OGH 10ObS117/14z

OGH10ObS117/14z24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Bassler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Z*****, Tschechische Republik, *****, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Kinderbetreuungsgeld sowie Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 2014, GZ 7 Rs 74/14z‑19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 25. März 2014, GZ 27 Cgs 309/13x‑15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen. Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die in Tschechien wohnhafte Klägerin, die nach der Aktenlage auch tschechische Staatsbürgerin ist, steht seit 2. 5. 2011 in einem aufrechten Dienstverhältnis als diplomierte Krankenschwester zum Pflegeheim A***** GmbH & Co KG mit Sitz in N***** (Österreich). Sie bezog vom 3. 1. 2013 bis 16. 3. 2013 Krankengeld ohne parallel dazu erfolgende Entgeltfortzahlung und ab 17. 3. 2013 Wochengeld. Am 17. 5. 2013 erfolgte die Geburt ihrer Tochter A*****. Derzeit befindet sich die Klägerin in Karenz.

Am 21. 5. 2013 beantragte die Klägerin aus Anlass der Geburt ihrer Tochter bei der beklagten Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse die Gewährung des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes (Variante 30+6) für den Zeitraum vom 17. 5. 2013 bis 16. 11. 2015 und der Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 13. 7. 2013 bis 12. 7. 2014.

Die beklagte Gebietskrankenkasse lehnte mit Bescheid vom 22. 11. 2013 diesen Antrag der Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung ab, Österreich sei zur Auszahlung von Familienleistungen an die Klägerin nicht zuständig, weil vor dem Wochengeldbezug der Klägerin keine durchgehende sechsmonatige in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit vorliege, weshalb die Karenz der Klägerin keine „Beschäftigung“ im Sinne des Art 1 lit a der VO (EG) 883/2004 darstelle.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage zuletzt mit dem erkennbaren Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr für ihre Tochter A***** das pauschale Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 17. 7. 2013 bis 16. 11. 2015 sowie die Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 17. 7. 2013 bis 12. 7. 2014 zu gewähren. Sie brachte insbesondere vor, sie stehe in einem aufrechten Dienstverhältnis zu ihrer österreichischen Arbeitgeberin und befinde sich derzeit in Karenz. Der Vater des Kindes sei derzeit arbeitslos und beziehe weder Einkommen noch eine staatliche Leistung. Sie lebe mit ihrer Tochter im gemeinsamen Haushalt in Tschechien und beziehe die österreichische Familienbeihilfe. Sie erfülle alle Anspruchsvoraussetzungen für das pauschale Kinderbetreuungsgeld. Nach dem nach der VO (EG) 883/2004 anzuwendenden Beschäftigungsstaatprinzip sei Österreich für die Leistung von Kinderbetreuungsgeld primär zuständig.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, Österreich sei nicht als Beschäftigungsstaat der Klägerin im Sinne der VO (EG) 883/2004 anzusehen und daher zur Auszahlung von Kinderbetreuungsgeld an die Klägerin nicht zuständig. Gemäß Art 1 lit a der VO (EG) 883/2004 bezeichne der Ausdruck „Beschäftigung“ jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt werde oder die gleichgestellte Situation vorliege, als solche gelte. § 24 Abs 2 KBGG treffe für den Bereich des gesamten KBGG, also auch für den Anspruch auf pauschales Kinderbetreuungsgeld, eine Legaldefinition, was unter „Erwerbstätigkeit“ bzw „Beschäftigung“ im Sinne dieses Bundesgesetzes zu verstehen sei. Danach verstehe man unter „Erwerbstätigkeit“ im Sinne dieses Bundesgesetzes die ‑ in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes ‑ durchgehende tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Die Klägerin erfülle diese Voraussetzung nicht, weil sie vom 3. 1. 2013 bis 16. 3. 2013 Krankengeld (ohne Entgeltfortzahlung) bezogen habe. Gemäß § 11 Abs 1 ASVG erlösche die Pflichtversicherung der im § 10 Abs 1 ASVG bezeichneten Personen, soweit in den Abs 2 bis 6 nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ende des Beschäftigungs‑, Lehr‑ oder Ausbildungsverhältnisses. Falle jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt ende, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlösche die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruchs. Die Klägerin sei somit während ihres Krankengeldbezugs (ohne parallel dazu erfolgende Entgeltfortzahlung) im Zeitraum vom 3. 1. 2013 bis 16. 3. 2013 in der Krankenversicherung nicht pflichtversichert, sondern bloß anspruchsberechtigt gewesen. Da somit vor dem Wochengeldbezug keine durchgehende sechsmonatige in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit vorgelegen sei, stelle die Karenz der Klägerin keine „Beschäftigung“ im Sinne des Art 1 lit a VO (EG) 883/2004 dar. Für den Standpunkt der Klägerin sei auch aus dem Umstand, dass sie während des Krankengeldbezugs in der Pensionsversicherung teilpflichtversichert gewesen sei, nichts zu gewinnen, weil auch insoweit keine „Erwerbstätigkeit“ im Sinne des § 24 Abs 2 KBGG vorgelegen sei. Es liege auch keine Diskriminierung von AntragstellerInnen mit Auslandsbezug vor, weil auch bei rein inländischen Sachverhalten immer dann, wenn auf die Erwerbstätigkeit der AntragstellerInnen abgezielt werde (so beispielsweise bei subsidiär Schutzberechtigten) die diesbezügliche Legaldefinition des § 24 Abs 2 KBGG herangezogen werde.

Die Klägerin hielt diesem Vorbringen entgegen, § 24 Abs 2 KBGG sei nur auf das einkommensabhängige ‑ und nicht auch auf das von ihr beantragte pauschale - Kinderbetreuungsgeld anzuwenden. Das pauschale Kinderbetreuungsgeld stehe auch jenen Personengruppen zu, die nicht erwerbstätig oder pflichtversichert (gewesen) seien, wie etwa Hausfrauen/Hausmännern oder Studierenden. Die Annahme des prinzipiellen Erfordernisses der Ausübung einer Erwerbstätigkeit für das pauschale Kinderbetreuungsgeld führe zu einer nach dem Unionsrecht unzulässigen Ungleichbehandlung der AntragstellerInnen mit Auslandsbezug gegenüber österreichischen Staatsangehörigen. Österreichische AntragstellerInnen, die Kinderbetreuungsgeld in einer der Pauschalvarianten begehren, müssten nicht die Voraussetzungen einer „vorherigen Erwerbstätigkeit“ erfüllen. Außerdem habe sich die Klägerin im Zeitraum vom 18. 10. 2012 bis 16. 3. 2013 (also vor Beginn des Beschäftigungsverbots) trotz medizinischer Indikation nur deshalb nicht in vorzeitigem Mutterschutz sondern im Krankenstand befunden, weil sich die österreichischen Amtsärzte ihr gegenüber als unzuständig erachtet hätten. Hätten sie die Amtsärzte nicht zu Unrecht abgewiesen und ihre Untersuchung verweigert, hätte sie auch die nach dem Prozessstandpunkt der beklagten Partei geforderte zeitliche Voraussetzung der Erwerbstätigkeit erfüllt, wozu auch Zeiten des vorgezogenen Mutterschutzes bzw Beschäftigungsverbots nach dem MSchG gehören.

Das Erstgericht wies ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass es sich beim Kinderbetreuungsgeld um eine Familienleistung handle. Für die Koordination der unionsrechtlichen Zuständigkeiten bei der Bezahlung von Familienleistungen kämen die Art 67 und 68 der VO (EG) 883/2004 zur Anwendung. Art 67 sehe grundsätzlich einen Leistungsexport in den Wohnstaat der Familienangehörigen vor. Art 68 enthalte Antikumulierungs-regeln für das Zusammentreffen von Ansprüchen. Der Ausdruck „Beschäftigung“ sei in Art 1 lit a der VO (EG) 883/2004 mittels einer Verweisung auf das Sozialrecht des Mitgliedstaats umschrieben. Diesbezüglich enthalte § 24 Abs 2 KBGG eine Legaldefinition des Begriffs der Erwerbstätigkeit. Aus dem Wortlaut des § 24 Abs 2 KBGG folge, dass der Begriff der Erwerbstätigkeit „im Sinne dieses Bundesgesetzes“ definiert werde. Daraus ergebe sich, dass sich die Definition auf das gesamte Kinderbetreuungsgeldgesetz und somit auch auf den Abschnitt über das pauschale Kinderbetreuungsgeld beziehe. Da die Klägerin während ihres Krankengeldbezugs ohne parallel dazu erfolgende Entgeltfortzahlung vom 3. 1. 2013 bis 16. 3. 2013 in der Krankenversicherung nicht pflichtversichert gewesen sei, sei keine durchgehende Erwerbstätigkeit in den letzten sechs Monaten vor dem Wochengeldbezug gegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Nach seinen Rechtsausführungen werde der Inhalt des in Art 1 lit a der VO (EG) 883/2004 enthaltenen Ausdrucks „Beschäftigung“ durch diese Verordnung nicht eigenständig, sondern durch Verweisung auf das Sozialrecht des Mitgliedstaats definiert, das auf den jeweiligen Sachverhalt anzuwenden sei. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei sei aber § 24 Abs 2 KBGG zur Auslegung des Begriffs der „Beschäftigung“ nach Art 1 lit a der VO nicht heranzuziehen. Mit dem BGBl I 2009/116 sei mit dem 5. Abschnitt des KBGG (der auch § 24 KBGG enthalte) ein zusätzliches System eines einkommens-abhängigen Kinderbetreuungsgeldes in Ergänzung der Pauschalvarianten geschaffen worden. § 24 KBGG beziehe sich ausschließlich auf das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens nach Abschnitt 5 des KBGG und nicht auf das in Abschnitt 2 geregelte pauschale Kinderbetreuungsgeld.

Wenn in der Rechtsprechung davon ausgegangen werde, dass § 24 Abs 2 KBGG eine Legaldefinition des Begriffs der Erwerbstätigkeit enthalte, sei dies ausschließlich im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens zu sehen. Auch die in § 24 Abs 2 KBGG enthaltene Formulierung „Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes“ sei kein Argument dafür, dass eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 24 Abs 2 KBGG auch für das pauschale Kinderbetreuungsgeld vorliegen müsse. Lediglich für subsidiär Schutzberechtigte nach dem Asylgesetz werde in § 2 Abs 1 Z 5 lit c KBGG an eine Erwerbstätigkeit angeknüpft. Es widerspräche einer verständigen Würdigung des KBGG im Allgemeinen bzw des § 24 KBGG im Besonderen, die nach der VO (EG) 883/2004 zu gewährenden (zu exportierenden) Leistungen durch das nachträglich mit dem BGBl I 2009/116 eingeführte einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld massiv einzuschränken. § 24 KBGG sei nicht geeignet, den Begriff der Beschäftigung nach der VO (EG) 883/2004 (einschränkend) zu definieren.

Bei der Klägerin sei vielmehr auch ohne Anwendung des § 24 KBGG ein hinreichender Bezug für eine Beschäftigung in Österreich im Sinne der VO (EG) 883/2004 gegeben. Es reiche aus, dass ihr Dienstverhältnis aufrecht sei und sie Krankengeld und Wochengeld bezogen habe, also Leistungen der Sozialversicherungsträger, die den durch Krankheit bzw Mutterschaft erlittenen Entgeltverlust ersetzen und eine finanzielle Absicherung schaffen sollen. Auch die Verwaltungskommission habe in ihrem Beschluss Nr F1 unter „die durch eine Beschäftigung ... ausgelösten Ansprüche“ im Sinne des Art 68 Abs 1 lit a der VO Zeiten einer vorübergehenden zeitweiligen Unterbrechung einer Tätigkeit aufgrund von Krankheit, Mutterschaft etc subsumiert, solange Lohn oder Sozialleistungen wegen dieser Risiken gezahlt werden. Schließlich gelte das auch für Zeiten unbezahlten Urlaubs für Kindererziehung, solange dieser Urlaub einer Tätigkeit als angestellter Person gemäß der einschlägigen Gesetzgebung gleichgestellt sei. Der Umstand, dass sich die Klägerin in Karenz befinde, sei nach der Rechtsprechung kein Hinderungsgrund für den Export des Kinderbetreuungsgeldes. Letztlich ergebe sich aus Art 11 Abs 3 lit a der VO (EG) 883/2004 ausdrücklich, dass eine Person den Rechtsvorschriften jenes Mitgliedstaats unterliege, in dem sie eine Beschäftigung ausübe. Dies bedeute, dass einer Person, die in einem Mitgliedstaat beschäftigt sei und in einem anderen Mitgliedstaat wohne, vom ersteren Mitgliedstaat nicht entgegengehalten werden könne, dass für die Aufnahme in sein System eine Wohnsitzvoraussetzung bestehe. Aufgrund der Ausübung ihrer unselbständigen Tätigkeit in Österreich vor der Geburt ihres Kindes, des nach wie vor aufrechten Beschäftigungsverhältnisses und auch aufgrund des Bezugs von Kranken‑ und Wochengeld sei die Beschäftigung der Klägerin im Sinne der VO im Inland zu bejahen.

Aus Art 11 Abs 3 lit a der VO (EG) 883/2004 sei auch abzuleiten, dass der betreffende Arbeitnehmer nicht nur während seiner Tätigkeit, sondern auch in Zeiten, in denen er seine Beschäftigung nicht ausübe, von den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstatus erfasst werde. Schließlich verbiete das sich aus der VO (EG) 883/2004 ergebende Gleichbehandlungsgebot, die Verweigerung von Kinderbetreuungsgeld allein auf § 24 Abs 2 KBGG zu stützen. Über den Wortlaut des Art 4 und des Art 7 der VO (EG) 883/2004 hinaus verbieten es auch die unionsrechtlichen Freiheitsrechte, den Export von Leistungen von anderen, jedoch ähnlich wirkenden Voraussetzungen als dem inländischen Wohnort abhängig zu machen. Darunter falle auch das Abstellen auf eine längere durchgehende sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit in Österreich. Im Zusammenhang mit der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit schütze Art 7 der VO (EG) 883/2004 den Anspruch der Klägerin auf Kinderbetreuungsgeld als Familienleistung im Sinne dieser Verordnung somit unionsrechtlich dahingehend, dass dieser nicht unter Hinweis auf typisch „inlandslastige“ Tatbestandselemente versagt werden könne.

Die zur Vorgängerverordnung VO (EWG) 1408/71 vertretene „Familienbetrachtungsweise“ gelte auch für die VO (EG) 883/2004. Wie sich aus Art 60 Abs 1 der Durchführungsverordnung (EG) 987/2009 ergebe, sei die gesamte Situation der Familie zu berücksichtigen. So gehe bei zwei Beschäftigungsstaaten (zB wenn Vater und Mutter in verschiedenen Staaten berufstätig sind) jener Staat vor, in dem die Familie auch wohnhaft sei, sofern die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats und die des Wohnsitzmitgliedstaats für denselben Familien-angehörigen und für denselben Zeitraum Ansprüche auf Familienleistungen einräumen. Der Beschäftigungsstaat des anderen Elternteils sei in diesem Fall nur nachrangig zuständig, falls seine Leistungen höher seien. Wenngleich die Klägerin vorgebracht habe, der Vater des Kindes sei arbeitslos und beziehe keine Leistungen vom Staat, seien dazu keine Feststellungen getroffen worden. Auch zu den sonstigen Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 KBGG erweise sich die Rechtssache als noch nicht spruchreif. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren daher auch die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 KBGG zu prüfen haben, den in § 2 Abs 1 Z 1 KBGG vorausgesetzten Anspruch auf Familienbeihilfe mit den Parteien zu erörtern und die entsprechenden Feststellungen zu treffen haben.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil bisher noch nicht geklärt werden musste, ob der auf die VO (EG) 883/2004 gestützte Export von Kinderbetreuungsgeld von den Voraussetzungen des § 24 Abs 2 KBGG abhängig zu machen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist ‑ im Ergebnis ‑ aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die Frage, ob Österreich nach den Art 67 ff der VO (EG) 883/2004 für die Zahlung des Kinderbetreuungsgeldes zuständiger Mitgliedstaat sei, hänge davon ab, ob die Klägerin für die Zeit des Mutterschutzes und der Karenz als in Österreich beschäftigt im Sinne des Art 1 lit a der VO (EG) 883/2004 anzusehen sei. Diese ‑ nach dem innerstaatlichen Recht jedes Mitgliedstaats zu beantwortende ‑ Frage sei im vorliegenden Fall an Hand des § 24 Abs 2 KBGG zu beurteilen. Diese Legaldefinition des Begriffs „Erwerbstätigkeit“ gelte nicht nur für das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens, sondern für alle Regelungen, so auch für subsidiär Schutzbedürftige und auch für die Definition der Beschäftigung nach der VO (EG) 883/2004. Da infolge des Krankengeldbezugs der Klägerin vom 3. 1. 2013 bis 16. 3. 2013 (ohne Entgeltfortzahlungsanspruch) keine durchgehende Erwerbstätigkeit von sechs Monaten vorgelegen habe, sei der Zeitraum der Karenz keiner Beschäftigung im Sinne dieser Verordnung gleichgestellt. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch auf österreichisches Kinderbetreuungsgeld (sowie auf Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld), sondern nur Anspruch auf die tschechischen Leistungen. Sie erfülle die auch für die österreichischen Staatsangehörigen gleichermaßen geltende Voraussetzung einer durchgehenden Erwerbstätigkeit nach § 24 Abs 2 KBGG nicht. Darin liege keine Diskriminierung bzw Ungleichbehandlung.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

I. Zum Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld aufgrund der innerstaatlichen Rechtslage:

1. Durch das Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl I 103/2001, wurde das Kinderbetreuungsgeld als Familienleistung ausgestaltet und das pauschale Kinderbetreuungsgeld gebührt seitdem unabhängig von einer früheren Erwerbstätigkeit (ErläutRV 620 BlgNR 21. GP 59 f). Bei Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen auf pauschales Kinderbetreuungsgeld ist es demnach belanglos, ob jemand erwerbstätig ist und allenfalls ob er dabei selbständig oder unselbständig tätig ist.

Es wurden vorerst drei Pauschalvarianten zur Auswahl gestellt, die in Form von drei Pauschalbeträgen den Bezug für einen Zeitraum bis zum vollendeten 30. bzw 36., 20. bis 24. und 15. bzw 18. Lebensmonat des Kindes ermöglichen, wobei die Höhe des Pauschalbetrags von der gewählten Variante (Bezugsdauer) abhängt.

2. Durch die KBGGNov, BGBl I 2009/116, wurde neben einer vierten Pauschalvariante („12 + 2“) der Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld in das KBGG eingefügt.

3. Seit dem BGBl I 2009/116 ist das KBGG von seiner Systematik her (ua) in folgende Abschnitte gegliedert:

Abschnitt 2: Pauschales Kinderbetreuungsgeld (§§ 2‑8b)

Abschnitt 3: Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld (§§ 9‑17)

Abschnitt 5: Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens (§§ 24‑24d).

4. In § 24 KBGG werden die Voraussetzungen für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinder-betreuungsgeld festgelegt. Nach § 24 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2009/116 hat Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ein Elternteil, sofern

1. die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 5 erfüllt sind,

2. dieser Elternteil in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß Abs 2 war, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken und

3. ...

(2) Unter Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes versteht man die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbs-tätigkeit. Als der Ausübung einer sozialversicherungs-pflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), BGBl. Nr. 221, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder Väter‑Karenzgesetz (VKG), BGBl. Nr. 651/1989, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes.

4.1 Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16) zur KBGGNov, BGBl I 2009/116, soll dadurch jenen Eltern, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügt haben, die Möglichkeit gegeben werden, trotz kurzzeitigem Rückzug aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld steht daher nur vor der Geburt tatsächlich erwerbstätigen Eltern offen. Die Erwerbstätigkeit muss durchgehend in den letzten sechs Monaten vor Geburt tatsächlich ausgeübt werden, wobei sehr geringfügige Unterbrechungen (das sind solche von bis zu 14 Tagen) zulässig sind. Keine Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung der Erwerbstätigkeit stellen Zeiten des Erholungsurlaubs oder der Krankheit dar (unter der Voraussetzung, dass die Sozialversicherungspflicht aus der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt, wie es etwa bei arbeitsrechtlicher Entgeltfortzahlung der Fall ist). Zeiten des Beschäftigungsverbots nach MSchG (Mutterschutz) werden Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt. ... Weiters gelten Zeiträume, in denen die Erwerbstätigkeit unterbrochen wurde, um sich der Kindererziehung zu widmen, als der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt, sofern es sich um Zeiten der gesetzlichen Karenz nach dem MSchG oder VKG handelt (aufrechtes, ruhendes Dienstverhältnis). ... Die gesetzliche Karenz nach MSchG/VKG beginnt frühestens im Anschluss an das absolute Beschäftigungsverbot nach der Geburt und kann maximal bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommen werden (endet daher spätestens am Tag vor dem zweiten Geburtstag des Kindes), diese zeitliche Maximaldauer soll auch hier Anwendung finden. ... Mit dieser Gleichstellungsregelung soll insbesondere erreicht werden, dass jene Eltern, die bereits ein älteres Kind haben, und jene Eltern, die das Kinderbetreuungsgeld für ihr erstgeborenes Kind beziehen, denselben Zugang zu dieser Leistung haben.

5. Mit der KBGGNov, BGBl I 2011/139, wurde klargestellt, dass (nur) Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung einer zuvor mindestens sechs Monate andauernden sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit unter anderem während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG oder während der Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder VKG als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleich-gestellte Zeiten gelten.

5.1 § 24 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2011/139 lautet nunmehr:

Unter Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes versteht man die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), BGBl. Nr. 221, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder Väter‑Karenzgesetz (VKG), BGBl. Nr. 651/1989, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes.

5.2 Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 4) sollte durch diese Ergänzung, dass die Gleichstellungsbestimmung nur durch die mindestens sechsmonatige durchgehend andauernde tatsächliche Ausübung der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes ausgelöst werden kann, eine Missbrauchsbekämpfung durch Verhinderung von (kurzfristiger) Scheinerwerbstätigkeit in Österreich erfolgen.

II. Zum Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld aufgrund des Unionsrechts:

1. Zum Anspruch der Klägerin auf pauschales Kinderbetreuungsgeld:

1.1 Da im vorliegenden Fall ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben ist, ist die VO (EG) 883/2004 (im Folgenden kurz VO) anzuwenden. Gemäß Art 3 Abs 1 lit j gilt die VO für alle Rechtsvorschriften, die Familienleistungen betreffen. Diese werden in Art 1 lit z VO dahin definiert, dass darunter alle Sach‑ oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten fallen mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts‑ und Adoptionsbeihilfen nach Anhang 1. Das österreichische Kinderbetreuungsgeld ist als Familienleistung im Sinn des Art 1 lit z VO zu qualifizieren (Spiegel in Spiegel [Hrsg], Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Art 1 VO 883/2004 Rz 80; RIS‑Justiz RS0122905).

1.2 Art 67 der VO (EG) 883/2004 sieht einen Anspruch auf Export von Familienleistungen für Familienangehörige vor, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Zuständig für den Export von Familienleistungen ist jener Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften gemäß den Art 11 ff VO anwendbar sind. Nach der Grundregel in Art 11 Abs 1 VO unterliegen Personen, die in den Anwendungsbereich der VO fallen, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsordnung hiefür in Frage kommt, ist in Art 11 Abs 3 VO geregelt. Im gegebenen Zusammenhang ist Art 11 Abs 3 lit a VO relevant, wonach eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt; dies unabhängig davon, wo die betreffende Person ihren Wohnsitz hat. Wird keiner Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen und sind die Spezialbestimmungen der lit b bis d nicht erfüllt, sind gemäß Art 11 Abs 3 lit e VO die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats anwendbar. Für den vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die von der Klägerin in Anspruch genommene Karenz gemäß § 15 MSchG bzw die daran anschließende ‑ offenbar vereinbarte ‑ weitere Karenzzeit als „Beschäftigung“ im Sinne des Art 11 Abs 3 lit a VO zu qualifizieren ist und zur Anwendbarkeit österreichischen Rechts führt.

2. Zum unionsrechtlichen Beschäftigungsbegriff:

2.1 Die VO (EG) 883/2004 definiert den Begriff der Beschäftigung in Art 1 lit a. Demnach ist eine Beschäftigung jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt. Art 1 lit a VO verweist daher auf das Sozialrecht des Mitgliedstaats, das auf den jeweiligen Sachverhalt anzuwenden ist. Gleichzeitig fingiert Art 11 Abs 2 VO unter bestimmten Umständen eine Beschäftigung: demnach wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Art 11 Abs 2 VO soll kurzfristige Zuständigkeitsänderungen bei vorübergehender Einstellung der Erwerbstätigkeit und kurzfristigem Bezug von Geldleistungen der sozialen Sicherheit (zB Krankengeld, Lohnfortzahlung) verhindern. Es wird in diesen Fällen für die Bestimmung der Zuständigkeit davon ausgegangen bzw fingiert, dass die Tätigkeit während des Bezugs der Leistung der sozialen Sicherheit weiterhin ausgeübt wird. Eine entsprechende Regelung war der Vorgänger-verordnung (EWG) 1408/71 fremd (Pöltl in Spiegel Art 11 VO 883/2004 Rz 7).

2.2 Neben diesen gesetzlichen Vorgaben enthält der Beschluss Nr F1 der Verwaltungskommission vom 12. 6. 2009 zur Auslegung des Art 68 der VO (EG) 883/2004 eine weitere Begriffsbestimmung. Demnach ist der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter anderem ein unbezahlter Urlaub zum Zwecke der Kindererziehung gleichgestellt, solange ein solcher Urlaub nach nationalem Recht einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist. Es ist strittig, ob die Begriffsbestimmung, die im Beschluss Nr F1 vorgenommen wurde, nur für Art 68 VO (Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen) relevant ist oder ob sie auch für die Bestimmung des anwendbaren Rechts (Art 11 ff VO) heranzuziehen ist.

2.3 Das Verhältnis der Definitionen in Art 1 lit a, Art 11 Abs 2 und dem Beschluss Nr F1 der Verwaltungskommission ist bislang ungeklärt. Nach Spiegel in Spiegel, Art 1 VO 883/2004 Rz 4 normiere Art 11 Abs 2 VO einen „harten Kern“ des Beschäftigungsbegriffs für den Zweck der kollisionsrechtlichen Anknüpfung, der Abweichungen des nationalen Gesetzgebers entgegenstehe. Das Verhältnis der beiden Beschäftigungsdefinitionen in Art 1 lit a der VO und jener im Beschluss Nr F1 der Verwaltungskommission kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, weil beide Begriffsdefinitionen auf das Sozialrecht des Mitgliedstaats verweisen, das auf den jeweiligen Sachverhalt anzuwenden ist. Maßgeblich ist demnach jedenfalls die nationale Definition der Beschäftigung.

2.4 Art 11 Abs 3 lit a iVm Art 1 lit a VO (EG) 883/2004 verweist auf den nationalen Beschäftigungsbegriff. § 24 Abs 2 KBGG definiert den Begriff „Erwerbstätigkeit“.

2.5 Nach dem Standpunkt der beklagten Partei wollte der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 24 Abs 2 KBGG nicht ausschließlich eine (innerstaatliche) Definition des Begriffs der „Erwerbstätigkeit“ als (nationale) Anspruchsvoraussetzung für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld vornehmen, sondern sollte mit dieser Regelung gleichzeitig auch der Begriff der „Beschäftigung“ im Sinne des Art 1 lit a VO (EG) 883/2004 für den Bereich des KBGG definiert werden (vgl auch Holzmann‑Windhofer in ihrer Entscheidungsanmerkung zu 10 ObS 35/11m in DRdA 2012/43, 493 [496 f]).

2.6 Diesem Standpunkt ist zu folgen. Dass § 24 Abs 2 KBGG gleichzeitig auch eine Definition des Begriffs der Beschäftigung im Sinne des Art 1 lit a VO (EG) 883/2004 darstellt, lässt sich aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16 f) insofern ableiten, als ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass die Gleichstellungsbestimmungen des § 24 Abs 2 KBGG für das gesamte KBGG gelten und diese Definition darüber hinaus zur Rechtssicherheit in grenzüberschreitenden Fällen des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld im Hinblick auf die (einen grenzüberschreitenden Sachverhalt betreffenden) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 70/06a, SSV‑NF 20/68, und des EuGH vom 7. 6. 2005, Rs C‑543/03, Dodl/Oberhollenzer, sowie des daraufhin gefassten Beschlusses Nr 207 der Verwaltungskommission führen soll. Damit soll unmissverständlich klargestellt werden, dass ausschließlich ein Beschäftigungsverbot oder eine gesetzliche Karenz nach dem MSchG/VKG bis maximal zum zweiten Geburtstag des Kindes einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit/Beschäftigung gleichgestellt ist. Wie sich aus dem Wortlaut des § 24 Abs 2 KBGG („im Sinne dieses Bundesgesetzes“) und den Materialien ergibt, soll die Definition aber offensichtlich nur für den Bereich des KBGG Geltung haben, nicht aber einen allgemein ‑ auch außerhalb des KBGG ‑ gültigen bzw anwendbaren Beschäftigungsbegriff festlegen.

2.7 Geht man von der Rechtsansicht aus, dass § 24 Abs 2 KBGG auch als Definition des Begriffs „Beschäftigung“ im Sinne des Art 1 lit a VO für den Bereich des KBGG zu verstehen ist, definiert diese Regelung „Erwerbstätigkeit/Beschäftigung“ als die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit.

2.8 Darüber hinaus gilt als Beschäftigung im Sinne des Art 1 lit a VO (EG) 883/2004 auch eine „gleichgestellte Situation“. Dazu enthält der Beschluss Nr F1 der Verwaltungskommission vom 12. 6. 2009 zur Auslegung des Art 68 der VO (EG) 883/2004 eine Gleichstellungsregelung hinsichtlich Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung einer Beschäftigung durch unbezahlten Urlaub zum Zweck der Kindererziehung, solange dieser Urlaub nach einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist. Seit der Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes bestehen in § 24 Abs 2 KBGG für Zeiten des Mutterschutzes und der Karenz derartige Gleichstellungsbestimmungen.

2.9 Nach § 24 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2009/116 waren Karenzzeiten unabhängig von einer vorangegangenen Beschäftigung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt. Diese Gesetzesbestimmungen sollen nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV BlgNR 24. GP 16 f) für das gesamte Kinderbetreuungsgeldgesetz gelten und zur Rechtssicherheit in grenzüberschreitenden Fällen führen.

2.10 Mit der KBGGNov, BGBl I 2011/139, erfolgte ‑ wie bereits dargestellt ‑ in § 24 Abs 2 KBGG eine Ergänzung dahin, dass die Gleichstellungsbestimmung nur durch die mindestens sechsmonatige durchgehend andauernde tatsächliche Ausübung der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes ausgelöst werden kann. Eine Gleichstellung der Zeiten des Mutterschutzes oder der gesetzlichen Karenz mit den Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit ist somit nur dann möglich, wenn zuvor eine mindestens sechs Monate andauernde Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde.

2.11 Es stellt sich nunmehr die Frage, ob auch die Gleichstellungsbestimmungen des § 24 Abs 2 KBGG bzw die damit gleichzeitig erfolgte Festlegung einer „gleichgestellten Situation“ im Sinne des Art 1 lit a VO für das gesamte KBGG von Bedeutung sind, also sich nicht nur auf das einkommensabhängige, sondern auch auf das ‑ hier verfahrensgegenständliche ‑ pauschale Kinderbetreuungsgeld beziehen.

2.12 Die systematische Stellung der Definition des § 24 Abs 2 KBGG in Abschnitt 5 des KBGG mit dem Titel „Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens“ deutet eher darauf hin, dass sie nur für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld Gültigkeit haben soll. Nach dem Wortlaut des § 24 Abs 2 KBGG wird aber die Erwerbstätigkeit „im Sinne dieses Bundesgesetzes“ definiert. Die Wortinterpretation spricht somit für eine für das gesamte KBGG gültige Definition. Im Einklang mit dem Wortlaut des § 24 Abs 2 KBGG halten auch die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16 f) fest, dass die Gleichstellungsbestimmungen für Zeiten des Mutterschutzes und der Karenz für das gesamte KBGG Gültigkeit haben. Es werden ausdrücklich die subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 2 Abs 1 Z 5 lit c KBGG genannt und es wird weiters ausgeführt, dass diese Definition darüber hinaus zur Rechtssicherheit in grenzüberschreitenden Fällen führen soll. Weiters wird auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 3. 10. 2006, 10 ObS 70/06a, SSV‑NF 20/68, verwiesen, auf das dieser Entscheidung vorangegangene EuGH‑Urteil vom 7. 6. 2005, Rs C‑543/03, Dodl/Oberhollenzer, sowie auf den daraufhin gefassten Beschluss Nr 207 der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 7. 4. 2007. Die genannten Entscheidungen als auch der Beschluss haben jeweils grenzüberschreitende Sachverhalte im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld zum Gegenstand.

2.13 Der Wortlaut und die Gesetzesmaterialien sprechen somit eindeutig dafür, dass die Definition des § 24 Abs 2 KBGG die Erwerbstätigkeit/Beschäftigung bzw die dieser gleichgestellte Situation für das einkommensabhängige und das pauschale Kinderbetreuungsgeld ‑ also für den gesamten Anwendungsbereich des KBGG ‑ definiert. Möglicherweise könnte der Umstand, dass sich die Gleichstellungsbestimmung beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld findet, darauf zurückzuführen sein, dass es sich dabei gleichzeitig auch um eine Anspruchsvoraussetzung für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld und nicht auch für das pauschale Kinderbetreuungsgeld handelt.

3. Zur Frage der Erwerbstätigkeit während des Bezugs von Krankengeld:

3.1 Nach den Feststellungen hat die Klägerin ab 17. 3. 2013 Wochengeld bezogen, sodass gemäß § 24 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2011/139 zu prüfen ist, ob sie in den sechs Monaten davor erwerbstätig war. Dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin in diesem sechsmonatigen Zeitraum durchgehend aufrecht war, wird nicht bestritten. Allerdings bezog sie in diesem Zeitraum vom 3. 1. 2013 bis 16. 3. 2013 Krankengeld ohne parallele Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.

3.2 In der einen reinen „Inlandssachverhalt“ betreffenden Entscheidung 10 ObS 180/13p wurde vom Obersten Gerichtshof das Erwerbstätigkeitserfordernis des § 24 KBGG für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld mangels entsprechender Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit als nicht erfüllt angesehen, weil die (damalige) Klägerin in dem sechsmonatigen Zeitraum Krankengeld bezogen hat. Daran ist für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld festzuhalten und ergänzend darauf hinzuweisen, dass gemäß § 11 Abs 1 ASVG die Pflichtversicherung von in § 10 Abs 1 ASVG bezeichneten Personen mit dem Ende des Entgeltanspruchs erlischt, wenn der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammenfällt. Dies ist bei Bezug des Krankengeldes ohne parallele Entgeltfortzahlung der Fall. § 8 Abs 1 Z 2 lit c ASVG bestimmt zwar, dass Bezieherinnen von Krankengeld einer Teilversicherung in der Pensionsversicherung unterliegen. Eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung liegt hingegen nicht vor. Für die Ansicht, dass der Bezug von Krankengeld ohne Entgeltfortzahlung nicht als Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit qualifiziert werden kann, sprechen auch die Materialien zu § 24 KBGG. Nach diesen sind Zeiten der Krankheit nur dann nicht als Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung der Erwerbstätigkeit zu qualifizieren, wenn die Sozialversicherungspflicht aus der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt. Als Beispiel wird hiefür die arbeitsrechtliche Entgeltfortzahlung genannt. Die Klägerin erfüllt daher nach insoweit zutreffender Rechtsansicht der beklagten Partei nicht das nach innerstaatlichem Recht in § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld normierte Erwerbstätigkeitserfordernis, weil aufgrund des Bezugs von Krankengeld ohne parallele Entgeltfortzahlung im Zeitraum vom 3. 1. 2013 bis 16. 3. 2013 eine durchgehende sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit im maßgebenden Zeitraum der letzten sechs Monate vor der Geburt bzw vor dem Beginn des Beschäftigungsverbots nach dem MSchG nicht vorliegt.

3.3 Bei der hier allein maßgebenden kollisionsrechtlichen (Art 11 ff VO) Beurteilung der Frage der „Erwerbstätigkeit/Beschäftigung“ während des Bezugs von Krankengeld ist jedoch Folgendes zu berücksichtigen:

3.3.1 Gemäß Art 11 Abs 2 der VO (EG) 883/2004 wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts‑, Alters‑ oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken (Art 11 Abs 2 VO). Zeiten, während derer zwar keine aktive Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, aber eine unter Art 11 Abs 2 VO zu subsumierende Leistung bezogen wird, sind daher als Ausübung einer Beschäftigung zu werten.

3.3.2 Diese Regelung des Art 11 Abs 2 VO ist, wie bereits zu Pkt II.2.1 ausgeführt wurde, eine Neuerung gegenüber der VO (EWG) 1408/71 und soll kurzfristige Zuständigkeitsänderungen bei vorübergehender Einstellung der Erwerbstätigkeit und kurzfristigem Bezug von Geldleistungen der sozialen Sicherheit (zB Krankengeld, Lohnfortzahlung) verhindern. Es wird in diesen Fällen für die Bestimmung der Zuständigkeit davon ausgegangen, dass die Tätigkeit während des Bezugs der Leistung der sozialen Sicherheit weiter ausgeübt wird. Nach dem Handbuch des Hauptverbandes über die Anwendung der VO (EG) 883/2004 in Österreich sind unter dem Begriff „Geldleistungen“ im Sinne des Art 11 Abs 2 VO zB Krankengeld, Wochengeld, Geldleistungen aus der Unfallversicherung (zB Übergangsgeld ‑ ausgenommen Renten), Arbeitslosengeld, Vorruhestandsgeldleistungen, Kurzarbeitshilfe zu subsumieren (Pöltl in Spiegel Art 11 VO 883/2004 Rz 7 f). Es handelt sich dabei um (kurzfristige) Bezüge einer Leistung der sozialen Sicherheit, die nicht geeignet sind, einen Wechsel der Zuständigkeit herbeizuführen. Hingegen wird der Bezug von österreichischem (pauschalem) Kinderbetreuungsgeld schon deshalb nicht als fortgesetzte Ausübung der Beschäftigung zu qualifizieren sein, weil es sich beim pauschalen Kinderbetreuungsgeld um eine Leistung für alle Einwohner handelt, die nicht aufgrund oder infolge einer Erwerbstätigkeit gebührt (Pöltl in Spiegel Art 11 VO 883/2004 Rz 9).

3.3.3 Die Bestimmung des Art 11 Abs 2 VO stellt einen Kernbereich des unionsrechtlichen Begriffs der „Beschäftigung“ dar. Leistungen, die unter Art 11 Abs 2 VO zu subsumieren sind, sind daher unabhängig von der nationalen Systematik als Ausübung einer Beschäftigung zu werten. Hievon abgesehen ist es den Mitgliedstaaten überlassen, den Beschäftigungsbegriff näher zu definieren. Daher gilt auf jeden Fall ‑ unabhängig von der jeweiligen nationalen Systematik ‑ auch ein Bezug von Krankengeld (zB nach §§ 138 ff ASVG) für die Bestimmung des anwendbaren Rechts (Art 11 ff VO) als Ausübung einer Beschäftigung, selbst wenn das Dienstverhältnis bereits gelöst wurde (Spiegel in Spiegel Art 1 VO 883/2004 Rz 4).

3.3.4 Es stellt sich daher die Frage, ob § 24 Abs 2 KBGG ‑ soweit er auch als Definition des Begriffs „Beschäftigung“ im Sinne des Art 1 lit a VO für den Bereich des KBGG zu verstehen ist ‑ unionsrechtswidrig ist, weil der Bezug von Krankengeld (ohne parallele Entgeltfortzahlung) eben gerade nicht als Zeit einer Beschäftigung im Sinne des Art 11 Abs 2 VO gewertet wird.

3.3.5 Eine zur Vermeidung einer Kollision vom nationalen Recht und Unionsrecht vorzunehmende unionsrechtskonforme Auslegung des § 24 Abs 2 KBGG scheidet aus, weil eine derartige Auslegung ihre Grenzen in dessen eindeutigen Wortlaut findet („tatsächliche Ausübung einer ... sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit“ in Verbindung mit dem Fehlen einer auch Krankengeldbezugszeiten umfassenden Gleichstellungs-bestimmung).

3.3.6 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (RIS‑Justiz RS0109951 [T3]).

3.3.7 In kollisionsrechtlicher Hinsicht (Art 11 ff VO) ist daher der Bezug von Krankengeld (auch ohne parallele Entgeltfortzahlung) als „Beschäftigung“ im Sinne des Art 11 Abs 2 VO (EG) 883/2004 zu qualifizieren. In diesem Sinne erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 24 Abs 2 KBGG. Der Geburt ihrer Tochter bzw dem Beginn des Beschäftigungsverbots nach dem MSchG ist eine zumindest sechs Monate andauernde Erwerbstätigkeit im Sinne der VO 883/2004 vorangegangen, weil der Bezug des Krankengeldes kollisionsrechtlich als Ausübung einer Beschäftigung zu qualifizieren ist.

3.4 Österreich ist demnach gemäß Art 11 Abs 3 lit a iVm Art 67 VO als Beschäftigungsstaat für die Gewährung von Familienleistungen (hier: pauschales Kinderbetreuungsgeld) an die Klägerin grundsätzlich zuständig.

III. Zur Anspruchsdauer:

1. Zeiten der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit sind gemäß § 24 Abs 2 KBGG einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt, wenn es sich um eine Karenz nach den Bestimmungen des MSchG/VKG handelt, die längstens bis zum Ablauf des 2. Lebensjahres des Kindes andauert (§ 15 Abs 1 MSchG/§ 2 VKG). Auch die bereits mehrfach zitierten Gesetzesmaterialien (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 17) halten fest, dass durch die Gleichstellungsbestimmung in § 24 Abs 2 KBGG „unmissverständlich klargestellt werden (soll), dass ausschließlich ein Beschäftigungsverbot oder eine gesetzliche Karenz nach MSchG/VKG (...) bis maximal zum zweiten Geburtstag des Kindes einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit/Beschäftigung gleichgestellt ist“.

2. Ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld kommt aber auch für einen längeren Zeitraum als für zwei Jahre in Betracht, so etwa ‑ wie von der Klägerin beantragt ‑ für zweieinhalb Jahre bzw 30 Monate (§ 5 Abs 2 erster Satz KBGG). Da eine Karenz, die für die Zeit nach dem Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes vereinbart wird, einer Erwerbstätigkeit nicht gleichgestellt ist, müsste gemäß Art 11 Abs 3 lit e VO 883/2004 nach dem 24. Lebensmonat des Kindes das Recht des Wohnsitzmitgliedstaats zur Anwendung kommen. Dies würde zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass die Klägerin bis zum 24. Lebensmonat des Kindes Anspruch auf österreichisches Kinderbetreuungsgeld hätte, für den Zeitraum der offensichtlich vereinbarten weiteren Karenz von sechs Monaten tschechisches Recht zur Anwendung käme und ab Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit wieder österreichisches Recht anwendbar wäre. Sollte die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber also einen Karenzurlaub von zweieinhalb Jahren vereinbart haben, würde sie ihren zwei Jahre hindurch gegebenen Anspruch auf österreichisches Kinderbetreuungsgeld während der letzten sechs Monate dieses Urlaubs wieder verlieren, weil für diesen Zeitraum die tschechische Republik als Wohnsitzmitgliedstaat zuständig wäre. Nach Ende des zweieinhalbjährigen Karenzurlaubs und Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit wäre wiederum die Zuständigkeit Österreichs als Beschäftigungsstaat gegeben.

3. Für den Anwendungsbereich der Vorgängerverordnung (EWG) 1408/71 war die Frage, ob der betroffene Mitgliedstaat für die Gewährung von Familienleistungen weiterhin zuständig bleibt und diese Leistungen als durch eine Beschäftigung ausgelöst gelten, in dem Beschluss der Verwaltungskommission Nr 207 vom 7. 4. 2006, ABl 2006, L 175/83, näher geregelt. Danach galt unter anderem ein unbezahlter Urlaub zum Zweck der Kindererziehung als „Ausübung der Erwerbstätigkeit“, solange dieser Erziehungsurlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt war.

4. Rechtsprechung zu Zeiten einer vereinbarten Karenz besteht bisher nur zur VO (EWG) 1408/71. Der EuGH führte zur Frage, ob die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der VO (EWG) 1408/71 während des Zeitraums der vereinbarten Karenz nach Ablauf des 24. Lebensmonats des Kindes zu bejahen sei, aus, dass eine Person als Arbeitnehmer zu qualifizieren sei, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko bei einem System der sozialen Sicherheit versichert sei (EuGH 10. 3. 2011, Rs C‑516/09, Borger). Im Anschluss an die Entscheidung in der Rs Borger bejahte der Oberste Gerichtshof die Arbeitnehmereigenschaft der damaligen Klägerin im Sinne der VO 1408/71 mit der Begründung, dass für Kindererziehungszeiten bis zum 48. Lebensmonat des Kindes eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung bestehe (10 ObS 35/11m, SSV‑NF 25/39). Die Frage, ob ein solcher Arbeitnehmer auch als jemand gilt, der eine Beschäftigung ausübt, war nicht Gegenstand des Verfahrens.

5.1 Nach der Ansicht von Rief (Zuständigkeit für Familienleistungen ‑ aktuelle EuGH‑Judikatur und die neue Rechtslage, DRdA 2011, 480 [484]) sei es ohne Bedeutung, dass die Entscheidung in der Rs Borger sowie die Folgeentscheidung 10 ObS 35/11m noch zur VO (EWG) 1408/71 ergangen seien, weil sich die allgemeinen Zuständigkeitsregelungen in Art 13 Abs 2 lit a und f der VO (EWG) 1408/71 inhaltlich kaum von jenen in Art 11 Abs 3 lit a und e der VO (EG) 883/2004 unterscheiden würden.

5.2 Spiegel (Familienleistungen aus der Sicht des europäischen Gemeinschaftsrechts in Mazal [Hrsg], Die Familie im Sozialrecht 117) weist darauf hin, dass im Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 bei einer einvernehmlichen Karenzierung für die Dauer von zweieinhalb Jahren die kurzfristige Unterbrechung der Zuständigkeit Österreichs für die Dauer von sechs Monaten nur infolge einer nationalen Besonderheit gegeben wäre, die zu einem Auseinanderklaffen des Zeitraums mit besonderem Kündigungsschutz nach dem MSchG/VKG und jenem der Bezugsberechtigung des Kinderbetreuungsgeldes führe. Die Dauer des möglichen Bezugs von Kinderbetreuungsgeld während eines aufrechten Dienstverhältnisses sei daher als ein einheitliches Sachverhaltselement anzusehen, das für eine durchgehende Fiktion der Ausübung der Erwerbstätigkeit spreche.

6. Der erkennende Senat schließt sich dieser von Spiegel aaO befürworteten durchgehenden Fiktion der Ausübung der Erwerbstätigkeit insbesondere für den hier vorliegenden Fall an, dass ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorübergehend unterbrochen wird, dem Grunde nach aber fortbesteht, und dies nach nationalem Recht zumindest zu einer Teilversicherung führt (vgl in diesem Sinne offenbar auch Otting in Hauck/Noftz, EU‑Sozialrecht K Art 1 ‑ VO 883/2004 Rz 16; Dern in Schreiber/Wunder/Dern, VO (EG) 883/2004 Art 1 Rz 10 mwN). Nach § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG besteht für Personen, die ihr Kind in den ersten 48 Kalendermonaten nach der Geburt (oder im Falle einer Mehrlingsgeburt ihre Kinder in den ersten 60 Kalendermonaten nach der Geburt) tatsächlich und überwiegend im Inland erziehen, eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung. Das Erfordernis der Erziehung im Inland ist zur Vermeidung einer Diskriminierung so zu verstehen, dass auch eine Erziehung des Kindes in einem anderen EU‑Mitgliedstaat (hier: Tschechien) unschädlich ist (vgl 10 ObS 35/11m, SSV‑NF 25/39 mwN).

6.1 Sollte demnach im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und ihrem österreichischen Arbeitgeber eine Karenzierung für einen über die gesetzliche Karenz nach § 15 MSchG hinausgehenden Zeitraum vereinbart worden sein (entsprechende Feststellungen wurden bisher nicht getroffen), wäre der Anspruch der Klägerin auf pauschales Kinderbetreuungsgeld auch für diesen (weiteren) Zeitraum grundsätzlich zu bejahen.

7. Die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach Österreich für die Gewährung von Familienleistungen an die Klägerin zuständig sei, erweist sich daher im Ergebnis als zutreffend.

8. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren über die vom Berufungsgericht bereits aufgetragene Verfahrensergänzung hinaus auch Feststellungen über die konkrete Dauer der zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber vereinbarten Karenz zu treffen haben.

9. Dem Rekurs der beklagten Partei war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Die beklagte Partei hat als Versicherungsträger im Sinne des § 77 Abs 1 Z 1 ASGG die Kosten ihres Rekurses ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen. Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der Kosten der Klägerin beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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