbedingt dazu nicht in der Lage gewesen sei. Nach dem Tod ihres Ehegatten habe sie mit ihrem Sohn die Hauswirtschaft am Hof geführt. Die beiden Schwestern des Erblassers seien auf dem H*****gut aufgewachsen. Ingrid T***** sei Lehrerin und habe bis zu ihrer Lehramtsprüfung im Jahr 1975 und von 1978 bis 1983 am Hof gewohnt. Sie habe in ihrer Jugend am Hof ausgeholfen und sei in der Lage, Kühe zu melken oder eine Melkmaschine zu bedienen. Die Schwester Dr. Renate T***** sei Juristin und habe bis 1997 am Hof gelebt. Sie habe im Laufe der Jahre jeweils ihrem Alter entsprechende Arbeiten am Hof ausgeführt und ab 1993 trotz ihrer Berufstätigkeit ihrem Bruder bei der Heuernte und beim Viehbetrieb geholfen. Sie sehe ihre wirtschaftliche Zukunft am Hof, weil sie als Juristin lediglich einen bis 31. 8. 2002 befristeten Dienstvertrag erhalten habe und auf den Hof angewiesen sei. Sie sei alleinerziehende Mutter. Am 28. 2. 2004 habe sie die Facharbeiterprüfung in der Landwirtschaft mit ausgezeichnetem Erfolg abgelegt. Der Halbbruder sei bei seinen Großeltern väterlicherseits aufgewachsen, die im Austragungshaus des H*****guts gelebt hätten. Er habe sich tagsüber bei seinem Vater aufgehalten, der damals noch nicht verheiratet gewesen sei. Ab seinem 10 Lebensjahr habe er ein Internat besucht. Der Halbbruder des Erblassers habe eine Ausbildung zum Speditions- und Autoindustriekaufmann gemacht und sei seit 20 Jahren in der Modebranche tätig. Er sei verheiratet und habe fünf Kinder. Er sei der Meinung, dass sein 12jähriger Sohn der ideale Anerbe sei. Bis zu dessen Schulabschluss würde der Halbbruder den landwirtschaftlichen Betrieb mit Fachleuten wie eine Firma führen. Er sei auf den Hof nicht angewiesen, verfüge aber über die finanziellen Mittel, um die nötigen Investitionen zu tätigen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass es bei der Entscheidung über die Erbhofeigenschaft nicht auf die derzeitige Art der Bewirtschaftung sondern auf die objektive Eignung zur Führung eines einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ankäme, mit dem die vom Gesetz bestimmte Anzahl von zwei erwachsenen Personen erhalten werden könnte. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Für die Auswahl des Anerben sei § 3 AnerbenG maßgeblich. Wenn mehrere Miterben berufen seien, könne nur einer von ihnen Anerbe werden. Nach den Auswahlkriterien des § 3 Abs 1 Z 1 bis 5 sei eine Auslese vorzunehmen. Wenn danach immer noch mehrere Miterben übrig blieben so gelte nach Abs 2, dass im Grad näher verwandte den im Grad entfernter Verwandten vorgingen und dass unter gleich nahen Verwandten der in der Gegend geltende Brauch (Ältesten- oder Jüngstenrecht) entscheide. Hier seien weder Abkömmlinge noch eine Ehegattin des Erblassers vorhanden. Sowohl die Schwestern als auch der Halbbruder des Erblassers seien für einen anderen Beruf als den der Land- oder Forstwirtschaft erzogen worden. Der Hof stamme von der Vaterseite des Erblassers. Erben der Vaterseite seien aber nicht nur die erblasserischen Geschwister sondern auch die Mutter des Erblassers als Ehegattin des vorverstorbenen Vaters, sodass sich nach § 3 Abs 1 AnerbenG kein Anerbe bestimmen lasse. Der Sinn des Abstellens auf die Herkunft des Hofes von einer bestimmten Seite (§ 3 Abs 1 Z 4 und 5 AnerbenG) liege darin, zu verhindern, dass der Hof an eine Linie falle, von der er gar nicht stamme. Es sei daher § 3 Abs 2 Z 1 AnerbenG maßgeblich, wonach im Grade näher Verwandte den im Grad entfernter Verwandten vorgingen. Die Mutter des Erblassers sei die ihm im Grad nächste Verwandte, weshalb sie als Anerbin zu bestimmen gewesen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Halbbruders nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass die Erbhofeigenschaft zu bejahen sei. Nach der oberstgerichtlichen Judikatur sei auf den typischen Bedarf in bäuerlichen Kreisen abzustellen. Die Untergrenze der zur „angemessenen Erhaltung" ausreichenden Ertragsfähigkeit sei flexibel zu beurteilen. Dazu könne der Ausgleichszulagenrichtsatz des Sozialversicherungsrechts als Beurteilungshilfe herangezogen werden. Das AnerbenG gehe von einem objektiven bäuerlichen Erscheinungsbild aus, wozu auch eine gemeinsame Haushaltsführung gehöre. Der Ausgleichszulagen-Familienrichtsatz betrage derzeit 1.030,23 EUR. Der vom Erstgericht festgestellte Jahresertrag von 15.664 EUR übersteige wesentlich das Jahreseinkommen eines Beziehers der genannten Ausgleichszulage.

Hingegen sei dem Rekurswerber beizupflichten, dass die Mutter des Erblassers nicht zur Anerbin zu bestimmen gewesen wäre. Nach dem Auswahlkriterium des § 3 Abs 1 Z 5 AnerbenG sei die Mutter des Erblassers keine „Erbin der Vaterseite", sondern gehöre - ausgehend vom Erblasser - zur Mutterseite. Durch das Fallrecht solle verhindert werden, dass bei Vorhandensein von Abkömmlingen aus mehreren Ehen oder bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen und einem Ehegatten der Erbhof an eine Linie falle, von der er nicht stamme. Dies widerspreche dem bäuerlichen Denken in Parentelen. Die Ansicht des Erstgerichts widerspreche dem Zweck, dass die Kinder eines vorverstorbenen Alleineigentümers eines Erbhofs den Kindern der Ehefrau aus einer nach seinem Tod geschlossenen weiteren Ehe nicht gleichzustellen sind. Den Geschwistern des Erblassers komme daher gegenüber der Mutter der Vorrang zu. Hier befürfe es aber keines Rückgriffs auf die hilfsweise heranzuziehenden Auswahlkriterien des § 3 Abs 2 AnerbenG. Nach § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG seien Miterben auszuscheiden, die für einen anderen Beruf als den der Landwirtschaft erzogen worden oder im Zeitpunkt des Todes des Erblassers seit mindestens zwei Jahren erzogen werden oder die anderweitig versorgt seien, wenn in der selben Linie Miterben vorhanden seien, die für die Land- oder Forstwirtschaft erzogen worden und nicht anderweitig versorgt seien. Die Z 3 stelle nach ihrem klaren Wortlaut nicht nur auf Abkömmlinge des Erblassers sondern auf Miterben ab und umfasse hier alle vier gesetzlichen Erben, wobei aber die Mutter aufgrund der Z 5 gegenüber den Geschwistern ausscheide. Unter Erziehung zur Land- und Forstwirtschaft sei jede Ausbildung zu verstehen, die für die Führung eines Betriebs erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten vermittle. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sei weder der Halbbruder noch die Schwester Ingrid für die Landwirtschaft erzogen worden, wohl aber die Schwester Renate. Diese habe auf dem Erbhof in einem über die gewöhnlichen Hilfstätigkeiten von Kindern hinausgehenden Umfang bereits gearbeitet und eine zusätzliche Ausbildung im Landwirtschaftsberuf abgeschlossen. Diese Schwester sei auch nicht „anderwertig" versorgt. Ihr wäre daher gegenüber den Geschwistern und der Mutter des Erblassers der Vorzug zu geben gewesen. Daraus folge, dass dem Rekurswerber (Halbbruder) keine Anerbenstellung zukomme. Der Ausspruch des Erstgerichts, mit dem die Mutter zur Anerbin bestimmt worden sei, sei gegenüber Dr. Renate T***** in Rechtskraft erwachsen, weil diese die im Spruch enthaltene Abweisung ihres eigenen Antrags nicht bekämpft habe. Durch die Bestimmung der Mutter anstelle der Schwester sei der Halbbruder aber nicht beschwert. Er habe kein Rechtschutzinteresse daran, dass eine andere Person als er selbst zum Anerben zu bestimmen gewesen wäre. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Frage des Vorliegens einer Beschwer eine zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die erblasserische Mutter die (abändernde) Feststellung, dass sie „im Sinne der Bestimmung des § 3 Abs 1 AnerbenG Anerbin des Erbhofes" sei.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der erblasserische Halbbruder die Abänderung dahin, dass ihm der Erbhof als Anerben zugewiesen werde, hilfsweise die Abänderung dahin, dass festgestellt werde, dass es sich beim Halmgut um keinen Erbhof iSd § 1 Abs 1 AnerbenG handle. Hilfsweise wird ferner ein Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung gestellt.

Der erblasserische Halbbruder und die erblasserische Mutter beantragen, den gegnerischen Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Die Mutter verzeichnet Kosten für ihr Rechtsmittel und die Rechtsmittelbeantwortung, der Halbbruder nur für seine Rechtsmittelbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig.

Der Revisionsrekurs des Halbbruders ist wegen der nicht zu teilenden Auffassung des Rekursgerichts über eine fehlende Beschwer zulässig, das Rechtsmittel ist im Ergebnis aber nicht berechtigt. A. Der Revisionsrekurs der Mutter des Erblassers ist mangels Beschwer der Rechtsmittelwerberin unzulässig:

Die Rekurswerberin bekämpft lediglich die Entscheidungsbegründung des Rekursgerichts. Sie steht auf dem Standpunkt, dass sie ohnehin in der

2. Parentel des § 731 ABGB als Erbin iSd § 3 Abs 1 Z 5 AnerbenG zu qualifizieren sei und das es daher eines Rückgriffs auf die bessere Eignung der Tochter Renate gegenüber dem weiteren Antragsteller (dem Halbbruder) zur Bestätigung der Mutter als Anerbin gar nicht bedurft hätte. Durch den Spruch der ihrem Antrag ohnehin stattgebenden Entscheidung kann sich die Revisionsrekurswerberin aber ebensowenig für beschwert erachten (RIS-Justiz RS0006471) wie durch die Entscheidungsbegründung. Allein aus den Gründen einer Entscheidung kann - außer bei Aufhebungsbeschlüssen und bei Zwischenurteilen - eine Beschwer nicht abgeleitet werden. Es reicht daher nicht aus, wenn sich die Entscheidung auf andere und sogar auch auf vom Rechtsmittelwerber abgelehnte rechtliche Erwägungen stützt (10 ObS 353/99f mwN uva). Diese Grundsätze gelten auch im außerstreitigen Verfahren. Die fehlende Beschwer geht schon aus der Unmöglichkeit hervor, einen geeigneten Rechtsmittelabänderungsantrag stellen zu können. Die rechtliche Qualifikation eines Sachverhalts, also die angestrebte rechtliche Begründung für die Stattgebung eines Antrags (hier die Bestimmung der Anerbin gemäß § 3 Abs 1 AnberbenG) ist nicht im Spruch vorzunehmen. In Wahrheit sind die Rekursausführungen eine über die ohnehin erstattete Beantwortung des Revisionsrekurses des konkurrierenden Miterben hinausgehende weitere Rechtsmittelbeantwortung, die nach dem Grundsatz der Einmaligkeit von Rechtsmitteln und Rechtsmittelgegenschriften unzulässig ist.

B. Zum Revisionsrekurs des Halbbruders des Erblassers:

I. Der Revisionsrekurswerber bekämpft zutreffend die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass bei der Bestimmung des Anerben die gegenüber dem Rekurswerber bessere Qualifikation seiner Halbschwester entscheidend sei und er sich deshalb durch die Bestimmung der Mutter des Erblassers zur Anerbin nicht für beschwert erachten könne. Dieser Ansicht steht der Umstand entgegen, dass die Schwester des Verstorbenen und Halbschwester des Rekurswerbers gegen den erstinstanzlichen, inhaltlich ihren Antrag abweisenden Beschluss des Erstgerichts nicht rekurriert hat und damit aus dem Kreis der Antragsteller ausgeschieden ist. Auch ohne Anerkennung des Anerbenrechts eines anderen (dazu RIS-Justiz RS0050286) läuft der Sachverhalt auf einen Verzicht der Schwester auf die Geltendmachung eigener Ansprüche hinaus. Die Weigerung des sondergesetzlich zur Hofübernahme Berufenen, den Erbhof zu übernehmen, ist beachtlich (SZ 57/165). Wenn ein vom Erstgericht übergangener Miterbe seinen Anspruch mit Rechtsmittel nicht weiterverfolgt, ist im Rechtsmittelverfahren nur mehr zu prüfen, welcher von den verbliebenen Bewerbern nach den Auswahlkriterien des § 3 AnerbenG als Anerbe zu bestimmen ist. Bei der Entscheidung kann es nur mehr auf das Verhältnis dieser beiden Anspruchswerber ankommen.

II. Der Revisionsrekurswerber verweist nur und generell auf die Ausführungen des Rekursgerichts zu § 3 Abs 1 Z 5 AnerbenG, wonach die Mutter des Erblassers gegenüber dessen Geschwistern benachrangt sei, weil der Hof (unstrittig) von Vaterseite stammt. Die im Rekursverfahren obsiegende Mutter des Erblassers führt dagegen ins Treffen, dass nach dem AnerbenG nicht der „relativ beste", sondern der „einzig richtige Anerbe" gesucht werde. Der Halbbruder des Verstorbenen erfülle die Voraussetzungen des § 3 AnerbenG nicht. Er sei auf keinem Bauernhof aufgewachsen und strebe die Stellung als Anerbe nur für seinen 12jährigen Sohn an. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts sei die Mutter auch nach § 3 Abs 1 Z 5 AnerbenG legitimiert, wenn der Erbhof ganz oder überwiegend von Vaterseite stamme, weil sie Erbin der Vaterseite im Sinne des Partentelensystems der §§ 730 f ABGB sei. Dazu wurde erwogen:

1. Wenn sich bei der gesetzlichen Erbfolge nach dem Alleineigentümer eines Erbhofs mehrere Miterben nicht einigen können, stellt im § 3 Abs 1 Z 1 bis 5 AnerbenG einige Regeln auf, die stufenförmig aufgebaut sind. Die Regeln des Abs 1 wurden als „grober Raster bezeichnet", die subsidiären Regeln des Abs 2 als „Feinauslese" (Kathrein, Anerbenrecht Anm 2 und 4 zu § 3; Eccher in Schwimann ABGB2 Rz 1 zu § 3 AnerbenG). Die Regeln der Z 1, 2 und 4 des Abs 1 sind hier mangels Vorhandenseins von Abkömmlingen des Erblassers nicht anzuwenden. Zu untersuchen ist die Anwendbarkeit der Z 3 und 5.

2. § 3 Abs 1 Z 5 AnerbenG normiert für den auch hier vorliegenden Sachverhalt, nach dem weder Abkömmlinge noch ein Ehegatte des Erblassers vorhanden sind und der Erbhof ganz oder überwiegend von der Vaterseite (oder der Mutterseite) stammt, den Vorzug der „Erben von dieser bestimmten Seite".

§ 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG lautet: Miterben, die für einen anderen Beruf als den der Land- oder Forstwirtschaft erzogen wurden oder im Zeitpunkt des Todes des Erblassers seit mindestens zwei Jahren erzogen werden oder die anderweitig versorgt sind, scheiden als Anerbe aus, wenn in derselben Linie (§ 731 ABGB) Miterben vorhanden sind, die für die Land- oder Forstwirtschaft erzogen wurden oder werden und nicht anderweitig versorgt sind.

Nach den Feststellungen erfüllt die Mutter des Erblassers die angeführten Berufsvoraussetzungen, der Halbbruder aber nicht. Andererseits ist ihm aber nach der Z 5 (dem Fallrecht nach der Herkunft des Erbhofs) der Vorzug zu geben, wenn nicht auch die Mutter als Erbin „von der Vaterseite" qualifiziert werden kann. Aus dem stufenförmigen Aufbau der Auswahlkriterien der Z 1 bis 5 des § 3 Abs 1 AnerbenG allein kann noch nicht darauf geschlossen werden, dass den jeweils zuerst genannten Fällen ein Vorrang dahin zukäme, dass beispielsweise bei einer möglichen Auslese nach der Z 1 und 3 der Fall der Z 5 nicht mehr zu prüfen wäre. Kathrein (aaO Anm 3) vertritt dazu die Ansicht, dass die in den Z 4 und 5 angesprochene Herkunft des Hofes von einer bestimmten Seite von besonderer, vorrangiger Bedeutung sei. Der „näher stehende Miterbe" ginge demnach den nach Z 1 oder 3 privilegierten Miterben vor. Diese Ansicht vertritt auch Zemen (Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform [1981] 217; Der Anerbe im Parentelensystem, JBl 2005, 27). Nach Zemen ist das sogenannte Fallrecht des § 3 Abs 1 Z 5 AnerbenG sogar die primäre Auswahlregel bei der Bestimmung des Anerben in der zweiten Linie (JBl 2005, 30).

Die besondere Bedeutung des Umstands, von welcher Seite der Erbhof stammt, betonte auch der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 4. 2. 1993, 6 Ob 34/92 (unter Zitierung Kathreins). Damals ging es bei vergleichbarer Rechtslage nach § 6 Kärntner ErbhöfeG allerdings nicht um die Anerbenstellung der Mutter des verstorbenen Eigentümers des Erbhofs im Vergleich zu Geschwistern des Erblassers sondern um konkurrierende Ansprüche von Geschwistern. Der Oberste Gerichtshof verneinte eine Gleichberechtigung des Kindes aus zweiter Ehe der Mutter (der Hof stammte von der Vaterseite).

4. Die Auswahlkriterien des § 3 Abs 1 Z 1 bis 5 AnerbenG sind nicht nach ihrem Vorrang aufgelistet. Sie sind vielmehr in ihrer Kombination zu lesen und auszulegen. Bei der Auslegung ist vor allem auch der Gesamtzweck des Höferechts zu beachten. Der Revisionsrekurswerber scheidet demnach nicht allein schon deshalb als Anerbe aus, weil ihm die Berufsqualifikation der Z 3 fehlt und diese gegenüber der Z 5 vorrangig wäre. Im Endergebnis kommt seiner fehlenden landwirtschaftlichen Berufsqualifikation allerdings dennoch entscheidende Bedeutung zu:

5. Das gesetzliche Erbrecht des ABGB wird von der Verwandtschaft nach Parentelen (Linien) bestimmt. Für die Anerbenbestimmung aus den Miterben der zweiten Linie kann sowohl § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG, der auf § 731 ABGB verweist, als auch die Z 5 herangezogen werden. Zur zweiten Linie des Erblassers gehören die Eltern und die Geschwister und deren Nachkömmlinge. Zu fragen ist daher, ob der Mutter, obwohl sie als gesetzliche Erbin nach ihrem vorverstorbenen Gatten, dem Vater des Erblassers, berufen war (§ 731 Abs 2 ABGB) entsprechend dem Wortlaut der Z 5 als Erbin „von dieser bestimmten Seite" (der Vaterseite) anzusehen oder ob ihr diese Qualifikation aus bestimmten Gründen abzusprechen ist.

Der Fall liegt hier anders als in der zitierten Vorentscheidung, in welcher es um die Konkurrenz zwischen Halbgeschwistern ging, von denen nur eines Erbe von der Seite war, von der der Hofe stammte. Die Erbeneigenschaft der überlebenden Mutter auf der „richtigen" Seite kann nach dem Gesetzeswortlaut nicht angezweifelt werden, ebenso auch nicht, dass § 3 Abs 1 Z 5 AnerbenG (wie auch die beiden anderen Höfegesetze) voraussetzt, dass der Ehegatte des Erblassers nicht vorhanden ist. Letzteres trifft zwar hier auch zu, wohl ist aber die Ehegattin des Vaters des Erblassers vorhanden, also eine Erbin von der Vaterseite. Damit stellt sich die Frage nach dem Zweck der gesetzlichen Auswahlregeln im Lichte des allgemeinen vom Höferecht verfolgten Zweck der Erhaltung einer krisenfesten, mittelständischen landwirtschaftlichen Struktur, insbesondere durch Verhinderung der Verkleinerung von Betrieben durch Erbteilung. Unter Bedachtnahme auf diese Zwecke sind die im Zusammenhang zu lesenden Auswahlkriterien des § 3 Abs 1 AnerbenG dahin auszulegen, dass den Kriterien der besseren landwirtschaftlichen Erziehung und Berufsausbildung der Vorrang vor dem Herkunftsprinzip zukommt:

6. Gegen den Gesetzeswortlaut (die Mutter des Erblassers ist Erbe von der Vaterseite) kann eingewendet werden, dass mit der Z 5 das bäuerliche Familiendenken geschützt werden soll. Der Hof soll in der Familie bleiben, von der er stammt. Die überlebende Witwe des Hofeigentümers gehört jedoch zur Familie der „Vaterseite". Der verpönte Linienwechsel wird erst mit ihrem Ableben vollzogen, wenn der Hof dann an ihre Kinder fällt. Dass der Witwe (dem überlebenden Ehegatten) sogar gegenüber bestimmten Abkömmlingen des Erblassers der Vorrang zukommt normiert § 3 Abs 1 Z 2 AnerbenG. Der Vorrang besteht nur bei Abkömmlingen, die auf dem Erbhof aufwuchsen, nicht. Die Z 3 stellt auf eine berufsbezogene Erziehung ab. Angesichts dieser die Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs fördernden Kriterien, die das Gesetz nicht nur für die gesetzliche Erbfolge in der ersten Linie aufstellt (Z 3), hat das auf die Erhaltung des Hofs in der Herkunftsfamilie abzielende Fallrecht der Z 5 nicht die überragende Bedeutung, die ihr im Schrifttum - freilich ohne tiefergehende Begründung (auch Zemen verweist letztlich auf eine noch nicht wahrgenommene „vordringliche Aufgabe der Rechtswissenschaft", aaO 31) - zugebilligt wird.

Die Entscheidung der Vorinstanzen ist daher im Ergebnis zu bestätigen. Die als Erbin „von der Vaterseite" zu qualifizierende Mutter des Erblassers ist gegenüber dem konkurrierenden Halbbruder wegen der festgestellten Berufsausbildung (sie führte immerhin 15 Jahre für den Vater des Erblassers den Erbhof) schon nach § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG bevorrangt, sodass es gar nicht mehr auf den näheren Verwandtschaftsgrad nach § 3 Abs 2 Z 1 AnerbenG ankommt. III. Insoweit der Revisionsrekurswerber hilfsweise die festgestellte Erbhofeigenschaft bekämpft, ist auf die ausreichenden Rechtsausführungen des Rekursgerichts zu verweisen. Dass für die Beurteilung der erforderlichen Ertragsfähigkeit der Richtsatz für Ausgleichszulagen nach sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eine Beurteilungshilfe darstellt, wurde schon ausgesprochen (6 Ob 11/92).

Da die Entscheidung erster Instanz vor dem 1. 1. 2005 erging ist noch nicht die Kostenbestimmung des § 78 AußStrG neu anzuwenden. Im außerstreitigen Verfahren findet nach der anzuwendenden alten Rechtslage ein Kostenersatz - außer in hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen - grundsätzlich nicht statt.

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