OGH 8ObA135/02i

OGH8ObA135/02i19.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Ing. Wilhelm Sturm als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen des Klägers Werner T*****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) M***** Zeitschriftenverlags GmbH, *****, und 2.) M***** Verlag GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen zu 1.) restlichen EUR

20.941,67 (= S 288.163,69) brutto sA (Revisionsinteresse EUR

11.876,44 = S 163.423,38 brutto sA), infolge Revision der klagenden

Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. März 2002, GZ 10 Ra 27/02t-82, mit dem das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12. Juli 2001, GZ 13 Cga 132/94i-77 bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung - Abweisung eines Begehrens von EUR 11.876,44 brutto sA - aufgehoben und die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Hinsichtlich der getroffenen Feststellungen und des Ganges des Verfahrens wird auf die umfassende Darstellung in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Hier wird nur das für das Verständnis des vorliegenden Aufhebungsbeschlusses Erforderliche hervorgehoben. Strittig ist im Rahmen des bisherigen (2.) Teilurteils nur mehr ein Betrag von EUR 11.878,44 = S 163.423,38 brutto sA an Überstundenentgelt, der abgewiesen wurde, weil eine Überstundenentlohnung nur bei abhängigen, nicht aber bei freien Arbeitsverhältnissen gebühre und nicht feststellbar gewesen sei, wie viele der geleisteten Überstunden auf das abhängige und wie viele auf das freie Dienstverhältnis entfallen seien.

Das Berufungsgericht hob im ersten Rechtsgang (ON 65) das Teilurteil teilweise, und zwar ua zur Prüfung der Frage auf, ob trotz der beiden vorliegenden Verträge ein einheitliches Arbeitsverhältnis anzunehmen sei, ging aber im Übrigen davon aus, dass auch im Falle der Bejahung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses dieses in ein abhängiges und ein freies Arbeitsverhältnis aufzuteilen wäre. Diesbezüglich ließ es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu; keine der Parteien nutzte aber im ersten Rechtsgang die Gelegenheit, den Obersten Gerichtshof anzurufen.

Im zweiten Rechtsgang ging das Erstgericht von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis aus, weil die gewählte vertragliche Konstruktion - zwei Verträge, nämlich ein Dienstvertrag und ein freies Dienstverhältnis - einseitig von den beklagten Parteien zum (eindeutig überwiegenden) Nachteil des Klägers geschaffen worden sei und deshalb ein Umgehungsgeschäft vorliege. Aufgrund der überbundenen Rechtsansicht sei jedoch davon auszugehen, dass dieses einheitliche Arbeitsverhältnis in ein abhängiges und in ein freies Arbeitsverhältnis aufzugliedern sei. Eine Überstundenbezahlung erfolge nur beim abhängigen, nicht jedoch beim freien Arbeitsverhältnis. Es habe jedoch nicht geklärt werden können, wie viele der geleisteten Überstunden auf das abhängige und wie viele auf das freie Arbeitsverhältnis entfallen seien. Da die Beweislast den Kläger treffe, hätte das Begehren auf Überstundenentgelt abgewiesen werden müssen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Begehrens auf Überstundenentgelt nicht statt. Das ergänzende Vorbringen des Klägers im zweiten Rechtsgang sei nur insoweit zu beachten, als es in Richtung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses gehe. Soferne darin auch - zumindest ansatzweise - behauptet werde, dass das Vertragsverhältnis zur zweitbeklagten Partei kein freies Arbeitsverhältnis gewesen sei, handle es sich um einen abschließend erledigten Streitpunkt, der nicht wieder aufgerollt werden könne. § 496 Z 3 ZPO regle die rechtlichen Feststellungsmängel, also die Fälle, in denen das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen und notwendigerweise nicht aufgenommen habe. Auch wenn für die Aufhebung nach dieser Bestimmung § 496 ZPO keine Beschränkung enthalte, könnten nach der Rechtsprechung auch in diesem Fall abschließend erledigte Streitpunkte nicht wieder aufgerollt werden. In diesem Umfang sei daher ein neues Vorbringen nicht zulässig. Der Kläger habe im ersten Rechtsgang nur vorgebracht, dass die Vereinbarungen vom 12. 4. 1988 als Einheit zu sehen seien bzw von einem einheitlichen Dienstverhältnis auszugehen sei. Er habe jedoch nie ausdrücklich vorgebracht, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis, dem die Provisionsvereinbarung zugrundeliege, um ein abhängiges Dienstverhältnis handle. Aus diesem Grund habe das Berufungsgericht bereits in seinem Aufhebungsbeschluss vom 30. 10. 2000 ausgeführt, dass hinsichtlich des Vertragsverhältnisses zur zweitbeklagten Partei von einem sogenannten freien Arbeitsverhältnis auszugehen sei. Dieser Umstand sei daher der vorliegenden Entscheidung zugrunde zulegen. Damit gingen die Ausführungen des Berufungswerbers in seiner Berufung, insofern sie auf ein abhängiges Arbeitsverhältnis zur zweitbeklagten Partei gerichtet seien, ins Leere.

Was den Anfechtungsumfang der gegen dieses Urteil erhobenen Revision des Klägers betrifft, ist ungeachtet der offenbar auf einer irrtümlichen Verwechslung des in Rechtskraft erwachsenen Zuspruches des Erstgerichts mit dem noch strittigen Betrag aus dem Titel der Überstunden in Punkt 1.) der Anfechtungserklärung von einer Anfechtung im Umfang des noch streitverfangenen Teiles des Teilurteiles - des aus dem Titel des Überstundenentgelts geforderten Betrages von EUR 11.876,44, wie er auch im Rubrum der Revision angeführt ist - auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist im Sinne des Eventualantrages auf Aufhebung berechtigt.

Selbst die beklagte Partei gesteht zu, dass die überbundene Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass auch im Falle eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses eine Gliederung in ein abhängiges und ein freies Arbeitsverhältnis vorzunehmen sei, völlig überraschend gewesen sei.

Entgegen den aktenwidrigen Ausführungen des Berufungsgerichtes hat der Kläger bereits im ersten Rechtsgang deutlich vorgebracht, dass er die Feststellung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines abhängigen und nicht eines freien Arbeitsverhältnisses anstrebe (ON 10 S 2). Mit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass im Rahmen eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses eine Untergliederung in ein abhängiges und in ein freies Dienstverhältnis vorgenommen werden könne, musste und konnte der Kläger nicht rechnen. Er konnte im Sinne der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung (näheres siehe unten) davon ausgehen, dass ein einheitliches Arbeitsverhältnis je nach Gewichtung der einzelnen Elemente nur ein abhängiges oder ein freies sein konnte und musste daher hiezu kein detaillierteres Vorbringen erstatten.

Eine Bindung an diese Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist für den Obersten Gerichtshof auch dann nicht gegeben, wenn trotz Zulassung eines Rekurses im ersten Rechtsgang ein solcher nicht erhoben wurde. Nach ständiger Rechtsprechung (SpR 37 = SZ 26/312 = EvBl 1954/138 ua; zuletzt etwa EvBl 1996/15; Kodek in Rechberger Komm ZPO2 Rz 5 zu § 519) kann dennoch im zweiten Rechtsgang die dem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang zugrundegelegte Rechtsansicht bekämpft werden. In einem Aufhebungsbeschluss des Gerichtes zweiter Instanz kann eine Frage grundsätzlich nur für dieses Gericht abschließend erledigt werden, weil - wie erwähnt - die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsansicht auch noch im zweiten Rechtsgang an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (7 Ob 300/98p). Im Falle einer überbundenen Rechtsansicht des Berufungsgerichtes kann daher nicht von einem abschließend erledigten Streitpunkt gesprochen werden, der nicht mehr aufgerollt werden könnte.

Die dem Erstgericht überbundene Rechtsansicht des Berufungsgerichtes wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt.

Der Oberste Gerichtshof hat stets abgelehnt, eine Tätigkeit in einen abhängigen und einen selbständigen Teil zu zerlegen. So hat er in seiner Entscheidung 9 ObA 52/88 (= WBl 1988, 400 = RdW 1989, 29 = ZAS 1989/19 [Schäffl]) die Rechtsansicht der beklagten Partei abgelehnt, dass die Klägerin nur als Managerin in einem Angestelltenverhältnis gestanden sei, ihre Tätigkeit als Kosmetikberaterin aber im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt habe. Es sei vom Gesamtbild der Tätigkeit auszugehen, die die Klägerin ausgeübt habe und danach zu beurteilen, wie die Tätigkeit insgesamt zu beurteilen sei. Hiebei sei nicht nur auf das Überwiegen der Merkmale eines abhängigen oder freien Dienstvertrages abzustellen, sondern auch zu berücksichtigen, ob die Klägerin tatsächlich einen Arbeitsvertrag schließen wollte und ob die Vereinbarung freier Mitarbeit nicht nur zur Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen oder zur Verschleierung eines Arbeitsverhältnisses gewählt worden sei (in diesem Sinn auch 9 ObA 48/88 und 4 Ob 124/79 = DRdA 1982, 207 [Rabofsky], letztere hinsichtlich der einheitlichen Beurteilung eines Vertrages als Bearbeiter, Regisseur und Schauspieler als Dienstvertrag oder Werkvertrag). Der Oberste Gerichtshof sprach auch aus, dass der Umstand, dass das Einkommen des Klägers überwiegend aus Provisionen bestehe, der Annahme eines Dienstvertrages nicht entgegenstehe (9 ObA 187/99m = ARD 5121/7/00).

Gerade ein solcher Fall liegt auch hier vor, auch wenn die beiden Verträge - von beiden Seiten übrigens unbemerkt - formell von zwei verschiedenen Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe geschlossen wurden. Es steht bereits fest, dass es sich in Wahrheit um einen einheitlichen Vertrag gehandelt hat, der nur in Umgehungsabsicht entgegen dem Wunsche des Klägers zu dessen überwiegenden Nachteil in zwei Verträge aufgeteilt wurde. Es kann nach den bereits getroffenen Feststellungen aber auch nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger im Sinn der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (SZ 54/75; Arb 10.060, 10.096 uva) trotz gewisser Merkmale persönlicher Selbständigkeit in einem solchen Maß persönlich abhängig und weisungsunterworfen in das Unternehmen der erstbeklagten Partei eingebunden war, dass von einem Arbeitsvertrag - und keinem freien Dienstvertrag - auszugehen ist:

Der Kläger war regelmäßig täglich im Unternehmen der beklagten Partei zwischen 8 Uhr und 16 oder 17 Uhr anwesend, wobei seine Anwesenheit durch auswärtige Termine immer wieder unterbrochen war, und stellte damit seine ganze Arbeitskraft ausschließlich in den Dienst der beklagten Partei, die diese Tätigkeit während des gesamten ca fünfjährigen Arbeitsverhältnisses lückenlos entgegen nahm. Überdies besuchte der Kläger im Interesse und mit Genehmigung der beklagten Partei regelmäßig an Wochenenden Messen, die überwiegend der Aufrechterhaltung bzw Erneuerung von Kundenkontakten, somit auch der Inseratenakquisition dienten. Der Kläger konnte die Messebesuche aber auch für die Abfassung von Beiträgen im Touristik-Telegramm, also für seine Tätigkeit als Journalist bzw Redakteur nutzen. Diese Messebesuche waren in der normalen vierzigstündigen Arbeitszeit nicht möglich. Infolge dessen steht dem Kläger ein Anspruch auf Überstundenvergütung zu (RIS-Justiz RS0051453, zuletzt SZ 72/71 und 8 ObA 35/02h).

Geht man davon aus, dass der für beide Gesellschaften als handelsrechtlicher Geschäftsführer selbständig vertretungsberechtigte Hans Jörgen M***** (einen einheitlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, dann gelangt man zu einer Solidarhaftung beider Gesellschaften für alle Ansprüche des Klägers aus diesem Vertrag; infolge dessen können alle offenen Ansprüche auch gegen die nunmehr allein in Anspruch genommene erstbeklagte Partei geltend gemacht werden. Es steht fest, dass der Kläger an Samstagen und Sonntagen in den Jahren 1992 und 1993 im Zusammenhang mit den genannten Messebesuchen insgesamt 104 Überstunden leistete. Diese insgesamt 104 Überstunden sind dem Kläger antragsgemäß abzugelten.

Die Berechnung der geltend gemachten Ansprüche hat der Kläger in ON 10 vorgenommen. Da aber keine Feststellungen zur Höhe des gebührenden Überstundentgelts getroffen wurden und der begehrte Betrag von der beklagten Partei auch der Höhe nach nicht außer Streit gestellt wurde, müssen die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der Anfechtung zur Nachholung entsprechender Feststellungen bezüglich der Höhe des gebührenden Überstundenentgelts aufgehoben werden.

Im fortgesetzten Verfahren wird hinsichtlich der Berechnung zu beachten sein: Folgt man der von Klein (in Cerny/Klein/Schwarz Arbeitszeitgesetz 170 f) überzeugend dargelegten Berechnung und geht man von dem vereinbarten fixen monatlichen Entgelt von S 30.000 und der vereinbarten Provision von 13,5 % für zustandegekommene Insertionsaufträge bei einer - nach der tatsächlichen Handhabung des Vertrages zu leistenden - Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden aus, dann ist für die Ermittlung des auf die Normalarbeitsstunde entfallenden Entgelts die auf einen Monat entfallende Provision durch die in diesem Monat geleistete Zahl der Arbeitsstunden (einschließlich Überstunden) zu dividieren; dieser Betrag zuzüglich des auf eine Normalarbeitsstunde entfallenden Teiles des fixen monatlichen Entgelts ergibt als Normallohn im Sinne des § 10 Abs 3 AZG die Basis für die Berechnung des Überstundenzuschlages. Neben dem Überstundenzuschlag gebührt für die Überstunde nur der auf eine Normalstunde entfallende Teil des fixen Entgelts, weil die während der Überstundenzeit entfaltete Akquisitionstätigkeit ohnehin durch die dafür zu leistende Provision abgegolten wird.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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