OGH 10ObS148/14h

OGH10ObS148/14h22.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Bassler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Mag. Andreas Nösterer, Rechtsanwalt in Pregarten, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. September 2014, GZ 12 Rs 85/14b‑11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 11. April 2014, GZ 31 Cgs 66/13k‑5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00148.14H.1022.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Vater eines am 29. März 2013 geborenen Sohnes. Er lebt mit dem Kind und dessen Mutter im gemeinsamen Haushalt in Österreich. Sie alle sind österreichische Staatsbürger und haben ihren Lebensmittelpunkt in Österreich. Für das Kind wird die österreichische Familienbeihilfe bezogen.

In den letzten sechs Monaten vor der Geburt des Kindes übte der Kläger in Österreich keine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit aus. Er ist seit 1999 in Deutschland beschäftigt und auch in den letzten sechs Monaten vor der Geburt des Kindes einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in Deutschland nachgegangen.

Die Mutter des Kindes und Ehefrau des Klägers ist seit August 2007 in Österreich beschäftigt. Sie bezog bis 26. 6. 2013 Wochengeld und vom 27. 6. 2013 bis 31. 8. 2013 einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld von 55,51 EUR täglich. Während der Karenz seiner Ehefrau nach dem MSchG war der Kläger vom 1. 9. 2013 bis 31. 10. 2013 in deutscher Elternzeit.

Die beklagte Gebietskrankenkasse lehnte mit Bescheid vom 27. 11. 2013 die Gewährung eines einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum vom 1. 9. 2013 bis 31. 10. 2013 an den Kläger ab, weil er in den letzten sechs Monaten vor der Geburt des Kindes in Österreich keine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei dem Grunde nach zur Zahlung von Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 1. 9. 2013 bis 31. 10. 2013 als Ersatz des Erwerbseinkommens und zu einer vorläufigen Zahlung von 2.013 EUR bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheids.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Auf der Grundlage der VO (EG) 883/2004 erhielten Grenzgänger Familienleistungen grundsätzlich aus dem Beschäftigungsstaat. Bestehe aber im Wohnstaat der Kinder Anspruch auf analoge Familienleistungen, der vom anderen Elternteil ausgelöst werde, so ruhten die Ansprüche aus dem Beschäftigungsstaat bis zur Höhe der Familienleistungen im Wohnstaat. Art 68 Abs 2 der Verordnung garantiere der Familie die der Höhe nach günstigste Familienleistung. Art 68 der Verordnung verdränge § 24 Abs 2 KBGG. Art 60 Abs 1 VO (EG) 987/2009 normiere ausdrücklich eine Familienbetrachtungsweise, so als ob alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des prioritär zuständigen Mitgliedstaats fielen und dort wohnen würden. Daher sei das Einkommen jener Person heranzuziehen, die die Erziehungsarbeit leiste, auch wenn dieses Einkommen in einem anderen Mitgliedstaat erwirtschaftet worden sei. Der Kläger erhalte das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld für zwei Monate und seine Ehefrau für weitere zwölf Monate. Ein Doppelbezug liege deshalb nicht vor.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Verhältnis von § 24 KBGG zu Art 68 VO (EG) 883/2004 fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die unbeantwortete Revision der beklagten Partei ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht im Wesentlichen geltend, die vom Kläger begehrte Bezugsdauer erfülle im Hinblick auf § 902 Abs 2 ABGB nicht das Erfordernis des § 5 Abs 4 KBGG, wonach die Leistung in einem Block von mindestens zwei Monaten beansprucht werden könne. Da der Bezug des Kinderbetreuungsgeldes durch den Kläger am 1. 9. 2013 beginnen solle, ende die zweimonatige Mindestfrist (erst) am 1. 11. 2013. Weiters seien deutsche Beschäftigungszeiten österreichischen Zeiten nicht gleichzustellen, sondern diese Zeiten seien nur zusammenzurechnen. Dies setze aber mindestens zwei in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegte Zeiten voraus. Der Kläger habe keine ersatzfähigen österreichischen Einkünfte. Er unterliege ausschließlich dem Recht Deutschlands und habe nach Art 11 Abs 3 lit a, Art 67 VO (EG) 883/2004 keinen Anspruch auf österreichische Familienleistungen. Österreich sei nicht nach Art 68 VO (EG) 883/2004 vorrangig leistungszuständig, sondern bloß nachrangig für etwaige Differenzzahlungen. Auch wenn der Kläger die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld erfüllte, hätte er nur Anspruch auf die Pauschalvariante 12+2, die niedriger sei als das deutsche Elterngeld. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld sei auch keine Familienleistung, sondern eine Mutterschafts‑ bzw Vaterschaftsleistung nach Titel III, Kapitel 1 der VO (EG) 883/2004.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Der Kläger ist Grenzgänger gemäß der Definition nach Art 1 lit f VO (EG) 883/2004 (im Folgenden VO 883/2004 ), in deren persönlichen Geltungsbereich er sowie seine Ehefrau und sein Kind (Familienangehörige gemäß Art 1 lit i VO 883/2004 ) fallen.

2. Der sachliche Geltungsbereich der Verordnung umfasst unter anderem alle Rechtsvorschriften (Art 1 lit l VO 883/2004 ), die Leistungen bei Krankheit und bei Mutterschaft sowie gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft (Art 3 Abs 1 lit a und b VO 883/2004 ) und Familienleistungen (Art 3 Abs 1 lit j VO 883/2004 ) betreffen.

2.1 Familienleistungen definiert Art 1 lit z VO 883/2004 dahin, dass darunter alle Sach‑ oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten fallen, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts‑ und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I. Das österreichische Kinderbetreuungsgeld fällt unter diesen Begriff der Familienleistung (10 ObS 117/14z; 10 ObS 27/08f, SSV‑NF 22/65 = DRdA 2010/24, 310 [ Spiegel ] mwN ua; RIS‑Justiz RS0122905; Spiegel in Spiegel , Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Art 1 VO 883/2004 Rz 80; vgl EuGH C‑543/03, Dodl und Oberhollenzer Slg 2005, I‑5049). Es ist ‑ wie auch das Elterngeld nach dem deutschen Bundeselterngeld‑ und Elternzeitgesetz‑BEEG (vgl EuGH, C‑347/12, Wiering , EU:C:2014:300, Rz 27 ff und Rz 43) ‑ eine Geldleistung an Eltern, die im Hinblick auf die Betreuung (Erziehung) des Kindes für eine bestimmte Zeit nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig sind.

2.2 Im Licht dieser Zweckbestimmung ist auch das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld keine „Leistung bei Mutterschaft oder gleichgestellte Leistung bei Vaterschaft“, die nach Titel III Kapitel 1 der VO koordiniert wird, dient es doch nicht dazu, Risken auszugleichen, die durch Mutterschaft (Vaterschaft) entstehen können.

2.2.1 Bereits Art 4 Abs 1 lit a VO (EWG) 1408/71 erfasste „Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft“. Der Begriff „Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft“ ist unionsrechtlich zu bestimmen und nicht unter Zugrundelegung der entsprechenden Kriterien des nationalen Rechts auszulegen ( Fuchs in Fuchs , Europäisches Sozialrecht 6 Art 3 VO (EG) 883/2004 Rz 8 mwN). Kennzeichnend für eine Leistung bei Krankheit ist nach der Rechtsprechung des EuGH, dass sie das Risiko eines krankhaften Zustands abdeckt, der dazu führt, dass der Betroffene seine Tätigkeiten vorübergehend aussetzt (EuGH C‑503/09, Stewart , EU:C:2011:500, Rz 37).

2.2.2 Mit der neuen Koordinierungsverordnung VO 883/2004 kamen lediglich die den Leistungen der Mutterschaft gleichgestellten Leistungen bei Vaterschaft hinzu. Dadurch wird aber nicht die Ausdehnung der Koordinierung nach Titel III Kapitel 1 der VO auf Erziehungsleistungen bezweckt (Erwägungsgrund 19 der VO), diese sind weiterhin als Familienleistungen zu behandeln ( Spiegel in Spiegel Art 3 VO 883/2004 Rz 12). Es erschien dem Verordnungsgeber angezeigt, Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft gemeinsam zu regeln, weil sich für Väter die Leistungen bei Vaterschaft von Erziehungsleistungen unterscheiden und mit Leistungen bei Mutterschaft im engeren Sinn gleichgesetzt werden können, da sie in den ersten Lebensmonaten eines Neugeborenen gewährt werden (Erwägungsgrund 19). Leistungen bei Mutterschaft stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entbindung ( Reinhard in Hauck/Noftz , EU‑Sozialrecht Vor K Art 67‑69 VO 883/04 Rz 7). Zu der von der Revisionswerberin angeregten Vorlage der Frage, ob das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld unter den Begriff der „Leistungen bei Mutterschaft sowie gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft“ fällt, an den EuGH zur Vorabentscheidung besteht unter dem Blickwinkel der Urteile des EuGH in den Rechtssachen C‑543/03, Dodl und Oberhollenzer , EU:C:2005:364; C‑347/12, Wiering , EU:C:2014:300, sowie C‑503/09, Stewart , EU:C:2011:500, kein Anlass. Es fällt somit das österreichische Kinderbetreuungsgeld, auch wenn es Einkommensersatz‑Funktion hat (§§ 24 f KBGG), unter den Begriff der „Familienleistungen“ im Sinne des Art 1 lit z der VO 883/2004 (vgl Spiegel in Spiegel Art 1 VO 883/2004 Rz 76/1).

3. Familienleistungen werden nach den Bestimmungen des Titels III Kapitel 8 der VO 883/2004 koordiniert (Art 67‑69 VO):

3.1 Art 67 VO 883/2004 sieht einen Anspruch auf Export von Familienleistungen für Familienangehörige vor, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Zuständig für den Export von Familienleistungen ist jener Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften gemäß Art 11 ff VO 883/2004 anwendbar sind. Nach der Grundregelung in Art 11 Abs 1 VO 883/2004 unterliegen Personen, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsordnung hiefür in Frage kommt, bestimmt Art 11 Abs 3 VO 883/2004 . Nach dem im gegebenen Zusammenhang relevanten Art 11 Abs 3 lit a VO 883/2004 unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Vorschriften dieses Mitgliedstaats.

3.2 Art 68 Abs 1 VO 883/2004 normiert Prioritätsregeln, wenn Ansprüche auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen zusammentreffen. Diese Bestimmung legt somit, um Doppelleistungen zu vermeiden, für den Fall der Kumulierung von Anspruchsberechtigungen aus verschiedenen Mitgliedstaaten fest, welche Staaten vorrangig zuständig sind. Art 60 Abs 1 zweiter Satz VO (EG) 987/2009 bestimmt für die Anwendung von Art 67 und 68 VO 883/2004 , insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, dass vom zuständigen Träger die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen („Familienbetrachtungsweise“). Dies bedeutet, dass für die Frage, ob ein Anspruch auf Familienleistungen besteht und in welcher Höhe dieser gebührt, die gesamte Situation der Familie vom zuständigen Träger zu berücksichtigen ist, auch wenn gewisse Sachverhaltselemente (zB Wohnsitz oder Beschäftigungsort) in einem anderen Mitgliedstaat liegen oder dort eingetreten sind (zB Arbeitsverdienst bzw Erwerbseinkommen). Die Familienbetrachtungsweise stellt somit im Ergebnis eine spezielle Ausprägung der Sachverhaltsgleichstellung im Sinne des Art 5 VO 883/2004 dar ( Felten in Spiegel , Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Art 60 VO 987/2009 Rz 1).

3.3 Die Prioritätsregeln selbst sind in Art 68 Abs 1 VO 883/2004 in Form einer Kaskade aufgebaut. Die Rangfolge wird danach bestimmt, aus welchem Grund die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zur Anwendung kommen. Das anzuwendende Recht wird durch Art 11 Abs 3 VO 883/2004 festgelegt. Gemäß Art 68 Abs 1 lit a VO 883/2004 stehen an erster Stelle Ansprüche, die deshalb bestehen, weil die betreffende Person im jeweiligen Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt. Diesen nachgereiht sind Ansprüche, die durch eine Rente ausgelöst werden. Darauf folgen an letzter Stelle Ansprüche, die aufgrund des Wohnsitzes bestehen. Unerheblich ist hingegen, ob nach innerstaatlicher Systematik der Anspruch auf Familienleistungen durch eine Beschäftigung oder durch den Wohnsitz im Inland ausgelöst wird. Für den Fall, dass ein Anspruchskonflikt deshalb besteht, weil die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten jeweils aus dem gleichen Grund (nämlich Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit; Rentenbezug; Wohnort) zur Anwendung kommen, bestimmt Art 68 Abs 1 lit b VO 883/2004 jenen Staat als vorrangig zuständig, in dem auch die Kinder ihren Wohnort haben ( Felten in Spiegel , Art 68 VO 883/2004 Rz 2 ff). Wohnt daher eine Familie beispielsweise in Österreich und gehen sowohl Vater als auch Mutter einer Beschäftigung nach, wobei aber der Vater in Deutschland als Arbeitnehmer beschäftigt ist, so sind sowohl die deutschen als auch die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden; beide aufgrund der Ausübung einer Beschäftigung. In diesem Fall ist gemäß Art 68 Abs 1 lit b sublit i VO 883/2004 Österreich vorrangig zuständig, da hier auch die Kinder ihren Wohnsitz haben. In diesem Sinne gingen die Vorinstanzen davon aus, dass der Kläger aufgrund seiner Beschäftigung in Deutschland Anspruch auf Elterngeld (§ 1 BEEG) nach deutschem Recht hat, seine Ehefrau aufgrund ihrer Beschäftigung in Österreich Anspruch auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld nach österreichischem Recht hat, wobei Österreich gemäß Art 68 Abs 1 lit b sublit i VO 883/2004 vorrangig zuständig ist, weil das Kind in Österreich wohnt.

3.4 Dieser Auffassung war auch die beklagte Partei noch im Berufungsverfahren. In ihrer Revision vertritt sie jedoch nunmehr den Standpunkt, da der Kläger mit Wissen und Willen seiner Ehefrau vom 1. 9. 2013 bis 31. 10. 2013 in deutscher Karenz gewesen sei, sei ein Ende der Karenz der Ehefrau mit Beginn der Karenz des Klägers anzunehmen. Nach österreichischem Recht sei nämlich eine gleichzeitige Inanspruchnahme von Karenz durch beide Elternteile nicht zulässig. Im Zeitraum vom 1. 9. 2013 bis 31. 10. 2013 habe die Ehefrau des Klägers keine Beschäftigung ausgeübt und sich mangels Vorliegens einer Karenz nach dem MSchG auch nicht in einer gleichgestellten Situation befunden. Die Ehefrau des Klägers sei daher im verfahrensgegenständlichen Zeitraum den österreichischen Rechtsvorschriften nicht aufgrund einer Beschäftigung, sondern aufgrund des Wohnorts unterlegen. Es sei somit Deutschland vorrangig leistungszuständig.

3.5 Zu diesem nunmehrigen Vorbringen der beklagten Partei ist auszuführen, dass die VO 883/2004 den Begriff der „Beschäftigung“ in Art 1 lit a definiert. Demnach ist eine „Beschäftigung“ „jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt“. Art 1 lit a VO 883/2004 verweist daher auf das Sozialrecht des Mitgliedstaats, das auf den jeweiligen Sachverhalt anzuwenden ist. Nach Art 11 Abs 3 lit a VO 883/2004 unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats.

3.6 Neben diesen gesetzlichen Vorgaben enthält der Beschluss Nr F1 der Verwaltungskommission vom 12. 6. 2009 zur Auslegung des Art 68 VO 883/2004 eine weitere Begriffsbestimmung. Demnach ist der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter anderem ein unbezahlter Urlaub zum Zwecke der Kindererziehung gleichgestellt, solange ein solcher Urlaub nach nationalem Recht einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist. Seit der Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes bestehen in § 24 Abs 2 KBGG für Zeiten des Mutterschutzes und der Karenz derartige Gleichstellungsbestimmungen. Nach § 24 Abs 2 KBGG ist unter Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zu verstehen. Als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG 1979 oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder VKG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes. Damit sollte unmissverständlich klargestellt werden, dass ausschließlich ein Beschäftigungsverbot oder eine gesetzliche Karenz nach MSchG/VKG (bzw gleichartigen anderen österreichischen Gesetzen) bis maximal zum zweiten Geburtstag des Kindes einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit/Beschäftigung gleichgestellt ist (vgl 10 ObS 117/14z mwN).

3.7 Im vorliegenden Fall ist nach den Feststellungen davon auszugehen, dass die Ehefrau des Klägers seit August 2007 in Österreich beschäftigt ist, sie anlässlich der Geburt ihres Kindes bis 26. 6. 2013 Wochengeld bezogen hat und sie anschließend ‑ also auch im hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 1. 9. 2013 bis 31. 10. 2013 ‑ nach § 15 Abs 1 MSchG in Karenz war. Auch die beklagte Partei hat in ihrer Klagebeantwortung vorgebracht, dass der Kläger in der Zeit vom 1. 9. 2013 bis 31. 10. 2013 in deutscher Elternzeit (arbeitsrechtliche Freistellung vergleichbar mit der österreichischen Karenz nach dem MSchG bzw VKG) und seine Ehefrau im selben Zeitraum in österreichischer Karenz nach dem MSchG gewesen sei. Soweit die beklagte Partei in ihrer Revision nunmehr im Widerspruch zu ihrem bisherigen Vorbringen erstmals geltend macht, da der Kläger mit Wissen und Willen seiner Ehefrau vom 1. 9. 2013 bis 31. 10. 2013 in deutscher Karenz gewesen sei, sei ein Ende der Karenz seiner Ehefrau mit Beginn seiner Karenz am 1. 9. 2013 anzunehmen, da nach § 15 Abs 1a MSchG eine gleichzeitige Inanspruchnahme von Karenz durch beide Elternteile ausgenommen im Falle des § 15a Abs 2 MSchG nicht zulässig sei, handelt es sich dabei um eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung. Im Übrigen schließt zwar § 15 Abs 1a MSchG eine gleichzeitige Inanspruchnahme von Karenz nach dem MSchG durch beide Elternteile grundsätzlich aus. Es lässt sich dieser Bestimmung jedoch nicht entnehmen, dass auch die Inanspruchnahme der deutschen Elternzeit durch einen Elternteil die gleichzeitige Inanspruchnahme einer österreichischen Karenz durch den anderen Elternteil ausschließt.

3.8 Da somit die Karenzzeit der Ehefrau des Klägers als „Beschäftigung“ im Sinne des Art 68 VO 883/2004 anzusehen ist, ist nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen Österreich gemäß Art 68 Abs 1 lit b sublit i VO 883/2004 der für die Gewährung von Familienleistungen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vorrangig zuständige Mitgliedstaat, weil hier auch der Wohnort des Kindes ist (vgl Felten in Spiegel , Art 60 VO 987/2009 Rz 2).

3.9 Art 68 VO 883/2004 vermeidet einerseits Doppelleistungen und sichert andererseits Leistungsansprüche, die ein Elternteil nach dem Recht eines Mitgliedstaats erworben hat und kürzt diese nur, falls für dasselbe Kind nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats eine Leistungspflicht ebenfalls besteht. Die Lastenverteilung begründet sich daraus, dass der Wohnstaat des Kindes und Beschäftigungsstaat eines Elternteils eine höhere Verantwortung für den Ausgleich der Familienlasten hat als der Staat, in dem ein Elternteil zwar beschäftigt ist, aber das zu fördernde Kind nicht wohnt ( Eichenhofer , Sozialrecht der Europäischen Union 5 182 f). Aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑543/03, Dodl und Oberhollenzer , EU:C:2005:364, Rz 60, folgt, dass diese Verteilungsregel auch für das Elterngeld gilt ( Eichenhofer , Sozialrecht der Europäischen Union 5 183; vgl EuGH C‑257/10, Bergström , EU:C:2011:839, zum schwedischen Elterngeld). Im Fall des Kinderbetreuungsgeldes kann nichts anderes gelten. Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlasst, dem EuGH die Frage, ob Art 68 VO 883/2004 so auszulegen ist, dass dadurch eine Lastenverschiebung von einem Mitgliedstaat auf einen anderen vorgesehen ist, zur Vorabentscheidung vorzulegen.

4. Unzutreffend ist die Ansicht der beklagten Partei, die vom Kläger begehrte Bezugsdauer erfülle im Hinblick auf § 902 Abs 2 ABGB nicht das Erfordernis des § 5 Abs 4 KBGG, wonach die Leistung in einem Block von mindestens zwei Monaten beansprucht werden könne. Da der Kinderbetreuungsgeldbezug am 1. 9. 2013 beginnen solle, ende die zweimonatige Mindestfrist (erst) am 1. 11. 2013.

4.1 Eigentlicher Anwendungsbereich der §§ 902 bis 904 ABGB sind alle materiell‑rechtlichen Fristen des Privatrechts (9 ObA 803/94; Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 902 Rz 1). Die Mindestbezugsdauer nach § 5 Abs 4 KBGG wie auch die Dauer der Ansprüche nach dem KBGG sind aber materielles öffentliches Recht. Der Ablauf einer materiellen Frist des Verwaltungsrechts ist in analoger Anwendung der §§ 902 f ABGB zu ermitteln, soweit es an spezifischen verwaltungsrechtlichen Regeln mangelt (1 Ob 9/03k, SZ 2003/29 = RIS‑Justiz RS0117587; Reischauer in Rummel/Lukas ABGB 4 § 902 Rz 13 mwN).

4.2 Aus § 4 Abs 1 KBGG, wonach das Kinderbetreuungsgeld (frühestens) ab dem Tag der Geburt des Kindes gebührt, ergibt sich, dass die Leistung bereits am ereignisauslösenden Tag zu erbringen ist. Die je nach Kinderbetreuungsgeldvariante unterschiedliche Höchst‑ anspruchsdauer stellt auf die Vollendung bestimmter Lebensmonate des Kindes ab (§ 5 Abs 1, 2 und 4a, § 5a Abs 3, § 5b Abs 3, § 5c Abs 3, § 24b KBGG). Ein Lebensmonat endet an dem Tag, der dem nach seiner Zahl dem Geburtstag entsprechenden Tag vorangeht (vgl ErläutRV 620 BlgNR 21. GP  62 zum KBGG). Denn die Berechnung von Altersstufen ist nicht nach § 902 Abs 2 ABGB vorzunehmen; der Tag der Geburt wird mitgerechnet (vgl Reischauer in Rummel/Lukas ABGB 4 § 902 Rz 6; Binder/Kolmasch in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 902 f Rz 29; Kietaibl in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 902 Rz 13; Aichberger‑Beig in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 903 Rz 9). Diese Bestimmungen über den Beginn und den Endzeitpunkt der maximalen Anspruchsdauer stehen der Regel, dass der den Fristenlauf auslösende Tag bei Tages‑, Monats‑ oder Jahresfristen nicht einzurechnen ist (§ 902 Abs 1 und 2 ABGB), entgegen. Der vom Kläger beantragte Bezugszeitraum erfüllt daher die Mindestbezugsdauer von zwei Monaten.

4.3 Das Europäische Fristenberechnungs‑ übereinkommen (EuFrÜb, BGBl 1983/254) erfasst auch gesetzliche Fristen des Verwaltungsrechts (Art 1 lit a EuFrÜb). Der Explanatory Report zu diesem Übereinkommen hat zwar keinen autoritativen Charakter (II. des Reports), bildet jedoch eine wichtige Auslegungshilfe (vgl Aichberger‑Beig in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 902 Rz 21; Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 902 Rz 6), weil er von den Verfassern des Europäischen Fristenberechnungsübereinkommens stammt (II. des Reports). Nach Punkt 11. der allgemeinen Erwägungen sind Zeitspannen, für die Sozialleistungen (zB Arbeitslosengeld oder Wochengeld) zustehen, keine Fristen im Sinn des Übereinkommens. Diesem Verständnis des Begriffs Frist im EuFrÜb entsprechend ist dieses Übereinkommen auf die Mindestbezugsdauer nach § 5 Abs 4 KBGG nicht anwendbar (vgl Aichberger‑Beig in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 902 Rz 21), zumal auch nach der in der Literatur herrschenden Auffassung bei der Berechnung der Leistungsdauer in Dauerschuldverhältnissen abweichend von Art 3 f EuFrÜb der erste Tag der Leistungserbringung in die Fristberechnung einzubeziehen ist ( Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 902 Rz 47; Binder/Kolmasch in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 902 f Rz 3 und 30; vgl jüngst 10 ObS 49/15a).

5. Eine besondere Voraussetzung des Anspruchs eines Elternteils auf Kinderbetreuungsgeld für sein Kind als Ersatz des Erwerbseinkommens (§§ 24 bis 24d KBGG) ist, dass dieser Elternteil in den letzten sechs Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes in Österreich eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat (§ 24 Abs 1 Z 2 iVm § 24 Abs 2 KBGG).

5.1 Nach ständiger Rechtsprechung verbietet der in Art 4 VO 883/2004 niedergelegte Gleichbehandlungs‑ grundsatz nicht nur offenkundige Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit der nach den Systemen der sozialen Sicherheit leistungsberechtigten Personen, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen. Als mittelbar diskriminierend sind daher Voraussetzungen des nationalen Rechts anzusehen, die zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten, aber im Wesentlichen oder ganz überwiegend Wanderarbeitnehmer betreffen sowie unterschiedslos geltende Voraussetzungen, die von inländischen Arbeitnehmern leichter zu erfüllen sind als von Wanderarbeitnehmern ( Fuchs in Fuchs , Europäisches Sozialrecht 6 Art 4 VO [EG] 883/2004 Rz 2 mwN). Es steht daher dieses Gleichbehandlungsgebot der Weigerung, bei der Gewährung des österreichischen Kinderbetreuungsgeldes die Bezugszeiten einer vergleichbaren Leistung in einem anderen Mitgliedstaat genauso zu berücksichtigen, als wären sie in seinem Hoheitsgebiet zurückgelegt worden, entgegen (vgl EuGH C‑507/06, Klöppel , EU:C:2008:110).

5.2 Weiters erfordert das in Art 5 VO 883/2004 enthaltene Gebot der Tatbestandsgleichstellung, dass jeder Mitgliedstaat (bzw deren zuständiger Träger) bei der Anwendung und Auslegung des eigenen Rechts der sozialen Sicherheit die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats verwirklichten Rechtstatbestände oder die in einem anderen Mitgliedstaat verwirklichten Sachverhalte berücksichtigt, als hätten sich diese nach den eigenen Rechtsvorschriften oder auf dem eigenen Staatsgebiet ereignet, sofern es sich um gleichartige Verhältnisse oder entsprechende Sachverhalte handelt. In diesem Sinne müssen nach der Judikatur des EuGH beispielsweise ausländische Krankheits‑ und Arbeitslosigkeitszeiten dieselbe neutralisierende Wirkung wie entsprechende inländische Zeiten haben. Auch Kindererziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat müssen wie entsprechende inländische Zeiten in der Pensionsversicherung berücksichtigt werden. Wenn Zeiten der Meldung als Arbeitssuchender die Bezugsdauer einer Familienleistung verlängern können, muss das auch für entsprechende ausländische Zeiten gelten (vgl Spiegel in Spiegel , Art 5 VO 883/2004 Rz 9 mwN).

5.3 Aufgrund dieser Erwägungen ist die in § 24 Abs 1 Z 2 iVm § 24 Abs 2 KBGG enthaltene Beschränkung auf eine lediglich in Österreich ausgeübte sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit als unionsrechtswidrig zu qualifizieren (vgl Felten in Spiegel , Art 60 VO 987/2009 Rz 3) und daher wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unbeachtet zu lassen (vgl 10 ObS 117/14z; RIS‑Justiz RS0109951 [T1]).

5.4 Weiters macht die beklagte Partei geltend, deutsche Beschäftigungszeiten seien österreichischen Beschäftigungszeiten nicht gleichzustellen, sondern es seien diese Zeiten nur zusammenzurechnen. Eine Zusammenrechnung der Zeiten setze aber das Vorliegen von in mindestens zwei Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten voraus, was beim Kläger nicht der Fall sei.

5.4.1 Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass nach dem mit „Zusammenrechnung der Zeiten“ überschriebenen Art 6 VO 883/2004 der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften den Erwerb, die Aufrechterhaltung, die Dauer oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten abhängig machen, soweit erforderlich solche nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Zeiten berücksichtigt, als ob es sich um Zeiten handeln würde, die nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.

5.4.2 Diese Vorschrift regelt einheitlich und zusammengefasst die früher in der VO (EWG) 1408/71 in den einzelnen Leistungsbereichen normierte Berücksichtung fremdmitgliedstaatlicher Versicherungs‑, Beschäftigungs‑ und Wohnzeiten ( Spiegel in Spiegel , Art 6 VO 883/2004 Rz 2). Eine inhaltsgleiche Regelung enthielt Art 72 VO (EWG) 1408/71 hinsichtlich der Familienleistungen. In dem zu dieser Bestimmung und zu Art 8 lit c des Abkommens EU‑Schweiz über die Freizügigkeit ergangenen Urteil C‑257/10, Bergström , EU:C:2011:839, Rz 39 f und 45, hat der EuGH ausgeführt, dass aus dem Wort „Zusammenrechnung“ nicht abgeleitet werden kann, dieser Begriff setze mindestens zwei in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegte Zeiten der Erwerbstätigkeit voraus, und entschieden, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, wenn dessen Rechtsvorschriften die Gewährung einer Familienleistung von der Zurücklegung von Versicherungs‑ oder Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbständigen Tätigkeit abhängig machen, für die Gewährung dieser Familienleistung auch solche Zeiten berücksichtigen muss, die vollständig im Hoheitsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft zurückgelegt wurden.

5.4.3 Daher ist entgegen der Ansicht der beklagten Partei Art 6 VO 883/2004 nicht dahin auszulegen, dass die „Zusammenrechnung“ mindestens zwei in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegte Zeiten der Erwerbstätigkeit voraussetzt. Es kann somit ein Mitgliedstaat des für die Gewährung einer Leistung zuständigen Trägers für den Zweck der Zusammenrechnung nicht vorsehen, dass eine Zeit der Erwerbstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet zurückgelegt worden sein muss, was die Zugrundelegung einer einzigen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Zeit für den Erwerb eines Anspuchs auf eine Leistung der sozialen Sicherheit ausschließe (vgl EuGH C‑257/10, Bergström , EU:C:2011:839, Rz 39 f).

5.5 Soweit die beklagte Partei in diesem Zusammenhang auch geltend macht, es sei nicht (ausreichend) festgestellt worden, ob die deutschen Beschäftigungszeiten des Klägers die Voraussetzung einer durchgehend sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit des Klägers in den letzten sechs Monaten vor der Geburt seines Sohnes am 29. 3. 2013 erfüllten, ist diese Rüge eines sekundären Feststellungsmangels nicht begründet. Der Kläger hat ausdrücklich vorgebracht, dass er seit 1. 1. 1999 in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Die beklagte Partei hat dieses Vorbringen nicht substanziiert bestritten, sondern selbst nur vorgebracht, der Kläger sei seit 1. 1. 1999 in Deutschland beschäftigt. Auch die vom Erstgericht getroffene Feststellung, der Kläger sei seit 1. 1. 1999 in Deutschland beschäftigt und somit in den letzten sechs Monaten vor der Geburt seines Sohnes einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in Deutschland nachgegangen, blieb in der Berufung der beklagten Partei unbekämpft und ist somit der rechtlichen Beurteilung der Sache zugrunde zu legen.

6. Die Revisionswerberin meint weiters zu Unrecht, selbst bei einer Gleichstellung der deutschen Beschäftigungszeiten des Klägers müsste die Höhe des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes für den Kläger 0 sein, weil er keine österreichischen Einkünfte habe, aufgrund derer ein für die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes maßgebliches fiktives Wochengeld (§ 24 Abs 1 Z 3 KBGG) berechnet werden könne.

6.1 Aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑257/10, Bergström , EU:C:2011:839, Rz 52, ergibt sich nämlich, dass das Erwerbseinkommen von Personen, die nicht den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats unterliegen, für die Berechnung von einkommensabhängigen Familienleistungen dem Grunde nach zu berücksichtigen ist, auch wenn nach den Koordinierungsregeln für die Berechnung des Betrags der Familienleistung das Recht des Mitgliedstaats des zuständigen Trägers anzuwenden ist und dieses für die Berechnung auf Einkommen im betreffenden Mitgliedstaat abstellt. Sonst erlangte die Auslegung des Art 6 VO 883/2004 keine praktische Wirksamkeit und würde dem Gleichbehandlungsgebot (Art 4 VO 883/2004 ) nicht Genüge getan.

7. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren des Klägers mit einem Grundurteil nach § 89 Abs 2 ASGG erledigt und der beklagten Partei gleichzeitig aufgetragen, dem Kläger bis zur Erlassung eines die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens festsetzenden Bescheids eine vorläufige Zahlung zu erbringen. Damit wurde der Entscheidungsstoff durch das Grundurteil auf den Grund des Klagebegehrens eingeschränkt, während die Bestimmung der Anspruchshöhe dem Versicherungsträger überantwortet wurde. Dessen Bescheid über die Höhe des dem Grunde nach vom Gericht zuerkannten Anspruchs kann (erneut) bei Gericht angefochten werden ( Neumayr in ZellKomm 2 § 89 ASGG Rz 3 ff mwN). Auf die Frage, ob im Sinne des zur Rechtslage nach der VO (EWG) 1408/71 ergangenen Urteils des EuGH in der Rechtssache C‑257/10, Bergström , EU:C:2011:839, das wochengeldwirksame Einkommen des Klägers unter Berücksichtigung des Einkommens einer Person berechnet werden muss, die in Österreich eine Tätigkeit ausübt und über eine berufliche Erfahrung und berufliche Qualifikation verfügt, die mit denen des Klägers vergleichbar sind, oder der Berechnung im Hinblick auf die in Art 5 VO 883/2004 angeordnete Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen das in Deutschland aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen des Klägers zugrunde zu legen ist (vgl Felten in Spiegel , Art 60 VO 987/2009 Rz 3), muss daher im vorliegenden Verfahren nicht eingegangen werden.

Der Revision der beklagten Partei war somit insgesamt ein Erfolg zu versagen.

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