OGH 6Ob34/92

OGH6Ob34/924.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 28.Mai 1991 verstorbenen August R*****, wegen Bestimmung des Anerben, infolge Revisionsrekurses der Miterbin Theresia T*****, vertreten durch Dr.Heinz Sacher, Rechtsanwalt in Wolfsberg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 9. November 1992, GZ 1 R 461/92-39, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wolfsberg vom 3.September 1992, GZ A 232/91-35, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Rechtsmittelkosten wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der ledige Landwirt August R*****, geboren 1912, ist am 28.Mai 1991 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung kinderlos verstorben. Er war unter anderem Eigentümer der Liegenschaft EZ 46 Grundbuch *****, welche ein Ausmaß von rund 29 ha hat und einen Erbhof im Sinne des § 2 Abs 1 KrntEHG darstellt. Als Erben des Nachlasses haben auf Grund des Gesetzes der Bruder Alois R***** zu 15/36 Anteilen, die Halbschwester Theresia T***** zu 6/36 Anteilen und die drei Kinder der vorverstorbenen Schwester Maria S*****, nämlich Benno S*****, Simon S***** und Johanna W***** zu je 5/36 Anteilen die unbedingte Erbserklärung abgegeben. Alois R***** und Theresia T***** beanspruchen die Anerbenstellung für den Erbhof.

Die Erbhofliegenschaft stand ursprünglich im Eigentum des Vaters des Erblassers, Franz R*****. Nach seinem Tode ging die Liegenschaft auf Grund der Einantwortung vom 15.Dezember 1918 in das Alleineigentum seiner Witwe Anna R***** mit der Verpflichtung über, die Liegenschaft zu Lebzeiten oder von Todes wegen einem der vier gemeinsamen Kinder Johann R*****, August R*****, Maria S***** oder Alois R*****, geboren am 10.Juni 1917, zu übergeben. In der Folge heiratete Anna R***** den Landwirt Anton H*****. Aus der zweiten Ehe stammt die Tochter Theresia T*****, geboren am 17.September 1920. Die im Eigentum des Anton H***** stehenden Liegenschaften EZ 50 und EZ 80 ***** und die der Anna H*****, verwitwete R***** eingeantwortete Liegenschaft EZ 46***** wurden gemeinsam von der Hofstelle *****Nr.48 aus bewirtschaftet.

Sowohl der Sohn aus erster Ehe Alois R***** als auch die aus der

zweite Ehe stammende Theresia H***** (später verehelichte T*****)

wuchsen auf der Hofstelle des Erbhofes auf und arbeiteten nach

besuchter Volksschule im elterlichen Betrieb mit. Als Hofübernehmer

der EZ 46 ***** war der im Jahre 1912 geborene August R***** - der

nunmehrige Erblasser - vorgesehen. 1938 bis 1939 war Alois R***** 9

Monate lang als Roßknecht bei einem benachbarten Landwirt tätig.

Danach wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg half er seiner Mutter - diese war seit dem Jahre 1943 wieder Witwe - bei der Bewirtschaftung des Erbhofes, bis sein Bruder August R***** aus dem Krieg heimkehrte. Im Jahre 1946 trat Alois R***** in den Justizdienst ein. Dort war er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1980 tätig.

Theresia H*****, später verehelichte T*****, arbeitete zunächst bis

zum Jahre 1943 auf den elterlichen Liegenschaften EZ 50 und EZ 80

sowie EZ 46 *****. Nach dem Tode ihres Vaters Anton H***** wurde

sie auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 11.März 1944 Eigentümerin

von dessen Liegenschaften EZ 50 und EZ 80 *****. Alle drei

Liegenschaften wurden bis 1947 von der Mutter Anna H***** und ihrer

Tochter von der Hofstelle ***** aus bewirtschaftet. Danach führte

Anna H***** ihren landwirtschaftlichen Betrieb gemeinsam mit ihrem

Sohn August R*****, dem sie die Liegenschaft EZ 46 ***** mit

Übergabsvertrag vom 6.Juli 1970 in das Eigentum übertrug. Im Jahr

1947 heiratete Theresia H***** den Landwirt Georg T***** und zog

zu diesem nach Unterleidenberg, von wo aus sie einige Jahre hindurch

die ihr im Erbweg zugekommenen Liegenschaften EZ 50 und EZ 80 *****

versorgte. Ab dem Jahre 1954 nutzte sie diese Liegenschaften nur

mehr als Viehweide und forstwirtschaftlich. Bis zu ihrer

Pensionierung im Jahre 1985 arbeitete sie als Bäuerin. Die

Liegenschaften EZ 50 und EZ 80 ***** hat sie an ihre Tochter Rosalia

O***** verpachtet.

Theresia T***** ist rüstig und ohne körperliche Gebrechen. Sie beabsichtigt, für den Fall ihrer Bestimmung als Anerbin den Erbhof EZ 46 ***** mit Unterstützung ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes, die beide Landwirte sind, zu bewirtschaften.

Alois R***** hat Kriegsverletzungen im Bereich des Ellbogens und der Kniekehle erlitten, ist aber, wie seine Halbschwester, noch rüstig. Er beabsichtigt, sollte er zum Anerben bestellt werden, den Erbhof mit Hilfe seines 41-jährigen Sohnes, der gegenwärtig als Koch arbeitet, zu bewirtschaften.

Sowohl Alois R***** als auch Theresia T***** sind auf Grund ihres Alters und ihres Gesundheitszustandes nicht mehr zur persönlichen Bewirtschaftung des Erbhofes in der Lage.

Theresia T***** hat hinsichtlich ihres Halbbruders Alois R***** einen Ausschließungsgrund nach § 8 Abs 1 Z 1 KrntEHG geltend gemacht.

Das Erstgericht bestimmte Theresia T***** als Anerbin des Erbhofes EZ

46 Grundbuch *****. Es führte aus, der Anerbe sei nach der Bestimmung

des § 6 Abs 1 Z 4 KrntEHG zu bestimmen. Sowohl Theresia T***** als

auch Alois R***** seien nicht unversorgt, beide seien auf dem Hof

aufgewachsen. Da das KrntEHG die Erhaltung wirtschaftlich

leistungsfähiger bäuerlicher Betriebe bezwecke, sei bei der

Bestimmung des Anerben auf dessen Eignung für die Landwirtschaft zu

achten. Theresia T***** habe bis zu ihrer Pensionierung im Jahre

1985 als Bäuerin gearbeitet und durch ihre langjährige Tätigkeit

große Berufserfahrung erlangen können, während Alois R***** seit

1946 nicht mehr in der Land- und Forstwirtschaft tätig gewesen sei, weshalb er als Anerbe weniger geeignet erscheine.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Alois R***** Folge, hob den

Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Da sich mehrere nach dem verstorbenen Alleineigentümer des Erbhofes

eintretende Miterben nicht darüber einigen könnten, wer von ihnen

Anerbe werden sollte, sei dieser nach den Vorschriften des § 6 Abs 1

und 2 KrntEHG zu bestimmen. Das Erstgericht habe zu Unrecht § 6 Abs

1 Z 4 angewendet. Im vorliegenden Fall komme vielmehr § 6 Abs 1 Z 3

zum Tragen, daß nämlich dann, wenn der Erblasser, wie im

vorliegenden Fall, weder Nachkommen noch einen Ehegatten hinterlassen

habe und der Erbhof von der Seite eines Elternteiles stamme, den

Miterben von dieser Seite das Vorrecht gebühre. Diese Bestimmung

solle verhindern, daß bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen und

einem Ehegatten der Erbhof an eine Linie falle, von der er nicht

stamme. Der ursprünglich im Alleieigentum des Vaters des Erblassers

gestandene Erbhof sei nach dessen Tod seiner Ehefrau nur mit der

Auflage eingeantwortet worden, diesen zu Lebzeiten oder von Todes

wegen einem der vier Kinder aus dieser Ehe ins Alleineigentum zu

übertragen, was 1970 durch den Übergabsvertrag zugunsten des

Erblassers auch geschehen sei. Der Hof stamme damit ursprünglich von

der Vaterseite des Erblassers, sodaß nach der Regelung des § 6 Abs

1 Z 3 KrntEHG dem Miterben Alois R***** vor seiner Halbschwester aus

der zweiten Ehe der gemeinsamen Mutter das Vorrecht zukomme.

Zum gleichen Ergebnis gelange man bei Anwendung des § 6 Abs 2 Z 2,

wenn § 6 Abs 1 Z 4 wegen gleicher Voraussetzungen der beiden

Prätendenten zu keinem Ergebnis führen könne. Beide seien auf dem

Erbhof aufgewachsen, beide nicht unversorgt und beide in gleicher

Weise ohne besondere schulische Ausbildung zur Landwirtschaft erzogen

worden. Die Fähigkeit als Landwirt gebe nur im Zusammenhang mit §

6 Abs 2 Z 2 den Ausschlag und auch dies nur bei gleichem Alter der

Miterben, wobei überdies noch die Wünsche des Erblassers nach

Tunlichkeit zu berücksichtigen seien. Hier müßte das höhere Alter

des Alois R***** den Ausschlag geben.

Eine Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses sei noch nicht möglich, weil das Erstgericht zum geltend gemachten Ausschließungsgrund nach § 8 Abs 1 Z 1 KrntEHG keine ausreichenden Feststellungen getroffen habe.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidunggegenstandes S 50.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine Rechtsprechung zu den hier anzuwendenden Bestimmungen des § 6 KrntEHG fehle und der Lösung dieser Rechtsfragen über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

§ 6 KrntEHG bestimmt ebenso wie § 3 AnerbenG für den Fall, daß sich mehrere nach dem Alleineigentümer eines Erbhofes zugleich eintretende Miterben nicht einigen, wer von ihnen Erbe werden soll, stufenförmig aufgebaute Auswahlkriterien. Dabei kommt der Frage, von welcher Seite der Erbhof ganz oder zum großen Teil stammt, eine besondere Bedeutung zu. Diese ist nicht nur in dem hier zu beurteilenden Fall nach Abs 1 Z 3 "wenn der Erblasser weder Nachkommen noch einen Ehegatten hinterlassen hat und der Erbhof ganz oder zum großen Teile von der Seite eines Elternteiles stammt" maßgeblich, sondern gibt schon im Abs 1 Z 1 und 2, wenn der Erbhof von der Seite des überlebenden Ehegatten oder eines früheren Ehegatten des Erblassers stammt, dessen Nachkommen den Vortritt vor den anderen Miterben. Aus der gesetzlichen Betonung der Herkunft des Hofes von einer bestimmten Seite und der verwandtschaftlichen Nähe der Miterben zu dieser Seite hat Kathrein (Anerbenrecht, 23) abgeleitet, solche "näherstehende" Miterben seien sogar den nach § 3 Abs 1 Z 1 oder Z 3 AnerbenG - diese Bestimmungen ensprechen im wesentlichen § 6 Abs 1 Z 1 und 4 KrntEHG - privilegierten Miterben vorzuziehen. Der erkennende Senat stimmt der Auffasung des Rekursgerichtes zu, daß auf den vorliegenden Fall jedenfalls § 6 Abs 1 Z 3 KrntEHG in der von diesem vorgenommenen Auslegung anzuwenden ist: Die Bestimmungen der Ziffern 2 und 3 sollen der Ungerechtigkeitsteuern, daß bei Vorhandensein von Abkömmlingen von mehreren Ehen oder bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen und einem Ehegatten der Erbhof an eine Linie fallen würde, von der er nicht stammt (vgl.

Edelbacher, Anerbengesetz 29) und entspricht dem bäuerlichen Denken

in Parentelen, nach welchen auch die Erbfolge nach Linien und

Stämmen in § 731 ABGB geregelt ist. Dabei kann es keinem Zweifel

unterliegen, daß mit der Formulierung "wenn der Erbhof von der Seite

eines Elternteiles stammt" nicht gemeint ist, daß der Erbhof, den

der Alleineigentümer von seinen Vorfahren übernommen hat und der

wegen seines Vorversterbens an die überlebende Ehefrau mit der

Verpflichtung zur Weitergabe zu Lebzeiten oder von Todes wegen an

die gemeinsamen Kinder übergegangen ist, nunmehr von der gleichsam

nur als Statthalterin für die Nachkommen aus der gemeinsamen Ehe

fungierenden Ehefrau "stammt", im Erbfall nach deren Tode somit

Kinder aus einer weiteren eingegangenen Ehe hinsichtlich ihrer

Anerbenstellung bezüglich des Erbhofes gleichberechtigt sein sollen.

Da im vorliegenden Fall somit eine Auswahl des Anerben schon nach § 6 Abs 1 Z 3 KrntEHG möglich ist, kommen die Auswahlkriterien des Absatzes 2 nicht mehr zur Anwendung. Weil das Rekursgericht auch der Frage, was unter "Erziehung zur Land- und Forstwirtschaft" zu verstehen sei, erhebliche Bedeutung zugemessen hat, sei der Vollständigkeit halber ausgeführt, daß nach der Regierungsvorlage zum Anerbengesetz unter der Erziehung zur Land- und Forstwirtschaft - und insoweit wird dieselbe Formulierung wie im KrntEHG verwendet - jede Ausbildung zu verstehen ist, die die für die Führung eines solchen Betriebes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeit vermittelt.

Ob ein Miterbe die Ausbildung zur Land- und Forstwirtschaft auf dem

Hof oder auswärts (z.B. in einer Fachschule oder auf einer

Universität) erhält oder erhalten hat, ist unerheblich (Kathrein

aaO, 23).

Da das Rekursgericht die Feststellungen des Erstgerichtes zur Beurteilung des geltend gemachten Ausschließungsgrundes des festzustellenden Anerben nach § 8 Abs 1 Z 1 KrntEHG für nicht ausreichend erachtete, hat es bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses zu verbleiben.

Ein Kostenersatz ist im vorliegenden Außerstreitverfahren im Gesetz nicht vorgesehen; der Rechtsmittelwerber hat somit jedenfalls keinen Kostenersatzanspruch.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte