Spruch:
Der Revision und dem Rekurs wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei ist schuldig der erstklagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Kosten der Rekursbeantwortung der zweitklagenden Partei sind weitere Verfahrenskosten.
Der als „Replik der beklagten Partei zur Revisions- und Rekursbeantwortung der klagenden Partei" bezeichnete Schriftsatz vom 26. 4. 2006 wird zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Erstklägerin Christine D***** ist österreichische Staatsangehörige, hat jedoch ihren Wohnsitz in Deutschland. Sie war und ist nach wie vor in Österreich beschäftigt; aufgrund der Geburt ihres Sohnes Fabian am 21. 4. 2002 war ihr Arbeitsverhältnis vom 21. 6. 2002 bis 7. 10. 2002 karenziert. Seit 8. 10. 2002 ist sie bei einem Wirtschaftstreuhänder in K***** (Österreich) tätig, wo sie von Oktober 2002 bis Dezember 2004 das vom Erstgericht im Einzelnen festgestellte Einkommen bezog.
Der Ehemann der Erstklägerin ist deutscher Staatsangehöriger und in der BRD beschäftigt. Er bezieht dort das der österreichischen Familienbeihilfe entsprechende Kindergeld, jedoch kein Bundeserziehungsgeld. Als Dienstnehmer des Bundeseisenbahnvermögens bezog er im Zeitraum vom 1. 7. 2002 bis 31. 10. 2004 das im Ersturteil detailliert festgestellte Einkommen. Der Ehegatte der Erstklägerin war nie in Karenz, sondern ständig berufstätig. Die Erstklägerin und ihr Mann wohnen seit 7. 12. 1996 in R***** (BRD). Dort ist seit seiner Geburt auch der gemeinsame Sohn Fabian gemeldet und wohnhaft. Die Erstklägerin hat ihren Sohn Fabian nach der Geburt durchgehend in Deutschland erzogen.
Mit Bescheid vom 13. 5. 2003 lehnte das Amt für Versorgung und Familienförderung München I den Antrag der Erstklägerin auf Zahlung des deutschen Bundeserziehungsgeldes für das zweite Lebensjahr des Kindes ab, weil die nach den deutschen Vorschriften normierte Einkommensgrenze um EUR 8.961,19 überschritten werde und die Klägerin den Rechtsvorschriften des Beschäftigerstaates (Österreich) unterliege. Gegen diesen Bescheid legte die Erstklägerin Widerspruch ein. Das Bayerische Landesamt für Versorgung und Familienförderung unterbreitete der Erstklägerin mit Schreiben vom 31. 10. 2003 ein Vergleichsanbot. Darin erklärte sich der Freistaat Bayern bereit, unter Abänderung des angefochtenen Bescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. 7. 2004 Bundeserziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Sohnes Fabian vorläufig nach Art 114 der VO (EWG) Nr 574/72 über die Durchführung der VO (EWG) Nr 1408/71 in der gesetzlichen Höhe zu bezahlen. Dieses Vergleichsanbot nahm die Erstklägerin an, worauf ihr das Sozialgericht München mit Schreiben vom 13. 11. 2003 mitteilte, dass zufolge Rücknahme der Klage der Rechtsstreit erledigt sei. Mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung München I - Familienförderung - wurde der Erstklägerin ab 21. 6. 2002 Erziehungsgeld in Höhe von EUR 48 monatlich gewährt.
Auch die Zweitklägerin Petra O***** ist österreichische Staatsangehörige. Sie hat am 10. 9. 2002 ihren Sohn Tobias geboren. Der Lebensgefährte der Zweitklägerin und Vater des Kindes ist deutscher Staatsangehöriger und in Deutschland beschäftigt. Er bezieht dort das der österreichischen Familienbeihilfe vergleichbare Kindergeld für Tobias; Bundeserziehungsgeld bezieht er nicht. Die Zweitklägerin hat ihn am 12. 12. 2003 geheiratet und trägt nunmehr den Familiennamen N*****. Sie hat ihr Kind Tobias nach der Geburt durchgehend im EU-Raum erzogen; der Wohnsitz der Zweitklägerin ist seit 18. 12. 2000 in P***** (BRD).
Das Dienstverhältnis der Zweitklägerin im Bezirkskrankenhaus R***** (Österreich) begann am 14. 9. 1992, war vom 8. 11. 2002 bis 9. 9. 2004 infolge Mutterschaftskarenz karenziert und wurde am 10. 9. 2004 fortgesetzt. Ab 10. 9. 2004 erzielt sie ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 704,50 aufgrund einer Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden. Der Gatte der Zweitklägerin war nie in Karenz, sondern stets berufstätig. Er erzielte im Zeitraum November 2002 bis September 2004 das im Ersturteil detailliert festgestellte ersichtliche Einkommen. Mit Schreiben des Arbeitsamtes Kempten (BRD) vom 26. 9. 2002 wurde dem Vater für den Sohn Tobias Kindergeld ab September 2002 zuerkannt. Mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung Augsburg vom 14. 11. 2002 wurde jedoch ausgesprochen, dass das Erziehungsgeld in unrichtiger Höhe ausbezahlt worden sei und der überbezahlte Betrag zurückgefordert werde. Mit Schreiben vom 22. 3. 2004 des Amtes für Versorgung und Familienförderung Augsburg (BRD) wurde für das zweite Lebensjahr des Sohnes Tobias der Zweitklägerin Erziehungsgeld ab 12. 12. 2003 zuerkannt; dieses vorläufige Erziehungsgeld bezog die Zweitklägerin vom 12. 12. 2003 bis 9. 9. 2004.
Die beklagte Gebietskrankenkasse hat mit den angefochtenen Bescheiden vom 28. 4. 2003 bzw 5. 6. 2003 die Anträge der Erst- und Zweitklägerin auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes gemäß Art 73, 75 und 76 der VO (EWG) Nr 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in Verbindung mit Art 10 Abs 1 lit b sub lit l der VO (EWG) Nr 574/72 über die Durchführung der VO (EWG) Nr 1408/71 abgewiesen. Diese Bescheide bekämpfen die Klägerinnen mit den Begehren auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes in der gesetzlichen Höhe ab 1. 7. 2002 (Erstklägerin) und - soweit noch streitgegenständlich - ab 8. 11. 2002 (Zweitklägerin). Sie berufen sich darauf,
- dass nach der VO (EWG) Nr 1408/71 das Beschäftigungsstaatsprinzip anzuwenden sei;
- dass sie in den entsprechenden Zeiträumen [in Österreich] gemäß dem ASVG [bei aufrechtem bzw wegen Mutterschaft karenziertem Arbeitsverhältnis] versicherungspflichtig gewesen und,
- dass ihre Söhne durchgehend im EU-Raum erzogen worden seien. Die Erstklägerin beziehe zwar vorläufig Bundeserziehungsgeld. Dies jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung, falls sich ergeben sollte, dass Österreich für die Zahlung von Kinderbetreuungsgeld zuständig sein sollte. Auch der Antrag der Zweitklägerin auf Zahlung von Bundeserziehungsgeld sei abgelehnt worden. Für das zweite Lebensjahr des Sohnes Tobias sei der Zweitklägerin vom Amt für Versorgung und Familienförderung Augsburg gemäß Schreiben vom 22. 3. 2004 jedoch Erziehungsgeld ab 12. 12. 2003 zuerkannt worden. Sowohl die beklagte Partei als auch das zuständige Versorgungsamt in Deutschland beriefen sich auf die VO (EWG) 1408/71 . Durch die unterschiedliche Auslegung dieser Verordnung ergebe sich offensichtlich ein negativer Kompetenzkonflikt. Für die Beurteilung des Sachverhaltes sei in erster Linie das Beschäftigungsstaatsprinzip anzuwenden und vorrangig jener Staat zuständig, in dem ein Elternteil beschäftigt sei. Weil die Erst- und die Zweitklägerin als Antragstellerinnen in einem aufrechten Dienstverhältnis in Österreich stünden, sei nach dem Beschäftigungsstaatsprinzip Österreich für die Auszahlung der Familienleistungen vorrangig zuständig. § 2 Abs 2 Z 1 KBGG normiere, dass ein Elternteil Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld habe, wenn für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem FLAG bestehe oder nur deshalb nicht bestünde, weil ein Anspruch auf eine gleichartige ausländische Leistung bestehe. Bei dem von den Vätern der Kinder bezogenen Kindergeld handle es sich um eine der österreichischen Familienbeihilfe gleichartige Leistung. Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung. Nicht Österreich als Beschäftigungsstaat sei zuständig, sondern Deutschland als Wohnsitzstaat. Nach österreichischer Auffassung sei bei Vorliegen von zwei unterschiedlichen Beschäftigungsstaaten jener Staat vorrangig für Familienleistungen (in Deutschland: „Bundeserziehungsgeld", in Österreich: „Kinderbetreuungsgeld") zuständig, welcher der Wohnsitzstaat sei. Österreich sei hier nur nachrangig zuständig und habe erst nach Leistung des deutschen Bundeserziehungsgeldes unter Umständen einen Ausgleichsbetrag zum Kinderbetreuungsgeld zu gewähren.
Im ersten Rechtsgang hat das Berufungsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 234 EG folgende Fragen hinsichtlich der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen zur Vorabentscheidung vorgelegt (RIS-Justiz RI0000121):
„1) Ist Art 73 der VO (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. 6. 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in Verbindung mit Art 13 der VO idgF dahin auszulegen, dass auch Arbeitnehmer erfasst sind, deren Arbeitsverhältnis zwar aufrecht ist, aber das Arbeitsverhältnis keine Arbeits- und Entgeltspflichten begründet (karenziert ist) und nach nationalem Recht keine Sozialversicherungspflicht auslöst?
2) Für den Fall der Bejahung der Frage 1): Ist in einem solchen Fall die Zuständigkeit des Beschäftigerstaates zur Leistungserbringung gegeben, auch wenn der Arbeitnehmer und jene Familienangehörigen, für die eine Familienleistung wie das österreichische Kinderbetreuungsgeld zustehen könnte, insbesondere im Zeitraum des karenzierten Arbeitsverhältnisses nicht im Beschäftigerstaat gewohnt haben?"
Mit Urteil vom 7. 6. 2005, Rs C-543/03 , hat der Europäische Gerichtshof auf diese ihm vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
„1. Eine Person besitzt die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 1386/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 geänderten und aktualisierten Fassung, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art 1 Buchstabe a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systemen der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Es ist Sache des nationalen Gerichts, die notwendigen Prüfungen vorzunehmen, um festzustellen, ob die Klägerinnen der Ausgangsverfahren in den Zeiträumen, für die die fraglichen Leistungen beantragt wurden, einem Zweig des österreichischen Systems der sozialen Sicherheit angehört haben und damit unter den Begriff „Arbeitnehmer" im Sinne von Art 1 Buchstabe a fielen.
2. Räumen die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats und die des Wohnmitgliedstaats eines Arbeitnehmers diesem für denselben Familienangehörigen und für denselben Zeitraum Ansprüche auf Familienleistungen ein, so ist der für die Gewährung dieser Leistungen zuständige Mitgliedsstaat nach Art 10 Abs 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr 1408/71 in der durch die Verordnung (EG) Nr 410/2002 der Kommission vom 27. Februar 2002 geänderten und aktualisierten Fassung grundsätzlich der Beschäftigungsmitgliedsstaat.
Übt jedoch eine Person, die das Sorgerecht für die Kinder hat, insbesondere der Ehegatte oder der Lebensgefährte des Arbeitnehmers, eine Erwerbstätigkeit im Wohnmitgliedstaat aus, so sind die Familienleistungen nach Art 10 Abs 1 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr 574/72 in der durch die Verordnung Nr 410/2002 geänderten Fassung von diesem Mitgliedsstaat zu gewähren, unabhängig davon, wer der in den Rechtsvorschriften dieses Staats bezeichnete unmittelbare Empfänger dieser Leistungen ist. In diesem Fall ruht die Gewährung der Familienleistungen durch den Beschäftigungsmitgliedsstaat bis zur Höhe der in den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedsstaats vorgesehenen Familienleistungen." (EuGH, 7. 6. 2005, Rs C-543/01 [Dodl/Oberhollenzer] = WBl 2005/242, 466 = ZAS 2005/154, 223 = RdW 2005/648, 564 mwN).
Daraufhin hat das Berufungsgericht (ua) die klageabweisenden Ersturteile - unter Zurückverweisung der verbundenen Sozialrechtssachen an das Erstgericht - aufgehoben und ausgesprochen, dass (insoweit) der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Einbeziehung in einen Zweig der österreichischen Sozialversicherung erfolge hier durch § 8 Abs 2 Z 2 lit g ASVG, wonach Personen, die ihr Kind (§ 227a Abs 2 ASVG) in den ersten 48 Kalendermonaten nach der Geburt tatsächlich oder überwiegend iSd § 227a Abs 4 bis 7 ASVG im Inland erziehen, in der Pensionsversicherung teilversichert seien, wenn sie zuletzt nach diesem Bundesgesetz pensionsversichert oder noch nicht pensionsversichert gewesen seien. Der Passus „im Inland erziehen" entspreche nicht dem Gemeinschaftsrecht und sei daher nicht anzuwenden. Es sei daher festzustellen, ob die Klägerinnen ihre Söhne „tatsächlich oder überwiegend" - wo immer im Raum der EU - erzogen hätten. Nach diesen Feststellungen zur Arbeitnehmereigenschaft der Klägerinnen für die Zeiten des „Karenzurlaubes" sei noch zu klären, ob Ansprüche des Ehegatten bzw Lebensgefährten nach dem deutschen Bundeserziehungsgeld im Sinne eines Differenzanspruches nach Punkt 2 des Spruches des Europäischen Gerichtshofes bestehen.
Dieser Aufhebungsbeschluss blieb unbekämpft.
Im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht die beklagte Partei schuldig, den Klägerinnen das Kinderbetreuungsgeld vom 1. 7. 2002 bis 21. 10. 2004 (Erstklägerin) bzw vom 8. 11. 2002 bis 9. 9. 2004 (Zweitklägerin) im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Gemäß § 5 Abs 2 KBGG stehe den Klägerinnen nach dem - unstrittigen - Sachverhalt jedenfalls bis zur Vollendung des 30. Lebensmonats ihrer Söhne Kinderbetreuungsgeld zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei hinsichtlich der Erstklägerin nicht Folge; insoweit bestätigte es die angefochten Entscheidung als Teilurteil mit der Maßgabe, dass es die beklagte Partei zur Bezahlung konkreter Kinderbetreuungsgeldbeträge in der gesetzlichen Höhe (nach § 3 Abs 1 KBGG) an die Erstklägerin verpflichtete (Punkt 1 des Spruches). Hinsichtlich der Zweitklägerin hob es das Ersturteil unter Zurückverweisung der Sozialrechtssache an das Erstgericht auf (Punkt 2 des Spruches). Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil und der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig seien. Dazu führte das Gericht zweiter Instanz in rechtlicher Hinsicht aus wie folgt:
Zu Pkt 1) des Spruches:
Sollte die Einbeziehung in die Teilversicherung tatsächlich erst mit „1. 5. 2005" (gemeint: 1. 1. 2005) Geltung haben, wäre es Sache der beklagten Partei gewesen, die ihr [im ersten Rechtsgang] eröffnete Möglichkeit zu ergreifen, bezüglich dieser Rechtsansicht den Obersten Gerichtshof anzurufen. Da sie dies nicht getan habe, sei das Berufungsgericht gemäß § 499 ZPO an seine Rechtsansicht gebunden. Aber auch wenn die in der seinerzeit aufhebenden Entscheidung genannte Bestimmung des ASVG nicht gelten sollte, würde sich im Ergebnis aber auch an der Arbeitnehmereigenschaft der Erstklägerin nichts ändern; habe der Europäische Gerichtshof in Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens des Berufungsgerichtes (EuGH, 7. 6. 2005, Rs C-543/01 [Dodl/Oberhollenzer]) doch zu Recht erkannt, dass die Arbeitnehmereigenschaft einer Person im Sinne der VO (EWG) Nr 1408/71 dann gegeben sei, wenn diese Person auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art 1 lit a dieser VO genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert sei, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Dabei sei den nationalen Gerichten die Aufgabe überantwortet worden, zu prüfen, ob die Klägerinnen der Ausgangsverfahren in den Zeiträumen, für die die fraglichen Leistungen beantragt worden seien, einem Zweig des österreichischen Systems der sozialen Sicherheit angehört hätten und damit unter den Begriff Arbeitnehmer im Sinne von Art 1 lit a fielen. Eine solche Pflichtversicherung im Sinne einer Vollversicherung gemäß § 4 Abs 1 ASVG habe bei der Erstklägerin ab der Wiederaufnahme ihres Arbeitsverhältnisses (= 7. 10. 2002) als Vollbeschäftigungsverhältnis bestanden. Damit sei wohl unzweifelhaft eine ausreichende Einbeziehung der Erstklägerin für den maßgeblichen Zeitraum (= 30 Monate ab Geburt des Kindes) vorgelegen.
Auch für den verbleibenden Zeitraum vom 1. 7. 2002 bis 7. 10. 2002 sei jedoch von einer Einbeziehung der Erstklägerin in die Krankenversicherung als Pflichtversicherung auszugehen, und zwar im Sinne einer gleichsam „latent" bestehenden Versicherung gegen das Risiko der Krankheit im Sinne der in der Literatur sogenannten Fortleistungs- oder Schutzfristfälle nach den Bestimmungen des § 122 Abs 2 Z 1 ASVG bzw § 122 Abs 2 Z 2 ASVG. Nach § 122 ASVG werde die Krankenbehandlung für die Dauer der Krankheit ohne zeitliche Begrenzung gewährt, wenn der Versicherungfall während der Versicherung eingetreten sei. Dasselbe gelte für sogenannte Fortleistungsfälle. Der Versicherungsfall werde diesfalls nach dem Ende der Versicherung, jedoch während des Bestehens eines Kranken- oder Wochengeldanspruches, während der Dauer einer auf Rechnung des Versicherungsträgers gewährten Anstaltspflege oder während des Bestehens eines Pflegegebührenersatzanspruches gemäß §§ 131, 150 ASVG verwirklicht. Bei Eintritt des Versicherungsfalles während dieser Zeitspanne sei (auch) die Anstaltspflege zeitlich unbefristet zu gewähren, wenn und solange die Art der Krankheit es erfordere. Der Anspruch auf Krankenbehandlung und Anstaltspflege bestehe über das Ende der Versicherung bzw der Fortleistungsfälle hinaus solange fort, als es sich um ein und denselben Versicherungsfall handle. Ein solch einheitlicher Versicherungsfall liege vor, solange dasselbe Leiden Krankenbehandlung oder Anstaltspflege erforderlich mache. Trete der Versicherungfall nach dem Ende der Versicherung bzw nach dem Erlöschen der Fortleistungsansprüche auf Kranken-, Wochengeld- oder Anstaltspflege während einer dreiwöchigen Frist ein, so bestehe für bestimmte Erwerbslose ein zeitlich beschränkter Anspruch auf Krankenbehandlung oder Anstaltspflege bis zur Höchstdauer von 26 Wochen (Schutzfristfälle). Die 3-Wochen-Schutzfrist verlängere sich um die Dauer von Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienst sowie um die Zeit des Arbeitslosengeldruhens wegen Bezuges einer Urlaubsentschädigung und des Arbeitslosengeld- oder Notstandshilfeverlustes wegen fehlender Arbeitswilligkeit, nicht aber um die Dauer einer Strafhaft. Die Leistungsfrist beginne mit dem Ende des Versicherungsfalles zu laufen. Ein nachgehender Versicherungsschutz bestehe zudem insoweit, als der Versicherungsfall der Krankheit während der Zeit eintrete, für die ein Anspruch auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft gegeben sei oder der Beginn der 32. Woche vor dem Beginn des Versicherungsfalles der Mutterschaft noch im versicherten Beschäftigungsverhältnis liege und dieses ununterbrochen 3 Monate gedauert habe. Die Zeit der Krankenbehandlung und der Anstaltspflege seien gegenseitig auf die Höchstanspruchsdauer von 26 Wochen anzurechnen (vgl Binder in Tomandl, System der österr. Sozialversicherung, S 213 ff). Ausgehend von diesen, vom Berufungsgericht geteilten Rechtsausführungen des Erstgerichts sei also für den Fall einer Erkrankung während des Bezuges des Wochengeldes oder auch allenfalls danach die Erstklägerin jedenfalls „latent" krankenversichert und damit in einem Zweig der gesetzlichen Pflichtversicherung einbezogen gewesen. Damit sei ihre Arbeitnehmereigenschaft jedenfalls zu bejahen und habe die Erstklägerin ab dem von ihr gewählten Antragstag also einen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld.
Zu erwägen wäre ferner eine Einbeziehung der Klägerin unter Bedachtnahme auf die Regelung über die Kindererziehungszeiten gemäß § 227a ASVG, weil durch Anrechnung dieser Zeiten für eine spätere Pension eine Einbeziehung in die Pensions-(pflicht-)versicherung nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes gleichfalls zu bejahen sei. Ausgehend von hiezu angestellten Überlegungen des Höchstgerichtes (vgl ausführlich hiezu 10 ObS 157/02i) bestehe für das Berufungsgericht kein Zweifel, dass durch die selbstverständlich erst nachträglich wirkende Anrechnung der Kindererziehungszeiten bereits jetzt eine Einbeziehung der Klägerin in die Pensionsversicherung erfolgt ist; durch die Anrechnung von 48 Kalendermonaten sei die Zeit des größtmöglichen Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes von 36 Monaten jedenfalls gedeckt wie auch jene Zeitspanne, die der Europäische Gerichtshof als relevant erachtet habe.
Dass die Bezugnahme auf die „Erziehung im Inland" nicht gemeinschaftsrechtskonform sei, habe das Berufungsgericht bereits im Aufhebungsbeschluss (im ersten Rechtsgang) dargestellt; auf diese weiter aufrecht erhaltenen Ausführungen werde verwiesen. Denn die Forderung, dass Kindererziehungszeiten nur dann anzurechnen seien, wenn sie im Inland zugebracht worden seien, widerspreche dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere den Bestimmungen über die Freizügigkeit und den freien Aufenthalt der Arbeitnehmer bzw der Unionsbürger schlechthin nach den Bestimmungen der Art 18, 39 und 43 EG. Nach ständiger Rechtsprechung des Höchstgerichtes habe Gemeinschaftsrecht Vorrang vor innerstaatlichem Recht. Zum Gemeinschaftsrecht gehörten auch die Entscheidungen des EuGH, die objektives Recht schafften (RIS-Justiz RS010582). Diese Entscheidungen entfalteten über den Ausgangsrechtsstreit hinaus eine rechtliche Bindung dahin, dass alle Gerichte der Mitgliedsstaaten die vom EuGH vorgenommene Auslegung zu beachten hätten (zB RdW 2001/338; JBl 2001, 600; 4 Ob 70/02a). Sei eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nicht möglich, so sei das nationale Gericht verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräume, zu schützen. Notfalls seien jene nationalen Bestimmungen nicht anzuwenden, deren Anwendung zu einem gemeinschaftswidrigen Ergebnis führen würden (EuGH Rs C-327/00 = DRdA 2003/60; 4 Ob 226/03v). Ausgehend von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 7. 2. 2002, Rs C-28/00 (zitiert in 10 ObS 61/02x) sei die Forderung, dass eine Leistung nur dann gebühre, wenn ein entsprechender Inlandsbezug gegeben sei, gemeinschaftsrechtswidrig.
Der beklagten Partei sei daher zu erwidern, dass jedenfalls die Arbeitnehmereigenschaft der Erstklägerin gegeben sei. Abschließend und unabhängig von allfälligen Ausgleichsleistungen sei für die Erstklägerin darauf zu verweisen, dass der Europäische Gerichtshof auf den nunmehr festgestellten Sachverhalt schon Bedacht genommen habe; er habe in Rz 63 seines Urteiles (wörtlich) festgehalten:
„Es ist jedoch klarzustellen, dass für den - vom vorlegenden Gericht erwähnten - Fall, dass Frau D***** keinen Anspruch auf das deutsche Erziehungsgeld hat, weil die in den deutschen Rechtsvorschriften festgelegte Einkommensgrenze überschritten wird, und auch ihr Ehemann, weil er voll erwerbstätig ist, keinen Anspruch hat, ihre Situation nur durch Art 73 der Verordnung Nr 1408/71 geregelt würde, ohne dass auf die in dieser Verordnung und in der Verordnung Nr 574/72 vorgesehene 'Antikumulierungs'-Regeln zurückzugreifen wäre."
Genau die vom Europäischen Gerichtshof vorgegebenen Prämissen seien nunmehr nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes eingetreten; daher seien nicht die Antikumulierungsregeln auf die Erstklägerin anzuwenden, sondern die Regel des Art 73 der VO (EWG) 1408/71 . In diesem Artikel werde ausschließlich auf die Zuständigkeit des Beschäftigerstaates (hier Österreich) Bezug genommen, sodass der Wohnort letztendlich für die Erstklägerin völlig ohne Bedeutung sei. Wenn dies der Fall sei, stelle sich auch das Problem der in der Berufung angesprochenen Ausgleichszahlungen nicht, weil eine solche nicht zu leisten sei, sondern die beklagte Partei im Gegenteil das Kinderbetreuungsgeld in der gesetzlichen Höhe an die Klägerin zu gewähren habe.
Da die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes im § 3 Abs 1 KBG gesetzlich fixiert sei und auch keiner Änderung unterworfen sein könne (etwa im Sinne einer Ausgleichszahlung), sei das Ersturteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die beklagte Partei zur Bezahlung dieses täglichen Satzes im Hinblick auf die bereits eingetretene Fälligkeit aller Leistungen (vgl § 33 KBGG) verurteilt werde.
Weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der hier in Frage kommenden Problematik der Arbeitnehmereigenschaft nicht ersichtlich sei und überhaupt einschlägige Entscheidungen zum Kinderbetreuungsgeld fehlten, sei die ordentliche Revision zulässig.
Zu Pkt 2) des Spruches:
Für die Zweitklägerin hätte bezogen auf die Einbeziehung in die gesetzliche Pflichtversicherung dieselben Überlegungen zu gelten, wie für die Erstklägerin; auf diese Ausführungen könne zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. Ungeachtet dessen, dass die Zweitklägerin erst nach Ablauf von 2 Jahren nach der Geburt ihres Kindes wiederum ihr karenziertes Dienstverhältnis angetreten habe, sei auch für sie die Einbeziehung in die Kranken- und Pensionsversicherung zu unterstellen.
Allerdings sei für die Zweitklägerin der in Punkt 2) des Spruches des Europäischen Gerichtshofs angesprochene Kollisionsfall maßgeblich, weil für sie (ihren nunmehrigen Ehegatten) in der BRD als dem Wohnsitzstaat ein Erziehungsgeld nicht nur vorgesehen, sondern - wenn auch bedingt - ihr sogar tatsächlich zuerkannt worden sei. Es wäre nunmehr Sache der beklagten Partei gewesen, in Anbetracht der sie treffenden Beweispflicht vorzubringen und unter Beweis zu stellen, in welcher Höhe sich die vorgesehene und hier offenbar auch tatsächlich gewährte Familienleistung in der BRD bewege. Erst wenn diese Leistung feststehe, könne dazu Stellung genommen werden, in welcher Höhe (dennoch) österreichisches Kinderbetreuungsgeld als Ausgleichszahlung zu leisten wäre. Sei das deutsche Erziehungsgeld niedriger, habe im Sinne der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs Österreich als Beschäftigerstaat die Differenz auf das Kinderbetreuungsgeld zu erbringen. Woher die beklagte Partei die Rechtsansicht nehme, sie wäre durch die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs bestätigt worden, sei für das Berufungsgericht nicht zu erkennen; habe sich die beklagte Partei doch vorrangig stets auf den Standpunkt gestellt, dass Österreich keinesfalls für die Bezahlung von Kinderbetreuungsgeld zuständig sei.
Diese Ausgleichszahlungen seien (auch) bezogen auf die Zweitklägerin von der beklagten Partei dürftig, aber gerade noch ausreichend in das erstinstanzliche Verfahren eingebracht worden. Es wäre daher erforderlich gewesen, dass das Erstgericht mit den Parteien auch diesen Gesichtspunkt erörtere und sie zu entsprechendem Vorbringen samt Beweisanboten anleite. Um diesen, vom Erstgericht, aber auch den Parteien offenbar nicht ausreichend bedachten Gesichtspunkt zu erörtern, sei bezogen auf die Zweitklägerin das Ersturteil aufzuheben und eine entsprechende Verfahrensergänzung aufzutragen. Soweit sich die beklagte Partei in ihrer Berufung auf angeblich geleistete Ausgleichszahlungen und auch auf die Praxis der deutschen Behörden beziehe, verletze sie das in Sozialrechtssachen unumschränkt geltende Neuerungsverbot des § 482 ZPO. Solches Vorbringen sei auch bei großzügiger Auslegung der bisherigen Einwendungen der beklagten Partei nicht zu unterstellen, was aber - wie ausgeführt - nichts [daran] ändere, dass bezogen auf die Zweitklägerin sich eine Erörterung insbesondere aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse als notwendig darstelle.
Abschließend könne das Berufungsgericht nicht erkennen, dass sich durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 7. 7. 2005, C 153/03 [Weide] eine Änderung zugunsten der beklagten Partei ergeben hätte. Vielmehr werde - dies bemerke die beklagte Partei zutreffend - die im vorliegenden Fall vom Europäischen Gerichtshof vertretene Rechtsansicht nur wiederholt.
Da sich auch für den Aufhebungsbeschluss die identen Probleme mit der Einbeziehung in die gesetzliche Versicherung als Arbeitnehmer ergeben hätten, wie bei der Erstklägerin und darüber hinaus auch die Frage der Beweislast für die Anrechnung ausländischer Leistungen nicht höchstgerichtlich geklärt sei, liege eine erhebliche Rechtsfrage vor. Daher sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig. Gegen diese Entscheidungen richten sich die Revision und der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, das Teilurteil bzw den Aufhebungsbeschluss im klageabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerinnen beantragen, die gegnerischen Rechtsmittel zurückzuweisen, in eventu, diesen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision und der Rekurs sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerinnen im Sinne der VO (EWG) Nr 1408/71 liege nicht vor, weil die Bestimmung über eine Teilversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG erst mit 1. 1. 2005 in Kraft getreten sei, und auch die anderen Argumente des Berufungsgerichts, die hilfsweise den Zeitraum 1. 7. 2002 bis 7. 10. 2002 hinsichtlich der Erstklägerin (bis zur Vollversicherung) bzw „insgesamt" hinsichtlich der Zweitklägerin abzudecken suchten, einer Überprüfung nicht standhielten. Selbst wenn man aber - aus Sicht der Beklagten unstrittig - ab dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Vollversicherungspflicht, von einer Arbeitnehmereigenschaft der Erstklägerin ausgehe, wäre ihr gegenüber auf die Antikumulierungsbestimmung des Art 10 der VO (EWG) Nr 574/72 nur dann nicht Bedacht zu nehmen, wenn feststünde, dass weder sie noch ihr Mann Anspruch auf das deutsche Erziehungsgeld hätten, sodass die Situation nur durch Art 73 der VO (EWG) Nr 1408/71 geregelt würde. Eine insoweit klagestattgebende Entscheidung hätte also nur getroffen werden dürfen, wenn festgestellt worden wäre, dass „weder die [Erst-]klägerin, noch die für die Unterhaltsleistung ihres Sohnes weiters heranzuziehenden Unterhaltsberechtigten [?] keinen [?] Anspruch auf Bundeserziehungsgeld nach Maßgabe der deutschen Rechtsvorschriften haben".
Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:
Die VO (EWG) Nr 1408/71 bestimmt in ihrem Art 2 Abs 1, dass sie unter anderem für Arbeitnehmer und Selbständige, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für deren Familienangehörige gilt. Die Begriffe „Arbeitnehmer" und „Selbständige" sind in Art 1 lit a der VO definiert. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes besitzt eine Person die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der VO, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art 1 lit a der VO genannten allgemeinen oder besonderen Systemen der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Daraus folgt, dass das bloße Ruhen der Hauptverpflichtungen aus einem Arbeitsverhältnis während eines bestimmten Zeitraumes dem Beschäftigten nicht seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nehmen kann. Es ist dabei Sache des nationalen Gerichts, die notwendigen Prüfungen vorzunehmen, um festzustellen, ob die betreffende Person in den Zeiträumen, für die die fraglichen Leistungen beantragt wurden, einem Zweig des Systems der sozialen Sicherheit angehört hat und damit unter den Begriff „Arbeitnehmer" iSd Art 1 lit a der VO (EWG) Nr 1408/71 fiel (EuGH, 7. 6. 2005, Rs C-543/01 [Dodl/Oberhollenzer] = WBl 2005/242, 466 = ZAS 2005/154, 223 = RdW 2005/648, 564 mwN). Im Rahmen dieser Prüfung ist zunächst festzuhalten, dass eine Bindung an die in einem vorangegangenen Aufhebungsbeschluss vertretene Rechtsansicht des Berufungsgerichtes für den Obersten Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung auch dann nicht gegeben ist, wenn trotz Zulassung eines Rekurses im ersten Rechtsgang ein solcher nicht erhoben wurde (stRsp; SpR 37 = SZ 26/312 = EvBl 1954/138 ua; EvBl 1996/15; Kodek in Rechberger² § 519 ZPO Rz 5). Es kann vielmehr dennoch im zweiten Rechtsgang die dem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang zugrunde gelegte Rechtsansicht bekämpft werden (RIS-Justiz RS0042168; zu allem 8 ObA 135/02i). Zulässig und zutreffend macht die beklagte Partei daher geltend, dass die vom Berufungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung angenommene Teilversicherung der Klägerin in der Pensionsversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG jedenfalls bis 31. 12. 2004 nicht vorlag, da diese Bestimmung erst mit 1. 1. 2005 in Kraft getreten ist und nur Zeiten ab dem Inkrafttreten betrifft. Für die Zeiten vor dem 31. 12. 2004 ist mangels einer Rückwirkungsbestimmung keine Teilversicherung vorgesehen (in diesem Sinne zuletzt: 10 ObS 65/06s), sodass daraus eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerinnen iSd Art 1 lit a der VO (EWG) Nr 1408/71 jedenfalls nicht abzuleiten ist.
Für den Standpunkt der beklagten Partei ist damit jedoch nichts gewonnen. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt hat, werden nach § 122 ASVG Leistungen aus dem Versicherungsfall der Krankheit unter bestimmten Bedingungen auch über das Ende der Versicherung hinaus gewährt (vgl § 122 Abs 1 ASVG;
„Fortleistungsfälle" iSd § 122 Abs 2 Z 1 ASVG, „Schutzfristfälle" iSd § 122 Abs 2 Z 2 ASVG). Über diese auch in der Revision zugestandenen „Nachwirkungen" der genannten Versicherungsleistungen hinaus ist aber noch davon auszugehen, dass die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der VO (EWG) Nr 1408/71 auch bei einem karenzierten - und damit weiter aufrecht bestehenden - Arbeitsverhältnis schon wegen der engen Verknüpfung mit der Erwerbstätigkeit zu bejahen ist, solange der Status, der mit der Ausübung der Erwerbstätigkeit vergleichbar ist - in Österreich der Zeitraum des Kündigungsschutzes nach dem Mutterschutzgesetz -, besteht (vgl Beschluss Nr 207 [nicht veröffentlicht] der gemäß Art 80 der VO (EWG) Nr 1408/71 bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eingesetzten Verwaltungskommission für soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer). Demgemäß sind auch der Generalanwalt und alle übrigen im Verfahren über das vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang gestellte Vorabentscheidungsersuchen Beteiligten, die schriftliche Erklärungen abgegeben haben, - den bindenden Feststellungen über die Zeiträume der (Mutterschafts-)Karenz der beiden Klägerinnen folgend - übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Klägerinnen trotz des zeitweiligen Ruhens ihrer Arbeitsverhältnisse unter den Begriff „Arbeitnehmer" nach Art 1 lit a der VO (EWG) Nr 1408/71 fallen (Urteil vom 7. 6. 2005, Rs C-543/01 [Dodl/Oberhollenzer] Rz 26). Auch Art 73 der VO (EWG) Nr 1408/71 iVm Art 13 dieser VO erfasst daher Arbeitnehmer deren Beschäftigungsverhältnis zwar aufrecht ist, aber aufgrund von unbezahltem Erziehungsurlaub keine Arbeits- oder Entgeltspflichten begründet und nach nationalem Recht keine Sozialversicherungspflicht auslöst (vgl den Schlussantrag des Generalanwalts vom 22. 2. 2005, Slg 2005 I - 5049 ff Rn 13). Dieser Auffassung folgend hat auch der Senat erst jüngst zum Kinderbetreuungsgeldanspruch aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen ausgesprochen (E v 17. 8. 2006, 10 ObS 65/06s), dass sich die Situation der [dortigen] Klägerin grundlegend von der Situation der Klägerinnen im hier vorliegenden, vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Verfahren (Rs C-543/01 ) unterscheidet, da sich diese beiden Klägerinnen in einem aufrechten, nach dem österreichischen Mutterschutzgesetz karenzierten Dienstverhältnis befunden haben, womit sie das Erfordernis des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung in Österreich erfüllten.
Das Berufungsgericht ist somit zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass beide Klägerinnen in den persönlichen Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr 1408/71 fallen.
Die zuletzt, nur hinsichtlich der Erstklägerin erstatteten Rechtsmittelausführungen zu der weiterhin ins Treffen geführten Antikumulierungsbestimmung (Art 10 der VO [EWG] 574/72) entfernen sich hingegen von den unbekämpfbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen; danach hat nämlich weder die Erstklägerin (deren Einkommen zu hoch ist), noch ihr Ehemann (der voll erwerbstätig ist) Anspruch auf das deutsche Budeserziehungsgeld.
Es liegt also eine Situation vor, die - wie der Europäische Gerichtshof ausgesprochen hat (Urteil vom 7. 6. 2005, Rs C-543/01 [Dodl/Oberhollenzer] Rz 63) und auch die Revision erkennt - „nur durch Art 73 der VO Nr 1408/71 geregelt ist, ohne dass auf die in dieser Verordnung und in der VO Nr 574/72 vorgesehene 'Antikumulierungs'-Regeln zurückzugreifen wäre". Ob deutsches Bundeserziehungsgeld als vorläufige Zahlung bei Streitigkeiten über anzuwendende Rechtsvorschriften nach Art 114 der VO (EWG) 574/72 - wie die Revision meint - „allenfalls auch faktisch gewährt wurde" ist somit nicht entscheidend.
Abschließend kann daher auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO; hinsichtlich der Zweitklägerin: § 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO). Bei Zugrundelegung dieser Rechtsansicht bedarf es der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung nur hinsichtlich der Zweitklägerin, sodass die Revision und der Rekurs der beklagten Partei erfolglos bleiben mussten.
Die Kostenentscheidung beruht, was die Revisionsbeantwortung der Erstklägerin betrifft, auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG, hinsichtlich des Vorbehalts der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Rekursbeantwortung der Zeitklägerin, auf § 52 Abs 1 ZPO. Bei dem im letzten Absatz des Spruches genannten weiteren (Rechtsmittel-)Schriftsatz, in dem die beklagte Partei ausdrücklich ihren in Revision und Rekurs dargelegten Standpunkt „nochmals erläutert", handelt es sich um einen Nachtrag, der das vorliegende Rechtsmittel ergänzt. Abgesehen davon, dass er schon deshalb zurückgewiesen werden muss, weil er lange nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, steht nach dem Grundsatz der „Einmaligkeit des Rechtsmittels" jeder Partei im Rechtsmittelverfahren nur ein Schriftsatz zu (stRsp; RIS-Justiz RS0041666; 7 Ob 181/04z mwN; 10 ObS 83/05m). Eine Replik auf die Rechtsmittelgegenschrift des Gegners ist nicht vorgesehen (Zechner in Fasching/Konecny² § 507 ZPO Rz 26; RIS-Justiz RS0043697, zuletzt: 9 ObA 3/06s).
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