European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00160.15H.0917.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.119,24 EUR (darin 186,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Beklagte ist Eigentümerin einer Wohnhausanlage, in der sie Wohnungen für „Betreubares Wohnen“ vermietet. Die Klägerin beabsichtigte am 4. 1. 2013, eine Mieterin in der Anlage zu besuchen. Um deren Wohnung zu erreichen, ging sie eine Stiege hinunter und hielt sich mit der rechten Hand am rechten Handlauf fest. Dieser Handlauf endete allerdings bereits vor der letzten Auftrittsstufe, die auch mit dunklerem Fliesenmaterial belegt und bei schlechter Sicht weniger gut sichtbar ist als die restlichen helleren Stufen. Die Klägerin kam über diese letzte Stufe zu Sturz, wobei der genaue Unfallhergang nicht festgestellt wurde. Ob der im Stiegenhaus vorhandene Bewegungsmelder so rasch reagierte, dass bei Passieren des Schlussteils der Stiege rechtzeitig die Beleuchtung eingeschaltet wurde, konnte nicht festgestellt werden. Über dieselbe Stiege waren vorher schon drei andere Personen gestürzt. Die Hausverwaltung des Objekts wurde ‑ zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt ‑ über diese Stürze informiert. Die Klägerin zog sich nicht unerhebliche Verletzungen zu.
Sie begehrte nun die Zahlung von 13.717,72 EUR samt Zinsen sowie die Feststellung, dass die Beklagte ihr für alle künftigen Schäden aus diesem Sturz hafte. Die Beklagte habe bei der Errichtung des Objekts im Stiegenbereich die technischen Anforderungen für eine barrierefreie Gestaltung nicht eingehalten. Aufgrund des vorzeitig endenden Handlaufs entstehe für den Stiegenbenützer der Eindruck, dass auch die Stiege früher ende. Darüber hinaus fehlten kontrastierende Markierungsstreifen an den Vorderkanten der letzten Stufe. Die Beleuchtung schalte sich (durch einen Bewegungsmelder) erst ein, wenn man die Treppe bereits verlassen habe. Da sich in einem solchen Wohnhaus hauptsächlich ältere Menschen mit Mobilitätsstörungen und Sehschwächen aufhielten, sei der einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab für die Verkehrssicherungspflicht noch höher als in normalen Wohnhäusern. An der selben Stelle seien bereits mehrere Personen gestürzt und hätten sich verletzt. Dennoch weigere sich die Beklagte, diese Gefahrenquelle zu beseitigen. Die Beklagte sei auch bereits vor dem Sturz der Klägerin informiert und gebeten worden, die Gefahrenquelle zu beseitigen bzw entsprechende Markierungsstreifen anzubringen.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, sie habe darauf vertrauen dürfen, dass das Objekt sämtlichen Sicherheitsanforderungen entspreche, sei es doch von einem Architekturbüro geplant und von einem Bauunternehmen errichtet worden. Es seien alle Bestimmungen der ÖNORMEN eingehalten worden. Eine Haftung für die herangezogenen Professionisten treffe die Beklagte nicht. Die Klägerin hätte bei entsprechender Aufmerksamkeit den Unfall leicht verhindern können. Die vorhandenen Bewegungsmelder hätten für eine ausreichende Ausleuchtung gesorgt. Vor dem Sturz der Klägerin seien weder die Hausverwaltung noch der Hausmeister über ähnliche Stürze bzw Verletzungen informiert worden. Eine solche Information sei erst nach dem Unfall der Klägerin erfolgt.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Eine vertragliche Haftung gegenüber der Klägerin nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter bestehe nicht, weil die Klägerin als bloße Besucherin einer Mieterin vom vertraglichen Schutzbereich nicht erfasst sei. Auch eine Haftung wegen Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten sei zu verneinen. Der Verkehrssicherungspflichtige könne seinen Sorgfaltspflichten auch dadurch nachkommen, dass er eine andere geeignete Person mit der Durchführung der erforderlichen Verkehrssicherungsmaßnahmen betraut. Für diesen Gehilfen hafte er nur nach § 1315 ABGB, wenn also der eingesetzte Gehilfe für die ihm übertragenen Aufgaben ungeeignet ist. Hier habe die Beklagte das Objekt durch ein Architekturbüro planen und durch eine Generalunternehmerin ausführen lassen. Bei derartigen Fachleuten sei grundsätzlich davon auszugehen, dass diese die ihnen übertragenen Aufgaben gewissenhaft erfüllen, weshalb sie nicht „untüchtig“ im Sinn des § 1315 ABGB seien.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Das Erstgericht habe eine vertragliche Haftung zu Recht verneint, vertrete doch der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Nebenpflichten des Vermieters aus dem Bestandvertrag nicht auf Personen erstrecken, die sich in den Mieträumen nur kurzfristig aufhalten wie Gäste, Lieferanten, Handwerker oder bloße Besucher. Solche Dritten seien von den Schutzwirkungen eines Bestandvertrags nicht erfasst, nutzten sie das Bestandobjekt doch nicht in ähnlicher Intensität und Häufigkeit wie der Mieter selbst. Zur behaupteten deliktischen Haftung argumentiere die Berufung nicht mehr mit einem allfälligen Fehlverhalten des Architekten und des Baumeisters, sondern damit, dass die Hausverwaltung der Beklagten über drei weitere Stürze von Personen über diese Stiege in Kenntnis gewesen sei und ungeachtet dessen die ihr bekannte und in ihrer Sphäre befindliche Gefahrenstelle habe bestehen lassen. Hier käme eine Haftung der Beklagten nur im Wege der Gehilfenhaftung nach § 1315 ABGB in Frage. Dass die Mitarbeiter der Hausverwaltung untüchtig oder gefährlich wären, sei nicht vorgebracht worden. Es lägen auch keine Beweisergebnisse in dieser Richtung vor. Da nähere Feststellungen dazu fehlten, aufgrund welcher Umstände bereits Personen vor der Klägerin über die Treppe gestürzt sind, und aus welchen Erwägungen die Hausverwaltung es unterlassen habe, die Gefahrenstelle zu entschärfen, könne auf eine Untüchtigkeit im Sinn des § 1315 ABGB nicht geschlossen werden. Die Revision sei zulässig, weil die Klägerin in ihrer Revision eine mögliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und ein Abweichen des Berufungsgerichts von der höchstgerichtlichen Judikatur zur Behauptungs‑ und Beweislast im Zusammenhang mit der Untüchtigkeit eines Gehilfen aufzeige.
Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts unzulässig, weil darin keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert wird.
Rechtliche Beurteilung
1. Wie schon die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, fällt die Klägerin nicht in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Beklagten und der Mieterin, die sie besuchen wollte. Die vertraglichen Schutzpflichten des Vermieters aus dem Bestandvertrag erstrecken sich zwar auch auf die zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörenden Personen, nicht aber auf Personen, die sich in den Mieträumen nur kurzfristig aufhalten, wie Gäste, Lieferanten und Handwerker oder bloße Besucher und zu Besuch weilende Angehörige (vgl 2 Ob 335/97x = JBl 1998, 655 mit Anmerkung Dullinger; 2 Ob 163/99f; 2 Ob 206/08w; 2 Ob 137/11b ua; vgl RIS‑Justiz RS0023168 [T3, T5, T6]).
Kann sich die Klägerin nun nicht auf eine vertragliche Haftung der Beklagten berufen, geht auch ihre Rechtsbehauptung ins Leere, diese hafte für das Verschulden des bauausführenden Generalunternehmers nach § 1313a ABGB. Ebensowenig ist es von Bedeutung, ob die Mieterin Anspruch auf eine den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Ausführung des Mietobjekts bzw der allgemeinen Teile des Hauses hat, wobei die behaupteten Verstöße gegen zwingende Bauvorschriften ausschließlich im Zusammenhang mit der behaupteten Vertragshaftung erörtert werden.
2. Zur behaupteten deliktischen Haftung der Beklagten wendet sich die Revisionswerberin neuerlich gegen die Auffassung der Vorinstanzen, der Geschädigte sei dafür behauptungs‑ und beweispflichtig, dass ein untüchtiger oder gefährlicher Gehilfe den Schaden verursacht hat. Hier übersieht die Revisionswerberin, dass die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs davon ausgeht, dass der Geschädigte ‑ sowohl bei durch Handlungen als auch durch Unterlassungen verursachten Schäden ‑ die (habituelle) Untüchtigkeit des Besorgungsgehilfen zu behaupten und zu beweisen hat (RIS‑Justiz RS0124440). Die frühere gegenteilige Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0026331) ist damit überholt. Im Übrigen setzt sich die Revision ausschließlich mit dem Vorwurf auseinander, (nicht näher benannte) Gehilfen der Beklagten hätten es unterlassen, die ihnen bekannt gewordene Gefahrenquelle zu entschärfen. Eine Erörterung anderer möglicher Anspruchsgrundlagen, etwa von § 1319 ABGB, enthalten die Revisionsausführungen nicht. Ebensowenig wird ein Fehlverhalten von Organen oder Repräsentanten der Beklagten behauptet bzw erörtert.
3. Letztlich ist auch der erhobene Vorwurf einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Verletzung des Überraschungsverbots unberechtigt, zumal die Revisionswerberin die mögliche Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht ausreichend darlegt. Wenn sie lediglich ausführt, sie hätte bei ausreichendem Hinweis auf ihre Behauptungslast vorgebracht, „dass die Gehilfen der beklagten Partei, schon alleine weil sie trotz Bekanntwerdens mehrerer Stürze keine Abhilfehandlungen setzten, untüchtig bzw gefährlich sind“, kommt sie damit dem Gebot, den nachteiligen Einfluss des behaupteten Mangels auf die Entscheidung schlüssig darzulegen (vgl dazu nur Kodek in Rechberger 4 § 503 ZPO Rz 16 mit Judikaturnachweisen, § 471 ZPO Rz 6), nicht nach. Wie schon das Berufungsgericht dargelegt hat, kann aus dem festgestellten Sachverhalt ‑ auf den sich die Revisionswerberin ersichtlich bezieht ‑ ein verlässlicher Schluss auf eine Untüchtigkeit oder gar eine Gefährlichkeit konkreter Hilfspersonen der Beklagten keineswegs gezogen werden. Die Revisionswerberin übersieht in diesem Zusammenhang offenbar auch, dass sich aus den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen nicht einmal ergibt, zu welchem Zeitpunkt Mitarbeiter der Hausverwaltung der Beklagten über vorangegangene Stürze informiert worden sind bzw inwieweit dabei auch die nähere Sturzursache mitgeteilt wurde. Selbst wenn dies bereits einige Zeit vor dem Unfall der Klägerin gewesen sein sollte, könnte aus dem Unterlassen von Abhilfemaßnahmen im zur Verfügung stehenden Zeitraum noch nicht eine habituelle Untüchtigkeit, also eine grundsätzlich fehlende Eignung zur Durchführung der üblichen Hausverwalteraufgaben, geschlossen werden.
4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO.
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