Spruch:
1. Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.
2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreter die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, eine österreichische Staatsbürgerin, hat am 7. 1. 2006 in Innsbruck ihren Sohn M***** geboren. Sie teilte ihrer in Innsbruck ansässigen Arbeitgeberin, bei der sie zum Geburtszeitpunkt beschäftigt war, mit, dass sie die „volle“ gesetzliche Karenzierung ihres Arbeitsverhältnisses bis zum zweiten Geburtstag ihres Sohnes in Anspruch nehmen werde. In weiterer Folge vereinbarte die Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin eine Verlängerung der Karenz bis 6. 7. 2008.
Die Klägerin, die zum Zeitpunkt der Geburt ihres Sohnes in Innsbruck gewohnt hatte, zog im März 2007 mit ihrem Sohn in die Schweiz, weil ihr Ehemann dort am 1. 6. 2006 ein Arbeitsverhältnis angetreten hatte.
Die Klägerin war bis 6. 7. 2008 gegen Entfall des Arbeitsentgelts karenziert; sie hat in dieser Zeit in Österreich und anschließend in der Schweiz ihren Sohn erzogen.
Über Antrag der Klägerin gewährte ihr die beklagte Partei für den Zeitraum vom 5. 3. 2006 bis 28. 2. 2007 Kinderbetreuungsgeld in der täglichen Höhe von 14,53 EUR und für den Zeitraum vom 1. 3. 2007 bis 6. 1. 2008 eine Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld in der täglichen Höhe von 14,53 EUR. Mit Schreiben vom 17. 10. 2007 teilte die Klägerin der beklagten Partei mit, dass die Karenzvereinbarung mit ihrer Arbeitgeberin um sechs Monate verlängert worden sei und beantragte die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld sowie die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes um weitere sechs Monate bis zum 30. Lebensmonat des Kindes.
Mit Bescheid vom 18. 1. 2008 widerrief die beklagte Partei den für die Zeit ab 1. 3. 2007 zuerkannten Anspruch auf Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld gemäß Art 73, 75 und 76 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 iVm Art 10 Abs 1 lit b sublit i der Verordnung (EWG) Nr 574/72 ab dem 7. 1. 2008. Dieser Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass ab 7. 1. 2008 mangels eines aufrechten Arbeitsverhältnisses der Klägerin in Österreich die alleinige Leistungszuständigkeit der Schweiz für Familienleistungen gegeben sei, wo (allein) der Ehegatte der Klägerin einer Erwerbstätigkeit nachgehe und alle Familienangehörigen wohnen.
Mit ihrer gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr für den Zeitraum vom 7. 1. 2008 bis 6. 7. 2008, also für die Zeit der vereinbarten Karenzierung ihres Arbeitsverhältnisses, eine Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 14,53 EUR pro Tag zu zahlen. Ihr Begehren begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie trotz der vereinbarten Karenzierung in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zu ihrer Arbeitgeberin gestanden und daher weiterhin als Arbeitnehmerin im Sinne der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 anzusehen sei. Darüber hinaus sei sie während der Zeit der Kindererziehung als Teilversicherte in die österreichische Pensionsversicherung einbezogen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass die Klägerin für die Zeit einer vereinbarten Karenzierung des Arbeitsverhältnisses nicht in die österreichische Sozialversicherung integriert und daher auch keine Arbeitnehmerin im Sinne der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 sei. Während der Zeit der Kindererziehung könnte sie - unabhängig von einer Beschäftigung - lediglich Anwartschaftszeiten für eine eventuelle spätere Pensionsfeststellung erwerben. Nach Art 13 Abs 2 lit a der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 liege die Leistungszuständigkeit für die Erbringung von Familienleistungen im hier relevanten Zeitraum vom 7. 1. 2008 bis 6. 7. 2008 allein bei der Schweiz. Auch aus dem Beschluss Nr 207 der Verwaltungskommission vom 7. 4. 2006, ABl 2006 L 175/83, sei für die Klägerin nichts zu gewinnen, weil sie als Person in unbezahltem Urlaub nach dem Ende der gesetzlichen Karenzierung des Arbeitsverhältnisses anzusehen sei. Letztlich habe die Klägerin im Hinblick auf den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in der Schweiz auch nach dem innerstaatlichen österreichischen Recht keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 14,35 EUR (richtig: 14,53 EUR) täglich für die Zeit vom 7. 1. 2008 bis 6. 7. 2008, somit insgesamt 2.688,05 EUR.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. In Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Erstgerichts ging es davon aus, dass eine Person, die ihr Kind in den ersten 48 Kalendermonaten nach der Geburt tatsächlich und überwiegend erziehe, in der gesetzlichen Pensionsversicherung teilversichert sei. Die in § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG idF der 62. ASVG-Novelle (BGBl I 2004/142) geforderte Erziehung des Kindes „im Inland“ sei unzweifelhaft gemeinschaftsrechtswidrig und wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht anzuwenden. Im Hinblick auf diese Teilversicherung der Klägerin sei Österreich - unabhängig von der naheliegenderweise zu bejahenden Frage, ob nach Ende der gesetzlichen Karenz noch ein aufrechtes Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrer (früheren) Arbeitgeberin vorliege - „primär leistungspflichtig“. Da die Schweiz als Wohnsitzstaat der Familie und Beschäftigungsstaat des Ehegatten der Klägerin keine dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld gleichartige Leistung gewähre, lebe der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Kinderbetreuungsgeld zur Gänze auf, weshalb das Erstgericht die beklagte Partei zu Recht zur Zahlung des geltend gemachten Betrags verpflichtet habe.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der beklagten Partei keine Folge zu geben.
Die Revision ist schon im Hinblick auf die Notwendigkeit der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zulässig, aber nicht berechtigt.
Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel im Wesentlichen geltend, ein Anspruch der Klägerin auf österreichisches Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 7. 1. 2008 bis 6. 7. 2008 bestehe nicht, weil die Klägerin in diesem Zeitraum nicht als Arbeitnehmerin mit Beschäftigung in Österreich anzusehen sei. Der Klägerin sei es nach dem Ende der gesetzlichen Karenzzeit nur um die weitere Freistellung zum Zweck des Bezugs von Familienleistungen gegangen; eine Wiederaufnahme der tatsächlichen Erwerbstätigkeit in Österreich sei gar nicht geplant gewesen. Im Übrigen würden Kindererziehungszeiten in der Pensionsversicherung keine Arbeitnehmereigenschaft begründen; die entsprechende Teilversicherung liege nicht in einem Sozialversicherungssystem für Arbeitnehmer, weil keine Unterscheidung zwischen der erwerbstätigen und der nicht erwerbstätigen Bevölkerung getroffen werde. Die unrichtige Ansicht der Vorinstanzen würden dazu führen, dass im Fall von Kindererziehung der erziehenden Person völlig unabhängig von einem Arbeitsverhältnis Arbeitnehmereigenschaft zukomme. Tatsächlich bezwecke die Teilversicherung allein eine fixe Erhöhung des Pensionsbetrags pro Kind. Sie stehe im Übrigen erst im Nachhinein fest. Im vorliegenden Fall käme es zu keiner Anrechnung, weil auch die Schweiz eine Anrechung von Kindererziehungszeiten kenne. Außerdem normiere die Verordnung (EWG) 1408/71 zur Vermeidung von Doppelleistungen für alle Familienleistungen eine einheitliche Leistungszuständigkeit, was im konkreten Fall wiederum zur allgemeinen Leistungszuständigkeit der Schweiz führe; dieser Staat zahle auch die (der österreichischen Familienbeihilfe entsprechende) Kinderzulage aus. Auch aus dem Beschluss Nr 207 der Verwaltungskommission vom 7. 4. 2006 sei für die Klägerin nichts zu gewinnen, weil sie als Person in unbezahltem Urlaub nach dem Ende der gesetzlichen Karenzierung des Arbeitsverhältnisses anzusehen sei. Letztlich habe die Klägerin im Hinblick auf den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in der Schweiz auch nach dem innerstaatlichen österreichischen Recht keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
1. Der erkennende Senat hat die für den vorliegenden Fall maßgebende Rechtslage bereits in seinem Beschluss vom 24. 11. 2009, 10 ObS 122/09b, näher dargelegt, sodass auf diese Ausführungen verwiesen werden kann.
1.1 Da die vorliegende Rechtssache eine gemeinschaftsrechtliche Frage, nämlich die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs in Art 1 lit a der Verordnung (EWG) 1408/71 berührt, hat der Oberste Gerichtshof mit dem erwähnten Beschluss vom 24. 11. 2009 das Revisionsverfahren gemäß § 90a GOG ausgesetzt und dem EuGH unter anderem folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„Ist Art 1 lit a der Verordnung (EWG) 1408/71 dahin auszulegen, dass er auch - für die Dauer eines halben Jahres - eine Person erfasst, die nach Ende der zweijährigen gesetzlichen Karenzierung ihres Arbeitsverhältnisses nach der Geburt eines Kindes eine Karenzierung für ein weiteres halbes Jahr mit ihrem Arbeitgeber vereinbart, um die gesetzliche Höchstdauer des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld bzw einer entsprechenden Ausgleichszahlung zu erreichen, und sodann das Arbeitsverhältnis löst?“.
1.2 Mit Urteil vom 10. März 2011, Rs C-516/09, hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf diese ihm vom Obersten Gerichtshof vorgelegte Frage zu Recht erkannt.
„Die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EG) Nr 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 geänderten Fassung ist einer Person in der Situation der Klägerin des Ausgangsverfahrens während der sechsmonatigen Verlängerung der Karenz im Anschluss an die Geburt ihres Kindes zuzuerkennen, vorausgesetzt, diese Person ist in dieser Zeit auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfüllt ist.“
Rechtliche Beurteilung
1.3 Nach Vorliegen dieses Urteils ist das ausgesetzte Revisionsverfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen.
2. Wie der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 24. 11. 2009 ausgeführt hat, sprechen im vorliegenden Fall auch einige - auch von der beklagten Partei in ihrem Rechtsmittel relevierte - Gründe dafür, dass die in § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG für Personen, die ihr Kind in den ersten 48 Kalendermonaten nach der Geburt tatsächlich und überwiegend iSd § 227a Abs 4 bis 6 ASVG „im Inland“ erziehen, vorgesehene Teilversicherung in der Pensionsversicherung keine Integration in ein System der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige im Sinne der VO 1408/71 bewirke. Diese Teilversicherung bestehe nämlich unabhängig von einer früheren oder aufrechten Erwerbstätigkeit als Unselbständiger oder Selbständiger. Weiters habe die Klägerin nach dem Vorbringen der beklagten Partei bewusst eine Verlängerung der Karenzierung ihres Arbeitsverhältnisses vereinbart, nur um weiter Kinderbetreuungsgeld beziehen zu können. Schließlich sei fraglich, ob die Teilversicherung der Klägerin in der Pensionsversicherung in Österreich wirklich relevant sei, da es möglicherweise - falls für die Zahlung der Alterspension der Klägerin der Staat ihres Wohnsitzes, im vorliegenden Fall die Schweiz, zuständig sein sollte - nie zu einer Anrechnung der die Teilversicherung der Klägerin nach dieser Regelung begründenden Zeit der Erziehung des Kindes im österreichischen System der sozialen Sicherheit kommen werde.
2.1 Der EuGH gelangte in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass diese Umstände nicht geeignet seien, die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der VO 1408/71 zu beseitigen. So sei für den persönlichen Geltungsbereich der VO 1408/71 das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses irrelevant, da es insoweit (nur) darauf ankomme, ob eine Person im Rahmen eines der in Art 1 lit a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme für die soziale Sicherheit gegen ein oder mehrere Risiken freiwillig versichert oder pflichtversichert sei. Auch die persönlichen Gründe für die Verlängerung der Karenz spielten für die Arbeitnehmereigenschaft keine Rolle. Schließlich hänge die Frage, ob der persönliche Geltungsbereich der VO 1408/71 eröffnet sei, auch nicht von der Verwirklichung des gedeckten Risikos und daher auch nicht von der Frage ab, in welchen der zwei Staaten (Schweiz, Österreich) diese Zeiten bei einem möglichen Pensionsantritt angerechnet werden, sondern (nur) davon, ob der Betreffende auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art 1 lit a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist.
2.2 Der Oberste Gerichtshof hat daher im Sinne der bindenden Rechtsansicht des EuGH davon auszugehen, dass der Klägerin die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Art 1 lit a der VO 1408/71 auch während des hier allein noch strittigen Zeitraums der sechsmonatigen Verlängerung der Karenz im Anschluss an die Geburt ihres Sohnes zukommt, weil sie während dieser Zeit nach § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG als Teilversicherte in die Pensionsversicherung einbezogen war. Es wurde bereits im Beschluss vom 24. 11. 2009, 10 ObS 122/09b, darauf hingewiesen, dass das in § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG angesprochene Erfordernis der Erziehung „im Inland“ zur Vermeidung einer Diskriminierung so zu verstehen ist, dass auch eine Erziehung des Kindes in der Schweiz unschädlich ist (vgl 10 ObS 61/02x = SSV-NF 16/20).
2.3 Die von der beklagten Partei in ihrem Rechtsmittel gegen eine Ableitung der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin aus ihrer Teilversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG vorgebrachten Argumente sind daher nicht stichhältig. Wie die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend ausführt, ist das österreichische System des ASVG auf beschäftigte Personen ausgerichtet und stellt somit ein System der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer dar. Aufgrund der durch das ASVG selbst vorgenommenen zeitlichen Befristung des Weiterbestehens einer Versicherung liegt es auch nicht in der Hand einer Arbeitnehmerin in Absprache mit ihrem Arbeitgeber sich über Jahre hinweg in den Anwendungsbereich der VO 1408/71 hinein zu reklamieren. Die Einbeziehung in den Zweig der Pensionsversicherung ist nur während der ersten vier Lebensjahre des Kindes möglich und ist vom Zweck her an die Kleinkindbetreuung gebunden. Sie unterliegt somit nicht der freien Disposition der karenzierten Mutter. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von dem vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. 1. 2006, 2006/14/0105, beurteilten Sachverhalt.
2.4 Es ist daher zusammenfassend festzustellen, dass eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Kindererziehung, wie sie in § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG vorgesehen ist, die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der VO 1408/71 begründet. Demnach ist die Klägerin auch im noch strittigen Zeitraum als Arbeitnehmerin im Sinne der VO 1408/71 anzusehen.
3. Ausgehend von der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin kommt grundsätzlich Art 73 VO 1408/71 zur Anwendung. Diese Bestimmung sieht vor, dass ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates hat, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Durch diese Vorschrift soll verhindert werden, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung oder die Höhe von Familienleistungen davon abhängig machen kann, dass die Familienangehörigen des Arbeitnehmers in dem Mitgliedstaat wohnen, in dem die Leistungen erbracht werden, um den EG-Arbeitnehmer nicht davon abzuhalten, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (vgl EuGH Rs C-543/03, Dodl/Oberhollenzer, Slg I-05049 Rn 45f). Es hat daher im vorliegenden Fall die Klägerin für ihr Kind auch für den allein noch strittigen Zeitraum der sechsmonatigen Verlängerung der Karenz Anspruch auf Familienleistungen nach den österreichischen Rechtsvorschriften, als ob das Kind in Österreich wohnte.
3.1 Diese Bestimmung des Art 73 VO 1408/71 bewirkt jedoch keinen Ausschluss des Anspruchs auf Familienleistungen nach dem Recht des Wohnsitzstaats der Familienangehörigen. Für Fälle, in denen im Beschäftigungs- wie im Wohnortstaat Ansprüche auf Familienleistungen bestehen, treffen Art 76 der VO 1408/71 und Art 10 der Durchführungsverordnung 574/72 eine Prioritätsregelung. Die Antikumulierungsregelung des Art 76 der VO 1408/71 scheidet allerdings beim österreichischen Kinderbetreuungsgeld aus, da diese Regelung nur zur Anwendung kommt, wenn die Familienleistung an die Erwerbstätigkeit anknüpft, was beim österreichischen Kinderbetreuungsgeld nicht der Fall ist. Für solche Leistungen, die unabhängig von einer Versicherung oder Beschäftigung zustehen, legt Art 10 der Durchführungsverordnung 574/72 die Prioritätsregeln fest. Danach ist bei zwei Beschäftigungsstaaten, wenn also beide Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten berufstätig sind, jener Staat vorrangig zuständig, in dem die Familie wohnhaft ist. Der andere Mitgliedstaat ist nur zu einer Differenz- oder Ausgleichszahlung verpflichtet, wenn seine Leistungen jene des Wohnsitzstaats übersteigen.
3.2 Voraussetzung für eine Anwendbarkeit der Antikumulierungsbestimmungen des Art 76 der VO 1408/71 bzw des Art 10 der VO 574/72 ist jedoch, dass es sich um das Zusammentreffen von vergleichbaren (gleichartigen) Familienleistungen handelt (vgl 10 ObS 109/07p = SSV-NF 21/78 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH). So hat der EuGH für den Fall, dass in einem der beiden Staaten kein Anspruch auf eine mit dem Kinderbetreuungsgeld vergleichbare Familienleistung besteht, festgestellt, dass der Anspruch ausschließlich aufgrund des Art 73 der VO 1408/71 zu prüfen ist und die Antikumulierungsvorschriften nicht zur Anwendung kommen. Dabei ist es unerheblich, ob im Wohnsitzstaat eine entsprechende Leistung gar nicht existiert oder ob sie dort nur deshalb nicht zur Auszahlung gelangt, weil beispielsweise die dort geltenden Einkommensgrenzen überschritten wurden (vgl EuGH Rs C-543/03, Dodl/Oberhollenzer, Slg 2005 I-05049 Rn 63; 10 ObS 70/06a = SSV-NF 20/68).
3.3 Soweit die beklagte Partei in ihrer Revision die Ansicht vertritt, die Schweiz sei gemäß Art 10 der VO 574/72 im vorliegenden Fall für alle Familienleistungen zuständig und es seien alle Familienleistungen des vorrangig zuständigen Staates (Schweiz) mit allen Familienleistungen des nachrangig zuständigen Staates (Österreich) zu vergleichen, ist ihr mit den Ausführungen der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung die bereits zitierte Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs entgegenzuhalten, wonach nur gleichartige Familienleistungen miteinander zu vergleichen sind und ausschließlich bei einem Zusammentreffen dieser vergleichbaren Leistungen aus zwei Staaten die Antikumulierungsbestimmungen zur Anwendung gelangen (vgl 10 ObS 109/07p = SSV-NF 21/78 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH). Die Vergleichbarkeit der zusammentreffenden Leistungen ist anzunehmen, wenn die Leistungen einander nach Funktion und Struktur im Wesentlichen entsprechen (vgl Schuler in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 Art 12 VO 1408/71 Rz 20 mwN), und von einem Zusammentreffen kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Anspruch auch tatsächlich in beiden Mitgliedstaaten besteht. Auch § 6 Abs 3 KBGG sieht ein Ruhen des Kinderbetreuungsgeldes nur bei einem Anspruch auf vergleichbare ausländische Leistungen vor.
3.4 Im vorliegenden Fall ist unstrittig davon auszugehen, dass der Ehegatte der Klägerin, der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine Beschäftigung in der Schweiz ausübte, zwar die Schweizer Kinderzulage (= eine der österreichischen Familienbeihilfe vergleichbare Leistung), aber keine dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld vergleichbare Familienleistung bezogen hat, weil in der Schweiz eine solche dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld vergleichbare Leistung nicht existiert. Aus diesem Grund kommt es entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei durch die Gewährung des österreichischen Kinderbetreuungsgelds an die Klägerin auch zu keiner Überkompensation von Erziehungsleistungen. Die Klägerin wird auch nicht, wie sie in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend anmerkt, gegenüber in Österreich verbliebenen Müttern besser gestellt. Eine Begrenzung des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld auf 24 Monate würde hingegen eine Schlechterstellung der Klägerin bedeuten, die sich nur daraus ergeben würde, dass sie ihre sechsmonatige Verlängerung ihrer Karenz nicht in Österreich, sondern im EWR-Raum verbringt.
4. Der Klägerin entsteht daher nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen das Kinderbetreuungsgeld auch für den allein noch strittigen Zeitraum vom 7. 1. 2008 bis 6. 7. 2008 in der geltend gemachten Höhe zu. Da, wie bereits dargelegt, die Antikumulierungsbestimmungen des Art 76 der VO 1408/71 bzw des Art 10 der VO 574/72 im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen, erübrigt sich auch ein näheres Eingehen auf den Inhalt des zur Auslegung dieser beiden Bestimmungen von der Verwaltungskommission erlassenen Beschlusses Nr 207. Die Revision der beklagten Partei musste daher insgesamt erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 lit a ASGG.
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